GSG 9: Der Terror von München 1972

Shownotes

Die Olympischen Spiele sollten ein friedfertiges, fröhliches Deutschland zeigen - Sicherheitspersonal, Polizisten mit Waffen hätten da nur gestört. Aber als palästinensische Terroristen israelische Sportler als Geiseln nehmen, beginnt eine Tragödie.

In den nächsten Folgen zu Gast ist Kollege Martin Herzog… - Moment mal, der ist doch sonst einer der Gastgeber bei den Geschichtsmachern. Stimmt, diesmal aber nicht. Der Grund ist nicht Personalmangel oder sein WDR-ZeitZeichen zu den Olympischen Spielen in München, in dessen Folge die GSG 9 gegründet wurde. Nein, Martin konnte es nicht lassen, ein Buch über die Deutsche Polizei-Spezialeinheit zu schreiben (GSG 9 - Ein Deutscher Mythos) - ein langes auch noch, weshalb sich auch die nächsten beiden Folgen mit der GSG 9 beschäftigen wird, die vor 50 Jahren nach dem Attentat bei den Olympischen Spielen gegründet wurde.

Und natürlich könnt Ihr ihm auch zuhören, wie er sein Hörbuch vorliest. Hier aber kommen zwei der vielen Zeitzeugen im O-Ton zu Wort, die Martin für ZeitZeichen und Buch interviewt hat: Dieter Tutter, ein GSG 9 Mann der ersten Stunde, und Hans-Dietrich Genscher, 1972 Innenminister. Ihn hat er bereits im Jahre 2007 zu München und der GSG 9 befragt.

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Weitere Links zur Geschichte der GSG 9:

Martin Herzogs Buch "GSG 9 - Ein Deutscher Mythos", erschienen 2022 im Ch. Links Verlag, Berlin

Martins Hörbuch "GSG 9 - Ein Deutscher Mythos", erschienen 2022 bei Hierax Medien

Martins Zeitzeichen zum Attentat: 26. August 1972 - Eröffnung der 20. Olympischen Spiele in München

Transkript anzeigen

GM GSG 9 - Teil 1 (gekürzt).mp3

00:00:08: Marko Mensch, Martin, hast aber schöne Musik mitgebracht hier, herrlich.

00:00:10: Martin Ja, der Einmarsch der Gladiatoren sozusagen. Das ist Bert Kaempfert gewesen.

00:00:17: Marko Ja, ich kenne das von der Swinging-Safari. Pfeift...

00:00:19: Martin Richtig, genau der Bert Kaempfert. Der hat damals die Hymne. Ja, sehr schön, sehr schön. Wir sind aber jetzt bei Olympia 72 und der hatte damals die Olympia-Hymne für die Olympischen Spiele in München geschrieben. Willkommen bei die Geschichtsmacher...

00:00:47: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens...

00:00:47: Marko Normalerweise laden wir immer einen Autoren, eine Autorin aus dem Zeitzeichen, das ist eine WDR-Sendung, zu uns hierhin ein. Es ist Sommer, es ist heiß, keiner will kommen und Martin hat ein Buch geschrieben. Und da der Martin auch ein Zeitzeichen Autor ist und natürlich auch über sein Buch ein Zeitzeichen macht. Werden wir heute nur zu zweit sein und uns über sein Buch und sein Zeitzeichen unterhalten. Das Zeitzeichen geht über die Olympiade 1972. Wir hatten schon mal eine Olympiade-Thema - du erinnerst Dich?

00:01:30: Intro 36 - ja. Und da gibt es auch durchaus Verbindungslinien, also unter anderem den berühmten Herrn Brundage, der diese legendären Worte gesprochen hat: The games must go on. Der war 36 auch schon dabei.

00:01:45: Marko The games must go on, obwohl es viele Tote gab, 1972, obwohl es ein schreckliches Attentat gab. Und an diesem Attentat, und deswegen reden wir über diese Olympiade, aufgrund dieses Attentates ist aufgrund dieser Folgen des Attentats ist etwas passiert. Es wurde eine Gruppe gegründet bei der Polizei.

00:02:06: Martin Und zwar die Grenzschutz-Gruppe neun.

00:02:09: Marko Die GSG9. Und so über die Geschichte der GSG9 hat mein geschätzter Kollege Martin Herzog das wunderbare, epochemachende Werk geschrieben: GSG9 - Ein deutscher Mythos. So, und wer bis zum Ende durchhält, ne.

00:02:23: Martin Ja,.

00:02:23: Marko Der könnte eins gewinnen, wenn er bei uns eine Steady Mitgliedschaft abgeschlossen hat.

00:02:28: Martin So ist es.

00:02:29: Marko Denn wir dürfen ja auch am Anfang diese wunderbare Musik nur 15 Sekunden stehen lassen, denn wir haben ja kein Geld.

00:02:34: Martin Wir haben kein Geld und produzieren das alles momentan, wie der Kölner sagt, för dr Laach, also für unseren Spaß und euren Spaß, und würden das natürlich gerne weiter tun. Und um das weiter zu tun, brauchen wir Unterstützer und Förderer, am besten über eine steady Mitgliedschaft unter www.diegeschichtsmacher.de da findet ihr alles Notwendige, was ihr dazu wissen müsst und dann könnt ihr selber kleiner geschichtsmacher oder großergeschichtsmacher oder kleine geschichtsmacherin oder große geschichtsmacherin werden. Für fünf oder zehn € im Monat seid ihr dabei und dann, dann dann habt ihr die Chance auch zum Beispiel dieses Buch zu gewinnen.

00:03:12: Marko Also 1972, diese Fanfare, die wir am Anfang gehört haben, die Olympischen Spiele, ein freudiges Ereignis. Was in Gottes Namen hat dies mit der GSG9 zu tun? Was hat das mit deinem Buch zu tun?

00:03:24: Marko Ja, die Olympischen Spiele von München sind letztendlich die traurige Geburtsstunde der GSG9. Das Attentat auf israelische Athleten durch ein palästinensisches Terror-Kommando. Das ist das, was 1972, nach den ersten zehn Tagen, wo diese Spiele eigentlich wunderbar gelaufen sind, dann stattgefunden hat. Und das ist mit vielen, vielen Toten zu Ende gegangen. Ein Grund war, dass bis dahin in Deutschland so etwas wie eine Spezialeinheit nicht existierte, um mit einer solchen Terror-Lage umzugehen und damit fertig zu werden. Und deswegen hat man sich anschließend überlegt und nicht man, sondern das waren ganz konkrete Menschen. Wer das ist, darüber sprechen wir gleich noch, überlegt: Da muss man was gegen tun und am besten mit einer solchen Spezialeinheit, wie es die GSG9 dann eben geworden ist.

00:04:14: Marko Du hast für dein Buch und auch für deine Zeitzeichen eine Menge dieser Menschen getroffen, die sozusagen bei dieser Gründungsstunde der GSG9 mit dabei waren. Die waren auch schon 1972 mit in München dabei?

00:04:25: Martin Ja, nicht alle, aber einige davon. Und, ganz interessant, eben Leute, auf die es dann auch wirklich wesentlich angekommen ist. Zum Beispiel der Dieter Tutter. Mit dem habe ich mich sehr lange, sehr intensiv unterhalten und der war damals Oberleutnant im Bundesgrenzschutz BGS. Das ist der Vorläufer der Bundespolizei gewesen und der hat sich damals mit Kameraden vom BGS zum Ordnungsdienst für Olympia gemeldet und ist dann nach München gekommen, um beim Ordnungsdienst mitzumachen. Der war also Freiwilliger.

