James Hutton - Urvater der Geologie

Shownotes

Kaum jemand kennt James Hutton - dabei gilt er als Begründer einer ganzen Wissenschaft - der Geologie. War er es doch, der die biblische Schöpfungsgeschichte infrage stellte. In diesem Geschichts-Podcast von Marko Rösseler und Martin Herzog erzählt Zeitzeichen-Kollegin Andrea Kath vom Entdecker des Kreislaufs der Gesteine.

Andrea Kath hat das Zeitzeichen zum Todestag des schottischen Forschers gemacht und sich dafür auch mit zwei Männern getroffen, die je eine Biographie über den Forscher James Hutton geschrieben haben: Ray Perman und Alan McKirdy.

Uns aber zeigt Andrea nicht nur ihre Gesteins-Sammlung, sondern nimmt uns mit auf eine Reise auf den Spuren des Mannes, der als einer der ersten in der Lage war, in Gesteinsformationen wie in einem Buch zu lesen und sie zu interpretieren.

Wenn Dir diese Folge gefallen hat, sag's Familie, Freunden, Bekannten, Kieselsteinsammlern und all jenen, die es werden wollen. Wenn nicht, dann sagt es uns - aber nur uns. Unter: www.diegeschichtsmacher.de

Links zum Thema:

WDR-ZeitZeichen zum Todestag von James Hutton

Rezension in The Scotsman zu Ray Permans Biografie "James Hutton - The Genius of Time"

Artikel des National Museum Scotland zur Biografie von Alan McKirdy "James Hutton - The Founder of Modern Geology"

Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher: James Hutton - Urvater der Geologie

00:00:02: Andrea So, das habe ich euch mitgebracht heute.

00:00:05: Martin Was ist dort?

00:00:06: Andrea Es sind Steine. Jede Menge Steine. Also hier jetzt zum Beispiel so ein vulkanisches Gestein. Jetzt bröselt das hier auch schon alles ab. Das ist der Calcit, der sich jetzt gerade hier in die Einzelteile zerlegt. Schade eigentlich. Und hier unsere....

00:00:24: Marko Wenn unsere geschätzte Kollegin Andrea Kath Herrenbesuch bekommt. Dann zeigt sie ihm ihre Gesteinssammlung.

00:00:30: Martin Herzlich willkommen zu...

00:00:32: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:48: Andrea So, und jetzt das Spannendste an meiner Gesteinssammlung, also für unseren heutigen Podcast ist dieser dicke dicke Stein. Wollt ihr den mal...

00:00:57: Martin Das ist aber ein ordentlicher Kiesel? Was haben wir denn da?

00:00:59: Andrea Es ist kein Kiesel.

00:01:00: Marko Kein Kiesel.

00:01:01: Andrea Nein, es ist...

00:01:03: Marko ...ein runder, grauer.

00:01:05: Martin Ziemlich schwerer - ja: Was ist es?

00:01:07: Andrea Es ist tatsächlich ein Granit aus Schottland.

00:01:10: Martin Ein Granit aus Schottland und ziemlich schwer.

00:01:12: Andrea Also, wo ich den mitgebracht hab - ehrlich gesagt - ich weiß es nicht mehr. Ob es an der Westküste oder an der Ostküste war. Aber wie ihr seht, das ist ganz gerundet. Also, das ist auf jeden Fall... entweder an der Küste hat das lange gelegen und ist dann so abgerundet. Und das ist eben so ein ganz, ganz typischer Granit aus Schottland.

00:01:30: Marko Warum versammeln wir uns heute rund um einen Granitblock aus Schottland?

00:01:36: Andrea Genau, weil darum geht es heute: Um James Hutton und seine Liebe zu den Steinen. Oder man muss eigentlich sagen: Seine Liebe zur Geologie.

00:01:44: Marko James Hutton - den kennt wahrscheinlich erst mal niemand. Also, ich kenne nicht. Kennst du ihn? 

00:01:55: Martin Ne, nie gehört.

00:01:56: Marko James Hutton ist aber - so viel kann man ja mal schlussfolgern - er ist Schotte?

