GSG 9: Mogadischu und die Befreiung der "Landshut"

Shownotes

Im letzten Teil über die Geschichte der GSG 9 begeben sich Marko Rösseler und Martin Herzog auf die Spuren des Deutschen Herbstes 1977, als der Terror der Rote Armee Fraktion (RAF) in der Entführung des Lufthansa-Maschine "Landshut" gipfelte.

Terrorjahr 1977: Die RAF hat im Frühjahr bereits Generalbundesanwalt Buback sowie Dresdner-Bank-Chef Ponto ermordet, im September dann Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführt. Während die Polizisten wochenlang erfolglos nach ihm suchen, erschüttert Deutschland die Nachricht einer Flugzeugentführung. Genau dafür haben die Männer der GSG 9 seit Jahren geübt. Die Befreiung der Geiseln aus der Lufthansa-Maschine "Landshut" im Wüstensand von Somalia macht die "Trainings-Weltmeister" der GSG 9 über Nacht zu den "Helden von Mogadischu".

Für diese Folge hat Martin zahlreiche GSG-9-Beamte von damals interviewt: Dieter Fox, Werner Heimann und Jörg Probstmeier waren in unterschiedlichen Funktionen bei der Erstürmung der Landshut in Somalia dabei. Martin sprach aber auch mit Jörg Schleyer, dem jüngsten Sohn des später ermordeten Arbeitgeberpräsidenten. Der blickte damals mit ganz anderen Augen auf die Befreiungs-Aktion.

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Weitere Links zur Geschichte der GSG 9:

Das Buch von Martin Herzog: GSG 9 - Ein Deutscher Mythos, erschienen 2022 im Ch. Links Verlang, Berlin

WDR-Zeitzeichen Entführung der Lufthansa-Maschine Landshut (am 13.10.1977)

Martin Herzog zu Gast in der Sendung Redezeit auf WDR 5: Was bleibt vom Mythos GSG 9?

Korrekturen:

  • Bei Minute 29:10 wird Gaby Dillmann als Chef-Stewardess der "Landshut" bezeichnet. Sie spielte zwar eine wichtige Rolle während der Entführung, beim Umgang mit den Passagieren wie den Entführern sowie durch ihre dramatische Funknachricht kurz vor Ablauf des Ultimatums. Chef-Stewardess aber war damals Hannelore Brauchart.
  • Bei Minute 30:40 sagt Martin "Und wie es der böse Zufall so wollte, saß eben genau der Rüdiger von Lutzau als Copilot in Wischnewski Maschine." Tatsächlich war es kein Zufall, dass von Lutzau in der Maschine saß. Er wusste, dass seine Verlobte Gabi Dillmann in der entführten Landshut saß und hatte alles daran gesetzt, in der Maschine von Staatsminister Wischnewski mitzufliegen.

Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher - GSG 9, Teil 3

00:00:00: Martin Marko Wenn du im Jahr 1977 im Kölner Uni-Center, kennst Du, ne...

00:00:04: Marko Hohes, hässliches Gebäude gleich an der Universität - Nähe Universität...

00:00:09: Martin Wenn du dort 1977 gewohnt hättest, im Oktober, genauer gesagt am 13 Oktober, dann hättest du, wenn du wieder nach Hause gekommen wärst, eine eingetretene Wohnungstür vielleicht vorgefunden und einen Zettel an dieser Wohnungstür. Lies mal vor!

00:00:26: Marko Aufgrund gesicherter Beweise dafür, dass sich im Uni-Center Terroristen aufgehalten haben oder noch aufhalten, hat die zuständige Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der zu den Wohnungskomplex gehörenden Wohnungen angeordnet. Die Polizei bedauert, dass es notwendig war, in der geschehenen Form in ihre Privatsphäre einzudringen, bittet aber in Anbetracht der Schwierigkeiten der Situation, insbesondere der Gefahren für die Hausbewohner, um ihr Verständnis. Hochachtungsvoll.

00:00:58: Martin Sehr freundlich. Jo.

00:01:05: Jingle Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:22: Marko Eine zertretene Haustür. Aber das ist noch nicht alles, was in diesem Jahr passieren wird. 1977 - das Jahr des Terrors in Deutschland. Willkommen bei Die Geschichtsmacher...

00:01:32: Martin Mit Marko Rösseler...

00:01:34: Marko ...und Martin Herzog, der ja das Buch geschrieben hat über die GSG 9. Und die hat jenen Zettel hinterlassen an der Haustür. Das heißt, wahrscheinlich hat es die Nachhut gemacht, den ich, wenn ich denn Wohnungsbewohner in diesem hässlichen Uni-Center 1977 - der war damals noch relativ neu...

00:01:49: Martin 71 / 72 gebaut. Ja, ja, das war brandneu eigentlich alles.

00:01:53: Marko So eine hässliche 70er Jahre Beton-Sünde. Wenn ich daran gewohnt hätte, dann hätte ich diesen Zettel gefunden. Hintergrund: Wir sind im Terror-Jahr 1977. Bis dahin hat die GSG 9, wie wir von Martin gelernt haben, nichts anderes getan als den ganzen Tag geübt. Aber in diesem Jahr wird es ernst werden.

00:02:08: Martin Ja, das ist das Jahr des Deutschen Herbstes. Und der Tag, an dem dieser Zettel an diversen Wohnungen im Uni Center hing, war der 13. Oktober 1977. Und der ist markiert als der Beginn der heißen Phase im Deutschen Herbst. An diesem Tag ist das Uni-Center einmal von oben nach unten und von unten nach oben durchsucht worden, eben von der GSG9 und von vielen, vielen 100 anderen Polizisten und Kriminalbeamten.

00:02:35: Marko Und wer es kennt, weiß, dass es riesig...

00:02:36: Martin Riesig - über 900 Wohneinheiten. 600 hat man an dem Tag wohl durchsucht, auf der Suche nach Hanns Martin Schleyer. Der war fünf Wochen zuvor entführt worden...

00:02:48: Marko Der Arbeitgeberpräsident...

00:02:48: Martin Der Arbeitgeberpräsident. Nicht besonders beliebt in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung. Zumindest bei denen, die sich als links bezeichnet haben. Der ist am 5. September entführt worden und fünf Wochen später hatte man immer noch keine Spur. Die BRD war im Ausnahmezustand, muss man sich vorstellen. Polizeikontrollen mit Maschinenpistolen an allen möglichen Ausfallstraßen, Fahndungs-Plakate an jedem Briefkasten, Panzerwagen vor dem Bundeskanzleramt in Bonn, tausende Kriminalbeamte auf der Suche nach den RAF Terroristen und Hanns Martin Schleyer. Also das war wirklich eine Atmosphäre, die unglaublich intensiv war. Und in dieser Atmosphäre kam nun der Befehl, das Uni Center in Köln zu durchsuchen.

00:03:33: Marko Wir werden aber heute nicht am Uni-Center in Köln bleiben, sondern der Weg wird uns in die Wüste Somalias führen, nach Mogadischu. Darum wird es heute gehen bei den Geschichtsmachern. Wie gesagt, Kollege Herzog hat das Buch dazu geschrieben, hat viele Zeitzeugen interviewt, die heute zu Wort kommen werden. Einer davon ist Dieter Fox, der an jenem 13 Oktober und in den folgenden Tagen als GSG9 Beamter ja so nah dran war, wie es näher nicht geht.

00:03:59: Martin Das kann man so sagen. Und er war eben auch mit dabei am Uni-Center vor 45 Jahren.

00:04:04: Dieter Fox Sehr früh morgens, ich glaube um fünf Uhr sind wir rausgefahren. Ich meine, das Haus hatte 23 Stockwerke oder ähnliches gehabt, also schon eine richtige Herausforderung. Wir haben das Gebäude aufgeteilt und eine Einheit hat sich von oben abgeseilt, in die Stockwerke rein und hat immer durchsucht. Eine andere Einheit ist mit dem Aufzug nach oben gefahren und hat von oben runter gearbeitet, zu Fuß. Und die andere Einheit wiederum ist von ganz unten, so dass man sich immer entgegenkam, ist von ganz unten im Stockwerk nach oben marschiert, natürlich unter voller Ausrüstung. Wir hatten zu dem Zeitpunkt teilweise die alten Schutzwesten mit den Platten drin, die wiegt, glaube ich, um die 15, 18 Kilo die Weste. 23 Stockwerke ist einfach nur top. Das könnte man anrechnen für das Sportabzeichen, wenn Sie da oben sind. Wir haben vieles gefunden. Nur Hanns Martin Schleyer nicht. Ich glaube um 14:30h war noch ein Stockwerk. Da war man dabei, als die Meldung, dass eine Lufthansa Maschine den Kurs geändert hat über Marseille. Mehr wusste man nicht. Da war noch nichts von Entführung. Und da war noch nichts von Geiselnahme. Die hat nur den Kurs geändert. Man wusste überhaupt keine Einzelheiten.

00:05:15: Marko Aber was waren die Einzelheiten?