00:05:02: Dieter Tutter Dort war ich Führer der Eingreifreserve Olympiapark Mitte, ein langweiliger Job. Wir saßen im Keller und warteten, wo etwas zum Eingreifen war. Wir hatten eine malerische Uniform, kann man sagen, einen türkisfarbenen Anzug und eine weiße Schiebermütze. Eigentlich kamen wir uns ein bisschen lächerlich vor, aber man wollte heitere Spiele und man wollte nicht deutsche Polizei in der Öffentlichkeit vorführen. Vielleicht hätte man etwas mehr Polizei gebraucht, wie sich später herausstellte. Wir hatten ja auch keine polizeiliche Befugnisse, keine Bewaffnung, kein Garnix. Funkgerät hatte ich, ja, ein kleines, aber sonst nichts. Wir waren praktisch Ordnungsdienst und haben Besucherströme geleitet und Auskünfte erteilt. Das war alles.

00:05:51: Martin Ja und dafür, um diese Aufgabe zu erfüllen, gab es sogar ein eigenes Training. Da hat man den Leuten wie Dieter Tutter beigebracht, dass Störer mit Klamauk verunsichert werden sollen. Also wenn da irgendeiner kommt, dann sollte man da irgendwelchen Spökes veranstalten oder sie sollten sie mit Süßigkeiten beschießen. Also Modell Kölner Karneval sozusagen. Und notfalls sollten diese Leute dann irgendwie sanft abgedrängt werden. Aber was genau mit denen dann anschließend passieren sollte, war auch nicht ganz klar.

00:06:21: Marko Ich meine wir sind 1972 die Veteranen des Zweiten Weltkriegs leben alle noch. Ja, und es ist ja irgendwie ganz verständlich, oder nicht ganz schön, dass sich Deutschland freundlich zeigen will.

00:06:32: Martin Ja, das ist die Idee dahinter gewesen. Freundlich, offen, demokratisch. Wir wollen fröhliche Spiele, wir wollen heitere Spiele. Und natürlich ist es so: Wenn da an jeder Ecke irgendein grau uniformierter Polizist oder vielleicht am Ende noch Soldat mit einer Maschinenpistole steht, dann macht das halt nicht so ein gutes Bild, wenn man dieses, dieses Image vermitteln will. Und genau deswegen hat man das nicht gemacht, sondern Leute wie Dieter Tutter dann eben in so eine türkise Uniform mit so einer, so einem Käppi irgendwie auf. Und dann hatten sie auch so eine Hand-Funkgerät, so einen Walkie-Talkie, hatten sie dann noch ein englisches Wörterbuch, damit sie sich auch verständlich machen können mit Touristen und mit Athleten. Aber ansonsten hatten sie keine Befugnisse, außer zu sagen: Okay, zur Toilette geht es da lang und zum Olympiastadion bitte da lang.

00:07:21: Marko Wenn nichts passiert, würde man ja auch denken, das reicht aus. Es ist ja immer nur dann misslich, wenn etwas passiert. Und dann kommen die Vorwürfe: Um Gottes Willen, warum habt ihr denn nicht? Hätte man denn ahnen können, dass irgendetwas in der Luft liegt?

00:07:36: Martin Ja, also das ist eben der Punkt. Im Nachhinein kann man natürlich immer sagen: War doch klar. Aber es war auch tatsächlich einiges, was darauf hingewiesen hat, dass die Situation nicht so entspannt und nicht so fröhlich sein könnte, wie man das gerne hätte. Zu Anfang der 70er Jahre gab es eine ganze Reihe von Attentaten, von Anschlägen, es gab Flugzeugentführungen. Gerade das Jahr 1972 stach heraus als ein Jahr mit sehr, sehr vielen terroristischen Anschlägen. Allein die RAF in Deutschland hat 1972 sechs Wochen lang eine ganze Serie von Anschlägen begangen, bei denen dann auch zwei Menschen ums Leben gekommen sind.

00:08:17: Marko Das war alles noch vor den Spielen.

00:08:18: Martin Das war alles noch vor den Spielen. Also es gab allgemeine Hinweise, dass die Sicherheitslage nicht so entspannt ist, wie man es gerne hätte. Und in den letzten Jahren sind sogar Hinweise darauf ans Tageslicht gekommen, dass es sogar konkrete Hinweise auf Anschlagspläne auf das Olympische Komitee gab. Aber das ist alles nicht wirklich ernst genommen worden. Beziehungsweise man wollte es politisch auch eben anders haben. Da war der Wunsch der Vater des Gedanken und man hat Sicherheitsvorkehrungen schlicht und ergreifend nicht getroffen. Das betraf das olympische Dorf. Da gab es nur so einen Maschendrahtzaun, der war 2 Meter hoch, der wurde aber auch nicht wirklich bewacht. Nachts schon mal gar nicht. Der war schlecht beleuchtet. Es gab in den Stadien keine wirklichen Sicherheitsvorkehrungen, es gab aber auch keine Pläne für Krisenstab. Gab es keinen Plan dafür, was passiert, wenn irgendwas passiert? Wer muss da mit wem reden?

00:09:16: Marko Wessen Sache wäre das denn gewesen, das sozusagen alles ins Leben zu rufen?

00:09:19: Martin Ja, also formal war zuständig der bayerische Freistaat und die Stadtpolizei München. Auf Bundesebene war man eigentlich gar nicht großartig involviert, außer beratend. Da gab es zunächst mal den damaligen Bundesinnenminister Genscher. Den kennt man heute als Außenminister, vor allen Dingen...

00:09:41: Marko Der mit dem gelben Pullover.

00:09:41: Martin Der mit dem gelben Pullover. Genschman - genau richtig - war, damals aber Innenminister. Und als Innenminister war er gleichzeitig Sportminister und damit für die Olympischen Spiele zuständig, aber eben nur formal. Er hatte keine Befugnisse da. Und dann gab es da auch noch seinen Berater, seinen Sicherheitsberater. Das war auch ein Bundesgrenzschutz-Beamter, nämlich ein gewisser Ulrich Wegener. Und der ist auch bei den vorbereitenden Gesprächen immer wieder mit Genscher in München gewesen, um eben so Sicherheitsbesprechungen zu machen. Und da habe ich mal ein Zitat rausgesucht, der hat sich nämlich später daran erinnert, wie das abgelaufen ist. Marko, wenn du willst, kannst du das mal gerade vortragen.

00:10:24: Marko Ich bin jetzt Wegener.

00:10:25: Marko Du bist Wegener.

00:10:27: Marko liest Wegener Ich unterhielt mich mit vielen Münchner Polizeibeamten, die sich auch darüber aufregten, denen bei der Sache auch nicht wohl war. Der Chef des Bundeskriminalamtes, Horst Herold, und ich gaben zu bedenken, dass wir auf diese Weise nur mit einem Minimum an Polizeikräften unsere ausländischen Gäste schützen würden. Das würde niemals ausreichen. Wir wurden leider nicht ernst genommen. Die Polizei betrachtete das alles mehr als Zeitvertreib. Es war ein unmöglicher Zustand.

00:10:59: Martin Ja und wenn man das hört oder liest, dann kommt einem schon der Gedanke, dass die Art und Weise, wie deutsche, bayerische, Münchner Behörden sich da verhalten haben und wie eben die Sicherheit so eingeschätzt worden ist, die Sicherheitslage, dass das ich sage mal mindestens fahrlässig gewesen ist. Aber zehn Wettkampftage lang ging alles gut, alles war wunderbar. Sportbegeisterte sind davon heute noch völlig beseelt. Heide Rosendahl holt im Weitsprung, Fünfkampf und viermal 100 Meter Lauf Gold und Silber für die Bundesrepublik. Ulrike Meyfarth, das Hochsprung-Wunder...

00:11:37: Marko An die erinnere ich mich ja selbst noch - dabei bin ich 1972 erst geboren.

00:11:40: Martin Ja, ja, ich auch. Aber das sind so Namen. Günter Winkler im Springreiten und Peter Berger im Viererrudern. Jawoll. Alles, alles war super. Die Deutschen waren gut gelaunt, das Publikum war super, das Wetter war toll, die Atmosphäre in den Stadien super. Von der Architektur haben alle geschwärmt von dieser Leichtigkeit. Alles war töfte. Bis zum 5. September.

