Peter Paul Rubens – Schöpfer der Rubensfrauen

Shownotes

Lüsterne Satyrn und alte Männer begehren junge, korpulente Frauen. Dicke Putten tanzen dazu einen Reigen. Eine Fleisch-Lawine stürzt in die Hölle und auf der Dorfkirmes werden Kinder gestillt und Schnaps gesoffen. In dieser Folge begeben wir uns hinein in die pralle Bilderwelt des Peter Paul Rubens…

Und damit wir dabei nicht verloren gehen, nimmt uns Kollegin Monika Buschey an die Hand. Sie hat das WDR-Zeitzeichen zum Geburtstag von Peter Paul Rubens gemacht.

Und weil es in dieser Folge um ganz viele Bilder geht, hier ein paar Links, wo ihr sie findet (in der Reihenfolge wie sie besprochen werden):

Weitere Links:

Das WDR-ZeitZeichen von Monika Buschey zum Todestag von Pieter Paul Rubens

Wenn Dir diese Folge gefallen hat, sag's Familie, Freunden, Bekannten. Wenn nicht, dann sag's bitte uns: kontakt@diegeschichtsmacher.de (Neben Kritik nehmen wir aber auch gern Lob entgegen…) Wenn es Dir sogar so gut gefallen hat, dass Du unsere Arbeit unterstützen möchtest, dann werde Mitglied über Steady

Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher - Peter Paul Rubens (mit Monika Buschey)

00:00:00: Martin Triggerwarnung: Im folgenden Podcast über den Barock-Maler Peter Paul Rubens kann es zu Formulierungen kommen, welche die Gefühlswelt und den moralischen Kompass von Minderjährigen negativ beeinflussen können. Wollen Sie dennoch fortfahren?

00:00:18: Marko Aber unbedingt.

00:00:20: Martin Wirklich?

00:00:21: Marko Ja.

00:00:23: Martin Auf eigene Verantwortung. Na gut.

00:00:30: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:47: Marko Dicke Mädchen haben schöne Waden, heißen Tosca, Judith oder Carmen. Ich weiß nicht.

00:00:56: Martin Mit dem Kölner Karneval wirst du es nie mehr kriegen. Die heißen Tosca, Rosa oder Carmen.

00:01:02: Marko Aber es geht heute um dicke Mädchen.

00:01:04: Martin Unter anderem.

00:01:05: Marko Und deswegen haben wir unsere sehr verehrte Kollegen Monika Buschey eingeladen. Ist das eine miese Überleitung?

00:01:14: Monika Das ist eine so gemeine Überleitung - nicht gegen mich, sondern gegen diesen Rubens, der immer verschrien ist als derjenige, der immer nur in der Fleischeslust sich bewegt. Das spricht eben für den Betrachter und für das Auge des Betrachters.

00:01:30: Marko Naja, Du hast hier zwei alte weiße Männer vor dir sitzen.

00:01:32: Monika Ja, das wird das Problem sein.

00:01:35: Marko Worauf gucken die? Fleisch, Fleisch.

00:01:37: Martin Und davon gibt es ja nicht wenig bei dem guten Peter Paul Rubens.

00:01:39: Monika Das muss ich natürlich zugeben. Aber wir sollten unbedingt auch auf die anderen Aspekte zu sprechen kommen. Fangen am besten gleich mal hier mit diesem Fleisch an, dann haben wir das schon mal hinter uns. Oder? Wir kommen immer wieder darauf zurück natürlich. Was würdest du sagen, was siehst du?

00:01:54: Marko Also, was ich sehe, ist ein Reigen übergewichtiger Putten.

00:02:00: Martin Putten, das sind diese kleinen dicken Engelchen.

00:02:02: Marko Kleine dicke Engelchen mit Fleischfalten und die tanzen dort um ein Feuer, ja. In der Mitte steht eine Dame, die ist bekleidet, ausnahmsweise. Aber es gibt auch einige unbekleidete Damen, die werden wiederum von Satyrn ja an allen möglichen Stellen angepackt.

00:02:22: Monika Wilde Kerle...

00:02:23: Martin Satyrn, das ist griechische Mythologie, das sind die Jungs mit Hörner vor allen Dingen und gegebenenfalls auch Bock-Füße. Genau, richtig so Zwitterwesen sind das ja.

00:02:34: Marko Und diese Satyrn vergreifen sich an - ja auch wohlproportioniert Damen, also leicht übergewichtig, wahrscheinlich, würde man heute sagen, aber ich will da jetzt keine Wertung reinbringen. Aber die....

00:02:46: Martin ..scheinen es aber jetzt...

00:02:47: Marko Die Damen finden das gut. Die Mädchen finden das gut.

00:02:50: Monika Ja, ich darf da mal den Titel nennen. Das ist also ein Venus Fest. Und die Statue in der Mitte, das ist die Venus. Und um die herum gruppiert sich, ich sage mal das Üppige. Und das meint nicht nur die Formen der Damen, das meint auch die Obstkörbe, das meint die Girlanden, das meint die ganze Lebensfreude...

00:03:11: Martin Alles das, was der Kollege gerade nicht beschrieben hat.

00:03:12: Marko Also Obstkörbe und Girlanden, also als wären die jetzt das Hauptmotiv dieses Bildes.

00:03:17: Monika Das ist nicht das Hauptmotiv des Bildes, es ist nur Üppigkeit auf allen Gebieten. Da machen die Frauen keine Ausnahme, und es ist keinesfalls so, dass er als Barockmensch die Frauen bloßstellen wollte. Es ist eine Huldigung. Er sagt: Ich stelle meine gesamten künstlerischen Fähigkeiten in den Dienst der Frauen und ihrer Darstellung, wie sie hier gelungen ist.

00:03:42: Marko Also wenn man heute lüsterne Satyrn malen würde, die sich an üppigen Damen vergreifen, und die kichern dabei, dann würde man sagen, ist eine Altmännerphantasie.

00:03:52: Monika Das war seinerzeit ein anderes Mind-Setting. Das war Lust. Lebensfreude, auch im Kontrast zu dem, was das reale Leben war.

00:04:03: Martin Ich wollte sagen: Also wir sind da ja in einer Zeit - wann ist das? 30-jähriger Krieg ungefähr - irgendwie 1618 bis 48, wenn ich das richtig im Kopf habe. Also in Europa geht es drunter und drüber. Hunger, Elend, Pest und Cholera. Und das ist letztendlich der Gegenentwurf dazu.

00:04:21: Monika Ja, und Kirchenspaltung kam auch noch dazu. Das war ja der Auslöser für diesen 30-jährigen Krieg. Und das war die Idee: der Gegenentwurf, worein man sich ja flüchtete. Wobei man bei Rubens sagen muss, es ist in dieser wirklich schweren Zeit, der hat eine goldene Brücke über das alles hinweg, so sieht das aus, wenn man dieses Leben studiert.

00:04:42: Marko Das heißt, die normale Frau damals wird eher abgemagert gewesen sein, weil es gab nichts zu essen, Hungersnöte waren an der Tagesordnung während des 30-jährigen Krieges. Die normale Frau wird sich wahrscheinlich auch wenig amüsiert haben. Und der Satyr kam selten vorbei. Und wenn es einer war, dann hat er sie vergewaltigt. Das ist nämlich auch eine Spezialität dieses Krieges gewesen.

00:05:01: Monika Möglicherweise. Das ist die Spezialität jedes Krieges. Wenn ihr an das heutige Ideal der dünnen, dünnen, dünnen Frauen denkt, findet man das in der Realität so? Nein, das ist nur eine Idee, so möchte man es haben. Einige erfüllen das vielleicht, die meisten nicht.

00:05:18: Marko Wollte man es denn damals so haben? Das sagt man immer so gerne. Wenn man Kontaktanzeigen: Rubens-Frau sucht, dann weiß man - Okay, das ist jetzt nicht irgendwie so eine spargelige.

00:05:30: Monika Daran sieht man, wie bekannt Rubens heute immer noch ist und wie wirkungsmächtig. Auch wenn diejenigen, die das schreiben, wahrscheinlich einfach nur das Klischee kennen und nur das kennen. Wobei er zig andere Sachen gemalt hat, auf die wir auch noch zu sprechen kommen.

00:05:45: Martin Aber das ist, würdest du sagen, der Venus-Reigen ist prototypisch Rubens?

00:05:50: Monika Unbedingt. Ja, unbedingt. Und auch hier. Ja. Vergewaltigung? Nein. Die Damen lassen sich sehr gerne auf die Satyrn ein. Das muss man sagen. Da geht es nicht um Gewalt gegen Frauen, da geht es um Lebenslust im umfassenden Sinne.

00:06:07: Marko Na ja, es ist ein bisschen vielleicht auch wie Porno, weil beim Porno macht es den Frauen ja auch immer Spaß.

00:06:13: Monika Aber das ist vielleicht deine Vorstellung. Die teile ich nicht unbedingt.