00:01:56: Andrea Genau, er ist Schotte. Und er ist zu Unrecht unbekannt. Also eigentlich sollte man ihn kennen, denn er ist der Begründer der modernen Geologie oder einer der Väter der modernen Geologie, muss man sagen. Und wir sprechen hier über das 18. Jahrhundert, also das Zeitalter der Aufklärung. James Hutton, geboren 1726 in Edinburgh und 1797 gestorben, also über diese Zeit. Und er hat ganz viele ganz interessante Dinge getan, erforscht im Laufe seines Lebens.

00:02:28: Martin Und zunächst einmal Steine gesammelt?

00:02:28: Andrea Nein, die Steine hat er nämlich nicht am Anfang gesammelt, und da ist er dann später berühmt geworden, sondern er hat sich erst mal mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Also das ist so ein typischer Vertreter der sogenannten schottischen Aufklärung da, vielleicht klingelt das bei dem einen oder anderen, und wenn nicht, dann sage ich mal ein paar Namen: Adam Smiths.

00:02:49: Martin Die die unsichtbare Hand - der Adam Smith?

00:02:52: Andrea Der mit dem Wohlstand der Nationen. Oder James Watt.

00:02:57: Marko Der mit der Dampfmaschine.

00:02:58: Andrea Richtig. Oder David Hume.

00:03:01: Martin Der mit.

00:03:03: Marko Dem Humus. Nein, ich weiß. Nein, so ein Philosoph.

00:03:13: Martin David Hume, Vorgänger von Kant, Philosoph, Aufklärung.

00:03:15: Andrea Genau. Und auch Joseph Black war oder ist ein berühmter Chemiker. Und in diesen Kreisen hat sich James Hutton bewegt und viele seiner Zeitgenossen, die auch bei der schottischen Aufklärung mit dabei waren, die kennt man heute. Aber James Hutton ist es eben leider etwas unbekannt geblieben.

00:03:33: Martin Das werden wir jetzt ändern.

00:03:34: Marko Wer die Geschichtsmacher kennt: Wir reden alle zwei Wochen mit Kolleginnen und Kollegen, die ein Zeitzeichen das ist eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks, gemacht haben. Du hast dem entsprechend ein Zeitzeichen über James Hutton, den keiner kennt, gemacht?

00:03:48: Andrea Genau.

00:03:49: Andrea Warum man sich für so etwas gemeldet?

00:03:51: Andrea Weil ich eine große Liebe zur Geologie habe. Oder zur Erdgeschichte.

00:03:55: Marko Wegen der Herrenbesuche?

00:03:56: Andrea Nicht wegen der Herrenbesuche. Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht daran erinnern, dass mich jemand besucht hätte und ich hätte ihm sofort meine Steine-Sammlung gezeigt. Ist vielleicht ein bisschen ungeschickt, aber. Also ich hab mich dafür interessiert, weil ich nicht nur Journalistin bin und das auch studiert habe, sondern ich habe auch ein anderes Leben gehabt. Und ich habe Geografie und Geologie studiert. Und diese Liebe zur Geografie und auch gerade zur Gesteinskunde oder zur Geologie insgesamt, die ist geblieben. Und als es dann darum ging: Wer hat Lust, dieses Thema zu bearbeiten? Habe ich sofort aufgezeigt, aber es hat sich kein anderer gemeldet.

00:04:34: Marko Das heißt, du warst in deiner Jugend schon jemand, der überall, wo er mal war, ein Steinchen mitgebracht hat?

00:04:38: Andrea Ja, das stimmt. Dass die Steine dann so groß und schwer sind, das ist eher selten, meistens eher so kleinere Steine sind.

00:04:46: Marko Das ist schon ein ziemlicher Trümmer.

00:04:47: Andrea Das ist für mich - ja.

00:04:48: Marko Was ich hier gerade in der Hand halte: Rund gewaschen von der Flut, relativ schwer. 1988 hast du dort aufgeschrieben, da warst du offenbar in Schottland.

00:04:59: Andrea Richtig, da war ich in Schottland, aber da hatte ich - ich war auch in Edinburgh - aber von James Hutton hatte ich bis dahin auch nix gehört. Und das war jetzt im Nachhinein so spannend, weil ich gedacht habe, weil wir reden jetzt ja auch über Corona-Pandemie, da war es jetzt mir nicht möglich, wäre wahnsinnig gerne nach Schottland gefahren, dahin zu fahren. Und dann habe ich mich halt erinnert an die Orte, an denen ich gewesen bin, und habe gedacht: Boah, hätte ich das damals schon gewusst...