00:12:06: Marko Was geschah dann?

00:12:08: Martin Ja. Am Morgen dieses 5. September sind Mitglieder des "Schwarzen September", das ist eine Terrorgruppe gewesen, die zu Al-Fatah gehörte, Palästinenser gewesen. Die sind über den Zaun geklettert, diesen 2 Meter hohen Zaun, unbewacht. Das ist auch damals relativ unproblematisch gewesen, weil in den Tagen zuvor immer schon mal Wettkämpfer, Athleten nachts, wenn sie feucht-fröhlich vom Feiern nach Hause gekommen sind, dann sind die auch alle über den Zaun geklettert.

00:12:40: Marko Also man wusste, dass man da rüber kommt.

00:12:42: Martin Ja, da hat sich auch keiner gewundert. Also da sind halt irgendwelche, die waren in Trainingsanzügen unterwegs, hatten Sporttaschen dabei und dann sind die da halt irgendwie rüber geklettert. Und sie sind wohl auch gesehen worden, das hat man im Nachhinein festgestellt von mehreren Leuten, aber die haben sich halt nichts dabei gedacht: Sind halt irgendwelche betrunkenen Leute, betrunkenen Athleten, die nach Hause wollen nach durchzechter Nacht. War morgens um 4:30h und dann sind die über diesen Zaun geklettert, haben sich in einer stillen Nische umgezogen, haben Kampfanzüge angezogen, aus den Sport-Taschen automatische Waffen hervorgezogen und Granaten und sind dann in die Unterkunft der israelischen Olympiamannschaft eingedrungen und haben dort Geiseln genommen, die Olympioniken und die Trainer, die sie dort vorgefunden haben. Es gab Gerangel, es sind zwei Israelis dann sofort erschossen worden.

00:13:36: Marko Zwei der Sportler...

00:13:36: Martin Zwei der Sportler sind erschossen worden und einer hat es geschafft zu fliehen. Nichtsdestotrotz waren dann eben noch neun Israelis in der Gewalt von insgesamt acht palästinensischen Geiselnehmern.

00:13:51: Marko Also neun Geiseln sind dann in der Macht dieser acht Attentäter, weiß man die genaue Zahl. Ist das alles schon klar in dem Moment?

00:13:59: Martin Ne, da ist noch gar nichts klar. Also es ist so, dass anfangs - und das ist etwas, was wirklich einen großen Anteil auch an dem Desaster hatte, das am Ende passiert ist: Man wusste am Anfang überhaupt nichts über die Zahl der Geiselnehmer. Man hat angenommen, vier oder fünf. Im Laufe des Tages schien es sich zu bestätigen, dass es fünf sind, und auf fünf hat man sich eingerichtet. Und das war ein fataler Fehler. Man hat das massiv unterschätzt, und das hat zum Schluss dann auch mit maßgeblich dazu beigetragen, dass es in einer Katastrophe geendet ist.

00:14:33: Marko Geiselnehmer wollen in der Regel etwas erreichen. Was war das Ziel dieser Geiselnahme?

00:14:37: Martin Gefangenenaustausch. Es sollten - also es gibt unterschiedliche Angaben - zwischen 130 und 250 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen befreit werden. Also das war eine Forderung an die israelische Regierung: Lasst unsere palästinensischen Gefangenen frei und dann lassen wir unsere israelischen Geiseln frei im Austausch. Und es stand unter der Liste mit den Namen, unter dieser Namensliste stand auch der Name von Ulrike Meinhof, RAF Terroristin, die gerade einsaß und auf ihren Prozess wartete.

00:15:18: Was hatte diese Palästinenser Gruppe schwarze September, was hatten die mit den RAF Leuten gemeinsam? Wie hängt es zusammen? Es gab Absprachen zwischen verschiedenen europäischen und auch japanischen Terrorgruppen, um mit palästinensischen Terrororganisationen sich gegenseitig zu unterstützen und im Namen der anderen Organisation Terrorakte zu begehen, Geiselnahmen zu begehen, Sprengstoffanschläge zu begehen. Als war so eine Internationale Terror Kooperation, die man vereinbart hat...

00:15:50: Marko Mit Japaniern, Palästinensern, Deutschen...

00:15:52: Martin Iren, Italiener, französischen Terroristen. Das waren...

00:15:56: Marko Terroristen aller Länder vereinigt euch...

00:15:58: Martin Ja, so kann man das sagen. Es war ein internationales Netzwerk, und das hat man dann auch wieder gesehen, fünf Jahre später, bei der Entführung der Landshut, der Lufthansa Maschine Landshut. Das war auch ein Palästinenser Kommando, die die Freilassung deutscher RAF Häftlinge gefordert hat, im Austausch gegen die Geiseln in dem Flugzeug. Das war sozusagen auch einer, wenn man es so flapsig sagen darf, Auftragsarbeit für die RAF.

00:16:26: Marko Jetzt, wenn man vor einer solchen Geiselnahme steht und die Forderung liegt auf dem Tisch. Gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Man gibt der Forderung nach ja, oder man lässt es halt.

00:16:35: Martin Ja, gut, das war ein Teil des Problems. Denn die israelische Regierung, die ja die Angesprochenen waren, die hat von Anfang an gesagt: Kommt nicht in Frage. Die Ministerpräsidentin, Golda Meir, hat über ihren Botschafter der Bundesregierung ausrichten lassen: Wenn wir diesem Austausch zustimmen, dann wird in Zukunft kein Israeli auf der Welt mehr sicher sein und deswegen kommt das nicht in Frage. Jetzt stand die Bundesregierung bzw. der Krisenstab, der sich dann doch schnell gebildet hatte, stand dann natürlich da und hatte nicht wirklich eine Option außer Zeit schinden, versuchen die Geiselnehmer zum Aufgeben zu bewegen und zu schauen, dass man irgendeinen Weg findet, um diese Situation zu lösen. Aber keiner wusste, wie.

00:17:30: Marko Ulrike Meinhof war die Einzige, die in einem deutschen Gefängnis saß. Die hätte man freilassen können von Seiten der Deutschen.

00:17:38: Martin Die hätte man freilassen können. Ob das zu irgendeinem Zugeständnis auf Seiten der Geiselnehmer geführt hätte, wissen wir nicht. Das Angebot ist, soweit ich weiß, nie gemacht worden von Seiten der Bundesregierung. Aber es wurde eben den Geiselnehmern auch nicht am Anfang gesagt: Die israelische Regierung sagt Nein, und jetzt müssen wir mal gucken, weil das hätte dazu geführt, dass die Geiseln mit Sicherheit gestorben wären, sondern man hat die Geiselnehmer im Ungewissen gelassen darüber und hat sie in dem Glauben gelassen, ja, wir arbeiten an einer Lösung, dass ihr ausgeflogen werden könnt und dass die Geiseln freikommen und hat versucht, so eben Zeit zu schinden. Und die Verhandlungen dazu, also immer wieder über den gesamten Tag hat es Verhandlungen gegeben zwischen dem Krisenstab und den Geiselnehmern, und das war dann oft der Polizeipräsident, Schreiber oder andere Leute und immer wieder auch Genscher, der zu dieser Unterkunft hingegangen ist und mit dem Führer dieser Geiselnehmer verhandelt hat.

00:18:40: Marko In seiner Funktion als Sportminister.