00:06:19: Marko Es ist, es ist eine andere Zeit. Es ist ein anderer Blickwinkel auf die Welt. Und du hast dich dadurch, dass du mehrere Zeitzeichen zu Rubens gemacht hast, natürlich mit dessen Leben beschäftigt.

00:06:31: Monika So ist es.

00:06:32: Marko Welches Zeitzeichen hast du gemacht? Es ging um seine Geburt, ne...

00:06:36: Monika 28. Juni 1577. Die Geburt des Malers Peter Paul Rubens.

00:06:41: Marko Da war noch kein Krieg im Schwange? Da herrschte noch Frieden?

00:06:45: Monika Keineswegs.

00:06:46: Marko Nein.

00:06:46: Monika Nein. Seine Eltern wurden vertrieben aus Antwerpen. Man denkt ja, wenn man an ihn denkt, denkt man an Antwerpen. Flämische Malerei in Hochblüte. Die Eltern waren vertrieben, flüchteten nach Köln, weil spanische katholische Söldnertruppen einfielen und alles, was calvinistisch protestantisch lutherisch war, köpften, aufspießten. Und auch die Kunst vernichteten. Und so weiter.

00:07:15: Marko Bilderstürmer.

00:07:15: Monika Bilderstürmer. Sie flohen wie viele andere nach Köln. Jan Rubens war Jurist, und überhaupt war die Familie wohl angesehen und nicht arm.

00:07:28: Marko Also es war der Vater - Jan Rubens, der Vater war...

00:07:29: Monika Das war der Vater.

00:07:30: Marko Papa war Jurist.

00:07:31: Monika Das war der Vater. Er arbeitete als Jurist in Köln weiter, traf auf Anna von Sachsen, die mit Wilhelm von Oranien verheiratet war. Der Statthalter, der Chef dort, der Herrscher.

00:07:44: Martin Das hat sich alles in Köln getroffen.

00:07:46: Monika Ja, das hat sich in Köln getroffen. Er beriet sie in juristischen Dingen. Und dieser Wilhelm, das wird irgendwie so'n Mannsbild gewesen sein, dem dieses junge Mädchen aus Sachsen ins Bett gelegt wurde aus dynastischen Gründen, wie das immer so schön heißt. Also als Gebärmaschine. Ja, und der Jan Rubens, der Vater wird ein kultivierter Mann gewesen sein. Man verliebte sich. Und Jan Rubens wurde zum Tode verurteilt.

00:08:16: Martin Also es ist ans Tageslicht gekommen. Und dann stand darauf die Todesstrafe?

00:08:20: Monika Todesstrafe...

00:08:21: Martin Ehebruch gleich Todesstrafe.

00:08:23: Monika Ja. Die Frau musste man ja behalten. Man hatte ja keine andere. Man wollte schon sicherstellen, dass die Kinder vom Herrscher waren und nicht vom Rubens. Und warum der sterben musste? Er starb auch nicht, denn seine Frau Maria setzte sich für ihn ein. Lasst den raus! Ich vergebe dem. Das ist überhaupt kein Problem. Warf sich dem Herrscher zu Füßen. Und wenn ihr einen Brief lesen wollt von Ihr, könntet Ihr es tun. An dieser Stelle.

00:08:51: Marko Wenn es ein Brief von ihr ist...

00:08:52: Monika ...ein Brief von ihr...

00:08:53: Marko Dann wäre es vielleicht ganz schön. Du liest ihn vorher gut.

00:08:57: Monika Ja gut. Ich hätte nicht geglaubt, dass du an meiner Bereitwilligkeit, dir zu verzeihen, gezweifelt hast.

00:09:03: Marko Das ist ein Brief. Das ist ein Brief von ihr an ihren Mann.

00:09:05: Monika An Ihren Mann, an ihren Mann. Wie hätte ich so hart sein können, meine Vergebung zu verweigern, da du in so großer Angst und Bangigkeit dich befindest, aus welcher ich dich gerne mit meinem eigenen Blut befreien möchte. Wie könnte sich nach so langer Eintracht ein Hass erzeugen, dass ich dir nicht einen Fehltritt gegen mich vergeben sollte? Also das ist Liebe, oder?

00:09:30: Marko Das ist.

00:09:30: Martin Großzügigkeit.

00:09:32: Monika Großzügigkeit. Und es hat seine Wirkung getan. Er wurde nicht umgebracht, aber die beiden wurden verbannt nach Siegen.

00:09:41: Marko Au...

00:09:47: Monika Das war eine Strafe, was man einem Antwerpener antun konnte: aus einer Pracht Stadt in eine Provinz.

00:09:51: Marko Es gibt also dieses geflügelte Wort: Tod oder Siegen.

00:09:55: Monika Es gibt auch geflügelte Wort: Wer spricht von Siegen? Überstehen ist alles.

00:10:02: Martin Ja, ja. Was ist schlimmer als verlieren? Siegen? So, jetzt haben wir alle Hörer verloren. Die in Siegen wohnen.

00:10:09: Marko Ja, gut. Verluste hat man immer.

00:10:11: Martin Ja, also - die Familie wurde verbannt, von Köln ins Siegerland nach Siegen.

00:10:16: Monika Und die waren auch quasi - heute würde man sagen in Quarantäne. Die durften keine, keine Kontakte machen in Siegen. Was vielleicht auch überflüssig ist - ich weiß es nicht.

00:10:24: Marko Es ist total schön in Siegen, möchte ich an dieser Stelle mal sagen. Das ist eine der schönsten Städte....

00:10:32: Martin Des Siegerlands. Ja.

00:10:36: Marko So, das hätten wir also auch. Siegen.

00:10:40: Monika Die leben da auf einer einigermaßen fürstlichen Etage im Schloss, gibt es heute noch das Schloss und bekamen zwei Kinder. Erst Phillip, dann Peter Paul.

00:10:48: Marko Okay.

00:10:49: Martin Also Peter Paul Rubens ist gar kein Belgier nach heutigen Maßstäben sondern Deutscher gewesen.

00:10:56: Monika So kann man das nicht sagen. Es waren ja, es waren ja belgische oder Antwerpener Eltern und man ging auch später dahin zurück. Das ist dann das nächste Kapitel.

00:11:04: Marko Aber die ersten Jugendjahre sind in Siegen.

00:11:06: Monika Ja, 10 bis 12 Jahre waren die Kinder, als man zunächst nach Köln wieder zurückging. Dann starb der Vater, und die Mutter ging nach Antwerpen zurück. Irgendwie hatten hatte sich das erhalten oder konnte wiedergewonnen werden, was da verloren war. Und dann hatte sie vor, dass sie Peter Paul irgendwie höfisch unterbringt. Das fand sie toll, aber er fand das überhaupt nicht toll. Das Talent war schon vollkommen entwickelt. Er fing schon an zu zeichnen, zu malen, zu beobachten und so, ja, dann durfte er in die Lehre gehen, zu einem Landschaftsmaler.

00:11:41: Marko Wie muss ich mir diese ersten Jahre in Siegen vorstellen, wenn der Vater als Jurist hat er da, konnte er da arbeiten? Mussten die irgendwie?

00:11:49: Monika Nein, nein, er konnte gar nichts arbeiten.

00:11:50: Marko So. Haben die von den Reserven gelebt?

00:11:53: Monika Die wurden da irgendwie ernährt, wie Gefangene ernährt werden ein bisschen, so stell ich mir das vor.

00:11:58: Marko Okay, also ein sehr bescheidenes, wenn nicht geradezu geschundenes Leben.

00:12:03: Monika Ein sehr bescheidenes Leben, das eben, wie gesagt, ohne äußere Kontakte, ohne Teilnahme am Leben da bestritten werden musste. Eben die zweitbessere Lösung, die kleinere Not nach sterben müssen.

00:12:16: Marko Ja - Tod oder Siegen. Da waren wir. Man, aber dann, dann, dann stirbt der Vater an Altersschwäche oder warum auch immer.

00:12:22: Monika Ja, nach zwölf Jahren ungefähr. Das ist dann schon eine weitere Strecke, der stirbt dann, da sind Sie schon in Köln.

00:12:28: Marko Ah, okay. Und dann geht es wieder zurück nach Antwerpen.

00:12:32: Monika Die Mutter mit Kindern.

00:12:34: Martin Ja, und da gibt es wiederum Kontakte, weil da ist man irgendwann hergekommen. Und dann gibt es die Möglichkeit für Peter Paul dann bei einem Landschaftsmaler in die Lehre zu gehen.

00:12:45: Monika Ja. So nannte man das. Ja, ja, ja, das war auch damals ja früher möglich als es heute wäre. Es ist ja sehr handwerklich auch angebunden, alles, was Kunst ist, und das ist es ja auch.

00:12:58: Marko Malen gilt nicht als Kunst, es gilt als Handwerk.