00:05:18: Martin Ja, die Einzelheiten waren, dass es sich bei dieser Maschine um eine Boeing 737 der Lufthansa handelte mit dem Namen Landshut, mittlerweile legendär mit insgesamt 91 Menschen an Bord. Das waren 82 hauptsächlich Urlauber. Dann waren an Bord fünf Besatzungsmitglieder und, wie sich dann später erst herausstellte, vier Terroristen der PFLP, der Popular Front for the Liberation of Palestine, also der Volksbefreiungsfront Palästinas. Das hat sich in den nächsten Tagen aber erst herausgestellt, wer das genau gewesen ist. Und ja, die haben auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt das Flugzeug gekapert und umgeleitet, zunächst nach Rom. Und dort sind dann am Abend überhaupt erst mal die Forderungen bekannt geworden. Es gibt ein entsprechendes Schreiben, das habe ich auch hier. Da kannst du mal einen Auszug lesen, Marko.

00:06:15: Marko Das Leben der Passagiere und der Besatzung und das Leben von Dr. Hanns Martin Schleyer hängen davon ab, dass sie die folgenden Forderungen erfüllen: Freilassung der folgenden Genossen der RAF aus Westdeutschen Gefängnissen: Andreas Bader, Gudrun Enslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Delwo, Hanna Krabbe, Bernd Rösner, Ingrid Schubert, Irmgard Müller, Günter Sonnenberg. Jede Person soll 100.000 DM mitbekommen. Die Zahlung von 15 Millionen US-Dollar gemäß beigefügten Anweiseungen. Vereinbaren sie die Aufnahme mit einem der folgenden Ländern der Genossen, die freigelassen wurden: Demokratische Republik Vietnam, Republik Somalia, Demokratische Volksrepublik Jemen. Jeder Verzögerungs- und Täuschungsversuch Ihrerseits bedeutet den augenblicklichen Ablauf des Ultimatums und die Exekution von Hanns Martin Schleyer, den Passagieren und der Besatzung des Flugzeuges. 13. Oktober 1977. Organisation für den Kampf gegen den Weltimperialismus. - Wow: Klingt völlig unbekannt.

00:06:23: Martin Stimmt, so viel ich weiß ist diese Organisation weder vorher noch nachher wirklich in Erscheinung getreten, das war ein Kommando, das zu dieser PFLP gehörte, zu dieser Palästinensischen Befreiungsfront.

00:06:23: Marko Das klingt alles so ein bißchen wie bei das Leben des Brian - Palästinensische Befreiungsfront, Kampf gegen den Weltimperialismus. Wie hängt das zusammen mit RAF-Terroristen in Deutschland?

00:06:23: Martin Ja, wieso fordern Palästinenser die Befreiung von RAF-Terroristen? Ja, das ist eine gute Frage, wir haben da in der ersten Folge über die Befreiung der Geiseln in München schon einmal drüber gesprochen. Es gab enge Verbindungen zwischen RAF und den Palästinensischen Terroristen. Die RAF Mitglieder sind in Palästinensischen Ausbildungslagern ausgebildet worden Anfang der 70er Jahre, also Andreas Baader, Ulrike Meinhoff, die waren da alle in Palästienensischen Ausbildungslagern und damals gab es so eine Art Terroristische Internationale, wo Terroristische Organisationen sich gegenseitig geholfen haben. Und hier haben wir es mit einer Art Auftragsarbeit der PFLP für die RAF zu tun.

00:06:23: Marko So, jetzt ist dieses Flugzeug unterwegs, man weiß sofort wohin?

00:06:23: Martin Ja, es war umgeleitet nach Rom. Das war so die erste Information, die man hatte. Und dort sind sie auch gelandet und standen erst einmal da. Und als dieses Bekennerschreiben dann bekannt geworden ist mit diesen Forderungen, dann war da Dieter Fox bereits mit einem GSG 9 Kommando auf dem Weg nach Rom.

00:08:56: Dieter Fox Wir haben sofort im Hochhaus abgebrochen, dann sind wir in Alarm-Fahrt von Köln nach Sankt Augustin gedonnert. Nachmittags 15:00 Uhr, 16:00 Uhr. In Sankt Augustin sind derweil drei Pumas, Pumas sind die damaligen großen Transporthubschrauber gewesen, die standen schon bereit und wir haben sofort aus den Bullis raus unsere Klamotten, gar nicht erst auf die Stuben, sondern gleich hochgegangen in Richtung Köln-Bonn. In Köln-Bonn stand eine Boeing 707, die stand schon bereit, und da waren auch schon einige Leute drin, unter anderem einige BKA- Leute, einige vom Innenministerium, einige vom Beraterstab, soweit ich weiß. Ich habe die gar nicht mehr alle so realisiert, weil wir mit uns beschäftigt waren.

00:09:34: Marko So, und jetzt sind die alle zusammen in der Maschine und fliegen erst mal nach Rom.

00:09:38: Martin Genau die nehmen jetzt die Verfolgung auf, weil natürlich jetzt der Krisenstab der Bundesregierung auch in einer prekären Lage ist. Bisher ging es immer nur - "nur" in Anführungsstrichen - um die Befreiung von Hanns Martin Schleyer, den Arbeitgeberpräsidenten im Austausch gegen eben die RAF Gefangenen in Stammheim. Und jetzt geht es auf einmal um 87 Menschen, um Touristen, die mit dieser ganzen Geschichte natürlich nichts zu tun haben. Touristen, die einfach nur aus dem Urlaub nach Hause wollen.

00:10:08: Marko Die waren auf Malle...

00:10:08: Martin Die waren auf Malle genau richtig. Und die wollten nach Hause. Und jetzt sind sie eben Gefangene und Teil eines ziemlich bösen Spieles, weil eben ihr Leben gegen das Leben von einer Handvoll RAF Leute gesetzt wird.

00:10:26: Marko Nun war ja bei Hanns Martin Schleyer relativ früh klar, dass sich die Bundesregierung nicht wird erpressen lassen. Es war klar, man würde nicht auf irgendwelche Forderungen eingehen, sondern man spielte auf Zeit. Hat sich dann mit der Entführung der Landshut irgendwas geändert?

00:10:45: Martin Grundsätzlich erst mal nichts vonseiten des Krisenstabes. Aber natürlich war jetzt die Frage: Spielt man immer noch die harte Nummer? Denn es geht jetzt eben um 88 Menschenleben. Und so seltsam sich das anhört, für die Familie von Hanns Martin Schleyer war es letztendlich so etwas ja wie ein Hoffnungsschimmer. Ich habe mich mit Jörg Schleyer unterhalten. Das ist der jüngste der drei Schleyer Söhne. Der war damals Student, und der hat mir Folgendes gesagt:

00:11:17: Jörg Schleyer Man muss das aus der Situation der Familie sehen. Für uns war das natürlich fast eine positive Fügung, weil wir gedacht haben Also jetzt können Sie nicht noch mal 90 Leute opfern, sondern wenn, dann muss es jetzt eine gemeinschaftliche Aktion gehen. Das war unsere große Hoffnung. Und das war ja dann auch wirklich extrem nervenaufreibend. Nicht nur wie lange es sich hingezogen hat, sondern weil man ja überhaupt nichts erfahren hat, was man dann später wusste. Wie dieses Hin und Her zwischen Bonn und Stammheim. Wie die taktiert haben mit der Zeit. Zu Recht wahrscheinlich taktiert haben mit der Zeit. Das hat man ja erst hinterher erfahren, wie das alles ablief. Tja, für uns war es eigentlich die letzte Hoffnung, dass es doch noch zu einem Austausch kommt.

00:12:02: Marko Gab es denn in dem Moment - Helmut Schmidt war damals Kanzler - gab es in dem Moment für ihn ein Zögern, dass er gesagt hätte: Okay, jetzt lass ich mich auf irgendeinen Deal ein.

00:12:16: Martin So weit ich weiß nicht. Also dieser Krisenstab hat ja ständig getagt, und da war im Prinzip von Anfang an klar: Nein, es wird keinen Austausch geben. Wir spielen hier auf Zeit und suchen irgendeine andere Lösung. Gerade Schmidt war da sehr strikt in seiner Haltung. Es gab zwei Jahre vorher eine Entführung von Peter Lorenz. Das ist ein CDU Politiker, der für das Bürgermeisteramt in Berlin kandidiert hat, der ist entführt worden und da hat man dann nach einigen Tagen gesagt: Okay, wir lassen einige RAF Gefangene frei. Und was die RAF Gefangenen, die freigelassenen gemacht haben, also Peter Lorenz ist dann auch wieder freigelassen worden. Und was die RAF-Gefangenen gemacht haben...

00:13:00: Marko Also man hat sich an den Deal gehalten?

00:13:01: Martin Man hat sich an den Deal gehalten, die sind freigekommen, die sind ausgeflogen worden und der Deal war, die bleiben da, wo sie ausgeflogen werden im Ausland. Aber was sie gemacht haben, war Die allermeisten von denen sind auf dem Absatz umgedreht und wieder in die Bundesrepublik eingereist und waren an weiteren terroristischen Aktivitäten beteiligt. Und da hat Schmidt gesagt: Das soll uns nicht noch einmal passieren. Letztendlich, wenn wir auf die Forderungen, wenn wir auf solche Forderungen eingehen von Terroristen, dann ist das nichts anderes als eine Ermutigung zu weiteren Terrorakten.