00:18:43: Martin Er war, er war natürlich formal der ranghöchste politische Vertreter, auch wenn er da keine Entscheidungsgewalt hatte. Er war eben der ranghöchste deutsche Politiker, der dann direkt mit dem Führer der Geiselnehmer verhandelt hat. Issa hieß der. Und das ist übrigens auch eine Sache, die heute überhaupt nicht mehr gemacht wird, wo alle, die was von Verhandlungen verstehen bei Geiselnahmen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen: Um Himmels willen, da darf nie der Ranghöchste hin, das muss immer ein Rangniedriger sein, damit der sagen kann: Das kann ich nicht entscheiden, da muss ich mich erst rückversichern, da muss ich erst wieder mit meinen Oberen sprechen. Deswegen wird nie, nie, nie jemand da hingeschickt, der tatsächlich Entscheidungen treffen kann, sondern immer nur Laufburschen oder Laufmädels.

00:19:32: Marko Und jetzt war der Chef sozusagen selbst da, der eigentlich Prokura gehabt hätte. Und dann vergibt man sich dieses Ass im Ärmel.,

00:19:39: Martin So ist es. Und er hat sich dann auch noch selbst als Geisel angeboten. Nachdem er einige Male dagewesen ist, hat er gesagt: Ich komme und im Austausch biete ich mich an für die Freilassung der israelischen Geiseln.

00:19:55: Marko Heroisch.

00:19:56: Martin Ja, das kann man so sagen. Ich habe mich mal vor sehr langer Zeit, das ist jetzt auch schon 15 Jahre her, mit Hans Dietrich Genscher unterhalten darüber, und man merkte ihm tatsächlich auch immer noch - selbst damals, 40 Jahre danach - die Erschütterung an, die ihn da wirklich ergriffen hat, muss man sagen, da können wir gerade mal reinhören.

00:20:20: Hans-Dietrich Genscher Ich persönlich befand mich in einer Situation, die in jeder Hinsicht unbefriedigend war. Erstens war ich örtlich nicht zuständig für die Schutzmaßnahmen und die dann nach der Geiselnahme zu ergreifenden Maßnahmen. Aber dominierend war für mich, Zeuge zu werden der Geiselnahme von israelischen Sportlern. Nach allem, was in der Zeit des Dritten Reiches gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern geschehen war, fand ich das ist eine ganz schreckliche Erfahrung. Es war für uns wirklich zum Ersten Mal, dass wir mit dem internationalen Terrorismus uns konfrontiert sahen. Da zeigte sich, dass dafür die Münchner Stadtpolizei und auch die bayerische Landespolizei nicht vorbereitet war. Dass wir an jedem anderen Ort in Deutschland genauso gewesen.

00:21:04: Marko Also Polizei überfordert, dieser Krisenstab irgendwie überfordert. Um mir mal so eine Idee von diesem zeitlichen Horizont zu geben. Wann fängt das so an? Wann ist diese Geiselnahme und wie lang zieht sich das? Wann, wann geht Genscher dahin und bietet sich quasi zum Tausch an?

00:21:19: Martin Also angefangen hat das Ganze im Morgengrauen, wie gesagt, des 5. September. Das ist so 4:30h gewesen.

00:21:26: Marko So früh sind die über den Zaun...

00:21:26: Martin ...sind über den Zaun und sind halt zu einem Zeitpunkt, als die noch schliefen in ihren Unterkünften natürlich, sind die da eingedrungen und haben die Athleten als Geiseln genommen und die Betreuer. Und dann zog sich das über den kompletten Tag. Man hat angefangen mit Verhandlungen und bis das bei den deutschen Behörden überhaupt mal so langsam ins Rollen kam, weil da hatten wir eben drüber gesprochen, es gab keine Vorbereitung für so einen Fall, es gab keine Pläne, wer kontaktiert werden muss, wer alarmiert werden muss, wie so ein Krisenstab aufgebaut sein soll, wer da drin sitzt und wie die entsprechenden Kompetenzen verteilt sind, gab es alles nicht. Das heißt, das hat sich irgendwie so zusammengefunden, alle waren alarmiert, alle sind dahin geeilt und dann hat man eben ad hoc geschaut, was machen wir denn jetzt so? Und das ist natürlich.

00:22:15: Marko Dann hat man einen Minister hingeschickt, den wollten sie aber nicht haben. Und nun?

00:22:18: Martin Das Ganze war ein ziemlich großes Durcheinander. Man hat natürlich erst mal dann versucht, dieses Gelände oder diese Umgebung dieser Unterkunft, das war ja alles offen, erst mal so ein bisschen abzuschirmen. Und dann hatten Leute wie Dieter Tutter vom Ordnungsdienst...

00:22:34: Marko Der mit der lustigen Uniform...

00:22:35: Martin Der mit der lustigen Uniform, dann die Aufgabe zu versuchen, die Menschen, die das mittlerweile mitbekommen hatten, da irgendwie wegzudrängen. Und vor allen Dingen natürlich die Reporter, die da auch mittlerweile Wind von bekommen hatten. Hören wir mal rein.

00:22:49: Dieter Tutter Die strömten natürlich alle dahin, die wussten, was los ist. Das kam ja über die Medien und das haben wir gut und schlecht versucht zu machen. Entscheidend dabei war, dass in mir eine richtiggehende Wut hochkam, denn wir haben in den Zwischenpausen, wo wir nicht eingesetzt waren, die ganzen Funkkanäle offen: Münchner Polizei, Bundesgrenzschutz, Hubschrauber, alles was war - und haben dieses Ganze nicht nur in den Medien verfolgen können, sondern auch mehr oder weniger live über Funk. Und es war eine Katastrophe.

00:23:27: Martin Also das muss ein einziges Durcheinander gewesen sein. Letztendlich ein großer Hühnerhaufen, der umeinander gerannt ist.

00:23:33: Marko Im Funk hätten jetzt diese Terroristen durchaus. Wenn sie Funk gehabt hätten. Weiß man, das hatten sie?

00:23:40: Martin Das weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass sie Funk dabei hatten. Aber der Funk war gar nicht das Problem, denn es wurde ja live übertragen. Im Fernsehen und in jeder Unterkunft gab es natürlich Fernseher.

00:23:50: Marko Das heißt, die haben im Fernsehen geguckt, was um Sie herum los ist?

00:23:52: Marko Man weiß es nicht ganz genau, ob sie tatsächlich - also das ist die große Frage: Schauen Terroristen fern, während sie jemanden als Geisel nehmen? Man weiß es nicht ganz genau. Die Möglichkeit hätten sie dazu gehabt, einfach den Fernseher anzuschalten und zu schauen, was sich um sie herum tut. Und was sich da tat, das war sehr, sehr unerfreulich. Vor allen Dingen für Leute, die wussten wie Polizeiarbeit geht, wie Dieter Tutter.

00:24:19: Dieter Tutter Mich hat schon sehr gestört die im Fernsehen verbreitete und auch da draußen deutlich erkennbare stümperhafte Form der Annäherung mit Stahlhelm und und und Sportklamotten am hellichten Tag und so, das war schlimm. Mir widerstrebte das schon, denn ich war ja nun ausgebildet beim Bundesgrenzschutz und da wäre Geländedienst und alles und Angriff aus der Bewegung und Maschinengewehr und Granatwerfer. Wir hatten ja das Zeug. Wir waren eigentlich eine militärähnliche Polizeitruppe. Und wenn man dann sieht, wie andere Polizisten in einem Halbzivil schwankend über die Dächer klettern, dann graut es einem und sagt: Was soll denn der Unfug.

00:25:09: Marko Also man konnte sich im Fernsehen angucken, wie dann die Münchner Polizei mit dem Stahlhelm, aber ansonsten im Trainingsanzug sich da anrobbte.

00:25:16: Martin Ja, also wenn man schon mal so eine Dokumentation gesehen hat, oder oder Fotos aus dieser Zeit, das sind ganz berühmte Aufnahmen: Wie da Leute im Adidas-Dress in rotem Jogginganzug und mit Stahlhelm auf dem Kopf und dann irgendso ein Gewehr, was wahrscheinlich auch noch aus dem Russlandfeldzug stammte, über die Dächer gestolpert sind und dann einen Zugriff vorbereitet haben. Und das konnte man alles sehen. Und ja, Leute wie Dieter Tuttern haben sich da natürlich die Haare gerauft, das ist klar.