00:12:58: Monika Als Handwerk, ganz genau. In Italien, also 100 Jahre früher, Renaissance noch viel stärker. Und dann kommt er gleich in die, in die Lukasgilde. Also das ist, das ist Pflicht, wenn man Aufträge bekommen will, wenn man Erfolg haben will, muss man einer Gilde dort angehören.

00:13:17: Marko Ja.

00:13:18: Marko Und dann geht aber sein größter Wunsch in Erfüllung: Er darf nach Italien. Italien ist das Mekka für alle, die mit Malerei zu tun haben und mit Kunst überhaupt zu tun haben. Und Tizian studieren und all die Großen. Und das tut er eine ganze Zeit. Und er knüpft Kontakt zu dem Herrscher in Mantua. Und der kommt irgendwie auf die Idee, dieser Peter Paul Rubens, der legt eine große Geschicklichkeit, wohl auch Beredsamkeit an den Tag, außer dass er toll malen kann. Den könnte man in diplomatischer Mission einsetzen. Was das damals genau bedeutet hat. Aber er hat so was gemacht, er hat vermittelt zwischen Herrscherhäuser und hat gleichzeitig auch immer wieder gemalt. Aber es gibt so eine ironische Wendung, der ist als Diplomat noch besser denn als Maler. Das ist vielleicht nicht so, aber er ist auf jeden Fall jemand, der in höchsten Gesellschaftskreisen als Künstler und eben auch als ja Friedensstifter: Es heißt immer, dem geht es nicht um Siegen, dem ging es nicht um Siegen, sondern um Frieden.

00:14:25: Martin Aber es ist ja schon kurios. Ich meine als als Maler, als Handwerker haben wir gerade gesagt, dann in diplomatische Dienste genommen zu werden, das liegt ja jetzt nicht unbedingt nahe. Weiß man, wie es dazu gekommen ist oder ist das im Dunkel?

00:14:38: Monika Das geht von diesem Mantua Herrscher aus, der fand das irgendwie. Wenn du ohnehin da nach Spanien gehst, dann erzähl denen doch mal dies und jenes. Also so stell ich mir das ein bisschen vor, dass es so gewesen sein könnte. Man darf das vielleicht nicht verwechseln mit heute, mit dem Begriff Diplomatie heute.

00:14:54: Marko Aber es ist ja auch so: Da ist ein junger Mann, der hat dieses Handwerk des Malens gelernt. Und wer sind die Auftraggeber? Natürlich reiche Menschen. Das heißt in der Regel die Leute, die mit der Politik was zu tun haben. Und wenn der vielleicht eine andere Begabung noch hat, und die haben gemerkt, ach, guck mal, der ist ja ganz beredt, dann gibt das eine vielleicht das andere - kann man sich irgendwie vorstellen.

00:15:15: Monika Also so wird es gewesen sein.

00:15:17: Marko Schön, wenn das so offen ist nach oben. Weil das ist ja eine steile Karriere.

00:15:21: Monika Absolut! Unglaublich hoch angesetzt, als Anfänger schon.

00:15:26: Marko Glück.

00:15:29: Monika Ja. Ich sage ja, eine goldene Brücke in dieser Zeit oder ein goldener Weg durch alle Mühsal und alle Scheußlichkeiten, die ansonsten die Zeit ausmachten. Dann stirbt seine Mutter. Er eilt an ihr Todesbett, trifft sie nicht mehr unter den Lebenden. Aber er bleibt von da an in Antwerpen, gründet ein Atelier, kann sich vor Aufträgen nicht retten, jetzt mit diesem italienischen Ruf, der ihm vorauseilt und engagiert andere Künstlerkollegen, darunter große Namen wie van Dyck und Brueghel - der so genannte Blumen-Brueghel. Die haben für ihn gemalt. Man muss sich jetzt vorstellen, das waren jetzt nicht Bildchen 50 mal 60, das waren wandgroße Bilder. Erschlagen, wenn man davorsteht in München zum Beispiel - Pinakothek. Also wirklich. Und das nimmt dich auch entsprechend ein. Die Figuren da sind so gut wie lebensgroß.

00:16:28: Martin Aber das war so das Gängige, was man gemacht hat. Wenn man dann eben die Aufträge, wenn die reinkamen und man das alles nicht mehr selber mit eigener Hand geschafft hat, dann hat man einfach Leute engagiert, die auch gut waren und die in der Lage waren, im eigenen Stil dann zu arbeiten.

00:16:44: Monika Ja, das war üblich. Wobei jeder hatte ein bestimmtes Aufgabengebiet, du kannst besonders gut Hände malen und so, das kannst du gut und dann machst du das. Und der Blumen-Brueghel, der Name sagt es schon, der malte da immer die Rabatten und die Blumenkränze und so weiter. Und so war das auch weiter aufgeteilt. Interessant ist, dass er, wenn er berechnete, dann legte er dieser Berechnung zugrunde, also Rechnungen schrieb an die Auftraggeber, wie viel er selber da eingebracht hatte: 20 % oder 80 % oder 90 %.

00:17:15: Martin Und je teurer wurde es, je mehr er selber gemacht hat.

00:17:18: Monika Genau - da gibt es Unterlagen darüber. Das finde ich sehr interessant. Also er war irgendwie ein Redlicher und nach allem, was man so weiß und liest, war das auch irgendwie ein netter Kerl. Das war weniger so ein Angeber oder so was. Das war der nicht. Der war umgänglich.

00:17:33: Marko Okay. Hat er seine Bilder schon signiert? Steht da Rubens drunter?

00:17:37: Monika Oh. Ich glaube schon. Ja, ja, das war...

00:17:41: Marko Wir sind ja in der Neuzeit. Aber im Mittelalter war es zum Beispiel völlig verpönt. Da gibt es eigentlich keine signierten Bilder.

00:17:48: Monika In der frühen Zeit, war das...

00:17:49: Marko in der frühen Zeit gar nicht und einer der Ersten, der es in Deutschland gemacht hat, war Dürer, der dieses berühmte Albrecht Dürer Signe...

00:17:57: Monika Der war ja schon eine Manufaktur und Cranach ebenso und die Italiener auch.

00:18:01: Marko Aber unter einem Rubens steht auch Rubens, oder steht dann da 20 %. Rubens.

00:18:05: Monika So nicht, so nicht. Aber signiert, man wusste, dass das seine Bilder waren. Ich weiß nicht, ob er signiert hat auf dem Bild oder wie man das machte, vielleicht hinten oder so, ja, also ich kann mich nicht erinnern, das gesehen zu haben. Noch dazu sind die Bilder ja dermaßen voll und füllig, dass man auf solche Details gar nicht achtet. Da gibt es keine Leerstellen, das sind Wimmelbilder zum Teil.

00:18:28: Marko Ja, aber kommen wir vielleicht noch mal zu den Themen zurück, wenn du sagst, es ist nicht nur alles Fleisch.

00:18:35: Monika ...was glänzt.

00:18:38: Marko Es gibt auch andere Themen.

00:18:40: Martin Wenn ich da noch mal ganz kurz einhaken darf: Die vielen Putten, die man halt so mit Rubens verbindet, diese kleinen pummeligen Engelchen, hat er die aus Italien mitgebracht, oder woher kommen die denn? Wieso? Wieso malt man überhaupt Engel als kleine Krabbel-Kinder, fleischlich, üppig?

00:19:00: Monika Das ist ja Mythologie im Wesentlichen. Und da kommen die eben vor. Denkt bei Raffael an das berühmte, die Sixtinische Madonna, die beiden Putten da unten, die so aufgelehnt, das berühmteste Motiv, das es überhaupt wahrscheinlich in der Malerei gibt. Man verbindet das gar nicht mehr mit der Sixtinischen Madonna. Man denkt, diese Engelchen, die haben auch eine eigene Karriere gemacht.

00:19:20: Martin Auf Postkarten...

00:19:21: Monika Noch und noch. Ja, doch, das kommt aus diesem italienischen und allegorischen Umfeld. Aber was ich sagen wollte: Stichwort Gegenreformation. Er kommt zurück aus Italien, und das ist ein ganz wichtiger Streit. Die Katholischen wollen jetzt doch jetzt mal zeigen, was eine Harke ist. Bei uns ist der Glanz und ist die Musik und ist die Pracht und ist die Fülle. Und da brauchen Sie Rubens für Ihre Motive. Wollen wir so eins aufschlagen?

00:19:51: Martin Ja, sehr gerne.

00:19:52: Monika Das ist dann eben der Rubens, den man nicht sofort mit diesem Namen verbindet.

00:20:00: Marko Na ja, und vielleicht haben wir eben nur sehr kurz und kursorisch gemacht. Dieser Bilderstreit, der losgebrochen ist zum Zeitalter seines Vaters, der hat ja dazu geführt, dass unglaublich viel Kunst vernichtet wurde. Also auch in Antwerpen sind die Leute ja durch die Kirchen und haben da die Gemälde runtergerissen.