00:13:33: Marko Im Prinzip eine Lehre - wir hatten das am Anfang, in der ersten Folge, da ging es darum, dass die jüdischen Sportler sozusagen in Geiselhaft genommen worden ist und auch von den Terroristen Forderungen aufgestellt worden sind. Und Israel ist hart geblieben.

00:13:46: Martin Genau. Ja.

00:13:47: Marko Im Prinzip hat die Bundesrepublik dasselbe getan.

00:13:50: Martin Sie hat gelernt. Ja, genau. Aus dem Fall Peter Lorenz hat man diese brutale Lehre gezogen, eben solchen Forderungen nicht mehr nachzugeben.

00:14:01: Marko Aber man hatte jetzt auch eine vielleicht ebenso brutale Waffe, nämlich die GSG 9.

00:14:07: Martin Das war die Option. Ob das funktionieren würde, wusste man ja noch nicht. Sie hatten ja, wie wir am Anfang festgestellt haben, bis zu diesem Jahr, bis zu diesem Einsatz eben keine größeren Einsätze gehabt. Also die Feuertaufe stand da noch aus und man hat gesagt, okay, wir schicken die hinterher und versuchen, eine Befreiung als eine von mehreren möglichen Optionen vorzubereiten und dann vielleicht damit Glück zu haben.

00:14:35: Marko Wie alle wissen, fand eine Befreiung nicht in Rom statt, sondern die Odyssee der Landshut dauerte sehr, sehr lange. Ja, das war ein regelrechter irre Flug, muss man sagen. Also von Rom ist die Landshut dann erst mal nach Larnaka auf Zypern geflogen, als die GSG 9 darauf Kurs genommen hat mit ihrem Flugzeug, waren die da aber auch schon wieder weg. Dann ist die Landshut weiter nach Beirut. Dort sollte sie landen. Da war aber dann der Flughafen gesperrt. Man hat sie nicht landen lassen. Das Gleiche in Damaskus, in Bagdad, in Kuwait. Dann sind sie kurz in Bahrein gelandet, und dann sind sie weiter nach Dubai. Dort gab es auch keine Landeerlaubnis und sie sind dann trotzdem gelandet, weil eben der Sprit irgendwann alle war.

00:15:22: Marko Wie viele Stunden waren Sie da schon unterwegs?

00:15:24: Martin Also zu dem Zeitpunkt, wo Sie dann in Dubai gelandet sind, waren die schon zwei Tage mit mehreren Zwischenstopps unterwegs.

00:15:31: Marko Und die GSG9 immer hinterher?

00:15:32: Martin Nee, die GSG 9 ist erst mal nach Ankara geschickt worden. Auf der Forderung-Liste der Geiselnehmer standen auch zwei Genossen in türkischen Gefängnissen und deswegen hat man die erst mal da hingeschickt, um nachzuhorchen - also das war ja nicht nur die GSG neun, sondern da waren dann auch eben Innenministerium-Mitarbeiter und Geheimdienstler und BKA Leute mit an Bord und da sollten die erst mal rausfinden, wie die Türken zu der ganzen Sache stehen. Und dann sind die dort erst mal auf Warteposition gegangen.

00:16:02: Marko Also die wollten letztendlich diese Palästinenser, die in einem türkischen Gefängnis sitzen, wollten sie mal gucken: Ach, vielleicht lassen die die ja frei?

00:16:07: Martin Ja, also es ging da so um eine geheime-diplomatische Mission. Es waren zu dem Zeitpunkt waren 20 GSG9 Leute, die haben dann auf dem Flughafen in Ankara gesessen.

00:16:22: Marko Wobei das jetzt nicht grad die Diplomaten waren, richtig?

00:16:25: Martin Ne.

00:16:25: Marko Warum sitzen die in Ankara?

00:16:27: Martin Das war die gleiche Maschine, mit denen auch die Diplomaten geflogen sind und die Geheimdienstleute und die BKAler, also die saßen da halt mit drin.

00:16:34: Marko Und zwei Flugzeuge, zwei Flugzeuge hatte die Bundesrepublik nicht.

00:16:37: Martin Man muss sich das immer vorstellen, das war ja auch ein großes Durcheinander, die sind ja innerhalb kürzester Zeit sind die aufgebrochen. Und dann hieß es: Fliegt denen hinterher. Wie auch immer, jedenfalls haben die erst mal in Ankara gesessen und eine Weile Däumchen gedreht. Die haben dann, weil sie nicht wussten, was sie machen sollten, haben sie dann gegen türkisches Militär von der Luftwaffenbasis, die da nebenan war, haben sie Fußball und Volleyball gespielt. Das hat Wegener angeordnet, um die Leute ja beschäftigt zu halten. Die können ja nicht die ganze Zeit nur ihre Waffen putzen. Und deswegen haben die dann dort irgendwelche Aktivitäten gemacht. Das war nicht ganz so gut, denn irgendwann sind die aufgefallen und ein türkisches Kamerateam hat die entdeckt und gefilmt. Und zwar als einige GSG9 Leute auf dem Weg vom Flugzeug in die Kaserne waren zum Mittagessen. Und einer derer, die da gefilmt worden sind, das war der GSG neun Mann. Werner Heimann. Mit dem habe ich mich auch unterhalten.

00:17:37: Werner Heimann Meine Tochter, die hat Fernsehen geguckt und hat dann zur Ihrer Mama gesagt: Guck mal, da geht der Papa ja, ne. Und da wussten auch unsere Familien erst, wo wir überhaupt waren. Vorher war ja nicht bekannt, wo wir waren und ob wir in der Unterkunft sind oder unterwegs sind. Da wusste ja keiner. Und dann war klar, die GSG9 ist unterwegs. Und daraufhin wurde der Einsatz ja abgebrochen. Offiziell. Man hat gesagt: Ja, wenn das jetzt im deutschen Fernsehen gezeigt wird, dann können wir den Einsatz abbrechen. Und dann sind wir tatsächlich in Köln- Bonn wieder gelandet. Das wurde ja wohl auch in den Medien verbreitet, dass der Einsatz abgebrochen war. Aber nur für die Öffentlichkeit. Aber es war schon so geplant, dass wir am nächsten Morgen direkt wieder losfliegen, das war geplant. Und dann haben wir paar schon Stunden geschlafen. Da kam eine Alarmierung, dann wir ja noch mal wieder los und dann mit unseren ganzen Truppen.

00:18:27: Marko Klingt irgendwie ein bisschen dilettantisch, wenn wir ehrlich ist, man fliegt nach Ankara mit den Diplomaten. Und dann spielt man erst mal eine Runde Fußball, lässt sich dabei filmen. Und wenn man zu Hause ankommt, steht da auch das deutsche Fernsehen und macht einen Bericht drüber. Ja, das ist schon ein bisschen Panne.

00:18:43: Martin Also das erste, ja gebe ich dir recht, da waren die wohl offensichtlich sehr unbesorgt. Beim zweiten Mal, da wollte man, dass die Presse das mitbekommt. Es sollte klar werden: Die sind wieder zurück. Einsatz abgebrochen. Das war aber eine Finte. Man hat am nächsten Morgen die Leute und dann allerdings den ganzen Trupp - 60 Mann - in LKW gesetzt und die über Umwegen nach Köln-Bonn wieder zurück gekarrt und teilweise auch in Hubschraubern, so dass man da nicht mitbekommen konnte, dass die GSG9 wieder auf den Weg geschickt worden ist. Denn die Presse wartete natürlich da mittlerweile auch in Sankt Augustin vor dem Tor und wartete darauf, dass die GSG9 eventuell da wieder rauskommt. Und das hat man dann verdeckt gemacht und hat den Jungs gesagt: So, wenn ihr irgendwie angesprochen werden solltet oder falls ihr da in irgendeine Situation kommt, ihr seid vom Roten Kreuz - eine Hilfstruppe. Darauf muss man aber nicht zurückgreifen, denn das wäre schon sehr seltsam gewesen, wenn da eine Truppe von 60 jungen Männern mit kurzen, schnittigen Haaren dann irgendwie als deutsches Rotes Kreuz Team durchgegangen wäre.

00:19:47: Marko Ja, klingt so ein bisschen Guten Tag, wir kommen von der Brunata, wir wollen Ihren Heizkörper ablesen. Das ist doch bescheuert. Das hat offenbar aber trotzdem funktioniert.

00:19:58: Martin Das hat niemand mitbekommen, offensichtlich. Und die sind dann wieder in Bewegung gesetzt worden. Und zwar nach Kreta. Da gab es eine NATO Airbase und da sind die stationiert worden, um zu warten darauf, dass dann von wer weiß, woher der Einsatzbefehl kommen sollte.

00:20:15: Marko Kreta? Wo ist denn jetzt mittlerweile die Maschine?

00:20:18: Martin Ja, die Maschine ist immer noch in Dubai und da war mittlerweile auch ein Voraus-Kommando der GSG 9. Weil aus Ankara sind nicht alle nach Hause geflogen, sondern Wegener...

00:20:32: Marko Ein paar haben noch Fußball gespielt.