00:25:46: Marko So.

00:25:47: Martin Und und, und dann haben natürlich die Terroristen haben das mitbekommen, ob jetzt übers Fernsehen oder nicht. Auf jeden Fall haben sie gemerkt, was da um sie herum vorgeht, dass da Leute mit Jagdgewehren auf den Dächern gegenüber in Stellungen gehen und haben dann gesagt: Also entweder zieht ihr die Leute jetzt sofort ab oder sämtliche Geiseln werden umgebracht. Und dann hat man konsequenterweise dann auch diesen wirklich untauglichen Befreiungsversuch auch wieder abgeblasen mit dem schönen Namen. Man muss es so zynisch sagen Operation Sonnenschein, das war der, der unter dem unter dem unter dem Stichwort unter dem Kommando von Kommando sollte dann diese Operation losgehen.

00:26:27: Marko Okay, aber das ist dann abgeblasen worden, da man selber gemerkt hat: Okay, wir sind zu dilettantisch vorgegangen offenbar, sie haben bereits Lunte gerochen. Wie geht es weiter?

00:26:36: Martin Anschließend, das war dann schon im späten Nachmittag, war klar Die Terroristen werden immer misstrauischer und im olympischen Dorf wird es auch keinen Befreiungsversuch mehr geben. Und deswegen hat man dann erreicht, dass das Ultimatum bis abends 21:00h verlängert wurde und hat den Leuten Hoffnung gegeben: Wir fliegen euch aus nach Ägypten und nach Kairo und in Kairo, mit den Geiseln zusammen, und in Kairo seid ihr frei, und die Geiseln werden auch freigelassen. Das war der Deal.

00:27:10: Marko Das heißt aber, die Terroristen haben sie schon darauf eingestellt. Okay, das, was wir hier erpressen wollten, das werden wir nicht bekommen. Aber jetzt wollen wir immerhin unsere Haut retten.

00:27:18: Martin Ja, richtig.

00:27:19: Marko Das heißt aber immerhin - die waren nicht so suizidal drauf...

00:27:19: Martin Man hat Ihnen auch die Befreiung der palästinensischen Gefangenen in Aussicht gestellt. Das war schon immer noch da. Okay. Aber es ging jetzt dann eben darum, wie können wir die aktuelle Situation auflösen? Und dann hat man gesagt: Okay, wir bringen euch mit Helikopter nach Fürstenfeldbruck, das Militärflughafen und von da aus, da wird eine Maschine bereitgestellt, und dann geht's dann eben nach Kairo.

00:27:42: Marko So, dann machen die sich da auf zu dem Helikopter.

00:27:46: Martin Ja, zwei Helikopter sind zur Verfügung gestellt worden, mit denen sie dann nach Fürstenfeldbruck geflogen sind, und zwar in einem riesigen Bogen. Die Piloten hatten Anweisung, möglichst langsam zu fliegen und einen möglichst großen Bogen zu fliegen, damit die in Fürstenfeldbruck noch Zeit hatten, sich darauf vorzubereiten auf die Ankunft. Und es gab einen einen dritten Helikopter. Der ist zwar später gestartet, aber vorher angekommen, weil der direkt da hin geflogen ist. Und da saßen dann die ganzen hochrangigen Politiker drin, zuvorderst Genscher und sein Sicherheitsberater Wegener, aber auch solche Leute wie Franz Josef Strauß und andere hochrangige Politiker aus Bayern und aus München. Und die sind dann in den Tower gegangen und haben dort dann versucht, die Aktion zu leiten, die dann folgen sollte, nämlich Zugriff auf dem Flughafen in Fürstenfeldbruck. Diese beiden Hubschrauber sind dann dort gelandet. Dummerweise nicht da, wo sie landen sollten, sondern 30 Meter daneben.

00:28:50: Marko Okay.

00:28:50: Martin Und da war kein Landefeld beleuchtet. Das heißt, die Scharfschützen, die sie vorher als Freiwillige dorthin geschickt hatten, fünf Scharfschützen insgesamt. Die hatten...

00:29:01: Marko Ich rekapituliere: bei acht Geiselnehmern.

00:29:05: Martin Richtig, fünf Scharfschützen für acht Geiselnehmer, fünf Scharfschützen, die nicht wirklich als Scharfschützen ausgebildet waren. Die hatten halt ein bisschen Übung. Das waren Jäger in der Freizeit....

00:29:18: Marko Fünf Freizeit-Jäger sollen acht Terroristen erschießen.

00:29:20: Martin Ohne Funkverkehr untereinander, die hatten nämlich nicht genug Funkgeräte. Und deswegen war auch überhaupt nicht klar, wie das Kommando zur Feuer-Eröffnung oder Koordination untereinander stattfinden sollte. Fünf Leute für acht Terroristen, die ausgeschaltet werden sollten, und damals war schon Standart...

00:29:38: Marko "Ausgeschaltet" - du sagst das schon so. Du hast dich lange damit beschäftigt.

00:29:41: Martin Wenn es geht, sollen die nicht getötet werden. Okay, aber ich weiß nicht, ehrlich gesagt zu diesem Zeitpunkt, wie präzise die jetzt mit dieser Art von Gewehren und der Ausbildung, die sie hatten, also wie man, wie in wieweit man da noch solche Forderungen aufstellen konnte. Aber natürlich ist es zunächst mal im Polizeigesetz so vorgesehen, dass Menschen kampfunfähig gemacht werden und nicht exekutiert werden.

00:30:08: Marko Aber das heißt, man kann sich das ja, also das geht ja eigentlich gar nicht. Also wenn fünf Leute gleichzeitig schießen, bestenfalls, werden bestenfalls fünf getroffen, bleiben noch drei Leute übrig.

00:30:18: Martin Ja, schon damals.

00:30:19: Marko Und die können wahrscheinlich auch irgendwie - die waren, waren die bewaffnet?

00:30:24: Martin Die waren alle bewaffnet mit Maschinenpistolen, die hatten alle Handgranaten. Sie hatten auch vorher sehr klar demonstriert, dass die in der Lage sind, damit umzugehen und dass sie auch willens sind, sie zu benutzen.

00:30:33: Marko Also wer zehn Finger hat, kann sich ausrechnen Das geht nicht auf.

00:30:37: Martin Nein, das war eben einer der Punkte. Man hatte vorher gedacht, es sind vier oder fünf Geiselnehmer. Und als die dann rauskamen im olympischen Dorf aus den Unterkünften, hat man gesehen: Ach du lieber Himmel, sind ja acht. Aber selbst diese Zahl hat es nicht bis zu den Scharfschützen in Fürstenfeldbruck geschafft. Keiner hat denen gesagt: Das sind übrigens acht. Und auch damals war es schon klar, dass bei solchen Operationen, wenn Scharfschützen gebraucht werden, dass man mindestens pro Zielperson - jetzt sag ich noch mal so ein, so ein Wort - also pro auszuschaltendem Terrorist zwei Scharfschützen hat. Eigentlich drei? Das heißt, eigentlich wären da mindestens 16 Leute...

00:31:23: Marko besser 24 ...

00:31:26: Martin 16, besser 24 Scharfschützen am Start gewesen, aber es waren eben nur fünf und dann war das Feld auch noch unbeleuchtet. Dann gab es noch ein Intermezzo, denn es gab ja eine bereitgestellte Maschine, wo die mit ausgeflogen werden sollten, also angeblich. Und da war aber kein Personal drin, sondern da sollten stattdessen ein gutes Dutzend Münchner Polizeibeamte, auch Freiwillige, sein, die die Terroristen dann dort überwältigen sollten. Und die haben sich dann aber, kurz bevor die Hubschrauber gelandet sind, geweigert, diese Aktion durchzuführen, weil es selbstmörderisch gewesen wäre. Und sind aus der Maschine wieder raus. Das heißt, es gab eine leere Maschine und es gab fünf - viel zu wenige - Scharfschützen. Und das war die Situation.

