Klüngel, Korruption und Todesstrafen

Shownotes

Für die einen war er ein Volksheld, der im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Vetternwirtschaft den Kopf verlor - für andere ein unbequemer Störenfried, der selbst korrupt war. Für die meisten heute aber ist er ein Unbekannter: Nikolaus Gülich - der Mann, der dem Kölner Klüngel vor dreieinhalb Jahrhunderten den Kampf ansagte.Denn ja: den gab es auch schon in der frühen Neuzeit.

Zu Gast bei Martin und Marko ist diesmal Uli Kievernagel: Köln-Lotse, Blogger und Stadtführer, der mit seinem Podcast "Das Köln-Ding der Woche" nicht nur in der angeblich "schönsten Stadt der Welt" sondern längst auch darüber hinaus bekannt ist.

Wenn ihr endlich mal den Unterschied zwischen Maggeln und Klüngeln wissen wollt. Wenn ihr durchschauen möchtet, wie schon in der frühen Neuzeit Korruption und Vetternwirtschaft funktionierten und warum sich bis heute Leute die Finger schmutzig machen, obwohl es doch heißt "Eine Hand wäscht die andere" - dann ist diese Geschichtsmacher-Folge genau die richtige für euch.

Wichtige Links zu dieser Folge: Hier geht es zum Köln-Ding der Woche - dem Podcast unseres Gasts Uli Kievernagel. Und hier entlang geht es zu Ulis Blog-Artikel über Nikolaus Gülich.

Wenn Dir diese Folge der Geschichtsmacher gefallen hat, dann sag es Freunden, Verwandten, Bekannten, Magglern, Betrügern und allen Schwarze-Kassen-Verwaltern. Wir freuen uns aber auch über Sternchen und Kommentare auf Euren Podcatchern und Audioplattformen, auf Spotify, Apple, Google, Amazon & Co. Wenn es Dir nicht gefallen hat, dann sag es uns, aber bitte nur uns: Unter www.diegeschichtsmacher.de findest Du alle Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten, unseren Newsletter zu abonnieren, uns über Steady zu unterstützen - und vor allem noch viele, viele weitere Folgen dieses Podcasts.

Transkript anzeigen

Geschichtsmacher Klüngeln…

00:00:06: Marko Doch da stehen wir vor dem Kölner Rathaus und recken uns die Hälse lang. Wer steht denn alles da?

00:00:11: Martin Ja, lauter Figuren in Stein gehauen. Ich kenn die alle gar nicht.

00:00:15: Markjo Da ist die Agrippina, das ist die Stadtgründerin..

00:00:18: Martin Ah, und den kenne ich auch. Das ist der Adenauer, der alte Oberbürgermeister.

00:00:22: Marko Aber der Uli ist heut bei uns dabei, und der kennt sie alle. Hallo, Uli.

00:00:25: Uli Hallo. Schönen guten Tag zusammen. Schön ich bei euch sein darf.

00:00:27: Marko Die Uli. Kennste den da?

00:00:29: Uli Ich kenne alle 124, die da stehen.

00:00:31: Marko Aber den da auch?

00:00:31: Uli Den den da, auf den du zeigst: Das ist niemand Geringerer als Nikolaus Gülich.

00:00:36: Martin Nikolaus Jülich. Das ist wer?

00:00:38: Uli Das ist eigentlich der Vorkämpfer gegen den Klüngel, der später selber dem Klüngel zum Opfer gefallen ist. Wenn es um Klüngel geht, geht in Köln kein Weg an Gülich vorbei.

00:00:48: Marko Herzlich willkommen bei...

00:00:49: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:06: Marko Jeder, der die Geschichtsmacher kennt, weiß, dass wir eigentlich Kolleginnen und Kollegen vom Zeitzeichen einladen. Heute ist es mal anders.

00:01:14: Martin Heute haben wir, weil es um den Klüngel, und zwar ganz genau um den kölschen Klüngel geht, haben wir uns jemanden eingeladen, der sich damit extrem gut auskennt, weil er nämlich Stadtführer hier in Köln ist. Uli Kievernagel - Hallo.

00:01:29: Uli Und jeder Stadtführer in Köln muss sich natürlich mit dem Klüngel auskennen. Anders geht das nicht.

00:01:34: Marko Der Uli ist außerdem nicht nur ein gewöhnlicher Stadtführer, nein, er macht auch einen Podcast. Und weil Klüngel bedeutet so ein bisschen eine Hand wäscht die andere, haben wir ihn mal eingeladen.

00:01:44: Martin Genau. Wir haben uns gedacht, wenn es schon um Klüngel geht, dann machen wir hier mal gleich Nägel mit Köpfen. Was ist das für ein Podcast? Der Podcast ist der zweitschönste direkt nach eurem natürlich. Das ist das Köln-Ding der Woche. Wir kommen jede Woche raus mit einem kleinen Thema zu Köln. Das können Worte, Orte, Persönlichkeiten sein. Wir machen viel über Musik und dann kommen wir immer freitags abends damit raus und sind schon mal Folge 52, glaube ich, jetzt.

00:02:10: Marko Wer ist wir?

00:02:11: Uli Mein guter Freund Frank Mausbach. Ur-Zollstocker Ur-Kölscher, der es geschafft hat, in seinem ganzen Leben in einem Umkreis von 250 Meter zu leben. Das musste erst mal hinkriegen.

00:02:21: Martin Also, er ist in Köln und er bleibt in Köln.

00:02:22: Uli Und der geht auch nicht mehr weg.

00:02:24: Martin Sehr gut. Und ihr macht das Köln Ding jede Woche zehn Minuten, zwölf Minuten über einen Gegenstand.

00:02:30: Uli Man muss also vorstellen, wie so ein Thekengespräch. Wir sitzen dann an der Theke oder tun so, als ob an der Theke sitzen würden. Und monothematisch nehmen wir uns ein Thema raus und reden dann über zum Beispiel die Agrippina oder zum Beispiel: Unser Herz schlägt für die Fortuna, also Fortuna Köln. oder zum Beispiel über Cheng Löring usw - also immer so Themen, die einfach den Kölnern auf der Zunge liegen.

00:02:51: Marko Und eins davon war auch mal Nikolaus Gülich?

00:02:54: Uli Noch nicht. Noch nicht. Ich schreibe gleichzeitig noch einen Blog. Und dieser Blog heißt auch Köln Ding der Woche, der kommt auch jede Woche raus. Das ist nicht immer das gleiche Thema wie beim Podcast. Und da habe ich über Nikolaus Gülich geschrieben.

00:03:07: Marko Nikolaus Gülich, glaube ich, kennt außerhalb von Köln niemand. Ich wohne in Zollstock in Köln und ich kenne ihn auch nicht. Ich habe von ihm nie gehört.

00:03:14: Martin Und bevor ich das bei dir gelesen habe, war mir Nikolaus Gülich auch komplett unbekannt. Aber du sagst: Wer in Köln lebt und wer sich mit Kölner Klüngel beschäftigt, der kommt an Nikolaus Gülich nicht vorbei.

00:03:26: Uli Definitiv nicht. Dieser Mann, der hat gegen den Klüngel gekämpft, ist später im Klüngel eigentlich versumpft und hat auch sein Leben im Klüngel gelassen.

00:03:34: Marko Wann war das? In welches Jahrhundert entführst du uns da?

00:03:36: Uli Wir reden jetzt über das 17. Jahrhundert. In der Zeit hat er gelebt. Und das waren die wilden Zeiten in Köln nach dem 30-jährigen Krieg. Und die müssen wir uns bisschen genauer angucken. Allerdings müssen wir noch ein bisschen weiter in die Geschichte zurück. Wir müssen uns erst mal angucken: Was ist dieser Klüngel überhaupt? Was bedeutet Klüngel?

00:03:53: Marko Man man sagt so: Eine Hand wäscht die andere, das ist die nette Umschreibung von Klüngel.

00:03:58: Uli Man kennt sich, man hilft sich, sagt man in Kölle, das geht auf Adenauer zurück.

00:04:02: Martin Der hat das erfunden?

00:04:03: Uli Adenauer hat nicht die Klüngel erfunden. Nein.

00:04:05: Martin Aber den Spruch...

00:04:06: Uli Er hat ihn gelebt den Klüngel. Er hat ihn gelebt. Wir müssen erst mal gucken: Dieser Begriff Klüngel, der stammt von dem althochdeutschen Clunga ab.

00:04:15: Marko Clunga?.

00:04:15: Martin Und das heißt was?

00:04:16: Uli Clunga heißt Knäuel - wie so ein Wollknäuel, kann man sich vorstellen. Und in diesem Wollknäuel sind ganz viele lose Fäden. Und der Kölsche an sich schafft es, all diese Fäden zusammenzubringen. Und das in der Regel zu seinem Vorteil. Und wenn man das gut macht und das schön zusammenführt, dann hat man den kölschen Klüngel.

00:04:33: Marko Er hat meistens auch noch so ein bisschen was von üblem Beigeschmack, so was, ein bisschen was Mafiöses, oder nicht?

00:04:40: Uli Ja, für den Außenstehenden vielleicht. Wenn du drin bist, vom Klüngel profitiert natürlich nicht. Dann siehste du alles positiv. Aber für den Außenstehenden und für den nicht Kölschen ist das manchmal komisch zu verstehen. Wir müssen immer so eine Abgrenzung machen. Wenn wir über Klüngel sprechen, müssen wir auch über Maggeln sprechen. Kennt ihr Maggeln?

00:04:56: Martin Klar, das ist so unter der Hand so ein bisschen was verkaufen, was vielleicht auch wo die Quellen nicht so ganz genau.

00:05:05: Marko Du kriegst das, dafür geb ich dir das und dafür nehm ich das...

00:05:07: Uli Ihr seht schon - eng verwandt mit dem Klüngeln eigentlich. Wobei der Klüngel tatsächlich noch ein bisschen anders gelagert ist. Ihr müsst euch beim kölschen Klüngel das so vorstellen Beim Maggeln wird direkt eine Gegenleistung gegeben. Ich geb dir einen Sack Kartoffeln, du gibst mir 20 Reichsmark.

00:05:23: Marko Ich empfehle deinen Podcast. Du empfiehlst meinen Podcast.

00:05:26: Uli Genau - unmittelbar.

00:05:26: Martin Das heißt, wir haben jetzt gerade nicht geklüngelt, sondern wir haben gemaggelt.