00:20:33: Martin Nee, Fußball hatten sie dann, glaube ich, genug gespielt. Aber Wegener hatte gesagt: Okay, der Rest der Mannschaft fliegt nach Hause. Aber ich, also Kommandeur Wegener, mein Adjutant, und Dieter Fox, die drei, wir nehmen einen kleinen Jet, der mittlerweile auch in Ankara angekommen war. Der war wohl vom BND - ein kleiner Business Jet - und wir fliegen der Landshut trotzdem hinterher, um so ein bisschen Aufklärung zu betreiben und zu gucken, wo gehen die hin und eventuell da schon mal Sachen vorbereiten zu können. Und die waren auch dann jetzt in Dubai und auch in Dubai war Hans-Jürgen Wischnewski. Der sagt dir noch was?

00:21:15: Marko Ben Wisch.

00:21:16: Martin Richtig, der Feuerwehrmann der sozialliberalen Koalition, der ja immer der Ausputzer war im Nahen Osten vor allen Dingen. Und der war also mittlerweile auch angekommen mit seiner Entourage aus BKA-Leuten, Lufthansa-Mitarbeitern, Geheimdienstlern und hatte auch einen Koffer voll Geld mit dabei, um dann eventuell Zahlungen leisten zu können, falls es denn gebraucht wurde.

00:21:40: Martin Wie lang war jetzt diese Maschine mit den Leuten da schon unterwegs? Wir schreiben den wievielten. Wir schreiben den Abend des. 15. Oktober, das heißt dann trifft sich sozusagen alles in Dubai. Die Entführung der Landshut war am 13. Oktober nachmittags und die waren aber natürlich ja schon im Uni Center zugange, da den ganzen Tag seit morgens 5:00 früh. Also die hatten schon ordentlich was hinter sich.

00:22:08: Marko Das heißt für ihn zweieinhalb Tage: Erstürmung eines Hochhauses, danach Zwischenlandung in Ankara, dann Fußballspielen gegen die Kollegen und Weiterflug nach Dubai.

00:22:18: Martin Genau. Und weil das Ganze so so ein Hin und Her war und die im Prinzip auch nicht aus ihrer Maschine rauskamen, außer eben mal zum Fußballspielen, gab es da auch nicht so richtig Möglichkeiten, sich mal zu waschen oder auch nur frisch zu machen. Und das hatte dann nach zweieinhalb Tagen natürlich auch eine gewisse olfaktorische Auswirkung. Aber so nett beschreibt es der Dieter Fox nicht.

00:22:41: Dieter Fox Wir haben gestunken wie die Paviane. Das muss man also ganz klar sagen. Es war Oktober, aber es war relativ warm noch. Für unsere Bereitschaft-Zeit haben wir zwei Paar Socken mit gehabt, drei T Shirts, eine andere Hose, eine Jacke vielleicht noch und das war's dann. Der Rest war dienstlich, aber selbst dienstliche Sachen haben wir nicht mehr gehabt, weil wir in Zivil losgeflogen sind. Da half auch kein Deo und auch kein Parfüm oder sonst irgendwas Wasser, was auf irgendwelchen Bord-Toiletten war und sich mit eingerieben hat. Also ging nicht.

00:23:06: Marko Also ich sag mal mit drei Tshirts, einer zweiten Hose und einem zweiten Paar Socken mache ich vier Wochen Urlaub.

00:23:13: Martin Die haben auch tatsächlich dann versucht, das so zwischendurch mal zu waschen. In den Bord- Toiletten, das ging auch. Das Problem ist, das Zeug ist nicht mehr trocken geworden. In der Maschine war die Klimaanlage an und dann mussten die dann in ihre klammen Klamotten wieder rein schlüpfen.

00:23:28: Marko Also alles war nicht schön, aber man muss sich jetzt vorstellen, die Leute, die in der Landshut saßen, haben da glaube ich, ein viel größeres Problem als Dieter Fox in dem Moment. Denn ich glaube, auch die hygienischen Mittel auf einem Langstrecken Flugzeug ist ja nicht einmal ein Langstrecken-Flugzeug - kein Kurzstrecken...

00:23:43: Martin Mittelstrecken...

00:23:43: Marko Mittelstrecken-Flugzeuge sind wahrscheinlich begrenzt.

00:23:49: Marko Ja, also das war natürlich im Vergleich katastrophal, was in der Landshut vor sich ging. Also die hygienischen Verhältnisse waren in der Tat eine einzige Katastrophe. Die Geiseln durften erst gar nicht auf die Toilette, dann sind sie in Gruppen hingeführt worden und nach einem Tag waren die Toiletten alle komplett verstopft, weil da wohl auch Leute aus Angst spitze Gegenstände und was sie so an sich hatten, teilweise auch ihre Reisepässe zerrissen und dort versucht haben runter zu spülen und wer eine Toilette an Bord eines Flugzeuges kennt, der weiß, das ist nur so ein kleines Loch und das ist binnen kürzester Zeit verstopft und äh, ja, genau. Ja, oder eben auch nicht. Und in ihrer Not haben die Leute dann in ihren Sitzen, die konnten ja nicht aufstehen, man konnte sich nicht bewegen. Und die Leute haben dann in ihrer Not einfach unter sich gelassen und in den Sitz gepinkelt, weil es anders halt nicht ging. Und dann sind wir jetzt in Dubai, da steht die Landshut in der Hitze in der Wüste. Trotz Klimaanlage ist es da heiß, stickig in der Maschine. Dazu kommt natürlich dann die extrem belastende Situation der Geiselnahme selbst, dauernde Schikanen der Entführer. Der Anführer, der sich Captain Mahmud nennen ließ, der hat immer wieder mit Erschießungen gedroht, hat die Leute angebrüllt, und das ist natürlich extrem belastend gewesen.

00:25:10: Marko Nun ist die Maschine nicht in Dubai geblieben, sondern es ging weiter.

00:25:14: Martin Genau. Von Dubai aus ging es mit der Landshut nach Oman. Da wollten sie runter, durften aber wieder nicht. Und dann sind sie nach Aden geflogen, im Jemen. Und dort war dann der erste Höhepunkt dieses Dramas. Dort ist dann der Kapitän Schumann, der Pilot, erschossen worden von Captain Mahmoud.

00:25:36: Marko Gab es da ein Anlass zu oder?

00:25:38: Martin Ja, es war so, dass die in Aden gelandet sind, obwohl auch da gesagt wurde, ihr dürft nicht landen, es gab keine Landeerlaubnis. Und in Aden hat man dann sogar noch auf die Landebahn, um zu verhindern, dass die da runtergehen, Panzerwagen gestellt, so dass die Landebahn komplett blockiert war. Und deshalb ist die Maschine daneben gelandet, neben der Landebahn, auf einem nicht geteerten Rollweg.

00:26:02: Marko Das hat der Schumann entschieden.

00:26:03: Martin Das hat der Schumann entschieden. Gelandet hat es tatsächlich der Copilot, der Jürgen Vietor, und das ist ein ziemlicher Stunt gewesen, die Maschine da so wirklich im wahrsten Sinne des Wortes in den Sand zu setzen.

00:26:16: Marko Die mussten landen, weil kein Sprit mehr oder...

00:26:18: Martin Ja, da war nichts mehr zu wollen, genau. Der Tank war mal wieder leer. Da ist in Dubai wohl auch nicht komplett aufgetankt worden und die hatten noch für ein paar Minuten Sprit. Also es ging nicht anders und es ist irgendwie gut gegangen, aber für Sandboden ist so ein Fahrwerk nicht vorgesehen. Also war die Frage: Ist das noch in Ordnung? Also musste Schumann raus. Er hat dann den Anführer der Terroristen überredet, dass er da unten checken gehen muss und sich das Fahrwerk angucken muss, um zu schauen, ob das überhaupt irgendwie weitergehen kann, wenn sie denn wieder starten wollten. Und dann kam er nicht wieder. Lange Zeit war er weg. Weiß man, warum? Das ist bis heute die große Frage. Es wird viel darüber spekuliert. Hat es Kontakt zu Sicherheitskräften am Boden gegeben? Hat Schumann also mit denen gesprochen? Hat er vielleicht Informationen gegeben? Hat man ihn vielleicht festgehalten? Wollte er fliehen, hat sich dann aber anders überlegt und ist wieder zurückgekommen? Bis heute ist das alles völlig unklar. Jedenfalls kam er dann nach einer Weile doch zurück ins Flugzeug, wurde vom Captain Mahmud angebrüllt. Dann musste er sich im Mittelgang des Flugzeuges zwischen die Passagiere hinknien und wurde dann von Mahmud vor den Augen der Passagiere erschossen. Und dann wurde Copilot Jürgen Vietor gezwungen, das Flugzeug wieder zu starten. Und von da aus sind sie dann nach Mogadischu geflogen. Da kam dann ein paar Stunden später auch Wischnewski, Wegener und Dieter Fox an.