00:32:10: Marko Schöner Mist. Was hätte man jetzt noch tun können? Gar nichts mehr eigentlich.

00:32:14: Martin Eigentlich gar nichts mehr.

00:32:16: Marko Und es war auch klar, wenn die eine leere Maschine vorfinden würden, dass das Ganze ein Bluff ist.

00:32:21: Martin So war es auch, genau so, genau so war es. Die Hubschrauber sind gelandet. Der Anführer, dieser Issa, ist mit einem zweiten ausgestiegen, ist in die Maschine reingegangen, hat sich umgeguckt, hat festgestellt: Hier ist keiner, ist wieder rausgegangen, hat zu seinen Mitstreitern ein Signal gegeben, keiner weiß, was es bedeutete, aber wahrscheinlich: Wir sind hier verladen worden. Und dann fiel der erste Schuss aus einer deutschen Waffe. Kein Mensch weiß heute mehr, wer das genau gewesen ist und warum, ob das da einen Feuer-Befehl gegeben hat oder nicht. Und dann fing eine wilde Schießerei an, die sage und schreibe zwei Stunden angedauert hat.

00:33:00: Marko Zwei Stunden wurde jetzt da geballert.

00:33:03: Martin Von halb elf abends bis kurz vor 00:30h nachts. Ja, da wurden zwei, zwei Stunden lang wild durch die Gegend geschossen. Es wurden mehrere Terroristen am Anfang getroffen, aber mehrere eben auch nicht, die sich dann unter die Hubschrauber geworfen haben und das Feuer erwidert haben, mehr oder weniger in die Dunkelheit schießend. Aber wie es manchmal so ist, da hatte dann ein Terrorist einen Glückstreffer und der endete im Kopf eines Polizeibeamten, der am Tower stand. Der war auf der Stelle tot und es gab eine ganze Reihe von Verletzten. Und im Tower saßen dann die Politiker, die sich unter die Tische geworfen haben, weil da auch die Kugeln einschlugen. Miterlebt unter anderem hat das eben Ulrich Wegener. Und wie der das erlebt hat, das kannst du vielleicht auch noch mal vorlesen. Da habe ich auch noch ein Zitat.

00:33:53: Marko liest Wegener Da war eine Einheit der Bereitschaftspolizei in den Tower verlegt worden, die bereitstanden, aber offensichtlich keine Weisung hatten, etwas zu tun. Nach den ersten Schüssen sprach ich mit dem Hundertschafts-Führer und fragte: Wollt ihr nun nicht endlich eingreifen? Wollt ihr nicht rausgehen und einen Angriff durchführen, um wenigstens einige Geiseln zu retten? Da antwortete er: Ich muss warten bis jemand kommt, um mir einen Befehl erteilt, und ich bin ziemlich überzeugt davon, dass er froh war, keine Weisung zu haben. Es war ein einziges Fiasko. Das war für mich das traumatisches Ereignis meiner Laufbahn. Ich musste neben Genscher vom Tower aus zusehen, wie die israelischen Olympiateilnehmer ermordet wurden und konnte nichts tun. In dem Augenblick schwor ich mir, dass so etwas nicht noch einmal passieren würde.

00:34:44: Marko Ja, und diese Situation, die er da als so unerträglich beschreibt, die endete dann eben nachts um 00:30h mit neun getöteten israelischen Sportlern. Fünf Terroristen waren tot, drei haben überlebt und einem getöteten Polizisten.

00:35:01: Marko Das war sozusagen die Vollkatastrophe. Schlimmer hätte es kaum werden können.

00:35:06: Marko Ja, ich wüsste nicht, wie das ist, hätten noch mehr deutsche Polizisten sterben können dabei. Aber ansonsten war es wirklich ein Desaster, was sich aus vielen, vielen Einzelteilen zusammengesetzt hat. Aber in der Summe muss man einfach sagen, da hat der deutsche Sicherheitsapparat komplett versagt in jeder Beziehung. Eine größere Katastrophe kann man sich, glaube ich, aus dieser Situation heraus kaum vorstellen. Und das ist letztendlich auch das, was dann Wegener bewogen hat, mit seinem Chef noch mal zu sprechen.

00:35:42: Marko Wegener war, um noch mal klar zu machen, der war so eine Art Sicherheitsberater für Genscher.

00:35:47: Martin Der war - offizieller Titel - war Verbindungsoffizier des Bundesgrenzschutzes. Und der Bundesgrenzschutz als Bundesbehörde unterstand eben dem Innenministerium. Und es gibt verschiedene Bezeichnungen: Adjutant habe ich auch schon mal gehört von Genscher, also letztendlich der Mensch, der ihn in allen polizeilichen Dingen beraten hat.

00:36:08: Marko Im Prinzip ist er derjenige, der sozusagen als Verbindungsmann zur Politik aus dem Bundesgrenzschutz da dient und dem Genscher verklickert, wie es funktioniert.

00:36:15: Martin Ja,.

00:36:16: Marko Bundesgrenzschutz - ich fragt noch mal nach: Dieser Tutter ist auch Bundesgrenzschutz.

00:36:19: Martin Auch Bundesgrenzschutz, genau.

00:36:21: Marko Der hat ja eben auch erzählt, sie hätten eigentlich eine Menge Möglichkeiten gehabt. Er muss sich das ja offenbar angucken und stellt dann fest: Ja, also wir beim Bundesgrenzschutz haben das schon ganz anders gelernt. Wir greifen an in der Bewegung, ja, was auch immer das heißt - hab keine Ahnung von so was. Aber ja.

00:36:38: Martin Also der Bundesgrenzschutz ist ja ein Vorläufer gewesen der Bundeswehr. Das war so die erste militärische oder halb-militärische Einheit, die aufgestellt worden ist nach dem Zweiten Weltkrieg die wieder Bewaffnung tragen durfte.

00:36:50: Marko Und die hatten auch in der Tat so was wie wie wir, wie Raketenwerfer oder oder so was?

00:36:54: Martin Raketenwerfer weiß ich nicht, aber die hatten tatsächlich so was wie Mörser, die hatten Maschinengewehre, also hatten schon schwerer Bewaffnung, auch Panzerwagen und so weiter. Ob die jetzt mit so einer Situation fertig geworden wären? Das ist noch mal eine ganz andere Frage, weil da wirklich sehr, sehr spezielle Fähigkeiten verlangt werden. Und da werden wir später sicherlich auch noch drüber sprechen, was da alles dazugehört. Aber was so ein, ich sag mal so ein Feld- Wald- und Wiesen-Polizist, so ein Schupo damals machen konnte, war eben das, was sie denen gesagt haben: So, jetzt nimmt er euch mal da so ein olles Gewehr und dann begibt ihr euch und den Stahlhelm von Oppa und dann begebt euch da mal aufs Dach. Und dann...

00:37:34: Marko Von Oppa - das war damals noch der eigene..

00:37:35: Martin Ja, oder Vaters Stahlhelm dann in den 70er Jahren, ja, wie auch immer jedenfalls - und dann guckt mal, dass er die irgendwie zur Strecke bringt. Das war so mehr oder weniger die Anweisung, die die bekommen haben, und das ist natürlich völlig untauglich. Und wenn dann so jemand wie der Tutter das sieht, klar, der rauft sich die Haare. Aber ob sie das damals hätten besser machen können, das ist dann noch mal eine andere Frage. Aber auf jeden Fall scheint es Ideen gegeben zu haben, wie man so etwas lösen könnte. Also diese Idee einer Spezialeinheit, die nichts anderes macht, als für solche Fälle zu trainieren. Die lag wohl schon in der Luft. Das wird auch so halb aus einem Zitat klar von Ulrich Wegener, was ich auch noch rausgesucht habe, wenn du das vielleicht auch noch mal vortragen könntest.