00:05:30: Uli Und der Klüngel, der ist ein bisschen raffinierter. Man fragt eine Leistung an, man gibt diese Leistung dann auch und dann noch mal und irgendwann steht man bei jemandem in der Schuld und dann wird der vielleicht anklopfen und sagen: Tu mal was für mich. Klüngel ist unmittelbarer. Man kann sagen, Klüngel ist auch wesentlich subtiler.

00:05:47: Marko Das heißt, es ist doch ein bisschen mafiös.

00:05:49: Uli Jetzt bitte.

00:05:52: Marko Mein Sohn, ich habe dir immer alles gegeben, wonach du gefragt.

00:05:57: Uli Die Kölschen sehen das mit dem Klüngeln ganz anders. Also wenn man ne echte Kölsche ist, dann hält man sich an Adenauer, der gesät hat. Man kennt sich, man hilft sich und der Mann weiß, wovon er redet. Der hat sich immerhin, als der Kölner Oberbürgermeister war, hat der sich selber zinslose Darlehen aus der Stadtkasse gewährt.

00:06:12: Martin Also das heißt, er hat den Antrag geschrieben und den Antrag dann auch gleich, also von der anderen Seite, hat sich um den Schreibtisch rum begeben und hat dann da den Antrag unterschrieben als bewilligt.

00:06:21: Uli Ja wobei, ob das mit richtig mit Antrag gelaufen ist, sei mal dahingestellt, aber die Bürgermeister waren alle so. Also nehmen wir mal Norbert Burger. Der war Kölner Oberbürgermeister von 80 bis 99.

00:06:31: Marko Auch ziemlich lang.

00:06:33: Uli Und der wusste auch, wie es geht. Er hat den Klüngel anders definiert. Er hat gesagt: Klüngel ist das Ausräumen von Schwierigkeiten im Vorfeld von Entscheidungen.

00:06:42: Martin Oh, das klingt aber nett.

00:06:43: Uli Ja, jetzt seht ihr, wo ich hin will. Klüngel ist nicht einfach nur mafiös und negativ. Klüngel kann helfen. Klüngel kann einfach helfen und Frank Überall immerhin hat er gesagt: Ohne positiven Klüngel wäre Demokratie kaum machbar.

00:06:56: Marko Frank Überall muss man sagen - Journalist, ne.

00:06:58: Uli Der Frank Überall - Journalist - der hat eine Dissertation über den Klüngel geschrieben. In seinem Buch: Der Klüngel in der politischen Kultur - 2007 rausgekommen. Und er hat den Klüngel ganz auseinandergenommen. Aber sein Fazit ist tatsächlich: Ohne positiven Klüngel wäre Demokratie kaum machbar. Und der kölsche Klüngel ist so ein bisschen was anderes. Ihr seht, wir Kölschen wir loben uns gern selbst.

00:07:19: Martin Das ist schon so, man merkt es so ein bisschen. Also man ist auch noch stolz auf seine Korruption.

00:07:25: Marko Auf Korruption ist man auch noch stolz.

00:07:28: Uli Nein, es ist. Nein, es ist keine Korruption. Das ist ... noch mal, das ist nicht unmittelbar. Korruption wäre unmittelbar. Ich gebe dir Geld. Du gibst mir irgendwas. Der Klüngel, der ist - man gewöhnt sich aneinander, man tut was miteinander. Und dann hat jeder am Ende einen Vorteil davon. Wenn man sich den kölschen Klüngel betrachtet, gibt es eigentlich eine wunderbare Definition. Die hat der Frank Überall auch gebracht.

00:07:47: Marko In seiner Dissertation...

00:07:48: Uli In seiner Dissertation. Marko, lies mal vor, was er da geschrieben.

00:07:52: Zitat Überall Den kölschen Klüngel kann man nicht mit Korruption gleichsetzen. Man darf sich das nicht wie bei einem Handel vorstellen, bei dem es nach dem Motto "Ich gebe dir das und bekomme von dir jenes" vorstellen. Man tritt erst einmal in Vorleistung, ist hilfsbereit, unterstützt die anderen und sammelt so Punkte. Und wenn man das lange genug getan hat, kann man darauf zählen, dass einem auch die anderen zur Seite stehen, wenn man Hilfe braucht.

00:08:19: Uli Also man kennt sich, man hilft sich.

00:08:21: Martin Der Adenauer.

00:08:22: Uli Genau. Und noch mal: Es ist mittelbar und nicht unmittelbar. Das ist der wichtige Punkt.

00:08:27: Martin Jetzt können wir natürlich da sehr lauschig drüber reden. Letztendlich gibt es beim kölschen Klüngel wie überall, wo man sich so gegenseitig informell hilft, natürlich auch nicht nur positive Seiten. Also das ist natürlich schon auch so, dass das Auswüchse hat.

00:08:41: Uli Gut, dann bist du in Köln aber schnell raus aus dem Thema, dann mag dich keiner mehr. Scheuch - der große, berühmte Soziologe - Erwin Scheuch hier in Köln, der hat dann irgendwann mal von mafiösen Strukturen gesprochen und.

00:08:52: Martin / Marko Aha, dann doch

00:08:54: Uli Ruckzuck wurde er in der Kölner Gesellschaft als Nestbeschmutzer bezeichnet.

00:08:58: Marko Komisch - war er dann hinterher tot im Rhein oder...

00:08:59: Uli Nee, er hat es überlebt, so sind wir Kölsche nicht. So sind wir Kölsche nicht.

00:09:05: Marko Aber jetzt müssen wir mal dahin. Also wir reisen jetzt zurück ins 17. Jahrhundert und da wurde auch schon geklüngelt?

00:09:11: Uli Da wurde auch schon geklüngelt. Also nehmen wir mal an, wir würden eine Zeitreise machen ins Jahr 1680. Und wir würden dann den Bürgermeister Maximilian von Krebs sehen. Der hat nämlich gerade seine Kutsche überholen lassen und auch gleichzeitig - ohne Witz - mit Blattgold belegen lassen. Außerdem hat er sein Haus luxuriös umgebaut und es war eine praktische Einrichtung: Er musste dafür keinen Pfennig bezahlen. Das alles hat die Stadt bezahlt.

00:09:34: Marko Also ähnlich wie der Kredit bei Herrn Adenauer.

00:09:36: Uli Vielleicht noch ein bisschen plakativer mit Blattgold - ist jetzt so ein bisschen, also noch ein bisschen unverschämter eigentlich. Dann gab es Thomas Fabian, der war Verwalter des Ratskellers, ein sehr schönes Amt, weil da waren die ganzen Ratsherren, kamen dann hin und haben dann ihren Wein da getrunken, und der hatte dann die Pacht des Ratskellers und wollte diese Pacht verlängern. Und das ist ihm teuer zu stehen gekommen. Er musste die Bürgermeister bezahlen, jeweils 1000 Taler und ein Fass Wein und auch haben die Damen noch 25 Taler bekommen, also die Ehefrauen der entsprechenden Bürgermeister, damit er Pächter bleibt.

00:10:09: Martin Also das war so gang und gäbe im 17. Jahrhundert, dass man...

00:10:14: Uli Ab da kriegen wir es zu fassen. Ab da bekommen wir es auch dokumentiert und wir wissen auch, dass es die ersten Widerstände gegen den Klüngel gab. Und jetzt sind wir endlich da, wo wir hinwollen, nämlich bei Nikolaus Gülich. Der hat tatsächlich gegen den Klüngel gekämpft. Er ist 1644 geboren worden, hat nicht lange gelebt, 86 war Feierabend. Und wenn man sich die Geschichte vom Gülich und dem Klüngel anguckt, muss man noch ein bisschen weiter zurück, weil da spielt ganz wichtig eine Rolle: Der Verbundbrief und der Transfix-Brief.

00:10:42: Martin Verbund-Brief und Transfix-Brief, das sind Begriffe, die habe ich im Leben noch nicht gehört.

00:10:49: Uli Der Verbund Brief war tatsächlich so eine Art Verfassung für die Stadt Köln. Das begann eigentlich Ende des 14. Jahrhunderts schon. Wir hatten die Patrizierfamilien hier in der Stadt. Das sind so klangvolle Namen wie Aducht, Kleingedank, von Lyskirchen oder auch Overstolz. Die hatten die Macht. Aber zwischenzeitlich gab es auch Handwerksmeister und Kaufleute, die auch zu Geld und zu Macht gekommen sind. Und die hatten irgendwann die Nase voll von der Herrschaft der Patrizier. Und diese Handwerksmeister und Kaufleute konnten sich tatsächlich durchsetzen und haben sich zum Ziel gesetzt: Lass uns diese Patrizier Familien in ihrer Macht beschneiden. Und das Ergebnis war der Verbundbrief, eines der wichtigsten Dokumente der gesamten kölschen Stadtgeschichte vom 14 September 1396. Der sollte tatsächlich auch 400 Jahre lang in Kraft bleiben, bis die Franzosen gekommen sind.

00:11:43: Martin Also das kölsche Grundgesetz sozusagen.

00:11:45: Uli Ja, so kann man sagen. Es war halt eine vergleichsweise moderne politische Richtung, dass man sagen kann: Nicht nur die Patrizier Familien haben die Macht in der Stadt, sondern - ganz neu - auch die Gaffeln. Kennt ihr die Gaffeln?

00:12:00: Martin Ich kenn Gaffel-Kölsch.

00:12:02: Marko Ja.

00:12:03: Uli Also, der Name Gaffel leitet sich erst mal ganz einfach ab von Gabel und Kölsche sät Gaffel dazu.

00:12:08: Marko Und wenn man Gaffel-Kölsch trinkt, das ist eine von ich weiß nicht wie viel hunderte Kölsch-Sorten es gibt.

00:12:14: Martin Nein, ein paar 20.

00:12:17: Marko Zwei Dutzend?

00:12:17: Uli Okay, also.

00:12:19: Martin So eine davon ist eben Gaffel-Kölsch - eine bekannte Marke. So, wenn man hier in Köln ist, in Köln weltbekannt, könnte man sagen.

00:12:28: Uli Die zweizinkige Gabel war tatsächlich das Zeichen der Gaffeln, also die Gabel. Wenn die sich getroffen haben, haben die mit Gabeln gegessen. Anders als der gemeine Mensch, der nur mit den Fingern gegessen hat, haben die tatsächlich rituell die Gabel benutzt.