00:27:53: Dieter Fox Wegener und Wischnewski gleich zu Gesprächen, Wischnewski zu einem Siad Barre, zum Staatspräsidenten, hat ihm die Lage erklärt. Und Siad Barre hatten sagte, geht mal davon aus, das machen wir alles selbst, das macht ihr nicht. Und da sagt Wischnewski: Wir haben ausgebildete Leute, wir haben eine Spezialeinheit dafür, die kann das machen. Nein, wir können das selbst. Dann hat er Wegener geholt. Und dann sagt der: Wie machen Sie das denn? Ja, sagt er, könnt Ihr Euch angucken. Und dann haben Sie vorgeführt, wie Sie eine Maschine stürmen wollen, so wie Sie es noch nie gemacht haben. War das erste Mal, dass sie so etwas überhaupt gemacht haben. Und dann kamen Leiternn - das war eine Holz Leiter und zwei Eisen Leitern, aber so kaputt, Sprossen verrostet und und was weiß ich alles. Einer fiel runder und kriegten die Türen nicht auf. Und das war ein Drama. Da sagt Wegener: Komm, wir zeigen euch das mal an der 707. Da haben wir die Leitung genommen. Diese Bruchteile da, sind hochgegangen und ich habe die Tür aufgemacht. Zack, zack, rein und. Und da sagte der Somalische Offizier zu Wegener: Okay, ich akzeptiere. Das können wir nicht. In der Zwischenzeit sind aber die Geiseln quasi zum Tode verurteilt worden und sind also mit dem Bordalkohol übergossen worden, damit sie besser brennen.

00:28:58: Martin Das waren natürlich dramatische Szenen, die sich da an Bord abgespielt haben. Und dann lief das...

00:29:04: Marko Aber man muss sagen, von außen weiß das niemand - oder? Ist den Leuten draußen klar, dass das gerade passiert?

00:29:10: Martin Nein, das natürlich nicht mit dem Alkohol. Dass es den Menschen da drinnen hundselend gehen musste, das war natürlich klar. Aber letztendlich ist das eine Röhre. Und wenn man da keine Informationen hat, die dann nach außen dringen, dann weiß man das nicht. Das ist erst später bekannt geworden. Aber was es gab, war ein sehr dramatischer Appell kurz vor Ablauf des Ultimatums von der Chef-Stewardess an Bord, Gabi Dillmann hieß die. Die hat kurz vor Ablauf des Ultimatums einen sehr dramatischen Appell per Funk in die Welt gesendet. Vielleicht magst du den auch noch mal vorlesen, Marko.

00:29:47: Marko Das ist ein Funkspruch.

00:29:49: Martin Das ist ein Funkspruch gewesen. Genau.

00:29:51: Marko Gut. Wir wissen jetzt, dass dies das Ende ist. Wir wissen, dass wir sterben müssen. Es wird sehr schwer für uns sein, aber wir werden so tapfer wie möglich sterben. Wir sind alle zu jung zum Sterben. Auch die Alten unter uns sind zu jung dazu. Wir hoffen nur eins, dass es schnell geht. Dass wir nicht allzu große Schmerzen haben werden. Aber vielleicht ist es besser zu sterben als in einer Welt zu leben, in der Menschenleben so wenig zählen. In einer Welt, wo so etwas möglich ist, in der es wichtiger ist, neun Menschen im Gefängnis zu halten, als 91 Menschen das Leben zu retten. Bitte sagen Sie meiner Familie, dass es gar nicht so schlimm war. Und bitte sagen Sie meinem Freund, sein Name ist Rüdiger von Lutzau. Dass ich ihn sehr geliebt habe.

00:30:40: Martin Ja. Und wie es der böse Zufall so wollte, saß eben genau der Rüdiger von Lutzau als Copilot in Wischnewski Maschine. Der ist auch in Mogadischu gewesen und der hat diesen Funkspruch mitgehört und ihn mit notiert. Und ja, der brauchte anschließend erst mal einige Beruhigungspillen. Der ist dann vom Cockpit nach hinten gewankt und ist da zusammengebrochen.

00:31:04: Marko Jetzt sind von der GSG9 nur drei Leute da in Mogadischu. Dieter Fox, Wegener und...

00:31:12: Martin Der Adjutant von Wegener. Baum heist der.

00:31:14: Marko Okay, zu dritt wollen die das Ding wahrscheinlich nicht stürmen.

00:31:17: Martin Genau. Die Maschine mit dem Rest der GSG9, die war ja in Kreta stationiert, die Tage zuvor. Und die musste herangeführt werden. Die waren mittlerweile wieder gestartet, waren auf dem Weg nach Dschibuti und sind dann nach Mogadischu dirigiert worden. Aber die brauchten halt noch ein paar Stunden, bis sie da waren. Und das hieß, irgendwie musste dieses Ultimatum verlängert werden, irgendwie mussten sie Zeit schinden.

00:31:44: Marko Das heißt, man hat irgendwas versprochen.

00:31:46: Martin Genau das ist das, was man in so einem Fall normalerweise dann tut. Man verspricht das Blaue vom Himmel, nämlich: Wir erfüllen alle eure Forderungen. Und deswegen hat man den Entführern dann mitgeteilt, dass die Bundesregierung gesagt hat, Okay, wir lassen die Gefangenen frei bzw. wir bringen sie dann nach Mogadischu, wir fliegen sie aus. Aber dafür braucht man natürlich Zeit. Die sitzen in verschiedenen Gefängnissen und die müsse man zusammenführen und dann von Frankfurt nach Mogadischu bringen. Und so ein Flug dauert ja auch eine Weile. Also wir brauchen Zeit. Und deswegen wurde das Ultimatum von nachmittags auf Mitternacht verlängert.

00:32:25: Marko Währenddessen sind diese 60 Leute, die ja aufgebrochen waren, heimlich aus Sankt Augustin. Die sind jetzt mittlerweile irgendwie auf dem Weg. Wie haben die die Zeit verbracht?

00:32:35: Martin Ja, die haben die Tage zuvor dann eben auf Kreta auch in der Maschine verbracht. Die durften da auch nicht aussteigen und durften auch nicht raus. Haben da mehr oder weniger Däumchen gedreht. Bis dann eben der Befehl kam: auf Richtung Mogadischu. Ja, und dann sind die dorthin geflogen und die Stimmung, die sich da unter den Jungs so breit gemacht hat, war ziemlich schwankend. Das war ja teilweise so ein bisschen Schulausflugs-Stimmung also die haben da während des Fluges Skat gespielt und haben Wetten abgeschlossen. Da gingen Gerüchte um, dass da auch Schönheitsköniginnen an Bord der Landshut waren. In irgendeiner Disco in Mallorca gab es einen Schönheitswettbewerb und da haben wohl einige Passagierinnen, einige junge haben da mitgemacht und dann liefen da Wetten, wer wohl die Schönheitskönigin befreien darf. Also das war schon so ein bisschen Pubertierender auch teilweise, aber wie das so ist, von Typ zu Typ unterschiedlich. Da gab es dann auch andere, die so ein bisschen zurückhaltender waren und ihren Gedanken nachgehangen haben. Jörg Probstmeier war da so einer, der gehörte mit 21 Jahren zu den Jüngsten in der Truppe und mit dem habe ich mich auch unterhalten.

00:33:46: Jörg Probstmeier Während des Flugs war ich immer mit dem Gedanken beschäftigt für den Fall, dass es zum Einsatz kommt. Wie mache ich das mit dem Eindringen in die 737? Man spielt das dann gedanklich durch, dass für den Fall x dann auch klappt, um sich zu vergewissern. Aber wir haben das ja oft genug gemacht. Wir haben ja an allen Flugzeug-Modellen schon geübt und wir waren ja da gut drauf vorbereitet eigentlich, wenn eingeteilt war in SET, dann wusste jeder seine Aufgabe. Aber man hat sich nur noch mal gedanklich damit auseinandergesetzt und auch sich mental zu stärken in dem Moment, dass wir gefordert sind, dass man dann der Sache standhält. Das kleinere Übel wäre gewesen, wenn es ein unblutiges Ende gegeben hätte und eine erfolgreiche Behandlung der Politik oder ihres Beratungsteams mit den Geiselnehmern. Das war immer noch die Hoffnung, dass es ein unblutiges Ende gibt bis zuletzt - oder zumindest ein glückliches Ende der Geiselnahme war mein Wunsch, dass man das mit Verhandlungsgeschick vermeiden kann, dass es noch diesen Einsatz der GSG 9 geben musste, obwohl das ja letztendlich für unser Image, für unseren Ruf gut war, dass es zum Einsatz gekommen ist.

00:34:45: Marko Zwei Herzen schlugen in der Brust, so hat man das Gefühl. Ich meine, vorher haben wir lange drüber gesprochen, dass sie eigentlich darauf hin fieberten, endlich mal zum Einsatz zu kommen. Jetzt ist es soweit und er erzählt mir: Wär besser gewesen, wenn nicht, oder?

00:35:00: Martin Ja, klar.

00:35:03: Marko Es ist eine komische Stimmung, oder es ist eine seltsame Stimmung.