00:20:19: Monika Auf fürchterliche Weise.

00:20:20: Martin Und das heißt, da gab es viele leere Wände, jetzt.

00:20:23: Monika Genau.Da gab es viel zu tun, wenn ihr euch so was anguckt. Das ist natürlich auch prachtvolle Malerei, wie er die Schwere von diesem Körper hinkriegt. Also eine Kreuzabnahme ist zu sehen, auch da wieder prächtige Farben. Johannes ist das wahrscheinlich, der dieses rote Gewand anhat, und Maria in dem blauen und der weiß schimmernde Körper. Und es ist schon sehr beeindruckend, obwohl es auch da diesen Glanz hat, diese Pracht, trotz des traurigen und tragischen Motivs.

00:20:54: Marko Ende einer Folterszene, so muss man es ja sagen. Also Jesus wird vom Kreuz abgenommen.

00:21:00: Monika Ja, aber auch eben Ende einer Opferung - das größte christliche Mysterium schlechthin. Und ich denke schon, dass die Kirchenväter mit ihm zufrieden waren. Wobei, eins finde ich noch wichtig, denn den Vergleich etwa mit Rembrandt. Rembrandt ist der etwas Jüngere aus diesem Kulturkreis. Und der hat eine Innerlichkeit, eine Spiritualität in seinen Arbeiten, die er nicht hat. Er hat die Äußerlichkeit, die prachtvolle Fassade.

00:21:29: Martin Also, wenn wir von nackten Körpern gesprochen haben, also es ist auch da eine Üppigkeit in der Darstellung, viele, viele Figuren, die da sind, viele Gesichter. Es tut sich was in diesem Bild.

00:21:39: Monika Es tut sich was und es ist immer eine Dynamik da, ein toller Aufbau jeweils in den Bildern. Und diese Farbenpracht ist doch einfach berückend.

00:21:48: Marko Ich meine, man stellt sich einen Jesus auch eher abgemagerter vor als den, den sie da gerade vom Kreuz abnehmen.

00:21:55: Monika Das weiß ich nicht, wie du dir den Jesus vorstellst, aber der ist doch auf jeden Fall auch. Es kommt auf dieses, auf dieses Sinken an, das der hat. Das sind lebendige Menschen, die halten sich, aber würden sie ihn nicht halten, er würde fallen. Ich finde das in diesem Bild so sinnfällig. Und das hinzukriegen auf einem Bild, wo ja letztlich alles statisch ist, also und dennoch eine Dynamik zu haben, die das transportiert.

00:22:21: Martin Und idealtypisch der Aufbau auch mit dem berühmten goldenen Schnitt, was da so im oberen rechten Drittel, also von rechts oben nach links unten, der Bildaufbau, die Linien...

00:22:32: Monika Es sind sehr oft Diagonalen. Eine Diagonale ist lebendiger als die Senkrechte. Das macht er sehr oft, also egal ob es um nacktes Fleisch geht oder nicht. Ja also das ist auch schon ein Hauptmerkmal seiner Kunst, diese diese Kirchen Bilder.

00:22:49: Martin Aber das war ein relativ, wenn ich dich richtig verstanden habe, ein kurzer Zeitraum, wo diese Üppigkeit so gefeiert wurde. Ich meine, wir haben ja auf. Also er kommt ja aus einer calvinistischen Ecke eigentlich dann an.

00:23:02: Monika Hat sich aber davon abgewandt, weil die Auftraggeber auf der anderen Seite waren. Ich glaube das ja. Ja, das entsprach der Tradition und er wird es jetzt nicht gemacht haben, weil das so war. Aber es hat sich ganz gut gefügt. Im Übrigen war er ein manischer Arbeiter. Um 4:00 morgens aufstehen, in die Messe gehen, danach ins Atelier bis 5:00, bis es dunkel wurde so quasi, denn das war ja ein wichtiger Gesichtspunkt.

00:23:32: Marko Das hat sozusagen seiner Arbeit einen natürlichen Schlussstrich gesetzt.

00:23:36: Monika Sozusagen. Ja. Dann gab es eine erste Heirat mit Isabella Brand. Es gab drei Kinder, zwei Jungs, die haben überlebt. Und dieses süße Mädchen, das ist leider gestorben. Aber ein wunderschönes Bild hat ihr Vater von ihr gemalt. Und Isabella ist gestorben an der Pest. Die Pest war schon fast durch und in einem letzten, letzten Aufruhr hat es die Frau erwischt. Das war für ihn furchtbar. Er hat aufgehört zu malen. Er war völlig fertig mit den Nerven und hat dieses diplomatische - er dachte, ich muss irgendwie raus. Man hat ja dann vielleicht auch in so einer Situation das Gefühl, ich muss dem entfliehen. Hat dieses Diplomatische wieder so ein bisschen aufgenommen, aber es war nicht so richtig das Wahre. Er hat dann auch festgestellt, wie viel Intrige und wie viel Hinterhältigkeit an den Höfen herrschte. Und er wollte dann nicht mehr, nicht mehr teilhaben.

00:24:32: Marko Woher wissen wir das alles? Lesen wir das aus seinen Bildern heraus oder gibt es Aufzeichnungen?

00:24:36: Marko Es gibt eine Aufzeichnung. Sehr schade ist, dass man offenbar nicht für Wert befand, private Briefe oder überhaupt private Dokumente groß aufzuheben.

00:24:48: Martin Obwohl er berrühmt war schon zu Lebzeiten. Also das war nicht so, dass man gedacht hat, das muss für die Nachwelt jetzt irgendwie aufgehoben werden.

00:24:55: Monika Man hatte diesen Impuls nicht. Private Briefe, das war nichtig irgendwie: ich habe den Hof satt. Es kann gut sein, dass ich nicht wieder dorthin zurückkehre...

00:25:04: Marko Schreibt er?

00:25:06: Monika Schreibt er. Das ist mal ein Brief, den er an einen Freund geschrieben hat.

00:25:09: Marko Und der erhalten geblieben ist.

00:25:11: Monika Der erhalten geblieben ist. Ja, Oder hier ein Zitat auch von einem anderen, kch habe es vorhin schon zitiert: Er war ein ehrlicher Mann. Sein Ziel war Frieden, nicht Sieg und nicht Siegen.

00:25:22: Marko Ist er jemals nach Siegen zurückgekehrt?

00:25:24: Monika Nein, nein.

00:25:26: Marko Jetzt ist aber gut mit Siegen.

00:25:27: Monika Nach Köln ja, aber nicht nach Siegen.

00:25:30: Marko Okay. Also, er ist wirtschaftlich ein erfolgreicher Mann.

00:25:35: Monika Ein sehr erfolgreicher Mann.

00:25:37: Marko Er hat diese Malerwerkstatt und lebt...

00:25:40: Monika In Saus und Braus.

00:25:41: Marko Aber asketisch - um vier Uhr morgens aufstehen...

00:25:43: Monika Ja, so.

00:25:45: Marko Asketisch in Saus und Braus.

00:25:48: Monika In Saus und Braus bezog sich darauf, dass er, dass es ihm schon wichtig war, nach außen etwas zu repräsentieren. Das meinte ich mit Saus und Braus.

00:25:57: Marko Das heißt, es gibt in Antwerpen auch ein Haus, wo er gewohnt hat, auch noch erhalten noch?

00:26:02: Monika Und er hat sich selber nie gemalt, mit Malerkittel und so irgendwie so arbeitend. Er hat sich immer als der Grand Chevalier selber dargestellt, so mit Hut und Feder.

00:26:11: Marko Und wir können uns ja mal vielleicht angucken.

00:26:14: Monika Ja, es gibt ihn mehrfach hier, das ist doch.

00:26:17: Martin Das ist doch klassisch.

00:26:18: Monika Ein schmuckes Mannsbild - oder?

00:26:20: Martin Das hat man schon mal gesehen.

00:26:21: Marko Er sieht so ein bisschen aus wie aus einem Mantel und Degen Film, ne.

00:26:24: Monika Ja, ja.

00:26:27: Martin Er schaut da so ein bißchen vielleicht auch skeptisch auf denjenigen, der ihn malt, welcher er selber ist. Er hat einen großen, großen Hut auf, wallendes Haar, einen langen Bart, so einen Schnurrbart, der so schön nach oben gezwirbelt ist. Und ja, relativ ebenmäßiges Gesicht.

00:26:43: Monika Schmale Nase...

00:26:45: Martin Hat er sich da idealisiert? Man weiß natürlich nicht, wie er ausgesehen hat. Er hat sich immer nur selber gemacht.

00:26:50: Monika Ja, aber er hat sich so oft selber gemalt, dass man daraus doch gewisse Schlüsse ziehen kann. Es gibt dieses Hochzeitsbild mit der Isabella Brand. Das ist auch sehr berühmt. Da sitzen sie in der Geißblatt-Laube....