00:12:41: Marko Das heißt, die haben schon so ein bisschen gezeigt: Wir sind was Besseres?

00:12:43: Uli Auch mit gutem Grund, weil die waren organisiert. Das waren die Handwerksmeister und Kaufleute, die sich in diesen sogenannten Gaffeln, das kann man vielleicht so ein bisschen sich wie eine Genossenschaft vorstellen oder wie eine Zunft. Und die haben sich dann organisiert und haben gemeinsam dann Politik gemacht. Und diese einzelnen Gaffeln haben jeweils die Interessen der einzelnen Gewerke vertreten. Al da zum Beispiel wären: die Wollenweber, die Goldschmiede, die Steinmetze oder - für Köln auch nicht ganz unwichtig - die Brauer.

00:13:15: Marko Die hatten alle eine eigene Gaffell.

00:13:17: Uli Die hatten alle jeweils eine eigene Gaffel, es gab deren 22, diese Gaffeln. Und diese Gaffeln haben tatsächlich eigenständig den Rat gewählt. Jetzt wird's wichtig. Also das heißt, der Rat wurde nicht mehr von den Patrizier- Familien bestimmt, sondern die Gaffeln wählen die Ratsvertreter und sollen dann gemeinsam an der Zukunft dieser Stadt arbeiten. Die haben sich gelobt, sich untereinander in einem ungeschiedenen, ungeteilten Rat stets beiständig treu und hold zu sein.

00:13:45: Martin Hold Sehr schön.

00:13:47: Uli Der Verbundbrief ist dann 1396 verabschiedet worden. Übrigens gab es davon 23 Kopien. Ist logisch: 22 Gaffeln. Jede kriegt eine Kopie, die 23, die hat die Stadt, die Stadt. Die kam ins Stadtarchiv und ist heute noch im Stadtarchiv. Kann man also heute noch sehen. Die Originalausgabe, also eine von den 23 Originalausgaben des Verbundbriefe - laut Stadtarchiv die besterhaltenste. Da ging es um Transparenz, da ging es um Ratsentscheidungen, da ging es um Verteilung der Macht.

00:14:12: Marko Ach so moderne Dinge.

00:14:13: Uli Das wurde aber nicht so konsequent eingehalten, wie man das eigentlich sich vorgestellt hat. Man hat also eigentlich nicht so gelebt, wie das der Verbundbrief vorgeschrieben hat.

00:14:22: Marko Also damals schon war es nur kreative Auslegungssache.

00:14:26: Uli Het jeder jemat wat er wollt.

00:14:28: Marko Okay.

00:14:28: Uli Deswegen im Jahr 1512 / 1513, also schon reichlich viel später - 100 Jahre...

00:14:35: Martin 120 Jahre später.

00:14:35: Uli Haben die Gaffeln eigentlich die Nase voll gehabt. Sie haben die mangelnde Transparenz bemängelt, Rechtsbrüche und die Gaffeln hatten einen Aufstand gemacht. Man kann es vielleicht als Putsch bezeichnen. Die sind hingegangen, haben den amtierenden Rat entmachtet und haben dann eine neue Institution eingerichtet, die große Schickung. Das waren 178 Vertrauensleute. relativ viel, muss man sagen. Also das ist ja dann schon stramm, da muss du erst mal einen Saal für finden, wo die alle tagen können.

00:15:03: Martin Wie viel Einwohner hatte Köln damals? Ungefähr?

00:15:05: Uli Das waren so knapp 40.000. Man muss sich vorstellen, Köln war damals eine Großstadt, eine der führenden Städte Europas. Es gab ganz wenig Städte, die in der Dimension waren: Rom, vielleicht noch Konstantinopel, und das war's dann auch.

00:15:18: Martin Also 178 Vertrauensleute, die dann eben in diese große Schickung geschickt wurden.

00:15:25: Marko Und die übernehmen dann die Macht.

00:15:26: Uli Die übernehmen die Macht und die haben die Macht auch direkt ausgeübt, die haben Ratsherren und zwar deren zehn, haben die mal schön auf dem Heumarkt öffentlich hingerichtet, um auch ein Zeichen zu setzen. Das war nach dem Motto: Wir übernehmen die Macht jetzt und deswegen hauen wir euch die Köppe ab.

00:15:40: Martin Ja, aber ich meine.

00:15:41: Marko Schluss mit dem Klüngel.

00:15:43: Martin Zehn Leute hingerichtet. Also hinrichten ist ja nun damals schon auch irgendwie die Höchststrafe. Und das machen wir jetzt auch nicht für irgendwas. Also die müssen ja ordentlich was angestellt haben.

00:15:52: Uli Ja, die haben halt tatsächlich die Bestimmungen des Verbundbriefes, die mühsam erkämpft worden sind von den Handwerkern, haben die unterlaufen und deswegen haben die Gaffeln auch gesagt Jetzt haben wir die Nase voll, So läuft das nicht, meine Freunde hier.

00:16:03: Marko Jetzt hat man. Die korruptesten unter den Korrupten, die hat man jetzt gekriegt. Wie geht's weiter?

00:16:09: Uli Dann wollte man das Ganze auch tatsächlich formell einrichten und hat dann den sogenannten Transfixsbrief veröffentlicht. Das war eine Ergänzung zum Verbundbrief. Die Idee war, im Transfixbrief bestimmte Rechte und Pflichten noch mal festzuschreiben. Übrigens Transfixbrief - ganz interessant: Der wurde auf Holz geschrieben. Diese Bestimmungen und wurden tatsächlich genagelt an einem öffentlichen Platz, an einem Marktplatz und somit waren die gegen Fake News gesichert, weil das konnte nämlich keiner manipulieren, weil das auf Holz war und öffentlich ausgehangen war.

00:16:41: Marko Der Transfixbrief.

00:16:42: Uli Der Transfix und wenn wir uns jetzt den Transfixbrief uns genau angucken, dann sehen wir: Es waren halt ne Stärkung der Rechte der Gemeinde- und der persönlichen Freiheitsrechte der Bürger. Und da gibt es ein wunderschönes Zitat aus dem Transfixbrief, was vorschreibt, was eigentlich die städtischen Bediensteten mit einem Bürger machen dürfen.

00:17:06: Martin Also hier steht...

00:17:07: Martin liest Transfixbrief Der städtische Gewaltträger darf einen Bürger binnen Tage oder nachts aus seinem Burgfrieden mit Gewalt nicht holen, noch auf der Straße antasten, noch angreifen. Werden ihm die Rechte verweigert, kann er die Gaffeln anrufen.

00:17:22: Uli Und das ist eigentlich genau der Punkt. In Verbindung mit dem Verbundbrief haben wir so eine Art Grundgesetz der Freien Reichsstadt Köln. Und das war schon ziemlich weitgehend. Man hatte die Rechte der Obrigkeit eingeschränkt zugunsten der Rechte der Individuen. Das ist schon, na ja, für damalige Verhältnisse modern. Für heutige Verhältnisse würde man das natürlich alles anders machen, weil ausgeschlossen von den ganzen Regelungen waren Frauen Tagelöhner, alle nicht katholischen. dazu zählen Protestanten und Juden insbesondere, Geistliche und auch nicht eheliche Geborene. Die durften eigentlich nix.

00:17:58: Marko Das heißt aber: Also vorher war es durchaus üblich, weil sonst muss man es ja nicht festhalten, dass man auf der Straße angetastet oder angegriffen wird. Und jetzt ist es halt verboten.

00:18:08: Uli Ist nicht nur verboten, ja auch die Möglichkeit, eine andere Rechtsinstanz anzurufen. Ich kann mich direkt an die Gaffeln wenden und das ist verbrieft dieses Recht. Der Einfluss dieser 22 Gaffeln, Jede einzelne dieser 22 Gaffeln, der war immens. Die hatten natürlich auch einen wirtschaftlichen Einfluss. Das Seidenwebergewerbe hier in Köln, das waren die reichsten Kölner, die damals da waren. Wenn die den Laden dicht gemacht hätten, hätte Köln alt ausgesehen. Also diese Gaffeln hatten einen wahnsinnigen Einfluss auf das tägliche Geschehen in der Stadt.

00:18:36: Martin Ja, und sie waren eben dann auch im Rat vertreten und hatten damit dann auch den entsprechenden politischen Einfluss. Und man konnte dann ...also ich nehme mal an, dass dieses auf der Straße antasten, angreifen dann eben auch die in Anführungsstrichen Staatsgewalt betraf, also dass irgendjemand von der Obrigkeit sozusagen jemanden losschickte, um dann einen Bürger aufzugreifen oder eben in irgendeiner Form zu behelligen. Und dagegen war man dann gefeit.

00:19:01: Uli Exakt. Und das - nochmal - verbrieft in einem Dokument, nicht einfach nur mündlich abgesprochen, sondern ich konnte mich auf die einzelnen Gaffeln berufen. Solange ich ein Mann war, solange ich katholisch war, solange ich kein Geistlicher war.

00:19:15: Martin Okay, also letztendlich muss man sagen, aber das ist ja in den Vorformen unserer heutigen Grundrechte ja immer so gewesen, dass es letztendlich eine kleine Schicht betraf, die dann tatsächlich davon profitiert haben.

00:19:27: Uli Wobei für damalige Verhältnisse eine recht breite Schicht, weil die Handwerker und die Kaufleute auf einmal dabei waren mit der Macht.

00:19:33: Marko Jetzt haben wir aber noch nicht den Klüngel damit abgeschafft.

00:19:35: Uli Noch nicht. Aber der Transfixbrief hat einen Artikel. Der erste der 49 Artikel des Transfixbriefes...

00:19:41: Marko Ist ein Anti Klüngel Paragraph...

00:19:43: Uli Ist der Artikel Ist der Anti-Klüngelparagraph. Und der Marko von uns, der kann das am besten vorlesen.

00:19:49: Marko Oh, jetzt. Ja.

00:19:50: Martin Du hast das mal studiert. Du musst hier das.

00:19:52: Marko Ich habe nie Kölsch studiert, also...

00:19:54: Uli Das ist kein Kölsch.

00:19:55: Martin Was? Was ist? Ist das Mittelhochdeutsch. Althochdeutsch. Was ist?