00:35:07: Martin Ja, aber natürlich ist es auch so, das sagen einem aber auch alle GSG 9 Leute: Ja, natürlich wünscht man sich eigentlich nicht, dass irgendwie so etwas passiert, wo man einen Einsatz wie den von der GSG 9 braucht. Aber auf der anderen Seite möchte man natürlich schon ausprobieren, wenn du da jahrelang trainierst und machst und tust und kommst nie zum Einsatz, dann will man natürlich irgendwann zeigen, was man kann. Also diese zwei Herzen in einer Brust schlagen eigentlich bei allen GSG 9 Leuten, mit denen ich gesprochen habe.

00:35:36: Marko Dann kommen die irgendwann in Mogadischu an, ja. Wie viele Tage sind wir jetzt schon unterwegs mit der Landshut?

00:35:44: Martin Da sind wir, haben wir den Tag fünf fast hinter uns. Wir sind am 17. Oktober, 13. ist das losgegangen. Wir sind jetzt am 17 Oktober abends und da sind die dann am frühen Abend gelandet, so um 19:30h um den Dreh, kurz vor Sonnenuntergang. Und dann ging's an die Vorbereitungen. Die GSG 9 Führung hat dann eingeteilt, in welcher Funktion die jeweils eingesetzt werden, in welchen Teams. An der Maschine selbst waren 30 Mann von den 60. Also das heißt an jeder der sechs Flugzeugtüren war ein Spezial Einsatz Trupp a fünf Mann. Und der Rest war als Unterstützungs-Einheit drumherum gruppiert. Also das waren dann die Scharfschützen, die Funktechniker, Abhörspezialisten, Sanitäts-Trupp und Reserve-Leute. Und Jörg Probstmeier, der wurde dem sogenannten Präzisionschützen-Trupp zugeteilt. Also er war einer von acht Scharfschützen, die die Aktion dann von außen absichern sollten.

00:36:46: Jörg Probstmeier Ja, ein bisschen enttäuscht. Aber die jüngeren Kollegen, die waren alle in dem Präzisions-Schützen-Team. Und dazu zähle ich ja auch. Man ist vielleicht ein bisschen in der Eitelkeit verletzt, aber auch damit musste man leben. Ich war ja in einer komfortablen Situation im doppelten Sinne, dass meinem Leben kein Ende gesetzt werden konnte. Die Wahrscheinlichkeit war gering, dass wir von einer Kugel getroffen werden und unser Leben aushauchen. Aber wenn man schon dabei ist und man hat dafür geübt, dann will man natürlich auch dafür Sorge tragen, dass Menschen gerettet werden können, Menschenleben gerettet wird. Und man setzt sein eigenes Leben als Faustpfand ein. Etwa zwei Stunden vor Einsatz Beginn, haben wir uns angenähert verdeckt hinter Sanddünen, waren dann so gut 200 Meter entfernt von der Maschine. Wir konnten ja nur das Cockpit sehen und da waren es meistens nur der Copilot und die beiden männlichen Geiselnehmer und die beiden weiblichen Geiselnehmerinnen, die konnten wir so wie die Passagiere gar nicht sehen, weil die Flugzeugfenster, die waren abgedunkelt, die waren gegen Einsicht geschützt. 200 Meter sind keine Entfernung. Wir haben ja beim Schießen damals bis auf 400 Meter waren diese Standort-Schießanlagen, da konnte man bis auf 400 Meter schießen. Nur in der Zeitung stand ja dann auch, dass wir ein Fünf-Mark-Stück treffen auf 400 Meter, also das war schon eher auch ein bisschen Glückssache. Aber eine Untertasse wäre kein Problem gewesen.

00:37:58: Martin Ja, also so lagen die dann da im Sand, 200 Meter von der Landshut entfernt.

00:38:02: Marko Und er ist ein bisschen beleidigt. Eigentlich wäre er lieber an der Tür gewesen.

00:38:06: Martin Ja, ja, natürlich. Also irgendwie.

00:38:09: Marko Man hat das Gefühl, der Kerl weiß nicht, was er will. Also auf der einen Seite, ich hoffe, dass das irgendwie gelöst werden. Auf der anderen Seite haben sie sich alle darauf vorbereitet und gefreut, dass es endlich mal losgeht. Und dann ist man sozusagen nicht mit an der Tür dabei, sondern nur hinten und wieder beleidigt. Es ist doch eine seltsame Truppe manchmal, ein Wechselbad der Gefühle.

00:38:29: Martin Na ja, da muss man sich vorstellen - der war 21 Jahre alt, auch noch wirklich sehr, sehr jung. Die Truppe insgesamt war ja sehr jung, die meisten waren unter 30. Und was mir auch andere erzählt haben, auch Werner Heimann ist dass das schon auch ein Auf und Ab der Gefühle war. Also zwischen: Hey, endlich kommen wir zum Einsatz und Ach du lieber Himmel, was muss ich denn jetzt da machen? Und bin ich dazu auch in der Lage und bereit, das zu machen? Und in der Tat war es auch so: Es ist mehrfach vor dem Einsatz gefragt worden, vor allen Dingen von Kommandeur Wegener: Seid ihr dazu bereit und ist jeder in der Lage und willens, diesen Einsatz durchzuführen? Und es hat tatsächlich einen gegeben, der kurz vor Beginn des Einsatzes gesagt hat: Nein, ich fühle mich nicht dazu in der Lage. Und der ist dann ohne viel Aufhebens ausgeschieden aus seinem Spezial Einsatz Trupp. Und man hat ihm dann aber auch nahegelegt, wenn man nach Hause kommt, dann auch seine Sachen zu packen und aus der GSG9 auszuscheiden. Und das hat er dann wohl auch gemacht.

00:39:33: Marko So, und dann geht irgendwann der Sturm auf diese Maschine los.

00:39:36: Martin Ja, aber erst muss man natürlich mal an das Flugzeug rankommen und so, dass man eben nicht aus dem Flugzeug gesehen wird. Also abends, kurz nach 23:00h haben die sich aufgemacht, diese 30 Mann, und sind dann im Gänsemarsch Richtung Landshut - immer zu zweit. Und die haben dann zu zweit jeweils eine Alu-Leiter getragen, weil man muss ja dann auch irgendwie hoch an die Türen von so einem Passagierflugzeug...

00:40:00: Marko Das relativ hoch, ne?

00:40:01: Marko Ja, bei einer 737 ist es jetzt nicht so ewig hoch. Aber ich sag mal springen geht halt nicht. Du musst irgendwas haben, um da hoch zu kommen die, weiß ich nicht, zwei, zweieinhalb Meter, die das dann da hoch ist. Dann sind die da so nacheinander im Gänsemarsch hin. Und Werner Heimann und Dieter Fox haben jeweils einen Sturmtruppe angeführt. Heimann den, der durch die Tür von links eindringen sollte, sind ja sechs Türen an so einem Flieger und Fox sollte mit seinem Team hinten rechts eindringen. Und wie das Anschleichen und der Sturm genau gelaufen sind. Und das denke ich, erzählen die beiden am besten selbst.

00:40:37: Werner Heimann Man nähert sich ja genau von rückwärts an. Und bei der Annäherung: Erst mal war es sehr warm, auch nachts, schwül. Kannten wir ja alles nicht in Somalia - und es ist stockeduster. Und dann Leitern noch auf dem Buckel und die Ausstattung.

00:40:53: Dieter Fox Eine gute Dreiviertelstunde waren wir wohl unterwegs und mussten zwischendurch mal ein paar Mal absetzen, um uns neu zu orientieren und zu warten, sind die Geräusche zu hören. Und da ist aus dieser Grasbewachsenen Gras-Busch Bewachsung plötzlich ein Schwarm Vögel rausgeflogen. Die haben so einen Krach gemacht, da habe ich gedacht, das muss man hören. Da waren wir so 80 Meter von der Maschine entfernt. Aber - so sagte man uns hinterher - das hat man nicht gehört. War für mich unwahrscheinlich. Aber bei uns waren die Nerven natürlich auch weit überspannt, dass man gesagt hat, jedes Geräusch ist jetzt, jede Stecknadel, die jetzt runterfällt, die hört man.

00:41:25: Werner Heimann Das Gebäude vom Flughafen war ja rechts und die ganzen Scheinwerfer strahlten ja das Flugzeug an und als wir unter dem Flugzeug uns angenähert haben, auf unsere Position, fielen nach links unsere Schatten raus. Und da hab ich nur gedacht, wenn die jetzt oben aus dem Fenster gucken, dann sehen die genau unsere Annäherung und dann kann das ja böse enden. Aber die Rollos waren ja Gott sei Dank alle runter, die Türen waren zu. Hat auch keiner raus geguckt.

00:41:49: Dieter Fox Als wir rückwärts an die Maschine rankam, kam aus den Toiletten-Lüftungen ein bestialischer Gestank, den man sich überhaupt nicht vorstellen kann. Ätzend. Aber für uns klar, die wir da drunter standen, war das so ein ganz kurzer Hinweis, was die Menschen, die oben in der Maschine waren, ausgestanden haben müssen, was sich da abgespielt hat.

00:42:11: Werner Heimann Die Phase, wo die Leitung angelegt werden sollte, das dauerte auch sehr lange. Das Flugzeug darf sich ja nicht bewegen oder steht ja nun mal auf zwei Rädern oder vier und ist ja doch ziemlich kipplig. Und diese Phase war sehr lange und dann entsprechen die Positionen auf der Leiter eingenommen und dann wurde erst gesagt: So, jetzt fertig und dann hat es ja noch ein bisschen gedauert, bis alle fertig waren.