00:27:02: Marko In der was? Geißblatt-Laube - das ist eine Pflanze?

00:27:05: Monika Das ist eine Pflanze. Und das ist sehr traulich, und das zeigt aber auch, man hat es: Samt und Seide.

00:27:12: Martin War er denn auch ein Genussmensch? Das würde man ja nach den Bildern, wie er sie gemalt hat, auch vermuten wollen.

00:27:20: Martin Also er hat wieder geheiratet, da war er 50. Apropos Genussmensch. Er schreibt...

00:27:26: Marko liest Rubens Ich habe beschlossen, mich wieder zu verheiraten, denn ich habe niemals die Absicht gehabt, das abstinente Leben eines Zölibatärs zu führen. Und ich habe mir gesagt, dass wir, ehe wir den ersten Platz der Enthaltsamkeit einräumen müssen, doch lieber dankbar die erlaubten Freuden genießen sollten.

00:27:49: Martin Mit - wie alt war er da?

00:27:51: Monika 50?

00:27:51: Martin 50?

00:27:52: Monika Genau.

00:27:52: Martin Also schon Herr im gesetzten Alter, zuletzt.

00:27:55: Monika Herr im gesetzten Alter, zu der Zeit. Und das Mädchen war 16. man kann kaum sagen eine Frau. Er hatte sie schon aufwachsen sehen. Sie war so ein bisschen Nachbarskind von einem Tuchhändler, ebenfalls gut betucht, dieser Tuchhändler. Und ja, eine 16-jährige.

00:28:10: Martin Weiß man, was sie davon hielt?

00:28:13: Monika Das weiß man nicht, aber sie sieht immer sehr zufrieden aus...

00:28:18: Marko Da wären wir wieder bei dem Thema. Also die Frauen in den Pornos ja auch.

00:28:23: Monika Aber ich meine: Nett Mädchen - oder?

00:28:27: Marko Aber ich sage mal über 50-jähriger, der sich eine 16-jährige anlacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die 16-jährige glücklich war. Oder wir leben in einer komplett anderen Zeit.

00:28:36: Monika Wir leben in einer komplett anderen Zeit und wahrscheinlich hat sie ihn einfach gemocht und das schien ihr richtig. Und es gibt eine schöne Rede. Es muss wieder einer der Herren lesen bei der Hochzeit.

00:28:49: Marko Und ist er jetzt nicht selber, sondern das da spricht ein.

00:28:53: Monika Der Hochzeits Redner.

00:28:55: Marko Das ist der Martin - Martin ist der Hochzeitsredener.

00:28:56: Martin Hochzeitsredner kann ich gut.

00:28:58: Monika Also die Braut heißt Hélène Fourment - la belle Helene, wie es hieß, das schönste Mädchen in Antwerpen. Und hier auf der Hochzeitsfeier wurde eine Rede gehalten, in der folgendes vorkommt.

00:29:13: Martin liest die Hochzeitsrede Dein Gatte, der fünf Jahrzehnte durchlebt hat, möge empfangen, was dir in erster Blüte grünt. Er wird in deinen armen, Jungfrau, sich wieder verjüngen, und aus deinem Antlitz wird ihm belebende Kraft erwachsen.

00:29:28: Monika Das kann man wohl sagen. In zehn Jahren fünf Kinder. Trotz der Gicht-Anfälle, die inzwischen plagten. Aber er war innerlich zur Ruhe gekommen. Man zog sich aufs Land zurück, schaffte sich da etwas sehr Pompöses, aber stilvoll, natürlich mit Ländereien drum herum und allem Pipapo. Und er schreibt.

00:29:56: Marko liest Rubens Wir haben einander erprobt, das Geschick und ich. Durch Gottes Gnade lebe ich nun in ruhiger Beschaulichkeit, da ich jede Art von Beschäftigung, die mich in meinem Beruf fernhalten würde, entsagt habe.

00:30:10: Martin Das heißt, er malt fleißig weiter.

00:30:11: Monika Er malt fleißig weiter, und er malt eben Land-Szenen: wenig Nacktes, viele Kühe, ein wunderbarer Regenbogen.

00:30:22: Marko Er zeugt ja Kinder noch mit der 16-jährigen und malt währenddessen Landschaften. Ja, was soll man davon halten?

00:30:30: Monika Also - ja.

00:30:30: Marko Also die Landschaft: Wenig verfänglich, sag ich mal, ganz hübsch.

00:30:35: Martin Mit Regenbogen.

00:30:36: Marko Ideal-Landschaft.

00:30:37: Martin Sind das denn die Niederlande, Antwerpen?

00:30:42: Monika Ich denke ja - das ist sein unmittelbares Umfeld. Ebenso aber hier so ein bäuerliches Fest. Da geht's aber wieder zur Sache. Da wird getrunken, also wieder dieses dieses Wimmelbild.

00:30:55: Marko Flämische Kirmes.

00:30:55: Monika Ja, man kann 1000 Szenen entdecken.

00:30:59: Marko Es wird offensichtlich schwer gebechert...

00:31:01: Monika Es wird schwer gebechert.

00:31:02: Marko Zwischendurch sitzt da noch so eine Frau und und säugt ihr Kind. Und drumherum wird aber dermaßen einen gehoben, geschrien, gegrölt.

00:31:12: Monika Musiker gibt es auch noch, Lyranten hätte man gesagt zu der Zeit.

00:31:15: Marko Lyranten?

00:31:18: Monika Da oben sind Musiker.

00:31:19: Marko Ich sehe sie nicht. Aber gut. Da, da oben rechts. Ah ja.

00:31:22: Monika Ja. Man sieht es nicht, weil es dermaßen voll ist.

00:31:25: Marko Sie sind ja auch eher im Hintergrund. Aber man kann sich vorstellen, wie es da zugegangen ist.

00:31:29: Monika Man kann es sich sehr gut vorstellen.

00:31:30: Marko Drunter, drüber, laut.

00:31:31: Monika Drunter, drüber.

00:31:32: Marko Und viel Gekreische.

00:31:33: Monika Und man ist nicht in Samt und Seide gewandet, sondern es ist bäuerlich, ländlich. Aber auch da gibt es Ekstase.

00:31:41: Martin Sind das auch so diese Anfänge gewesen, dass man überhaupt das als Sujet gewählt hat, dass man einfaches Volk abgebildet hat? Oder gab es das vorher auch schon?

00:31:49: Monika Breughel hat das auch gemacht, in üppiger Form. Ja, ja. Also das war seines Lebens Ende, in Ruhe und in Beschaulichkeit.

00:32:03: Marko Auf der Kirmes...

00:32:05: Monika Und mit dieser tollen Frau - ja immer mit ein Kind mehr noch. Das letzte Kind ist geboren, da lebte er schon nicht mehr.

00:32:12: Martin Okay. Und er wurde wie alt?

00:32:15: Monika Etwas über 60.

00:32:16: Martin Etwas über 60. Und er hat bis zum Schluss gemacht.

00:32:20: Monika Er hat bis zum Schluss gemacht.

00:32:21: Martin Trotz Gicht?

00:32:21: Monika Ja, aber manchmal waren die Finger so steif, dass er den Pinsel nicht mehr halten konnte. Also es war schon bitter und es muss diese Gicht, das muss kein schleichender Prozess gewesen sein, sondern das kam so Anfall-artig.

00:32:33: Marko In Schüben.

00:32:33: Monika In Schüben.

00:32:33: Marko Gicht-Schübe.

00:32:35: Monika Ja, ja. Das ist ein Lieblingsbild gewesen von seiner Frau mit Pelz: Venus im Pelz.

00:32:41: Martin Ja, aber sonst nicht viel.

00:32:42: Marko Wobei der Pelz vorne offen ist und - ja.

00:32:45: Monika Der Pelz betont eigentlich die Nacktheit noch mehr, als es ohne Pelz gewesen wäre. Und also sie verkörpert wohl das Schönheitsideal der damaligen Zeit wie niemand sonst: dieses Hellhäutige, Blonde, Helläugige...

00:33:01: Marko ...und viel Fleisch.

00:33:05: Monika Und ziemlich viel Fleisch.

00:33:05: Martin Nicht verschnitzt, hat meine Mutter immer gesagt. Also nicht, nicht verschnitzt, nicht zu viel abgeschnitzt. Also das ist jetzt nicht dick im eigentlichen Sinne, aber es ist was dran an der Frau.