00:19:59: Marko Es ist wahrscheinlich frühneuhochdeutsch. Wir sind im 16. Jahrhundert. Na ja, das ist dann Frühneuhochdeutsch oder irgendwie so was. Aber ich versuch das mal, wahrscheinlich klingt es furchtbar und alles ist falsch. Und jeder, der es besser weiß, kanns hinterher uns auch gerne schreiben:.

00:20:14: Brief: Dat von nu vort...

00:20:15: Marko Also das von nun an...

00:20:17: Brief Dat von nu vort ahn eine Ersame Rath gheine heimliche Rat, itzt sey in der Schickunge oder in jhemans Hausse, noch auch gheine Vergaderung noch Krentzgen machen, noch Vorgespreche off einige Sache, eine Gemeindt oder des Raths Sache betreffend wehre, mehe halten sall sonder allezeit in offenbahrem Rhade eindrechtlichen beieinander sitzen.

00:20:42: Uli Das ist der Klüngel Paragraf. Genau darum geht's. Sprecht nicht die Sachen im Geheimen ab, macht keine Kränzchen, Kränzchen sind so kleine Zusammenkünfte, sondern ...

00:20:51: Martin Da ist das Kaffeekränzchen...

00:20:52: Uli Das das Kaffeekränzchen, da kommt das her, genau. Sondern trefft euch offen, transparent, redet drüber. Es gibt keine geheimen Kreise, sondern man sitzt im offenen Rahmen. Das ist jetzt wortwörtlich übersetzt im offenen Rahmen zusammen und macht Politik.

00:21:06: Martin So, und jetzt steht das da in dem Transfixbrief ganz oben. Da steht's gut und man könnte sagen, Papier ist geduldig. In dem Falle ist Holz sehr geduldig. Weil mit dem Klüngel war es ja dann trotzdem nicht zu Ende.

00:21:20: Uli Ja, gut ist ganz ehrlich, es zieht sich ja durch durch die Jahrhunderte. Und jetzt müssen wir mal wirklich langsam in die Zeit kommen, wo dann tatsächlich Nikolaus Gülich gelebt hat. Und das war die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg. Diese Zeit war für Köln ambivalent. Die Kölner haben zum einen am Krieg ordentlich verdient, weil man hat halt beiden Seiten oder allen Seiten im Krieg hat man Waffen verkauft und ordentlich Geld verdient.

00:21:44: Marko Man muss sagen, es ist ja ein Religionskrieg. Die Protestanten gegen die Katholiken. Und die Kölner, die ja als besonders katholisch gelten. Immerhin liegen ja hier die Heiligen Drei Könige, die unterstützen jetzt also egal welche Seite, Hauptsache sie können sich die Taschen voll machen?

00:21:59: Uli Ja, der Kölner an sich hat dann gern Geld verdient und hat dann Güter verkauft. Insbesondere auch Rüstungsgüter, sprich Waffenschmiede waren in Köln heimisch. Die haben dann..-

00:22:08: Marko Hier bei uns...

00:22:09: Uli Jeder Seite haben die dann entsprechend verkauft und somit...

00:22:12: Martin Das Rheinmetall der frühen Neuzeit.

00:22:15: Uli Ja gut, so gesehen war ja auch Jan von Werth mit seiner Reitertruppe war ja der Leopard II. des 30-jährigen Krieges. Wo diese Truppe aufgetreten ist, da kein Gras mehr gewachsen, wenn die übers Feld gelaufen sind.

00:22:27: Marko Das heißt, in Köln konnte man Waffenschmieden, das war hier eine Stadt, wo so was in der Tat gemacht worden ist.

00:22:32: Uli Plus Versorgung für die einzelnen Kriegsparteien und damit hat man ordentlich Geld verdient. Also das hat sich schon richtig gelohnt. Und insofern ist zwar drumherum ganz großes Chaos, aber für Köln - auch übrigens dank der Stadtmauer: Es gab ja keine Überfälle hier in Köln. Die Stadtmauer hat uns geschützt - ist eigentlich der 30-jährige Krieg zunächst fast schon positiv. Überall rundherum tobt der Krieg. Nur in Kölle verdient man Geld damit.

00:22:56: Herzog Also ist ja interessant. Das katholische Köln, auch wenn dann die Protestanten angeklopft haben, dann die Schweden oder so, denen hat man dann genauso die... - was hat man denn damals gehabt? Die Vorderlader verkauft.

00:23:08: Uli Die Hellebarden...

00:23:09: Martin Oder was man da so eben benutzt hat, Armbrüste und ähnliche Dinge.

00:23:13: Uli Gleichzeitig ärgern sich aber die Kölner auch darüber, dass das ganze Geld in sogenannte finanzielle Misswirtschaft läuft. Und man hat auch Angst, dass die Bestimmungen des Transfixbriefes und auch des Verbundbriefes nicht mehr eingehalten werden. Und insofern ist es eine ambivalente Zeit. Es wird ordentlich Geld verdient, es wird aber auch ordentlich Geld rausgehauen, insbesondere auch, weil natürlich die Stadt dafür sorgen musste, die Stadtbefestigungen intakt zu halten. Das war die Lebensversicherung für die Kölner. Also auch hier gab es wieder Korruption und Klüngel

00:23:43: Marko Beim Erhalt der Stadtmauer dann. Das heißt, irgendwie hat es der Kölner immer geschafft, sich in irgendeiner Form privat zu bereichern.

00:23:51: Uli Das ist eine böse Unterstellung.

00:23:54: Marko Aber in diese wunderbare Zeit - nein, das ist natürlich eine schreckliche Zeit. Ehrlich gesagt, wenn ich mir irgendwas aussuchen könnte, wo ich nicht reingeboren werde, dann würde ich auf jeden Fall den 30-jährigen Krieg nehmen.

00:24:01: Martin Ja, bloß nicht da...

00:24:03: Marko Eine der übelsten Zeiten der Menschheitsgeschichte, glaube ich, in Mitteleuropa. Und da wird er nun reingeboren, der Nikolaus Gülich.

00:24:09: Uli Tatsächlich, am 30. Oktober 1644....

00:24:13: Marko Daa wird der Krieg noch vier Jahre dauern.

00:24:14: Uli Also genau, er ist Kriegskinder, wenn man so will. Im Oktober 1644 wird er geboren. Er ist ältestes Kind einer Kölner Kaufmannsfamilie. Die hätten schwer je an de Föös. Ihr wisst, was das bedeutet?

00:24:28: Martin Wir wissen das. Aber unsere Hörer vielleicht nicht alle in Bayern und in Sachsen oder in Hamburg.

00:24:32: Marko Sie können sich was leisten. Sie haben Geld. Sie haben jet an die Föös.

00:24:36: Uli Ja, Und so die Familie vom Gülich, die hatten ein Geschäft an Obermarspforten, mitten in der Innenstadt heute, Nähe Rathaus. Und er hätte das schöne, geruhsame Leben eines erfolgreichen Kaufmanns führen können. Er ist ja auch da reingeboren worden, übrigens als ältestes Kind noch mal privilegiert. Er hätte ja alles geerbt.

00:24:54: Marko Was haben die für ein Geschäft? Was ist das für ein Laden?

00:24:56: Uli Die haben mit allem Möglichen gehandelt, auch mit Tuchen insbesondere, und das war damals das Hauptgeschäft auch was hier in Köln lief. Wobei die selber keine... die waren keine Weber oder Vergleichbares, sondern die haben mit Tuchen gehandelt, die waren Kaufleute.

00:25:08: Martin Na ja, es war ja generell so, dass man mit dem Handel deutlich mehr verdienen konnte, als wenn man es tatsächlich selber hergestellt hat.

00:25:13: Uli Wobei die natürlich auch noch andere Dinge gehandelt haben. Also sie haben jetzt nicht nur Tuche gehandelt, aber Tuche waren wahrscheinlich das lukrativste Geschäft.

00:25:20: Martin Und wie kommt dann dieser Mensch, der dann ja eigentlich ein gutes bürgerliches Leben vor sich hatte, auch ein finanziell offensichtlich abgesichertes Leben, wie kommt der denn jetzt dazu, gegen diesen Klüngel, der ja letztendlich, wenn ich dich richtig verstanden habe, den Betrieb in Köln auch immer so am Laufen hält, dieses eine Hand wäscht die andere und man kennt sich, man hilft sich. Wie kommt der denn jetzt dazu, dagegen aufzustehen?

00:25:45: Uli Na gut, der der Gülich hatte ein ganz, ganz übles Erlebnis. Der war unterwegs - mittlerweile sind wir im März 1679 auf dem Weg nach Leipzig, um Geschäfte zu machen.

00:25:55: Martin Moment, also 1679, der ist 44 geboren, das heißt, der war so 35 Jahre alt ungefähr.

00:26:00: Uli Im besten Saft, der war 35 Jahre alt war. War Kaufmanns-Spross, hat den Laden fast schon geleitet. Also alles lief sauber für ihn.

00:26:09: Marko Und auf der Messe in Leipzig, da will er seine Tücher loswerden...

00:26:12: Uli Und andere Güter und andere Güter.

00:26:14: Martin Moment, Moment - Messe Leipzig, die gab es damals schon.

00:26:18: Marko Ja, ja, die gab's schon. Uralte Messe.

00:26:21: Martin Aha, okay. Also, ich habe gedacht, das wäre irgendwie so Industriezeitalter oder so was: Messe Leipzig.

00:26:27: Marko Nee, nee, die gibt es schon im Mittelalter. Hochmittelalter, Messe Leipzig.

00:26:30: Martin Schau an.

00:26:31: Marko Da kannst du kannst, da wurde ausgestellt und sind auch viele Leute von weither hingekommen und das hat uralte Tradition.

00:26:37: Martin Also offensichtlich auch Herr Güllich aus Köln, der dann nach Leipzig gefahren ist zur Messe, um dann da Geschäfte zu machen.

00:26:43: Uli Wenn er denn da mal angekommen wäre. Genau das ist eben nicht passiert. Er ist nicht an der Messe angekommen, weil er wurde unterwegs gefangen genommen. Das waren Soldaten oder Söldner, die im Auftrag des Kaisers unterwegs waren. Hintergrund war: Die Stadt Köln war dem Kaiser noch Geld schuldig. Und dann war es ein durchaus übliches Verfahren, dass man einfach irgendwelche Menschen von der Straße, also insbesondere einflussreichere Menschen von der Straße gekidnappt hat, die dann festgehalten hat und erst gegen Lösegeld ausgezahlt hat.