00:05:23: Marko So ein Stein von James Hutton.

00:05:26: Andrea Das jetzt nicht, aber es ist halt so, um auf diese Gesteins-Sammlung zurück zu kommen, er ist durch Schottland, durch Großbritannien, durch England auch gereist und hat alle möglichen Steine gesammelt. Und das Tragische an der Geschichte ist, weil man eben damals nicht kapiert hat, also im 18 Jahrhundert, was für ein genialer Typ das war, hat man dann als er starb oder nach seinem Tod die ganze Gesteins-Sammlung weggeworfen.

00:05:50: Marko Du hast uns ja gesagt: Du willst mit uns über James hatten und die Entdeckung der Zeit reden. Wenn ich jetzt diesen Stein-Klotz hier vor mir habe, diesen runden Stein 1988 hast du draufgeschrieben, aber der ist älter...

00:06:02: Andrea Der ist deutlich älter.

00:06:07: Martin Also von wann ist der.

00:06:07: Andrea Von wann kann ich natürlich nicht so genau sagen, aber ich würde mal schätzen: Schottland. Sehr altes Gebirge. Dieser Granit wird vielleicht 400 Millionen Jahre alt sein. Vielleicht sogar 500 Millionen.

00:06:18: Marko So, und dann ist die Frage Woher wissen wir das?

00:06:21: Andrea Also das wissen wir heute, weil sich die Geologie halt sehr viel weiterentwickelt hat. Und wir wissen, wir können ganz gut rekonstruieren, wie die Erde entstanden ist. Und dann kann man ableiten, also aus welcher Zeit ist das? Man kann das bestimmen. Und in diesem Fall weiß man halt, Schottland ist ein sehr, sehr altes Land, sag ich jetzt mal ganz flapsig, und deswegen können wir das so in diese Zeit zurückdatieren.

00:06:49: Marko Schottland ist ein altes Land...

00:06:51: Martin Und James hatten wusste davon noch nichts?

00:06:54: Andrea Nee, also das, worüber wir jetzt sprechen, das ist die quasi aktuelle Forschung, der Forschungsstand. Und zu Zeiten von James hatten, der im 18 Jahrhundert gelebt hat, wusste man das natürlich noch nicht. Also der wusste nicht...Also wenn er so was an der schottischen Küste so einen gerundeten Granit gefunden hat, dann wusste er nicht, wie alt der genau war.

00:07:17: Marko Was hat er denn geglaubt?

00:07:20: Andrea Also Hutton hat gedacht, dass das, was in der Bibel steht: Also das ist jetzt in sechs Tagen entstanden sein soll.

00:07:27: Marko Die ganze Erde...

00:07:27: Andrea Die ganze Erde - das ist natürlich Quatsch. Aber in dem Zusammenhang ganz interessant. Also das war damals halt im 17. und dann auch im 18. Jahrhundert gab es eben einige Priester, gerade auch in in Großbritannien, zum Beispiel jemanden, der John Lightfoot hieß. Und der hat ganz klar gesagt: Die Erde ist am 26. Oktober 3926 vor Christus entstanden. Okay, aber er war nicht der einzige, der das behauptet hat, sondern es gab da noch einen anderen, zum Beispiel im 17. Jahrhundert dann auch einen Erzbischof namens Ussher, der lebte in Irland, und der hat dann behauptet: Nach intensivem Bibelstudium hätte er jetzt herausgefunden, dass die Erde am 22. Oktober 4004 vor Christus entstanden sei.

00:08:18: Marko Was nicht stimmt, weil, wie wir alle wissen, es war der 23. Oktober.

00:08:21: Andrea Richtig?

00:08:22: Martin Nein, das war der 22. Oktober, nämlich morgens um 9:30. Weil der liebe Gott gerne früh aufgestanden ist und sein Werk vormittags vollbracht hat, so war es nämlich genau. Also das heißt 4004 vor Christus plus die Zeit nach Christus, das heißt, da kommen wir rund auf 6000 Jahre oder so...

00:08:40: Andrea Genau so alt, das waren damals die vorherrschenden Meinungen und das hat natürlich auch sich keiner gewagt, gegen die Kirche zu stellen, in dem Fall zu sagen: Nee, nee, das kann alles gar nicht sein. Also Ihr mit eurer Bibelgeschichte, das ist alles viel, viel, viel älter.