00:33:16: Monika Ist was dran an der Frau, keine Frau, an der nichts dran wäre. Aber er hat eben auch. Er hat eben Humor in vielen Szenen, so hintergründig. Da guckt man zuerst nicht drauf. Aber dann ist da ein kleiner Hund, der beißt dem Held in die Wade, während der gerade irgendwelche Heldentaten vollbringt. Oder so ein kleiner Putto auch wieder, beugt sich über das Wasserbecken und streckt seinen Hintern dabei in die Luft und solche Sachen. Also er hatte Spaß an irgendwelchen humorvollen Details, die man gar nicht auf den ersten Blick entdeckt. So ein Bild kann man stundenlang studieren. Es ist so, dass Rubens natürlich Auftragsarbeiten erstellt hat. Hier ging es zum Beispiel darum - wIr haben das hier gerade mal aufgeschlagen, darum, dass er die Ankunft Maria de Medicis in Paris bebildern, darstellen sollte, in vielen, vielen Bildern. Man bedenke, er hat volle vier Jahre damit verbracht, er und seine Mittäter natürlich. Also die...

00:34:20: Marko ...die Mittäter.

00:34:21: Monika Diejenigen Maler, die in seiner Werkstatt arbeiteten und die mit ihm zusammenarbeiteten.

00:34:28: Marko Nun muss man das Bild mal beschreiben. Wir sehen Frau Medici relativ klein im Bild- Mittelpunkt. Eigentlich würde ich mal sagen, bildet sie eher den Hintergrund für ein anderes Geschehen. Martin, oder?

00:34:38: Martin Ja, dieses Bild ist wirklich zweigeteilt. Also oben die Ankunft von Frau Medici. Irgendwie ist alles sehr edel und gediegen und fein gewandet. Und dann haben wir in der unteren Bildhälfte ja mal wieder Nackedeis...

00:34:52: Marko Und viel leuchtender, viel leuchtender.

00:34:54: Martin Eigentlich guckt man da hin als erstes und nicht so sehr...

00:34:57: Marko Du! Du!

00:34:57: Martin Ja, ja, mea culpa. Ja, ich, ich bin bin der Knilch, der da hinguckt

00:35:03: Monika Du auch?M

00:35:03: Monika Es ist das beherrschende Motiv hier vorne.

00:35:05: Marko Es ist es ist kein Alt-Männer-Problem, das wir jetzt wieder auf die nackten Frauen gucken. Das tust du auch?

00:35:09: Monika Rubens muss gedacht haben: Das ist doch langweilig. Ewig dieses Staatstragende und diese Olle. Und jetzt geht sie da vom Schiff, und da sitzt sie auf dem Thron. Nein, wir müssen, wir müssen einen Eye-Catcher haben. Ja, da hat er sich gesagt, diese Wasserwesen hier, Männer mit langen grauen Haaren, Frauen nackt und üppig, die spielen da im Wasser rum. Das ist doch viel geiler, kann man sagen. Im übertragenen wie im direkten Sinne.

00:35:35: Martin Ja, und das eine hat mit dem anderen auch nicht wirklich was zu tun.

00:35:37: Marko Die planschen da rum und die Königin kommt.

00:35:41: Monika Das war seine, seine, seine Idee. Seine Bildidee. Nicht dieses Langweilige - das musste sein. Das war der Auftrag. Dem musste Genüge getan werden. Aber er hat quasi sein persönliches Beiwerk dazu gegeben.

00:35:55: Martin Hat sich der Auftraggeber wahrscheinlich auch nicht so vorgestellt?

00:35:58: Monika Wahrscheinlich nicht. Aber es ist alles akzeptiert. Im Louvre kann man das sehen, da kann man so wie man, wie man in München durch den Rubens-Saal geht, kann man da durch den Medici-Saal gehen. Also ein Motiv nach dem anderen, was da dieser Königin dient, und dazwischen immer Rubens Spezial Einfälle der barocken Art. Wie eben auch - wollen wir auf das letzte Schreckensbild zu sprechen kommen, das an jetzt an dieser Stelle.

00:36:25: Martin Unbedingt. Der Höllensturz.

00:36:25: Monika Das ist der Höllensturz der Verdammten. Also ich denke immer, wenn man sich... Angenommen, man würde ein erstes Date veranstalten unter diesem Höllensturz. Also wer da kommt, der ist belastbar.

00:36:41: Martin Warum? Was ist in diesem Höllensturz zu sehen? Also ich sehe wieder hier, wir haben das jetzt gerade mal auf dem iPad aufgemacht. Man kann das gar nicht so in Summe sehen, da gehen alle Details verloren. Das ist ja - du sagst Wimmelbild. Das ist genau das offensichtlich.

00:36:56: Monika Ja. Und Sie lösen mit Ihren Spießen, die sind unten gar nicht mehr drauf. Also auch wieder eine riesige Diagonale des Schreckens eigentlich. Fleisch - herabstürzendes Fleisch, könnte man sagen, in Körper gegossen, ineinander geklammert, kreischend, schreiend. Das Grauen in Tüten auch. Auch ja, Diagonale, habe ich schon gesagt. Und unten stehen die Bösen mit ihren Spießen, und dahin fallen die Verdammten.

00:37:24: Marko Und warten nur auf die, die herunterstürzen. Auch wieder viele sehr üppige Frauen, die da hinab in den Höllenschlund gestürzt werden...

00:37:32: Monika Ja. Aber diesmal nicht einzeln ausgestellt.

00:37:35: Marko Eher so als Masse.

00:37:36: Monika Eine riesen Girlande. Also alle sind ineinander verwunden...

00:37:40: Martin Eine Körper-Lawine, könnte man sagen.

00:37:41: Monika Körper-Lawine, ja.

00:37:43: Marko Fleisch-Girlande.

00:37:45: Martin Also das ist schon. Ja, es ist schon gruselig. Und im Original eben passt das auf kein iPad, sondern ist wie groß und wo kann man das sehen?

00:37:54: Monika Wandgroß in München, in der Alten Pinakothek. Nicht nur dieses Bild. Viele, viele Bilder. Ein ganzer Rubens-Saal. Man ist im barocken Himmel sozusagen. Aber das ist die Hölle.

00:38:05: Marko Und die Schrecken, die diese Leiber dort unten erwarten. Wilde Tiere.

00:38:12: Monika Das sind Teufel. Ja, ja, Tiere sind auch dabei. Aber es sind auch teufelartige Gestalten, die haben die Forke in der Hand.

00:38:20: Marko Drachenartig - Lindwürmer.

00:38:21: Monika Alles, was böse ist. Die Hölle. Das sind die, die zu viel gesündigt haben im Leben. Das sind die Verdammten, die werden...

00:38:29: Marko Die kommen da rein.

00:38:31: Monika Die werden ausgesondert von denen, die in den Himmel kommen.

00:38:34: Marko Das ist das Weltbild, auch damals.

00:38:36: Monika Ja.

00:38:36: Marko Wer das in Auftrag gegeben?

00:38:38: Monika Oh, das weiß ich.

00:38:39: Marko Unter dem Motto: Mals mir möglichst schrecklich.

00:38:44: Monika Es wäre interessant. Das steht immer nicht dabei. Man weiß es nicht. Man weiß Kirchen natürlich, in denen die die entsprechenden Bilder hingen. Aber das hing sicher nicht in der Kirche. Also so.

00:38:52: Marko Wissen wir das?

00:38:54: Monika Nicht definitiv. Ich weiß es einfach nicht.

00:38:57: Marko Na ja, das kann man ja, aber ich stelle mir vor, wer geht zu jemanden und sagt: Mal mir mal so eine Fleisch-Lawine und unten warten die Teufel und spießen die alle auf. Das muss ja - ist schon ein spezieller Geschmack.

00:39:08: Monika Ja, die sagten nicht: Mal mir mal ne Fleischlawine. Die sagten: Male die Verdammten, ich möchte den Himmel haben und ich möchte auf der anderen Seite das Gegenstück der Hölle haben, dass das möglichst schrecklich bei ihm ausfällt...

00:39:21: Martin Die Vorstellung von Hölle war ja auch sehr konkret. Also da ist man ja mit Fleisch und Blut rein gegangen und die Höllenqualen waren nun mal das ewige Höllenfeuer und die Qualen, körperlichen Qualen.

00:39:32: Monika Das diente natürlich auch der Einschüchterung der Gläubigen natürlich: Wenn ihr nicht lieb seid, dann passiert euch was. Seht es euch an! Wollt ihr dazugehören? Nein.

00:39:39: Martin Das ist ja sehr illustrativ dargestellt. Man kann sich das sehr gut vorstellen und gut nachvollziehen.

00:39:44: Marko Auf der anderen Seite haben wir, haben wir diesen Maler, der diese Fleischeslust, diese Üppigkeit feiert, die, die darunter stürzen, das sind doch dieselben.

00:39:55: Monika Barock hat beide Seiten: einerseits die üppige Lebenslust und auf der anderen Seite den Schrecken.

00:40:02: Marko Gut, aber die, die sich dieser Lebenslust hingeben, sind das nicht die, die da gerade stürzen? Das ist ja quasi wie ein Gegenmodell, dieses Bild zum restlichen Rubens.

00:40:10: Monika Weiß man's. Man könnte ja auch sagen: Genieße das Leben, so lange es irgend geht. Das wäre. Das wäre griechisch-antike Auffassung.