00:27:14: Marko Halt, wo kommen Sie her? Köln. Ha! Die haben Schulden, so in der Art, ja?

00:27:18: Uli Ja, ja, so kann man sich das vorstellen. Es ist jetzt nicht so dramatisch, wie sich das jetzt anhört. Gekidnapt und sonst was. Also man wollte ja mit den Leuten auch Geld machen und hat die nicht misshandelt oder so, aber die wurden tatsächlich festgehalten und dann war es Usus, dass die Städte entsprechendes Lösegeld bezahlt haben.

00:27:32: Marko Also weil die Stadt noch Geld schuldig war.

00:27:36: Uli Also eigentlich war das nur Schulden bezahlen und haben dann diese Leute ausgelöst und gut war.

00:27:41: Martin Ja, wieso sollte die Stadt das machen? Oder wir könnten ja sagen ja Gott und hab da den halt.

00:27:46: Marko Ein Sohn der Stadt, ein Händler der Stadt.

00:27:48: Uli Langsam, langsam - genau so stand es im Transfixbrief drin.

00:27:51: Martin Also die mussten.

00:27:52: Uli Die mussten. Im Transfixbrief stand drin: Dass unverschuldet in Haft gekommene Kölner Bürger durch die Stadt befreit werden müssen. In der Regel war das so, dass man da nicht unbedingt eine Armee hingeschickt hat, sondern man hat gezahlt und die Leute kamen wieder frei. Alles war gut. Wäre gut gewesen, wenn die Stadt das gemacht hätte.

00:28:10: Martin Aber kurz noch mal ein Schritt zurück. Angesichts der Tatsache, dass das in diesem Transfixbrief drinsteht, ist das quasi ein Hinweis darauf, dass das offensichtlich gang und gäbe war.

00:28:19: Uli Deswegen sagte ich: Usus - das war so üblich, das war jetzt nicht ganz, das fiel nicht wie Manna vom Himmel, sondern es war fast schon normal. Und normal wurden die Leute halt ausgelöst. Fertig. Man hat jetzt da nicht eine Armee hingeschickt, das ist Quatsch.

00:28:28: Martin Aber bei Herrn Gülich hat man das nicht gemacht.

00:28:31: Uli Beim Herrn Gülich hat man das nicht gemacht und deswegen mussten die Gefangenen, respektive die Familien der Gefangenen dieses Geld zur Auslöse selber aufbringen. Und das war natürlich ein grober, grober Verstoß gegen den Transfixbrief.

00:28:46: Marko Warum hat man dieses Geld bei Gülich nicht bezahlt?

00:28:49: Uli Wenn ich das mal wüsste, würde ich es euch erzählen. Ich kann es euch nicht sagen.

00:28:52: Marko Vielleicht mögen sie den nicht.

00:28:53: Uli Vielleicht war der aufsässig. Vielleicht war die Familie Gülich auch nicht beliebt. Ich kann es euch nicht sagen. Ich weiß es nicht.

00:28:59: Marko Auf jeden Fall: Sie lassen ihn hängen.

00:29:00: Martin Vielleicht hatten sie auch einfach nicht das Geld. Kann ja auch sein.

00:29:02: Marko Kann auch sein. Aber man kann es nicht mehr klären. Er wird auf jeden Fall nicht ausgelöst. Keine Ahnung. So, so, und er kommt trotzdem frei.

00:29:09: Uli Er kommt trotzdem frei, weil die Familie das Geld aufgebracht hat. Und das stinkt Gülich natürlich. Gülich haut richtig auf den Putz, sobald er wieder in Köln ist, protestiert er, nimmt verschiedene Kaufmänner mit in den Rat und sagt: So läuft das nicht, Leute, ihr könnt doch jetzt nicht einfach für alle bezahlen und für mich nicht hie. Das geht so nicht. Das fand der Rat nicht ganz so dolle.

00:29:29: Marko Aber das heißt, er hat auch schon Mitstreiter. Wenn du sagst, der nimmt ein paar Kaufleute mit. Ich meine, man muss, man muss sich das ja mal vorstellen, wenn es verbrieft ist, dass wenn ich gefangen werde - und ich werde ja gefangen, weil die Stadt Köln Schulden hat.

00:29:40: Martin Ja er persönlich hatte ja keine Schulden, sondern die Stadt Köln.

00:29:43: Marko Und dann wäre es die Pflicht - und es steht da drin, dass das die Stadt dafür bezahlt, ist ja ein Präzedenzfall. Das heißt, beim nächsten Mal, wenn irgendwelche Leute unterwegs sind nach Leipzig, auf die Messe oder wer weiß wohin, dann müssen sie ja daran zweifeln, dass ihre Stadt sich überhaupt dran hält. Und jetzt hat er Mitstreiter.

00:29:58: Uli Und das ist natürlich ein Punkt, der für die Stadt von unglaublicher Bedeutung war. Der Handel hat die Stadt reich gemacht, und wenn ich keinen Handel mehr betreiben kann, weil ich nicht mehr frei mich auf die Straßen bewegen kann, dann ist das für die Stadt eine Katastrophe. Und deswegen hat man auch diese Praxis so gelebt an der Stelle hier. Bei Jülich halt nicht. Und das war für Gülich eine Katastrophe und nicht nur für ihn, sondern auch für die Mitgefangenen. Und für die anderen auch. Die wollten natürlich in Sicherheit leben und deswegen haben sie dem Rat mal ordentlich Leviten gelesen und haben gesagt: So geht das nicht. Der Rat hingegen, also der Stadtrat der Stadt Köln, der hat dann gesagt: Nicht so schnell, mein Freund, wir schicken dich mal in Bau, wenn du nicht weiter den Bagger hältst hier. Und das hat allerdings dann .... ist nicht passiert, weil der Gülich nämlich tatsächlich sehr populär war und man hat ihn nur mit einer Verwarnung davonkommen lassen.

00:30:45: Marko Also der beschwert sich und muss auch noch Geld dafür bezahlen, weil er sich beschwert.

00:30:49: Uli Ja, so und so ungefähr kann man das vorstellen. Und das findet er natürlich eine große Katastrophe. Und jetzt macht er richtig mobil. Jetzt stinkt es ihm erst recht. Er lässt sich nicht mundtot machen. Und jetzt kommt was, was man eigentlich als Putsch bezeichnen kann. Im September 1680 schreibt er eine Klageschrift runter und zeigt mal, was für ein Klüngel eigentlich in der Stadt war. Es ging um Wahlbetrug, es ging um die Veruntreuung städtischer Mittel. Ich erinner gerne an die Kutsche, die vergoldet worden ist. Es ging um Ämterkauf. Und so nimmt er ein paar Getreue mit. Die waren bewaffnet, stürmen ins Rathaus und setzen in einem Handstreich den Rat der Stadt Köln ab.

00:31:27: Martin Das heißt, da war gerade Sitzung und da saßen diese 100 wie viele? 72 Gewährsmänner und e ist da reingestürmt mit ein paar Mann, und hat gesagt So, wir machen hier den Laden dicht.

00:31:38: Uli Es war eine Ratssitzung, es war nicht eine Sitzung der großen Schickung.

00:31:41: Martin Ah, okay.

00:31:41: Uli Also er ist dann in die Ratssitzung geplatzt. Wie viele da saßen, weiß ich nicht, aber er hat jedenfalls bewaffnete Menschen dabei gehabt, ist dann da rein und hat mal eben in einem Handstreich die Bürgermeister Cronenberg, Wolfskehl und Krebs - das war der mit der vergoldeten Kutsche übrigens, der Krebs, ne. Hat er mal eben aus dem Amt gejagt. Die werden unter Hausarrest gestellt, müssen hohe Strafen bezahlen und er selbst setzt sich mal eben als Chef des Ganzen ein, nennt sich "Syndikus Specialis" und baut sich direkt passend zu seinem Gusto einen richtigen Stadtrat dahin.

00:32:13: Martin "Syndikus Specialis". Das ist was?

00:32:15: Uli Er nennt sich Rechtsberater. Er hat natürlich von der Juristerei keine Ahnung gehabt. Er war Kaufmann, aber das klingt natürlich ein bisschen besser. Und er war ja auch nicht Bürgermeister, sondern er war Syndikus Specials.

00:32:26: Marko Du hast eben gesagt: drei Bürgermeister hat Köln, drei Bürgermeister?

00:32:29: Uli Auch heute noch. Wir haben heute eine Oberbürgermeisterin und haben, ich glaube aktuell vier. Je nach Parteienproporz gibt es immer noch Bürgermeister und damals gab es auch mehrere. Diese lukrativen Ämter wollte jeder haben. Es sind immer mehrere nebeneinander.

00:32:41: Martin So, und dann hat er sich selber da eben als Spezial-Syndikus eingesetzt. Als Rechtsberater ist ja jetzt auch mit diesem coupartigen Überfall nicht unbedingt eine demokratische Vorgehensweise.

00:32:53: Marko Wir sind ja vordemokratischen Zeitalter.

00:32:55: Martin Aber es gab eben einen Rat, der gemeinsam - es wurde ja auch nach bestimmten Proporz und wurden die Leute ja auch in den Rat entsandt, auch von den Gaffeln und so weiter und so fort. Es sind ja Ansätze von von einer demokratischen Verwaltung, aber das was er da treibt, ist letztendlich Coup détat.

00:33:11: Uli Ja, kann man sagen. Also genau das ist es und das ist mir auch auf die Füße gefallen. Er hat sich tatsächlich eigentlich so verhalten wie das, was er angeprangert hat. Und das war nicht so gut gelitten in der Stadt. Er verliert seine Unterstützer und er selber ist eigentlich so ein bisschen so wie Louis XIV. stelle ich mir das vor: Selbstherrlich und behandelt die Stadt so, als wenn es sein Eigen wär. Und gleichzeitig...

00:33:33: Martin Also es ging ihm gar nicht so sehr um den Kampf gegen Korruption und Klüngel, sondern der wollte einfach auch mal selber.

00:33:40: Uli Und als er selber dran war, war er mittendrin. Und auf einmal war er der Ober Klüngler, böse formuliert an der Stelle.

00:33:47: Marko Also wenn wir über diesen Mann reden: Am Anfang dachte ich so: Okay, das ist sozusagen der Michael Kohlhaas, der gegen das Unrecht aufbegehrt, Aber so ist er nicht. Nein.