00:42:32: Dieter Fox Also wenn man an der Tür steht, kurz vorm Eindringen, an der Flugzeugtür, denkt man nicht mehr normal bürgerlich, sag ich mal ganz vorsichtig, sondern man denkt rationell, einsatz- mäßig. Da denkt man nur rein, Position halten, das, was ich gelernt habe. Feuer erwiedern und fertig. Mehr nicht.

00:42:50: Werner Heimann Es geht nur ein Gedanke durch den Kopf, den muss man aber auch ausblenden, sonst kann man das nicht machen. Und zwar: Hoffentlich sind die Türen nicht verbombt, also mit Zündern und Sprengstoff gesichert. Das hätten wir zum Beispiel gemacht, wenn wir die Terroristen gewesen wären. Aber das hatten sie ja Gott sei Dank nicht, denn das wäre dann... hätte ja böse geendet für uns. Die hatten ja Sprengstoff angebracht in der Maschine zwischen erster und zweiter Klasse. Aber Gott sei Dank nicht an den Türen. Und das wäre das Einfachste gewesen, um das Flugzeug zu sichern gegen Aufmachen von außen. Und dann kam ja das Zeichen für den Sturm. Also der erste Mann steht oben, der macht die Tür auf. Der zweite geht dann als erster rein und dann der Truppführer. Und der die Tür aufmacht, in meinem Fall war das so, der hat die Tür so aufgerissen, der ist mit von der Leiter geflogen. Der kann nur froh sein, dass es kein Jumbo war und er aus 6 Meter Höhe abgestürzt ist. Der unten auf die Erde und war sofort wieder oben.

00:43:49: Dieter Fox Die Türen wurden aufgemacht. Die Trupps sind eingedrungen in die Maschine, haben gerufen. Mein Ruf war - ich bin hinten rechts reingegangen in die Maschine, mein Ruf war: Köpfe runter, wo sind die Schweine. Das ist ein Ruf gewesen deswegen, weil ich den Leuten sagen wollte: Zum einen nehmt die Köpfe runter, wenn geschossen wird. Und zum anderen können wir besser sehen, was sich vorne abspielt. Und die haben auch wirklich funktioniert. Die Leute, die haben trotz ihrer Lethargie und trotz ihrer ihres elenden Daseins haben die alle die Köpfe so gut es ging runter genommen und wir konnten sauber nach vorne gucken. Dann kriegt jeder Trupp seine Abschnitte, seine Feuergrenzen. So dass man sich nicht gegenseitig ins Gehege kommt und die eigenen Kameraden erschießt.

00:44:26: Jörg Probstmeier Es gingen gleich die Meldungen an Wegener: Erster Terrorist ausgeschaltet. Zweiter. Dritter. Und dann - das ging alle unheimlich schnell. Also man hat ja auch gar keine Zeit, groß drüber nachzudenken, sondern man handelt und da geht also blitzschnell und dann nimmt man auch war, da lag die Pistole noch und so und dann wurde auch schon evakuiert.

00:44:48: Dieter Fox Ja, und dann ging das eigentlich sehr schnell. Die ganze Geschichte hat gedauert, etwa eine Minute und dann war Ruhe in der Maschine. Dann waren zwei männliche Terroristen, einer war sofort tot, eine weibliche sofort tot. Der zweite männliche ist auf dem Transport in die Flughafenhalle verstorben. Ja und die einzige, die Andrawes, war schwerstverletzt, aber hat überlebt. Während der letzten Phasen des Feuerkampfes haben wir schon die ersten Passagiere hinten rausgezogen und evakuiert. Und nachdem wir gesagt haben: So raus jetzt aus der Maschine, dann haben die relativ schnell, aber lethargisch animalisch reagiert. Die haben mit sich machen lassen, nur weg aus der Maschine. Einige sind leider runtergefallen, die konnten wir gar nicht festhalten, die wollten einfach nur raus.

00:45:37: Martin Das Ganze hat dann gedauert, vier Minuten, bis diese Aktion mehr oder weniger beendet war. Und dann gab es einen mittlerweile recht berühmten Anruf von Hans-Jürgen Wischnewski nach Bonn, wo er Kanzler Schmidt dann am Telefon gesagt hat: Die Arbeit ist erledigt. Und außer ein paar Schrammen war keine Geisel ernsthaft verletzt. Nur ein Polizeibeamter war von einer Kugel getroffen, aber eben nicht lebensgefährlich.

00:46:05: Marko Helmut Schmidt, so heißt es, wäre, wenn das Ganze schiefgegangen wäre, zurückgetreten.

00:46:11: Martin So ist es. Genau. Er hatte den Brief schon formuliert. Sein Rücktrittsschreiben lag fertig in der Schublade, und wäre die Aktion schiefgegangen, dann wäre er am nächsten Tag zurückgetreten.

00:46:23: Marko Er muss großes Vertrauen in diese GSG 9 gehabt haben.

00:46:26: Martin Ja, er hatte nicht mehr allzu viele Alternativen und musste da, glaube ich, auch Vertrauen reinsetzen. Und was auf jeden Fall sicher war, ist, dass er anschließend extrem erleichtert war. Also der ist ja nun nicht wirklich für große Gefühlsausbrüche bekannt gewesen. Helmut Schmidt. Aber nach dem Telefonat hat er wohl seine Sekretärin umarmt und ist dann nach nebenan gegangen, weil ihm die Tränen gekommen sind.

00:46:51: Marko Helmut Schmidt als Kanzler gerettet. Die GSG 9 hat die Geiseln ohne große Verluste befreit. Ein verletzter und natürlich die toten Terroristen. Ja, was machen Sie jetzt? Feiern Sie mit den Schönheitsköniginnen, oder was passiert?

00:47:06: Martin Ja, also, die ganze Geschichte war nach wenigen Minuten vorbei. Und dann sind natürlich die befreiten Geiseln dann erst mal in Sicherheit gebracht worden ins Flughafen-Terminal. Und dann haben die GSG 9 Leute ihre Sachen zusammengesammelt und sind in ihr Flugzeug wieder zurückgekehrt. Und bis die sich so richtig freuen konnten, das hat ein Augenblick gedauert.

00:47:27: Werner Heimann Die Euphorie kam erst nachher, als wir wieder alles abgelegt hatten, in unserem Flugzeug waren. Und die Euphorie wurde dann wieder gedämpft, weil wir gehört haben, dass ein Kamerad von uns angeschossen wurde. Und da war ja noch nicht klar, was mit dem passiert ist. Wir haben ja eigene Sanitäter mitgehabt und alles, die haben sich drum gekümmert. Und als wir in unserer Maschine waren, kam zuerst Wischnewski rein, klatschnass geschwitzt und sagte: Jungs, habt ihr da was für mich zu trinken? Ich revangiere mich auch in Bonn. Und dann kam unser Sanitäter rein und hat den Werner Losert am Arm gehabt und hat ihn reingeführt. Der konnte also selber gehen, hat hier eine weiße Halskrause gehabt. Und dann - dann waren wir richtig zufrieden, weil dann war klar, es ist eigentlich keinem von uns was Ernsthaftes passiert. Und wie wir dann halt sind, haben wir fünf Tage keinen Alkohol getrunken. Die Maschine war ja voll davon, haben wir erst mal minimiert das Zeug. Da haben wir eine Flasche Sekt genommen, haben dem Werner Losert den Mund aufgemacht, Sekt reingeschüttet, hier lief nix raus, haben wir gesagt: Kann nicht so schlimm sein. Der wurde dann aber versorgt und hat sich dann hinten hingelegt und Sanitäter hat ihn betreut. Und dann war bei uns richtig die Stimmung richtig gelöst, als wir wussten, dass nichts passiert ist. Und dann hieß es ja auch, den Geiseln ist nix passiert. Eine Stewardess verletzt und so, ja, und dann war das war ja dann ein Erfolg, wo wir gesagt haben: Jawoll, jetzt haben wir doch bewiesen, was wir die vier Jahre trainiert haben oder fünf fast? Da war richtig gute Stimmung.

00:49:04: Marko So - das klingt nach alles super, alles gut gelaufen. Wunderbar. Alle froh. Happy End. Und der Jüngste heiratet die Schönheitskönigin.

00:49:11: Martin Ja, so hätte es sein können. Aber so war es dann doch nicht ganz. Am nächsten Morgen in Deutschland ist das natürlich dann bekannt geworden, lief durch die Nachrichten. Es gab eine Riesen-Erleichterung und Freude auch in der Bevölkerung. Die Zeitungen haben Sonderausgaben gedruckt. Tagesschau hat berichtet, dass die Autofahrer sich an den Ampeln die neuesten Nachrichten zugerufen haben. Und alles war ja Friede, Freude, Eierkuchen, aber nur ein paar Stunden lang. Denn dann wurde bekannt, dass sich in Stammheim Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe noch in der gleichen Nacht selbst getötet hatten. Also die Leute, wegen denen die RAF das alles veranstaltet hat.