00:38:26: Marko Selbstredend. Ich bin wieder Ulrich Wegener, der Kontaktmann zur Politik, zu Hans Dietrich Genscher aus dem Bundesgrenzschutz, der das Attentat und diesen ganzen Kladderadatsch und alles, was schief gelaufen ist, sozusagen aus dem Tower mitverfolgt.

00:38:40: Martin Live und in Farbe neben Genscher. Jawohl.

00:38:43: Marko liest Wegener Genscher hatte ich selten so mitgenommen gesehen wie an diesem Tag. Er wollte gar nicht mehr angesprochen werden. Es ging ihm sehr nahe, dass er mit seinen eigenen Kräften die Katastrophe nicht hatte verhindern können. Nach der Pressekonferenz sagte er zu mir: Ich habe das inzwischen dem Kanzler gemeldet. Das war damals Brandt. Ich habe das inzwischen dem Kanzler gemeldet, und wir müssen jetzt überlegen, was wir zu tun haben. Ich erwiderte: Wir müssen eines tun, Herr Minister. Das habe ich Ihnen schon früher gesagt. Wir brauchen eine Art Anti Terror Spezialeinheit, die in Zukunft mit solchen Situationen fertig wird. Da stimmte er zu.

00:39:26: Marko Ah, das heißt, die beiden haben schon mal miteinander drüber geredet?

00:39:29: Martin Ja, genau. Ich habe auch Genscher damals danach gefragt, ob es denn vorher schon so etwas gab wie Pläne zum Aufbau einer solchen Einheit. Und er hatte mir damals gesagt: Na, wir haben da mal so drüber gesprochen und es gab mal diese Idee. Das ist aber nicht konkret geworden.

00:39:45: Marko Wie man halt so über Dinge spricht.

00:39:47: Martin Ja, es gab damals eine große Reform des Bundesgrenzschutzes, die er damals politisch durchgesetzt hat. Und im Zuge dieser Überlegungen, wie man denn diesen BGS reformiert, wurde wohl auch schon mal zwischen Wegener und Genscher über eine solche Spezialeinheit gesprochen. Da ist aber nie was Konkretes draus geworden und Genscher sagte mir dann auch: Nein. Also der Anlass und die Ursache auch, eine solche Einheit wirklich zu gründen, war dieses Attentat und diese Katastrophe bei den Olympischen Spielen 72.

00:40:19: Marko Für mich ist das so ein bisschen Bundesgrenzschutz. Ich meine, wir sind in München nicht an der Grenze. Trotzdem läuft ja Herr Tutter da rum und und Herr Wegner sitzt sozusagen neben dem Minister, dem Zuständigen und guckt sich das alles an. Das heißt, man hat, es muss ja schon irgendwas gegeben haben, um konkret den Bundesgrenzschutz im Innern einzusetzen.

00:40:41: Martin Richtig, das war auch Teil der Reform, denn ursprünglich durfte der Bundesgrenzschutz nur in einem Korridor von 30 Kilometern direkt an der Grenze eingesetzt werden, nicht im Inneren des Landes.

00:40:51: Marko Da spielt München nicht mehr mit.

00:40:53: Martin Richtig? Genau. Und das ist dann eben geändert worden, auch im Zuge dieser BGS Reform, dass für bestimmte nationale Sicherheitslagen oder im Katastrophenfall zum Beispiel, oder auch wenn eine nationale Notlage gegeben ist, dass der Bundesgrenzschutz im Innern eingesetzt werden kann. Und es gab auch tatsächlich stationierte BGS Truppen bei den Olympischen Spielen. Das was Herr Tutter gemacht hat, das war ja Ordnungsdienst, den haben sie da in so eine lustige Uniform gesteckt. Und außerhalb des Sichtfeldes gab es schon Einheiten des BGS, die dann eben auch gerufen worden sind, als diese Geisellage sich dann entfaltet hat. Aber viel mehr als das Gelände abzusperren, konnten die auch nicht machen.

00:41:34: Marko Also die Leute vom Bundesgrenzschutz, die da waren, konnten die Katastrophe nicht verhindern. Die konnten nur zugucken, was für ein Schlamassel die Kollegen vor Ort da sonst fabriziert haben. Insgesamt ist es ja als so ein Komplett-Versagen der deutschen Ordnungskräfte bis heute ein Fanal. Bis heute, glaube ich, beschweren sich auch Menschen aus Israel und Angehörige der Toten darüber, wie das gelaufen ist. Es ist also eigentlich ein hochaktuelles Thema, denn diese Leute wollen Entschädigung.

00:42:04: Martin Richtig Entschädigung. Es gab schon mal Zusagen vom deutschen Staat. Das sind also schon mal Entschädigungen gezahlt worden.

00:42:12: Marko An die Angehörigen...

00:42:13: Martin An die Angehörigen der Opfer. Das war eine Summe in der Größenordnung von, ich glaube 5,4 Millionen €, die damals vor 20 Jahren geflossen sind.

00:42:22: Martin Für die Hinterbliebenen...

00:42:24: Martin Richtig. Aber wir reden da von, ich glaube 60, 70 Hinterbliebenen. Also das ist in der Summe dann für jeden Einzelnen nicht so wahnsinnig viel gewesen. Die Hinterbliebenen beschweren sich vor allen Dingen aber auch darüber, dass die deutsche Politik und der deutsche Staat über Jahre und Jahrzehnte Obstruktion betrieben hat und die Aufklärung verhindert hat über das, was da wirklich passiert ist. Man muss sich.

00:42:47: Marko Ist das so? Ich meine, du hast dazu recherchiert.

00:42:49: Martin Das muss man, das muss man einfach ganz klar sagen. Das ist so gewesen. Also erstens ist es so gewesen: Niemand hat anschließend, nach diesem Desaster, was wir ja jetzt ja nur im Detail nachvollzogen haben, niemand hat seinen Hut nehmen müssen anschließend. Es gab niemanden, der irgendwie eine Verantwortung übernommen hat und hat gesagt: Okay, das geht auf meine Kappe, ich trete zurück. Und es ist im Anschluss behauptet worden, zum Beispiel, es habe genügend Scharfschützen gegeben, es sei ausreichend beleuchtet worden das Landefeld. Es sind Dinge behauptet worden, die einfach nicht wahr waren, um zu verhindern, dass irgendwelche rechtlichen Ansprüche daraus gezogen werden können.

00:43:28: Marko Also der Deutsche Staat hat sich schäbig verhalten lange Jahre....

00:43:32: Marko ...über Jahrzehnte, das muss man so sagen. Ja, richtig. Und die Wut der Angehörigen, die sich über Jahre und Jahrzehnte aufgestaut hat, die ist schon ziemlich nachvollziehbar, muss ich ehrlicherweise sagen. Inwieweit das dann gerechtfertigt ist, jetzt, nachdem es schon mal eine Zahlung gegeben hat, jetzt auf weitere Entschädigung zu pochen.

00:43:54: Marko Es ist 50 Jahre her, in der Tat...

00:43:55: Martin Es ist 50 Jahre her und.

00:43:58: Marko ...und wahrscheinlich muss man auch sagen, niemand in der Regierung und an verantwortlicher Stelle hat das gewollt.

00:44:05: Martin Nein. Das ist natürlich nicht so, aber es ist natürlich eine Frage, inwiefern - ich habe eben gesagt fahrlässig, sträflich fahrlässig. Und ich glaube, das ist tatsächlich der Fall. Man hat da Dinge unterlassen, die man hätte tun müssen und die man damals auch hätte sehen können. Und da ist dann natürlich schon die Frage: Wenn es schon keine rechtliche Verantwortung gibt, gibt es eine moralische Verantwortung dafür, Dinge einfach nicht getan zu haben? Ob das im guten Glauben passiert, ist erst mal dafür relativ uninteressant.