00:08:57: Andrea Und jetzt sitzt uns gegenüber Andrea Kath und behauptet steif und fest: Dieser Stein hier wäre mindestens eine halbe Milliarde Jahre alt. Und das verdanken - diese Entdeckung verdanken wir einem gewissen James Hutton.

00:09:09: Andrea Genau. Also, wir müssen zurückgehen ins 18. Jahrhundert. Und das war die Zeit der Aufklärung. James Hutton war ein Vertreter der schottischen Aufklärung. Hat ja über alles Mögliche nachgedacht im Laufe seines Lebens. Also der hat in Paris studiert, der hat in Leiden studiert, also der ist jetzt nicht nur in Schottland geblieben und wollte erst Mediziner werden, dann Chemie, Mathematik und ist dann später irgendwie zur Landwirtschaft gekommen und zur Geologie. Also das war noch einer der, man kann sagen einer der Universalgelehrten.

00:09:43: Martin Aber wie ist dann seine Faszination, sein Interesse für Steine zustande gekommen? Wie kommt er zu Steinen?

00:09:51: Andrea Ja, warum interessiert man sich für - keine Ahnung - für Blumen? Also also er hat einfach gesehen. Also der ist..Er hat später auf dem Land gelebt und es ist - Ich weiß nicht, wer von euch schon mal in Schottland war - das ist natürlich auch faszinierend. Eine faszinierende Landschaft. Man sieht so viele verschiedene Dinge und dann hat er halt seine Liebe für die Geologie, die es als Wissenschaft damals so ja noch gar nicht gab, entdeckt. Er ist dann später tatsächlich kreuz und quer durch Schottland und auch England. Er hat auch lange Zeit in England gelebt, gereist und er hat dann irgendwann mal aufgeschrieben und das, ich zitiere jetzt: Mit ängstlicher Neugier, schaue ich in jede Grube, jeden Graben und jedes Flussbett, das auf meinem Weg liegt.

00:10:37: Martin Also, das heißt, der ist rumgereist und hat aus dem Fenster seiner Kutsche geguckt und ist ausgestiegen und ist buddeln gegangen.

00:10:44: Andrea Na ja, er ist nicht mal mit der Kutsche, sondern er ist entweder zu Fuß gelaufen oder auf dem Pferd, war mit oft auch mit dem Pferd unterwegs. Und dann kann man sich ja vielleicht vorstellen, dann hat er so zwei - vermutlich, ich behaupte das jetzt mal - Packtaschen gehabt und hat dann die ganzen Steine reingepackt.

00:11:00: Marko Armes Pferd. So, jetzt ist aber die Frage: Der Mann muss ja viel Zeit gehabt haben, wo kommt er her? Was für ein Elternhaus? Ich meine, wenn man so durch die Gegend reist, muss man ja erst mal Zeit und Geld haben.

00:11:12: Andrea Ja, also der kommt aus einem Elternhaus man würde vielleicht sagen gehobener Mittelstand damals in Schottland, die hatten schon auch Geld. Und er hat dann, kann man sich vorstellen wenn jemand in Paris und in Leyden studieren kann, dann kommt er aus keinem armen Elternhaus und er sollte ja Arzt werden. Und das hat aber dann später nicht geklappt. Also da hatte er keine Lust zu. Und dann hat er zum Beispiel eine Firma gegründet in Edinburgh und die haben dann - also damals war Edinburgh eine wahnsinnig dreckige Stadt im 18 Jahrhundert, Aufkommen der Industrialisierung - und dann hat er eine Salmiak-Fabrik gegründet.

00:11:50: Marko Bonbons?

00:11:50: Andrea Ne - meint man, ja. Salmiak aus dem Ruß der ganzen Schornsteine. Und das braucht man damals in der Textilindustrie zum Färben und damit haben sie gute Gewinne gemacht.

00:12:03: Marko Also ich kenne das nur als Bonbon zum lutschen - Salmiak-Pastillen.

00:12:06: Andrea Das ist was anderes.

00:12:07: Marko Ist was anderes.

00:12:08: Andrea Ist was anderes. Und dann hat er eben auch Bauernhöfe geerbt von seinen Eltern. Und er hat ja dann nachher so viel Geld, dass er letztlich nicht mehr darauf angewiesen war, in der Form als Unternehmer zu arbeiten, sondern hat sich dann auf seine Farm zurückgezogen und hat dann in Landwirtschaft und Naturbeobachtung.