00:49:52: Marko Man muss ja sagen: Es war ja nicht nur die Landshut entführt, Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer, der ja vorher schon entführt worden ist, weit, weit vorher. Ich weiß nicht, wie viele Wochen war der...

00:50:03: Martin ...fünf Wochen vorher...

00:50:03: Marko Das heißt, dessen Entführung, geht jetzt in die sechste Woche. Und es ist irgendwie klar, wenn die sich jetzt umgebracht haben, das geht nicht gut für den aus.

00:50:12: Martin Und genau das war die Gewissheit für seine Familie, die natürlich zu Hause gesessen hat in Stuttgart und das alles mit verfolgt hat.

00:50:21: Jörg Schleyer Also wir haben wirklich nur darauf gewartet, dass jetzt die Nachricht kommt. Und meine Mutter selbst war auch wie paralysiert dagesessen und war schwer ansprechbar, weil sie natürlich, wie wir auch, glaube ich, wussten, dass das damit auch das das Todesurteil für meinen Vater war. Und es hat sich ja dann am Abend bestätigt.

00:50:41: Martin Ja, so hat es mir Jörg Schleyer erzählt.

00:50:44: Marko Wie alt war der, als sein Vater entführt worden ist?

00:50:46: Martin 21 war er damals...

00:50:48: Marko Okay, und du hast ihn aber getroffen. Heute ist er...

00:50:52: Martin 69 muss der jetzt mittlerweile sein, lebt in Berlin. Und ja, das ist natürlich sein sein Lebensthema. Und er hat dann in der, in der Folge dann auch Kontakt zu einigen GSG 9 Leuten aufgenommen und ist mittlerweile mit Dieter Fox befreundet.

00:51:10: Jörg Schleyer Ich habe gesagt, wenn ihr die Maschine nicht gestürmt hättet, könnte mein Vater noch leben. Da hat er gesagt: Ich weiß, was du meinst. Der Erfolg der GSG 9, was mich für die Menschen, die in der Maschine waren, nicht dass wir uns da falsch verstehen, wirklich extrem freut. Das habe ich auch dem Dieter Fox damals gesagt. Der wusste ja auch, wie ich es meine. Also. Aber es war natürlich trotz allem gleichzeitig das Todesurteil für meinen Vater. Also es war, wie man so schön sagt, die Abwägung der Güter. Und meinen Vater hat es halt ja getroffen.

00:51:41: Marko Ja, das war sicher einer der schlimmsten Entscheidungen, die man als Kanzler - die Helmut Schmidt damals als Kanzler treffen musste. Aber mal realistisch: Hätte es einen anderen Ausweg gegeben?

00:51:53: Martin Ja, wenn man denn diese Entscheidung einmal getroffen hat, so wie es eben Schmidt und der Krisenstab getan hat, dass wir uns nicht weiter erpressen lassen als Staat.

00:52:03: Marko Was ja auch logisch klingt...

00:52:04: Martin Ja, das ist sehr, sehr unmenschlich. Das ist halt eine, eine Entscheidung, die im wahrsten Sinne, im klassischen Sinne nur tragisch ausgehen kann, die nur falsch sein kann. Egal für welche Option du dich entscheidest, es muss falsch sein und man kommt nicht gut aus der Nummer raus. Ja, hat was von einer griechischen Tragödie.

00:52:26: Marko Eine griechische Tragödie mit Helden. Denn die Helden von Mogadischu, das ist so ein feststehender Ausdruck. Und jeder weiß - aha, die GSG 9 ist gemeint.

00:52:35: Martin Ja, innerhalb kürzester Zeit wurde aus dem Trainings-Weltmeister, so hatten wir das in der letzten Folge ja beschrieben, aus dem Trainings-Weltmeister GSG9 wurden die Helden von Mogadischu - und weltbekannt. Und bei ihrer Rückkehr am nächsten Tag sind sie auch dann entsprechend empfangen worden. Wobei denen das gar nicht so recht war, denn als die da in Köln-Bonn angekommen sind am nächsten Tag, da lag dann ein roter Teppich. Musik-Corps hat aufgespielt, die Gold-Fasanen des BGS, also die hohen Weihen-Träger und Ordensträger des Bundesgrenzschutzes, die warteten da, Innenminister Maihofer, ein riesiger Pressepulk, Live- Kameras - und egal mit wem man da spricht von der GSG neun, von den leuten, die dabei gewesen sind. Das war denen eigentlich alles eher peinlich, auch dem jungen Jörg Probstmeier...

00:53:27: Jörg Probstmeier Das war eigentlich die größte Herausforderung des Einsatzes, weil wir waren darauf gar nicht vorbereitet. Na ja, ich bin ja auch einer der ersten runter hier, ein bisschen zögerlich und schüchtern, weil das wollte ich nicht. Wir wollten ja in Bescheidenheit unseren Erfolg feiern. Intern. Und große feierliche Empfänge, da haben wir nie für geübt.

00:53:45: Dieter Fox Es stand das Musik-Corps da, es waren Minister da. Es wurde die Nationalhymne gespielt, die für mich sehr erhebend war in dem Augenblick, muss ich ganz ehrlich sagen, dass für uns paar Hanseln, die wir da unten waren, die Nationalhymne gespielt wird. Ist schon was Schönes. Aber das hat alles gedauert und es war natürlich auch Presse da. Man wurde gefragt...

00:54:02: Jörg Probstmeier Wir haben das gemacht, was wir jahrelang geübt hatten. Wir haben das gezeigt, was wir geübt hatten. Wir haben uns nicht als Helden gefühlt, sondern einfach nur als Polizeibeamte, die das gezeigt haben, wofür sie jahrelang trainiert hatten. Wir waren nicht mehr die Übungs-Weltmeister, sondern haben unsere Selbstberechtigung erlangt und irgendwelche Defilier- Märsche und so haben wir nicht erwartet. Das war kein Stolz in dem Sinne, das war eher so ein notwendiges Übel.

00:54:27: Dieter Fox Und dann war natürlich auf der Autobahn - die Autobahn vollgesät mit Menschen. So was habe ich noch nie gesehen. Ich erinnere mich nur, als wir an Troisdorf vorbeifuhren, da standen Leute auf den Hochhäusern, auf den Dächern haben zugewunken. Das alles haben wir natürlich nicht erwartet. Wir haben da so ein bisschen raus gewunken, sicherlich. Aber wir waren eigentlich froh, als wir in der Kaserne waren, unser Glas Bier trinken konnten, kaputt waren, unsere Frauen und Kindern in den Arm nehmen konnten und dann nach Hause und dann in die Badewanne und einfach nur schlafen.

00:54:52: Marko So frisch geduscht, frisch gebadet geht es in die Zukunft der GSG9. Hier brechen wir heute die Geschichtsmacher ab. Weiter geht es aber in deinem Buch, Martin.

00:55:00: Martin Ja, denn die Geschichte der GSG 9 ist zu dem Zeitpunkt ja mal gerade fünf Jahre alt. Und jetzt feiern Sie in diesem Jahr ihr 50 jähriges Jubiläum. Also da gab es dann noch ein paar Seiten zu füllen über die Geschichte der GSG 9.

00:55:13: Martin Wie viele Seiten hat dein Buch?

00:55:15: Martin 450 und noch so ein bisschen Anhang, also so rund 480 Seiten.

00:55:19: Marko Und führt dann die Geschichte weiter. Bis heute, bis heute.

00:55:25: Martin Bis gestern, ist ja dann irgendwann in den Druck gegangen dann irgendwann.

00:55:30: Marko GSG 9 - Ein deutscher Mythos. Wer also wissen will, wie es mit der GSG 9 weitergeht, welche Triumphe, welche Schlappen, welche Tiefen, welche Höhen diese Polizeieinheit noch erleben musste, und zwar bis heute, greift zu diesem Buch und kauft es oder schreibt uns unter www.diegeschichtsmacher.de . Unter der Voraussetzung, dass ihr uns unterstützt...

00:55:55: Martin Nämlich mit einer steady Mitgliedschaft unter der Adresse, die der Kollege Rösseler da gerade genannt hat...

00:56:03: Marko www.diegeschichtsmacher.de.

00:56:05: Martin Danke schön. Dort findet ihr die Informationen, die ihr braucht, um für entweder fünf oder 10 € im Monat Mitglied zu werden bei Steady, damit wir diesen wunderbaren Podcast auch in Zukunft weiter machen können.

00:56:18: Marko Und ihr dieses wunderbare Buch von Martin Herzog: GSG 9 - Ein deutscher Mythos gewinnen könnt.

00:56:24: Martin Und bei uns geht es weiter in 14 Tagen. Was wir da machen - wissen wir das schon?

00:56:29: Marko Wir wissen es leider noch nicht.

00:56:31: Martin Aber es wird sich was finden. Irgendwas wird sich finden. Und wenn es euch diesmal gefallen habt, dann sagt es euren Freunden, Bekannten, allen Mitgliedern der GSG 9 und auch sonst allen da draußen.

00:56:41: Martin Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es uns...

00:56:44: Marko Aber nur uns.

00:56:45: Martin Und in dem Sinne sagen wir bis in zwei Wochen Tschüss.

00:56:49: Marko Tschüss.

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