00:33:58: Uli So war er. Er hat sich dann gewandelt und Macht korrumpiert. Vielleicht ist es das, dass er deswegen dann selber diesen, diesem Klüngel anheim gefallen ist an dieser Stelle - möglich. Wir können ihn leider heute nicht mehr fragen .

00:34:12: Marko Es lieg doch wahrscheinlich in seiner Kölner DNA. Er kann gar nicht anders.

00:34:16: Uli Ich verwehre mich ausdrücklich dagegen. Jetzt muss man die Gesamtsituation aber sehen. Er sitzt dann irgendwie als so eine Art Syndikus Specialis, wie auch immer, hat sich einen eigenen Stadtrat gebastelt und in der Stadt sieht es ziemlich übel aus. Die Franzosen kommen Richtung Rheinland. Kaiser Leopold I., der hat Angst, die Freie Reichsstadt Köln zu verlieren, eine der wichtigsten Städte zu der Zeit.

00:34:38: Martin Also wir reden vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Leopold der Erste ist Habsburger, das heißt, der sitzt eigentlich in Wien.

00:34:46: Marko Ja, der sitzt in Wien. Und da, kurz davor sitzen auch noch die Türken, das, die hat er auch noch, die hat er auch noch an der Backe, muss man sagen. Also es ist eine ziemlich übel Zeit für den Leopold - vom Westen die Franzosen und vom Osten kommen die Türken.

00:34:57: Uli Und dann dazwischen die freie Reichsstadt Köln als eine der wichtigsten Städte, die wir hatten. Und die wollte der Kaiser natürlich nicht verlieren. Und er musste natürlich ihm genehme Personen installieren. Und deswegen unterstützt er den alten Rat, also den, den eigentlich der Gülich abgesetzt hat und geht noch weiter.

00:35:14: Martin Also der alte Rat ist korrupt, aber den kennt man, da weiß man was man hat.

00:35:17: Uli Als Kaiser erst recht. Und du willst die Stadt ja nicht verlieren.

00:35:20: Marko Er hätte sich auch mit den Neuen arrangieren können und hätte mal sagen können: Hier, habt ja Recht....

00:35:23: Uli Ich glaub dazu war der Gülich nicht kompatibel genug. Unterstelle ich jetzt mal. Ich weiß es nicht...

00:35:28: Marko Ein Querkopf, ein Querkopf. Okay.

00:35:30: Uli Und so kams: Im August 1685 wird über Güllich die Reichsacht verhängt und die Reichsacht war eine ziemlich üble Nummer.

00:35:40: Martin Ja, das war das, was man landläufig vogelfrei nennt. Also man war komplett rechtlos und jeder, der wollte, konnte denjenigen festsetzen. Verkaufen weiß ich nicht, aber töten, straflos.

00:35:52: Marko Definitiv. Vermögen wird konfisziert, alles weg.

00:35:56: Uli Das hat dann die meisten von den Gülich-Anhängern dazu bewogen, sich vielleicht doch dem Kaiser zu unterwerfen und klein bei zu geben. Kann man so ein bisschen verstehen. Güllich selber wurde festgenommen. PI mal Daumen ein halbes Jahr nachdem die Reichsacht verhangen worden ist.

00:36:11: Martin Also du sagst ein 3/4 Jahr, das heißt neun Monate hat er unbehelligt weiter in Köln gelebt. Also er ist nicht geflohen oder so, hat sich versteckt oder so.

00:36:21: Uli Also vermutlich hat er sich versteckt. Vermutlich hat er sich versteckt, weil ansonsten als Vogelfreier wäre er ja direkt ausgeliefert worden.

00:36:30: Marko Aber Sie kriegen ihn.

00:36:31: Uli Sie kriegen ihn. Und am 23. Februar ist es soweit. Also 1686 ist es soweit. Er wird geköpft, und zwar in der Mühlheimer Heide.

00:36:39: Martin Und die Mühlheimer Heide ist hier um die Ecke. Wir sitzen hier im Kölner Norden, im Stadtteil Riehl und nicht weit von den Rheinwiesen entfernt. Und die Rheinwiesen, die heißen oder die hießen damals Mühlheimer Heide, das war die Mühlheimer Heide, wo dieses Urteil dann vollstreckt worden ist, wo Gülich geköpft worden ist.

00:36:59: Uli Und nicht nur das, Sein Kopf wurde auch noch zur Abschreckung am Bayenturm, das ist heute im Rheinauhafen, wurde der ausgestellt, das heißt man hat den durchbohrten Kopf dann entsprechend da öffentlich ausgestellt, damit alle sehen, was passiert, wenn man sich gegen die Stadt wendet. Und es ging noch weiter.

00:37:17: Marko Also der Bayentrum, können wir vielleicht auch noch mal kurz sagen, steht immer noch. War mal ein Teil der Stadtmauer, wenn ich es richtig habe. Und da wohnt jetzt glaube ich die Emma drin, die Redaktion der Emma und Alice Schwarzer hat da ihr Büro.

00:37:28: Uli Ja, und da ist die große Bibliothek über die Frauengeschichte.

00:37:31: Marko So haben wir das auch mal erwähnt. So.

00:37:33: Martin Und da wurde Gülichs Kopf gruselig aufgespießt, der Bevölkerung zur Schau hingestellt, damit klar ist, wer sich hier gegen Köln auflehnt, den Stadtrat und vor allen Dingen auch gegen den Kölner Klüngel, der hat kein langes Leben.

00:37:50: Uli Und es ging ja noch weiter. Man hat dann an der Stelle, wo das Haus von dem Gülich stand, das war direkt am Rathaus heute, da wo Farina ist. Das ist die Parfümerie mitten in der Stadt. Das Haus hat man abgerissen und hat verfügt: An dieser Stelle darf nie mehr ein Haus gebaut werden. Stattdessen hat man dort eine sogenannte Schandsäule aufgestellt. Da hat man den Kopf vom Gülich nachgegegossen aus Bronze. Der Kopf war vom Schwert durchbohrt und die stand genau an der Stelle zur Abschreckung nach dem Motto: Verhaltet euch geschmeidig, ansonsten Rübe ab hier an der Stelle. Das Ganze sollte übrigens ungefähr 100 Jahre lang da stehen.

00:38:29: Marko Und dann? Hat mans abgerissen?

00:38:32: Uli Nicht, "man". Dann kamen die Franzosen. Und die Franzosen haben Geschichte in Köln komplett neu geschrieben...

00:38:37: Marko Ohne Klüngel?

00:38:39: Uli Das weiß ich jetzt ehrlicher Weise nicht. Die Franzosen haben tatsächlich dann diese Schandsäule abgerissen und haben Gülich eine neue Geschichtsschreibung zugegeben, nämlich auf einmal war er ein Volksheld. Derjenige, der das Volk befreit, der dafür sorgt, dass das Volk frei leben kann.

00:38:57: Marko Das heißt, die haben sich den Gülich rausgesucht, wohlwissend, dass die Kölner Ratsherren den zumindest nicht leiden können.

00:39:04: Uli Vielleicht auch deswegen - nicht wohl wissend, sondern genau deswegen haben sie es gemacht, weil man konnte ja so auch gegen die herrschende Ordnung der Stadt protestieren.

00:39:15: Martin Also ich habe es noch nicht ganz verstanden, warum würde man den zum Volkshelden verklären? Also wir haben ja eben auch schon gesagt, so auf den ersten Blick macht er so den Eindruck, dass er so etwas wäre wie ein Volksheld. Aber dem wird er ja nun nicht gerecht, weil er mindestens genauso korrupt war wie die Leute, die er angeklagt hat. Also warum stilisiert man den dann zum Volkshelden?

00:39:35: Marko Ja warum? Warum denn nicht? Also ich meine - so herum muss man es mal fragen. Ich meine, wer hat denn diese Geschichte aufgeschrieben? Das muss man sich aber auch mal fragen. Also hat der Güllich selber was aufgeschrieben? Wissen wir dat?

00:39:47: Uli Also es ist nicht bekannt, zumindest okay.

00:39:49: Marko So so, also wer hat das wohl aufgeschrieben? Wahrscheinlich die, die ihn hingerichtet haben. Vielleicht gab es im Volk noch so etwas wie Gülich-Anhänger, man weiß es ja nicht.

00:39:59: Uli Die sich dann gegen die herrschende Macht, in dem Fall die Franzosen, dann aufgelehnt hätten oder was? Nein, ich verstehe es nicht.

00:40:08: Marko Na ja, also das könnte das durchaus sein, dass es in der Tat das hat man ja bei vielen Geschichten, dass es so zweischneidige Geschichten gibt. Die einen sagen, der Gülich war ein Volksheld, die anderen sagen halt, ja, er war eigentlich auch nicht besser als diejenigen, gegen die er war. So, und dann haben die Ratsherren da diesen fiesen Stein da, diesen Schmachstein, mit diesem Denkmal, dieser Bronzekopf, der da durchtrennt ist, da hingestellt und haben gesagt: Ach, guck mal hier - so einer war das. So. Und dann kamen Die Franzosen haben sich gedacht: Nö, das war ein Volksheld. Kann ja sein, man greift so Stimmungen auf. Man weiß es nicht.

00:40:44: Uli Das sind alles Mutmaßungen. Ganz ehrlich ...

00:40:46: Marko Natürlich sind es Mutmaßungen. Also so oder so die Franzosen, die die sorgen dafür, dass das Schandmaul verschwindet und versuchen jetzt aus dem Gülich wieder einen Volksheld oder einen Volkshelden zu machen.

00:40:57: Uli Tatsächlich? Ja. Die Franzosen haben dann diese Säule abgerissen und haben dann den Gülich anders stilisiert. Der wurde dann zum Volksheld auf einmal.

00:41:07: Marko Okay, als solcher hat er sich offenbar nicht lange gehalten, denn du und ich, Martin, wir kennen ihn ja nicht mehr.

00:41:13: Uli Und das ist richtig.

00:41:14: Marko Ja, wir wussten nicht einmal, wer diese Figur oder wen die überhaupt darstellte am Kölner Rathaus.

00:41:19: Martin Also so wahnsinnig viel scheint von Nikolaus Gülich nicht übrig geblieben zu sein, außer der Figur am Rathaus. Oder gibt es da noch etwas, was sich in der Stadtgeschichte oder im Heute über Nikolaus Gülich finden lässt?