00:40:16: Marko Weil wir alle da landen.

00:40:19: Martin Na ja, ich glaube, das ist dann schon eher so Katholizismus und Protestantismus, Calvinismus. Dann eben dieses reduzierte, asketische, zurückgezogene, selbst beschränkende. Und dann eben die Üppigkeit, die man in der katholischen Kirche halt durchaus gefeiert hat, solange es eben gottgefällig ist. Ist halt die Frage: Was ist gottgefällig?

00:40:40: Monika Stichwort Gegenreformation. Die mussten richtig was auf die Waagschale legen, um ihre Gläubigen wieder zu begeistern.

00:40:46: Marko Er selbst war aber aus einem ursprünglich calvinistischen Haushalt.

00:40:50: Monika Genau - und hatte sich wieder zum Katholizismus bekannt.

00:40:54: Marko Ja. Weiß man, warum er es getan hat? War er da Überzeugungstäter? Oder war er sozusagen Opportunist um Aufträge zu bekommen.

00:41:02: Martin Geschäftsmensch?

00:41:02: Monika Sowohl als auch, würde ich mal sagen. Das ist derselbe Grund, warum ein Mozart in eine Loge geht. Das muss man machen, um Geschäftsfreunde zu finden, um Kontakte zu knüpfen, also Netzwerke zu haben.

00:41:14: Martin Da sind wir wieder beim Kölner Karneval, da sind die meisten auch nur Mitglied im Karnevalsverein, um dann die Geschäfte anschließen zu machen.

00:41:20: Monika Ja, das ist ein bisschen nicht voneinander zu trennen. Die wahre Geisteshaltung? Gibt es die überhaupt? Es ist immer gebunden an Interessen.

00:41:28: Marko Man fragt sich - also ich frag mich das im Anbetracht dieses Bildes. Also letztendlich könnte man mehrere Wimmelbilder von ihm ja hintereinander schalten. Das ist sozusagen das, was am Ende rauskommt. Da purzeln sie dann alle in die Hölle, die, die sich vorher so wunderbar amüsiert haben, so viel Spaß hatten mit den Satyrn und in Üppigkeit und Fülle gelebt haben.

00:41:47: Monika Andererseits ist es auch - es ist ein Bild. Ich sehe es ja jetzt umgekehrt, ich sehe es jetzt - ne, lass es mal, lass es mal so. Und dann sehe ich nicht einzelne Gestalten, dann sehe ich die Farbigkeit, dann sehe ich den Aufbau wie ein abstraktes Bild. Ja, das hat große Reize. Das ist bei ihm auch immer so, gerade dann, wenn keine einzelne Gestalt groß hervortritt. Dann siehst du den Reiz dieser Malerei. Das finde ich sehr überzeugend. Und letztlich: Es ist nicht die Hölle, es ist ein Bild.

00:42:19: Marko Es ist ein Bild der Hölle.

00:42:21: Monika Es ist ein Bild der Hölle. Es ist nicht die Hölle. Es ist ein Bild.

00:42:24: Marko Es ist so...Es ist nicht einmal ein Bild der Hölle, sondern es ist ein Bild des Eingangs zur Hölle. Weil diese Fleisches-Lawine, die kippt ja gerade erst in die Hölle hinein. Und die Hölle wartet unten am Bildrand. Da habe ich nur eine Ahnung von.

00:42:37: Monika Ja, aber es ist kein Dokumentarfilm. Es ist ein Bild.

00:42:40: Martin Na ja. Letztendlich ist es ein Propaganda Bild, denn es ist ja für offensichtlich einen Herrscher oder einen Kirchenfürst gemacht worden. Irgendjemand schlaues hat mal gesagt: Letztendlich ist die gesamte Kunst, die solche Gegenstände bedient, ein Propaganda-Programm der katholischen oder wahlweise evangelischen Kirche gewesen. Das sind Propaganda-Bilder.

00:43:00: Monika Ja und es ist ja für ihn auch jetzt nicht eine Gewissensfrage gewesen. Für ihn bestand der Reiz darin, dass diese Vorstellung, diese Idee in ein Bild, in Kunst zu verwandeln. Ob es jetzt dieses Sujet ist oder es ist das Kreuz-Abnahme-Sujet, oder es ist das Venus-Fest. Es ist immer ein Bild und eine Idee, die sich künstlerisch manifestiert. So. Das hat nichts mit Realität zu tun. Es ist kein Dokumentarfilm.

00:43:27: Martin Und ob das dann im Widerspruch zu anderen Bildern steht, ist ihm wahrscheinlich dann im Zweifel auch egal, oder?

00:43:33: Monika Ja klar. Was? Wieso Widerspruch?

00:43:35: Marko Na ja, er hat ja vielleicht eine Aussage in seinen Bildern. Wenn ich mir so ein Bild angucke wie diese Anbetung der Venus, dann würde ich ja sagen. Ja, da haben viele Menschen viel Spaß. Die Aussage des Bildes könnte sein: Genieße das Leben, solange es währt.

00:43:49: Monika Und genau. Der Tod ist dir sicher. Ob ihr in die Hölle kommt oder in den Himmel.

00:43:53: Marko Nutze den Tag, das alte Carpe diem. So - aber das kommt dabei heraus. So. Das ist so, es könnte fast ein Widerspruch sein. Es ist ja offenbar eine Art Strafe, in die Hölle zu kommen.

00:44:05: Monika Der Barock hat beides. Die Barockzeit hat beides.

00:44:09: Marko Aber wir wissen nicht, woran er wirklich geglaubt hat. Wenn der Auftraggeber gesagt hat, mal mir mal ein üppiges Dasein mit dicken Brüsten, dann macht er das. Wenn der Auftraggeber sagt, mal mir mal wie die ganzen Frauen mit ihren dicken Brüsten in die Hölle fahren, dann macht er das auch.

00:44:26: Monika So würde ich das nicht auffassen. Er sieht die Chance für eine, für eine Idee in einem Auftrag. Und der Auftraggeber sagt nicht: Mal mir die Frau mit den dicken Brüsten, sondern der sagt: Mal mir ein Venus-Fest. Und das ist das, was er daraus macht und was er daraus versteht. Ja, aber es ist auch keine Handlungsanweisung. Es ist ein Bild.

00:44:44: Marko Keine Idee dahinter im Sinne von: So sollst du leben.

00:44:47: Monika Keine Moral dahinter. Nein, keine Anweisung, würde ich sagen. Die barocke Idee ist eine, eine Idee, die sich in der Kunst am stärksten manifestiert, nicht im Sozialwesen.

00:45:01: Martin Ist vielleicht auch zu modern gedacht, oder. Dass da der Künstler seine eigene Intentionalität damit mit verbaut, jenseits dessen, dass er sich überlegt: Wie gestalte ich denn das am schönsten, also dass der Künstler sich da selber zum Ausdruck bringen wird? Ich glaube, das ist zu modern gedacht.

00:45:18: Marko Das weiß ich nicht, weil wenn. Also nehmen wir mal - ein Vorläufer von ihm wäre Dürer. Der hat ja etwas früher gelebt. Ich glaube schon, dass es in diesen Bildern von Dürer auch durchaus Aussagen gibt, auch in seinen Selbstporträts zum Beispiel. Nehmen wir dieses berühmte Dürer Porträt, wie er.

00:45:37: Monika Wie er sich als Christus stilisiert meinst du.

00:45:39: Marko Ja. Da, da, da guckt mir Jesus entgegen. Und das heißt nichts anderes wie: Hey, ich bin der Schöpfer, ich bin der Kunst-Mensch, ich bin ich und deswegen male ich mich so wie den Schöpfer. Das kann man bei ihm nicht sagen. Bei Rubens guck ich mir den Rubens an und denk mir so Ja, ich bin ein galanter Herr mit einem Hut, ich seh schmissig aus, auch noch mit 60, und mir geht es gut.

00:46:03: Monika Es bleibt in gewisser Weise bei einer Oberfläche.

00:46:07: Marko Ja.

00:46:08: Monika Ja, bei einer glanzvollen Oberfläche.

00:46:11: Marko Aber ist darunter irgendeine Aussage?

00:46:13: Monika Die nichts will als ...

00:46:15: Marko ... hübsch sein?

00:46:16: Monika Die nichts will als prachtvoll, schön sein und als Kunst ins Auge springen! Nicht als Belehrung, nicht als Moral, nicht als der große Hintergrund. Guckt euch dieses Schlachtenbild an, da will er auch nicht sagen: Also Schlacht ist irgendwie dermaßen geil, das muss man machen. Er macht es nur, weil es ein irre tolles Sujet ist. Da wieder die Leiber durcheinander zu wirbeln, sind auch noch Pferdeleiber jetzt dabei. Auf einer Brücke. Ganz heikel. Die Hälfte hängt schon drüber und einige treiben im Fluss. Also das hat mich gereizt. Er war ein großer Dramatiker.