00:44:37: Marko Das Versagen des deutschen Staates ist relativ klar. Hätte es denn eine andere Möglichkeit gegeben?

00:44:43: Martin Ja, wenn man den Israelis glaubt, dann hätte es eine Möglichkeit gegeben. Es gab nämlich eine israelische Spezialeinheit, geführt von einem gewissen Ehud Barak, später Ministerpräsident Israels, die damals bereitstand am Flughafen Tel Aviv und innerhalb von wenigen Stunden in München hätte sein können, um einen Zugriff durchzuführen, der eine gute Chance gehabt hätte, die Geiseln oder zumindes viele der Geiseln zu befreien.

00:45:14: Marko Und diese Spezialeinheit war genau für solche Dinge ausgebildet.

00:45:19: Martin Exakt. Geiselnahme, Geiselbefreiung.

00:45:21: Marko Die Israelis hatten so was.

00:45:22: Martin Die Israelis hatten so was. Die gehörten zu den ganz wenigen Ländern, in denen es solche Spezialeinheiten bereits gab. Anfang der 70er Jahre war das weltweit fast einzigartig. Die Engländer hatten noch was mit ihren Special Air Service und dann war aber auch schon, dann wird die Luft schon relativ dünn. Die Israelis waren eigentlich weltweit diejenigen, die am meisten Erfahrung in diesem Bereich hatten und die auch eine solche Aktion hätten erfolgreich durchziehen können. Und es gibt Zeitzeugenberichte, unter anderem von Ehud Barak, der diese ganze Situation beschrieben hat und der im Prinzip ja von einem Bein auf das andere getreten ist, in Tel Aviv sitzend mit seiner Einheit und zu sagen: Wann kommt denn jetzt hier der Einsatzbefehl?

00:46:12: Marko Und der kam nicht.

00:46:12: Martin Der kam nicht. Es ist bis heute unklar, ob die Deutschen davon nicht informiert waren oder ob sie es abgelehnt haben, diese Einheit einzusetzen. Man muss natürlich dazu sagen: Eine ausländische Spezialeinheit, eine militärische Einheit, in dem Fall auf deutschem Boden, das hätte das Grundgesetz nicht zugelassen. Da hätte man dann über das Grundgesetz hinweggehen müssen. Und so wurde dann auch argumentiert, offensichtlich den Israelis gegenüber. Aber das ist alles eine relativ schwammige Sache.

00:46:45: Martin Das heißt, die Deutschen haben gesagt, die dürfen gar nicht kommen, dann wäre das ja klar.

00:46:48: Martin Genscher hat dann in seinen Erinnerungen gesagt: Mir gegenüber hat sich niemand in eine solche Richtung geäußert. Es war damals der Chef des israelischen Geheimdienstes, des Mossad, Tzwi Zamir, war in München. Der ist dann im Nachmittag eingeflogen worden. Den hat Wegener persönlich vom Flughafen abgeholt. Und Tzwi Zamir hat sich im Anschluss, der war übrigens auch, der ist mit nach Fürstenfeldbruck in diesem dritten Helikopter mitgeflogen und hat dieses ganze Desaster auch mit angesehen. Und der hat sich im Nachhinein bitter darüber beschwert, allerdings auch erst Jahrzehnte später, dass er vor allen Dingen von den bayerischen Vertretern im Krisenstab komplett ignoriert worden ist. Es ist nicht ganz klar, ob die Israelis nicht gefragt worden sind oder ob sie es nicht angeboten haben. Ich tendiere nach dem, was ich gelesen habe, dazu, dass die Israelis das schon angeboten haben und die Deutschen gesagt haben: Nee, das ist alles irgendwie, das ist zu viel und jetzt kommen die auch noch und das war sowieso ein Riesen-Durcheinander und dann ist das mehr oder weniger unter den Tisch gefallen und man hat da eine Möglichkeit, eine Gelegenheit verpasst, diese Situation...

00:47:59: Marko ...wenn auch gewaltsam, aber irgendwie zu lösen.

00:48:01: Martin Irgendwie zu lösen.

00:48:02: Marko Man weiß nicht, ob denen das gelungen wäre, aber anschließend ist klar eine solche Einheit, wie es sie in Israel zu diesem Zeitpunkt gibt, so eine Einheit fehlt in Deutschland. Und dieser Herr Wegener wird da, glaube ich, eine Schlüsselrolle spielen.

00:48:19: Martin So ist es. Und Dieter Tutter, der diese ganze Katastrophe in Fürstenfeldbruck im Funk, im Polizeifunk mitbekommen hatte, der wird auch eine Rolle spielen.

00:48:30: Dieter Tutter Das hat uns schockiert. Es war dieses unbefriedigte Gefühl, das kann es doch nicht sein. Und dann kam ja ganz kurz danach der Schnellbrief vom Innenminister, Herrn Genscher. Da habe ich mich doch gleich beworben, weil ich mal sagte, da muss was geschehen, da muss was getan werden. Und habe mich dann zu der neuen Spezialeinheit zur Bekämpfung der Gewaltkriminalität und des Terrorismus gemeldet. Da wussten wir noch nicht, dass die mal GSG-9 heißen soll.

00:48:55: Martin Ja, Dieter, da war einer der allerersten GSG9 Männer und zusammen mit Ulrich Wegener und eine Handvoll von anderen Leuten standen die am Anfang vor der Frage: Was machen wir denn jetzt eigentlich? Wie bauen wir diese neue Spezialeinheit auf? Denn wir haben ja eben schon darüber gesprochen. Vorbilder gab es so nicht. Also standen sie vor der Frage Wie geht das? Spezialeinheit, wie machste das? Also welche Ausrüstung brauchst du, welche Bewaffnung brauchst du? Was für Taktiken? Und das mussten sie sich erst mal erarbeiten und herausfinden.

00:49:27: Marko Wie also aus der schrecklichen Bluttat in München sozusagen die GSG9 erwuchs, wie eine deutsche Spezialeinheit gegründet wurde und was dazu notwendig war, das erfahrt ihr in der nächsten Folge von Die Geschichtsmacher. Aber für alle die, die uns über Steady unterstützen, für die gibt es was zu gewinnen, nämlich GSG-9. Ein deutscher Mythos. Das Buch, das der Martin nach seinen unzähligen Zeitzeichen, die über die GSG9, München 72 und ich weiß nicht, was noch alles gemacht hat geschrieben hat und was hier noch ganz druckfrisch man, es riecht noch.

00:50:04: Martin Ja, ja, ja, ich habe es erst aus der Folie raus...

00:50:07: Marko Das kann derjenige gewinnen oder diejenige gewinnen, die sich bei Steady bei uns anmeldet. Das würde uns unterstützen für die Zukunft, damit es auch weiter Folgen von die Geschichtsmacher gibt. Die nächste Folge ist in zwei Wochen, da werdet ihr dann erfahren, wie man eine Spezialeinheit gründet, was man dazu alles braucht.

00:50:25: Martin Und wie es dann mit der GSG9 weiter geht bis zu diesem legendären Einsatz im Wüstensand von Somalia.

00:50:34: Marko Mogadischu?

00:50:35: Martin Jawoll! Ja!

00:50:37: Marko Bis dahin würden wir uns über Post freuen unter www.diegeschichtsmache.de

00:50:43: Martin Wenn's euch also gefallen hat, dann sagt es Freunden, Verwandten, Bekannten und allen, die ihr gern habt.

00:50:50: Marko Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt Martin, denn der das Buch geschrieben hat.

00:50:56: Martin Ich bin's schuld diesmal. Na gut. Okay. Wir freuen uns auf euch. In 14 Tagen. Marko Rösseler...

00:51:03: Martin ...und der Martin Herzog. Tschüs

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