00:41:33: Uli Ganz, ganz plastisch ist tatsächlich der mit dem Schwert durchbohrte Kopf, der aus Bronze hergestellt worden ist. Den gibt es noch, und das ist eins der wichtigsten Ausstellungsstücke im Kölnischen Stadtmuseum. Kann man jetzt gucken, im neuen Interim, in der Minoritenstraße, im ehemaligen Kaufhaus Sauer, kann man sich das wieder angucken. Da steht der Kopf an sehr prominenter Stelle.

00:41:53: Marko Wie sieht er aus? Beschreibe ihn mal.

00:41:56: Uli Komischerweise ist er schwarz. Ich weiß nicht - Bronze hätte ich mir anders vorgestellt....

00:41:58: Marko Sich schwarz geärgert.

00:42:00: Uli Ist in schwarz - relativ klein. Also das ist wahrscheinlich nicht maßstabsgetreu und von oben durch unten mit einem Schwert durchbohrt. Also nicht quer, sondern längs. Der sieht schon ziemlich martialisch aus, muss man sagen.

00:42:12: Martin Lohnt sich anzugucken?

00:42:13: Uli Das ganze Stadtmuseum lohnt sich übrigens anzugucken. Das ist ein Punkt, der sich da wirklich lohnt anzugucken. Es gibt die besagte Nikolaus Gülich Figur am Rathaus, über die wir eben schon gesprochen haben. Die übrigens, und das ist, finde ich, sehr schön von Mitarbeitern der Stadtverwaltung Köln gestiftet worden.

00:42:30: Marko Die ja auch immer schon gegen den Klüngel waren - oder? Das wissen wir doch alle.

00:42:34: Uli Die einfach dagegen stehen, gegen den Klüngel. Und das hier haben die mal jetzt auch in Stein hauen lassen. Finde ich sehr schön.

00:42:41: Marko Ja.

00:42:42: Uli Die Grünen haben den Nikolaus-Gütlich-Fonds aufgelegt, der Nikolaus-Gülich-Fonds das ist eine Möglichkeit für Projekte, die Ökologie, Gerechtigkeit, Demokratie, Gewaltfreiheit und Menschenrechte unterstützen, an Geld zu kommen. Dieses Geld stammt aus einem Vermächtnis. Und die grünen Rats-Mandatsträger, die geben ihr Geld ab. Also man bekommt ja so eine gewisse Aufwandsentschädigung und das fließt dann in diesen Fonds rein. 2023...

00:43:08: Martin Gibt es den schon länger diesen Gülich Fonds?

00:43:10: Uli Den gibt es schon länger und 2023 wurden Projekte wie zum Beispiel eins für migrantische Organisationen, die Menschen auf der Flucht unterstützen. Es wurde Seenotrettung unterstützt und es wurden lesbische, schwule, bisexuelle, trans-, inter- und queer-lebende Menschen im Projekt Rubikon unterstützt.

00:43:29: Marko Was der Kölner auch gern macht und was ja auch wunderbar ist.

00:43:32: Martin Ja.

00:43:32: Marko Nd so gibt Nikolaus Jülich doch heute für gute Dinge seinen Namen her.

00:43:38: Martin Was ist an dem Platz, wo Gülichs Haus niedergerissen wurde, wo nie wieder ein Gebäude errichtet werden sollte und wo ja eben dieser durchbohrte Kopf oder diese Bronze des durchbohrten Kopfes über Jahrhunderte stand - was ist da heute?

00:43:51: Uli Das ist die kölscheste aller kölschen Lösungen, muss man sagen. Wenn man da hingeht, wird man feststellen, da steht seit 1913 der Fastnachtsbrunnen, es geht also um den Fastelovend, um Karneval hier in Köln.

00:44:03: Marko Natürlich.

00:44:04: Uli Wenn man nichts mehr anderes weiß in Köln, dann macht man was mit Fastelovend, insofern - das ist echt ne kölsche Lösung. An den Platz, wo nichts mehr aufgestellt werden darf, stellt man einen Karnevalsbrunnen auf - kölscher geht's nicht mehr.

00:44:14: Martin Und der Karneval gehört ja dann auch zu den vier K in Köln. Kölsch, Karneval, Klüngel...

00:44:20: Uli Kathedrale.

00:44:20: Martin Kathedrale oder so? Ja.

00:44:23: Marko Was natürlich bedeutet, der Klüngel ist bis heute nicht abgeschafft. Ein Nikolaus Gülich konnte ihn nicht aufhalten.

00:44:30: Uli Ja. Ja. Wobei... Ihr seht den Klüngel zu negativ, müssen wir mal sagen. Der Klüngel ist in Köln natürlich nicht abgeschafft. Aber um es mit Volker Weininger zu sagen, der bestens bekannt ist als Sitzungspräsident, Büttenredner: Auf der Prinzen Proklamation, das ist Kölns wichtigstes gesellschaftliches Ereignis. Da gehen alle hin, die Rang und Namen haben im Gürzenich.

00:44:52: Martin Woanders ist das der Neujahrsempfang...

00:44:54: Uli Hier ist das die Prinzenproklamation. Auf der Prinzen-Proklamation werden mehr Geschäfte gemacht als in vier Wochen Hannover Messe. Und wer hier ohne Baugenehmigung rausgeht, ist es selbst schuld. Das, das beschreibt es eigentlich ganz gut. Und der, der Klüngel ist halt immer noch da. Und wenn man sich diese schönen Geschichten anguckt, die es hier in Köln rund um den Klüngel gab, dann kann man jetzt, das muss ich jetzt zugeben, ehrlich schon den Kopf schütteln. Sollen wir mal ein so ein paar auspacken von den Geschichten.

00:45:22: Marko Komm, hau se raus...

00:45:22: Martin Was ist so in den letzten Jahren, Jahrzehnten hier so gewesen?

00:45:23: Uli Gehen wir mal lieber mal zurück. 1955 haben diverse Industriebosse Geld zusammengelegt und haben das Camp Konrad gebaut. Das ist eine Villa in der Eifel. Und die haben sie Adenauer geschenkt. Der hat sie nie bezogen und ist heute total verfallen. Aber wenn dat kein Klüngel ist. Die haben das bestimmt nicht altruistisch gemacht. Das kann ich mir nicht vorstellen.

00:45:45: Martin Das hieß wirklich so? Camp Konrad?

00:45:47: Uli Camp Konrad hat man das genannt, tatsächlich. Relativ aktuell das ganze Thema Oppenheim-Esch. Jeder Kölner kann damit was anfangen. Der Oppenheim-Esch-Fonds, das ist eine Geldsammelstelle gewesen vom Bankhaus Oppenheim und Josef Esch, einem Polier aus Troisdorf. Die haben die Finger in ganz vielen Dingen drin gehabt, auch im Messehallen-Skandal. Die haben nämlich den Bau der Messehalle, der wurde ohne öffentliche Ausschreibung vergeben, man kalkuliert, dass das 80 Millionen € mehr gekostet hat, weil man das mal schön an allen Regularien vorbei gemacht hat.

00:46:16: Martin Das heißt, man hat die Aufträge nach Gusto vergeben an eben Bekannte und Leute, die man kennt und denen man helfen wollte.

00:46:27: Uli Man kennt sich, man hilft sich.

00:46:28: Martin Und weil die vielleicht vorher einem auch schon mal was Gutes getan haben.

00:46:32: Uli Richtig. Aber der Knaller ist eigentlich tatsächlich der Vermieter.freundlichste Mietvertrag der ganzen Stadt, das jetzt gerade auch ganz aktuell wieder durch die Presse gegangen. Die Stadt Köln hat damals mit Oppenheim-Esch, da sind sie wieder, dem Oppenheim-Esch-Fonds zusammen das Technische Rathaus gebaut, das ist das große, große Rathaus in Deutz, direkt an der Kölnarena. Und es war vereinbart: Wir machen einen Mietvertrag und gleichzeitig schreiben wir schon in den Vertrag rein, dass es ein Vorkaufsrecht gibt. Also in das Grundbuch schreiben wir das rein. Es gibt ein Vorkaufsrecht der Stadt Köln, wenn der Mietvertrag abgelaufen ist. Die Stadt Köln hat Rückstellungen gemacht in Höhe von mehreren Millionen Euro, um diesem Vorkaufsrecht, wenn es dann soweit ist, einfach auch nachzukommen. Doch was ist? Ich glaube nächstes Jahr soll es aktuell werden, will man kaufen. Stellt man eine winzige Kleinigkeit fest. Was könnte das sein?

00:47:20: Marko Man hat was vergessen.

00:47:21: Uli Man hat was ganz Besonderes vergessen, nämlich genau dieses Vorkaufsrecht in den Vertrag reinzuschreiben.

00:47:27: Marko Da haben ja viele Leute weggeguckt.

00:47:28: Uli Da haben ganz viele Leute weggeguckt.

00:47:30: Marko Da haben sie sich aber kollektiv die Hände gewaschen wahrscheinlich.

00:47:33: Martin Moment noch mal. Also man hat irgendwann ausgemacht, wahrscheinlich bei einem Glas Kölsch.

00:47:38: Marko Bei der Prinzenproklamation...

00:47:40: Martin Bei der Prinzenproklamation hat man wahrscheinlich ausgemacht: Okay, also wenn jetzt das Technische Rathaus dann dereinst fertig ist und bestimmte Zeit abgelaufen ist, dann habt ihr den ersten Zuschlag, dann habt ihr das Vorkaufsrecht.

00:47:51: Uli Grundbuchrechtlich verbrieft...

00:47:53: Martin Und dann macht man einen Vertrag, unterschreibt den und kurz bevor das dann tatsächlich fällig wird, guckt man noch mal in Vertrag rein und stellt fest: Huch, da steht ja gar nichts drin.

00:48:03: Uli Man guckt ins Grundbuch rein, stellt fest: Da haben wir wohl eine Kleinigkeit vergessen. Das Ganze hat aber jetzt noch ein echtes Geschmäckle, weil verhandelt hat das Ganze nämlich Dr. Lothar Ruschmeier. Der liebe Gott hab ihn selig. Der Mann ist mittlerweile tot. Der war Stadtdirektor, Oberstadtdirektor sogar in der Zeit damals, als das verhandelt worden ist und hat dann diesen Vertrag auch unterschrieben in seiner Funktion. Alles gut, hat nicht so genau hingeguckt vielleicht. Vielleicht hat auch sehr genau hingeguckt, weil dieser Mann hat dann sein lukratives Amt als Oberstadtdirektor ein paar Monate später abgegeben und hat einen neuen Job gefunden.