00:46:54: Marko Ein Freund des Wimmelbilds.

00:46:55: Monika Ein großer Dramatiker und Kolorist.

00:47:00: Martin Ich seh schon, du und Peter Paul Rubens, ihr kommt nicht so richtig zusammen.

00:47:03: Marko Weiß ich nicht. Also, man muss sich mal vorstellen, würde man sich so ein Bild irgendwo hinhängen? Würdest du das ertragen, wenn das da an deiner Wand hinge?

00:47:11: Marko Natürlich nicht. Das muss es aber auch nicht. Gefragt und gefordert. Du willst ja wahrscheinlich auch nicht die apokalyptischen Reiter jeden Tag lesen müssen oder sehen müssen. Trotzdem sind sie halt existent. Ob man sich das jetzt immer vor Augen führt? Du würdest wahrscheinlich lieber die nackten Weiber ständig sehen...

00:47:28: Marko Ne, das wäre mir auch zu viel. Das würde mich irgendwie....

00:47:33: Monika Erschlagen.

00:47:33: Marko Ja, also - genau. Erschlagen! Erschlagen von der Fleisch-Lawine.

00:47:34: Monika Eine Frau in dem Museum, die mich durch diese Räume geführt hat, die sagte, wenn sie Gruppen führt. Es ist nie ohne Kommentar, wenn die da so gucken, die Frauen wie die Männer.

00:47:51: Marko Natürlich nicht.

00:47:53: Monika Es hat was Bedrängendes, wenn du dir vorstellst, du hast die riesengroß in einem großen Saal um dich herum. Ja, es ist schon atemberaubend.

00:48:05: Marko Kunst wäre, wenn man da nackt durchgehen müsste. Fleischlawine gegen Fleischlawine. Das wär was. Kunst als Orgie.

00:48:16: Monika Das wäre ein Happening. Das wäre was.

00:48:19: Marko Würdet ihr mitmachen?

00:48:21: Monika Nein.

00:48:23: Martin Wie kommen wir jetzt raus aus der Nummer.

00:48:25: Marko Gar nicht. Aber weiß man denn eigentlich, was aus seiner jungen Frau wurde, nachdem er tot war?

00:48:32: Monika Sie hat wieder geheiratet und weitere elf Kinder zur Welt gebracht.

00:48:35: Marko Wieder einen älteren Herrn?

00:48:37: Monika Ich glaube nicht. Nein. Was Gleichaltrige wohl.

00:48:40: Marko Glück gehabt.

00:48:41: Monika Glück gehabt. Glück gehabt.

00:48:43: Martin Wenn man jetzt Peter Paul Rubens einsortiert kunsthistorisch - wollen wir das mal noch machen? Wo muss man ihn hinsortieren? Also er ist Barock. Offensichtlich. Er steht für den Barock. Seine Figuren, seine Körper. Man kennt ihn vor allen Dingen eben für dieses Üppige und für die Darstellung von Nacktheit. Und eben genau das, worüber wir die ganze Zeit gesprochen haben. Aber eigentlich ist er ja mehr.

00:49:09: Monika Er steht für den Barock wie kein Zweiter. Das könnte man sagen. Und das Erstaunliche ist eben, dass er in dieser zerrissenen Zeit - das ist für mich das Allererstaunlichste - so ein insgesamt goldenes Leben geführt hat. Mit großem Erfolgen, mit Lebensgenuss, mit Einsicht in die Zusammenhänge. Trotzdem. Ja.

00:49:35: Marko Er war ein Glückskind. Auch wenn er in Siegen geboren ist, da war es am Anfang nicht einfach. Aber die ersten zwölf Jahre mal abgezogen. Ging es eigentlich nur bergauf? Kann man so sagen - oder?

00:49:45: Monika Und die Innerlichkeit, die hat eben der, der andere Große aus der Gegend, die hat Rembrandt, diese Innerlichkeit.

00:49:53: Martin Dass dann so eine halbe Generation später.

00:49:54: Monika Ja. Also das überschneidet sich so ein kleines Stück weit.

00:49:59: Marko Aber beide, sowohl Rembrandt wie Rubens in dieser ja wirklich schrecklichen Zeit des 30-jährigen Krieges, die Bevölkerung wurde ja in ganzen Landstrichen ja komplett ausradiert.

00:50:11: Monika Europa lag am Boden.

00:50:13: Marko Hungersnöte.

00:50:13: Monika Dass es sich jemals davon wieder hat erholen können, ist ein Wunder geradezu. Es war ein vollkommenes Desaster.

00:50:20: Martin Und jetzt sagen wir die ganze Zeit: Auf der einen Seite 30-jährige Krieg, Hungersnöte, furchtbare Verheerungen. Und auf der anderen Seite diese überbordende Kunst. Ist das trotzdem oder deswegen.

00:50:33: Monika Trotzdem, deswegen, eine Gegenwelt, etwas, wo man eine Idee verwirklichen konnte, die davon Abstand hatte.

00:50:42: Marko In der Literatur geht es zu dieser Zeit ganz anders zu. Da ist eher so dieses Memento mori.

00:50:49: Monika Andreas Gryphius Ja, der schnelle Tag ist hin, die Nacht nimmt ihre Fahnen und führt die Sternen auf.

00:50:55: Marko Ja, da geht es immer dem Untergang entgegen. Und es ist immer dieses na ja, also da, wo jetzt die Blume blüht, da ist morgen der Abgrund, nicht wahr. Und in der Malerei ganz anders.

00:51:08: Martin Trotz - ein bisschen, also trotzdem - Trotz. Es ist ein bisschen trotzig auch diese Art der Malerei.

00:51:15: Monika Vielleicht. Dieses prachtvolle, dieses Pracht nach außen Kehrende. Dieser Glanz. Ja, bei ihm. Bei dem Zeitgenossen, nicht bei dem Fast-Zeitgenossen: Rembrandt. Der andere, ganz Große aus der Epoche. Aber immer der Totenkopf sozusagen hinter der toll ondolierten Frisur. Das ist auch barock, diese Gegenüberstellung. Du guckst in den Spiegel und siehst dein Skelett, so ein bisschen. Dieses Eitle einerseits, dieses Eitle, Herausgeputzte und auf der anderen Seite dieses: Der Tod wird dich erlangen.

00:51:49: Marko Ja, aber es hat in seinen Bildern ist das sonst nicht so, außer bei diesem Höllensturz.

00:51:56: Monika Naja.

00:51:57: Martin Auch beim Höllensturz nicht. Das ist ja trotzdem voller Leben.

00:52:00: Marko Ja, aber. Aber wenn ich auf diese Figuren dieses Höllensturz gucke. Dann sieht das aus wie Abfall. Man könnte genauso gut sagen, wenn man in der Müllkippe geht und sieht das schon mal, was weiß ich, wenn da so ein Laster Abfall abgibt, dann sieht das genauso aus.

00:52:15: Monika Ja, stürzende Leiber verhalten sich so.

00:52:15: Marko Ja, ja, ja so, aber so sieht es aus. Sie haben auch keine persönliche Kontur mehr. Sie sind einfach Masse.

00:52:25: Monika Ja, aber dieses Memento mori ist ja da auch präsent.

00:52:27: Marko Aber das ist ja das einzige Bild, was in diese Richtung so geht.

00:52:30: Monika Ja, aber die Kreuzes-Abnahme, die vielen Bilder, die sich mit der Passion Christi beschäftigen, haben das ja auch.

00:52:37: Martin Der lebensbejahende Peter Paul Rubens in seiner Art, in seinem Leben, aber auch in seinem Schaffen vor dem Hintergrund des 30-jährigen Krieges.

00:52:47: Monika Lebensbejahend finde ich sehr schön. Ja, ich glaube, das trifft's. Lebensbejahend trotz alledem, aber eben auch mit vielen Privilegien, mit viel Wind unter den Flügeln und mit berauschenden Erfolgen.

00:53:01: Martin Monika Buschheuer. Vielen Dank, dass du uns von Peter Paul Rubens erzählt hast.

00:53:05: Martin Es war ein Vergnügen. Es ist es noch.

00:53:08: Marko Wenn es euch da draußen gefallen hat, dann sagt es euren Freunden, euren Verwandten, Bekannten.

00:53:15: Martin Kunstsinnigen und allen, die ihr kennt und mögt.

00:53:19: Marko Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es uns.

00:53:23: Martin Und bitte nur uns. Unter www.diegeschichtsmacher.de - da findet ihr alle Informationen zu dieser Podcastfolge und zu allen weiteren. Und wir hören uns wieder in 14 Tagen zur nächsten Folge von: Die Geschichtsmacher. Tschüss, sagen Martin Herzog.

00:53:40: Marko Und Marko Rösseler

00:53:42: Monika Und Monika Buschey.

00:53:43: Martin Dankeschön. Tschüss.

00:53:45: Marko Tschüss.

00:53:45: Monika Tschüss.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.