00:48:37: Martin Ich mag gar nicht raten...

00:48:38: Uli Bei wem, frage ich jetzt mal ganz naiv. Zufälligerweise wurde er Direktor beim Oppenheim-Esch-Fonds. Das ist natürlich totaler Zufall gewesen, dass er den Job dann gekriegt hat. Das hängt nicht mit dem Vertrag zusammen.

00:48:47: Marko Jetzt muss man mal fragen: Ist das jetzt klüngeln oder ist das jetzt maggeln?

00:48:52: Uli Das - in dem Fall ist es Korruption. Das muss man so ganz deutlich sagen. Das überschreitet alles. Das ist einfach ein ein Ding.

00:49:00: Martin Aber ich glaube, das ist ja genau der Punkt. Also die Grenzen sind da natürlich fließend. Also das ist die mündliche Verabredung beim Kölsch. Oder man trifft sich irgendwo bei karnevalistischen Veranstaltungen und beredet irgendwas. Und dann irgendwann wird das vielleicht auch erst nach Jahren in Formen gegossen und irgendwie fließt das dann so in ins Maggeln, in die Korruption über. Das ist wahrscheinlich genau auch der Knackpunkt an der Sache.

00:49:23: Uli Das ist jetzt fast schon wzu wissenschaftlich. Der Kölsche würde das anders sehen. Der Kölsche würde das auch ein bisschen lässiger sehen und würde sagen: Wenn es doch keinem schadet und allen hilft, ist es doch jot.

00:49:33: Martin Na ja, aber keinen Schaden, stimmt ja nun dann eben auch nicht. In dem Fall stimmt es nicht und auch bei den Kölner Messehallen - also 80 Millionen mehr oder weniger. Das ist auch bei einer Stadt wie Köln ist das kein Kleinkram? Also ich weiß nicht, ist das wirklich so, dass der Kölner das so entspannt sieht? Oder hat der Kölner irgendwann mal einfach kapituliert und sich damit abgefunden, dass es eben so ist? Also liebt der Kölner seine Stadt trotzdem oder weil es so ist, wie es ist?

00:50:02: Uli Es kommt darauf an, ob du drin bist im Klüngel oder draußen.

00:50:05: Martin Na ja, vielleicht ist die Besonderheit, dass der Kölner darauf auch noch besonders stolz ist. Weil Klüngel ist vielleicht ein Wort, was besonders mit Köln auch verbunden ist, aber letztendlich diese Form von "Eine Hand wäscht die andere" gibt es natürlich überall. Ich bin öfters mal in Wien in letzter Zeit gewesen und da gibt es das natürlich auch. Also da ist das dann eben mit der entsprechenden Form des Wiener Schmäh verbunden. Aber letztendlich ist das, was da passiert, sehr, sehr ähnlich zu dem, was man hier in Köln beobachten kann.

00:50:33: Uli Wir Kölschen haben tatsächlich kein Patent auf den Klüngel. Das ist richtig. Wenn man mal so ein bisschen über den Tellerrand hinaus schaut, braucht man nicht allzu weit zu gucken. Nehmen wir mal die Amigo Affäre in Bayern, erinnert euch da vielleicht noch dran.

00:50:45: Marko Max Streibl.

00:50:48: Martin Das ist ja nun wie lang? Ich glaube doch 30 Jahre lang her.

00:50:49: Uli Gute 30 Jahre her. Max Streibl hat für seinen Kumpel Burkhart Grob Werbung gemacht, hat Aufträge für den rein geholt - der hat ein Luft- und Raumfahrtunternehmen gehabt. Er hat Aufträge des Verteidigungsministeriums reingeholt und Fördermittel herangeschafft. Und dafür hat sein Kumpel ihm Urlaub in Brasilien und Kenia bezahlt und noch ein paar Parteispenden in die CSU eingezahlt. Das führte dazu, dass Streibl zurücktreten musste. Das ist Klüngel.

00:51:14: Martin Ja jetzt aktuell wieder hochgekocht nach dem Tod von Franz Beckenbauer. Die Geschichte vom Sommermärchen zur Weltmeisterschaft 2006.

00:51:23: Uli Na ja, da gibt es bei der Sommermärchen-Affäre geht es um satte 6,7 Millionen €, die über ganz komische Wege auf dem Konto von Mohamed Bin Hammam gelandet sind. Das ist ein FIFA Funktionär, der aus Katar kommt und der anschließend dann, nachdem das Geld da war, seine Finger gehoben hat, damit Köln...

00:51:42: Martin / Marko Lachen.

00:51:42: Uli Nicht Köln - damit Deutschland die WM 2006 bekommt. Was da genau gelaufen ist und wie sehr Franz Beckenbauer die Finger da drin hatte, ist bis heute ungeklärt.

00:51:55: Marko Na ja, aber da wird ja auch bis heute gesagt ja, wenn man da nicht mitspielt, dann spielt man halt auch nicht mit. Dann ist man halt auch nicht Austragungsort für eine Fußballweltmeisterschaft. Das wird man dann einfach nicht.

00:52:08: Uli Und das ist exakt der Punkt. Du findest den Klüngel immer dann gut, wenn du drin bist, wenn du nicht drin bist, findest du den Klüngel auch logischerweise nicht so gut. Und das ist wieder so ein urkölsches Verfahren, wenn man sich zum Beispiel in Köln den Karneval anguckt. Nicht ganz unwichtig in unserer Stadt. Da muss man schauen, in welchem Karnevalsverein man ist, weil diese Karnevalsvereine, die haben einen Ehrenkodex. Nehmen wir mal als Beispiel unsere großen Korps oder nehmen wir mal als Beispiel die roten Funken. Nehmen wir mal an, wir drei wären Mitglied der Roten Funken. Dann würden wir dafür sorgen, dass jedes private Gewerk, was wir auszuschreiben oder zu vergeben haben, immer an einen anderen roten Funken geht. Ich mache immer gern das Beispiel eines Hauses. Nehmen wir mal an, du baust ein Haus, dann ist dein Notar ein roter Funk. Dein Banker ein roter Funk. Dein Gartenbauer ein roter Funk, Dein Fensterbauer ein roter Funk, dein Dachdecker ein roter Funke - ich kann das Ganze weiter spielen - der Elektriker. Im umgekehrten Fall, nehmen wir mal an, du bist Steuerberater. Dann wird jeder rote Funk dich mandatieren. Dann wirst du von dem das Mandat für die Steuerberatung bekommen. Das ist natürlich ein ganz enges Netzwerk. Hier wird es als Klüngel bezeichnet.

00:53:18: Marko Ja, nun muss man nur noch fragen, in welchem Karnevalsverein du bist, Uli.

00:53:23: Uli Nicht bei den Roten Funken, sondern ich bin stolzer Vizepräsident der Raderdollen Raderberger von 2012. Alaaf.

00:53:30: Martin So, und wenn die einen Stadtführer brauchen, dann rufen sie dich.

00:53:37: Marko Das war zu Gast bei den Geschichtsmachern Uli Kievernagel - nicht nur Stadtführer, sondern auch Host eines Podcasts über kölsche Geschichte.

00:53:46: Martin So, und jetzt machen wir das, worüber wir die ganze Zeit gesprochen haben. Hört da unbedingt rein. Das ist ein super Podcast. Das Köln Ding der Woche. Links dazu natürlich in der Episodenbeschreibung.

00:53:58: Marko In den Shownotes.

00:53:59: Martin In den Shownotes und da solltet ihr auf jeden Fall vorbeischauen und vorbeihorchen. Denn - ganz ernst - das ist wirklich ein guter Podcast.

00:54:06: Marko Ich habe es gerne gehört. Also die Folgen, die ich mir jetzt angehört habe. Ich fands wirklich nett. Worum wird sie nächstes Mal gehen?

00:54:11: Uli Vielen Dank, dass du fragst. Die Folge dreht sich nämlich um das Domhotel, den Baustellen-Schandfleck direkt am Dom.

00:54:19: Martin Hat das was mit Kölner Klüngel zu tun?

00:54:21: Uli Selbstverständlich nicht. Das läuft alles von ganz alleine da im Dom Hotel.

00:54:25: Martin Alles nach Recht und Ordnung?

00:54:26: Uli Wie sich da gehört für Kölle.

00:54:28: Marko Jetzt habt ihr da draußen gelernt, wie man mit maggelt, wie man klüngelt und wer der erste war, der in Köln offen dagegen rebelliert hat. Dafür Danke Uli.

00:54:38: Martin Wenn euch diese Folge der Geschichtsmacher gefallen hat, dann sagt es bitte allen Kölner Klüngelern, Mitgliedern von Karnevalsvereinen und.

00:54:49: Marko Oberbürgermeistern...

00:54:50: Martin Gerne auch den Mitarbeitern von Oppenheim und Esch.

00:54:54: Marko Schwarze-Kassen-Verwaltern oder wen auch immer ihr kennt, den das interessieren könnte.

00:54:58: Martin Wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es bitte uns und zwar nur uns unter.

00:55:04: Marko www.diegeschichtsmacher.de - da findet ihr alle Möglichkeiten, um mit uns ganz vertraulich in Kontakt zu treten.

00:55:12: Martin Und dort könnt ihr uns auch unterstützen bei Steady und könnt...

00:55:16: Marko ...in unsere schwarzen Kassen einzahlen.

00:55:18: Martin Bei uns läuft alles genau wie in Köln. Wir sind ja in Köln nach Recht und Gesetz und Ordnung.

00:55:23: Marko ...an der Steuer vorbei.

00:55:25: Martin Und damit sagen wir noch einmal ganz herzlichen Dank, Uli Kievernagel. Vielen Dank, dass ich hier sein durfte und wir verabschieden uns von euch mit einem Dreifach Kölle - Alaaf Kölle- Alaaf. Die Geschichtsmacher - Alaaf!

00:55:37: Martin Ja dann eigentlich in der Mitte.

00:55:40: Uli Das ist egal. Das sieht der Kölsche nicht so eng.

00:55:40: Marko Ja dann...

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