00:12:28: Marko Also hatte viel Geld und dann irgendwann sogar viel Zeit. Und dann ist er durch die Gegend gereist, hat Steine eingepackt.

00:12:33: Andrea Genau.

00:12:34: Marko Wie kommt er jetzt plötzlich auf die Idee, dass das mit dem Datum und der Gottes Schöpfung und den 6000 Jahren oder fünfeinhalb oder wie viele es auch immer waren, dass das nicht stimmen kann?

00:12:45: Andrea Also es ist halt so eine, so eine Entwicklung, der hat 30 Jahre lang tatsächlich die Natur beobachtet. Beispielsweise - ich bin ja studierte Bodenkundlerin und das wusste ich auch nicht: Also auf seinen Farmen hat er dann zum Beispiel so Erosionsprozess beobachtet. Das klingt jetzt erstmal lapidar, weil das kennen wir heute, das ist für uns heute nichts Besonderes mehr. Aber er hat halt beobachtet, wie Erde abgetragen wird und sich an einer anderen Stelle wieder angesammelt hat.

00:13:12: Marko Durch Regen oder so.

00:13:13: Andrea Durch Regen...

00:13:14: Marko Oder durch Wind.

00:13:15: Andrea Ja, also genau. Aber eigentlich waren das Erosionsprozesse durch Regen. Und hat dann halt überlegt. Aha, wenn das hier so ne Art Dynamik ist. Also hier ist was, hier liegt was an der Stelle A oben, und das wird irgendwann zu einer Stelle B nach unten transportiert. Das ist ja vielleicht im Großen auch auch so, also die gesamte Dynamik der Erde, so wie wir sie heute kennen. Wie ist das entstanden? Und da hat er eben auf der Basis angefangen, mal darüber nachzudenken, wie sind denn die Berge entstanden, wie sind die Täler entstanden, wie sind die Küstenlinien entstanden?

00:13:55: Marko Und hat er Antworten gehabt?

00:13:57: Andrea Ja, hatte er zum Teil genau. Er wusste nicht natürlich, was wir heute wissen, wie genau das Alter war, aber er hatte die Vermutung, wissen konnte er es nicht. Aber er hatte die Vermutung, dass es auf jeden Fall deutlich älter ist als das, was die Kirche verkündet hat. Und hat eben verschiedene Beobachtungen gemacht. Man müsste eigentlich mal überlegen Wie waren die Vorstellungen der damaligen Zeit? Wie hat man überhaupt sich vorgestellt, wie die Erde entstanden ist? Das ist ja, was wir heute kennen, das hat ja mit dem, was man im 18 Jahrhundert wusste und glaubte, vielleicht in Anführungszeichen gar nichts zu tun.

00:14:34: Marko Aber da haben wir eben drüber gesprochen. Steht doch alles in der Bibel, sechs Tage und am siebten Tag, da wird halt geruht und am Anfang schuf Gott.

00:14:43: Martin Himmel und Erde.

00:14:44: Marko So war es doch. Ja.

00:14:45: Andrea Genau. Und dann sagte James Hatten. Das kann nicht sein.

00:14:49: Marko Also völlig vermessen.

00:14:52: Andrea Ja, es war ja auch ein bisschen schwierig. Er war jetzt auch bei seinen Zeitgenossen. Es war nicht gerade so, dass sie alle gesagt haben: Ne super Theorie.

00:15:00: Marko Aber welche Theorie hat er denn, wenn es nicht der liebe Gott war?

00:15:03: Andrea Eben dass die Erde, das hat er eben im Laufe von 30 Jahren entwickelt, zum Beispiel, dass es eine Hitze gibt im Erdinneren, die sozusagen der Motor ist für die gesamten Prozesse, die man beobachten kann.

00:15:17: Martin Also Vulkanismus zum Beispiel.

00:15:19: Martin Zum Beispiel genau. Dass das also etwas ist, es muss irgendetwas im Erdinneren geben, was das Ganze antreibt. Heute wissen wir das. Wir wissen: Es gab die Theorie mit Alfred Wegener, der gekommen ist Anfang des 20. Jahrhundert mit der Drift oder der Kontinentalverschiebung.

00:15:35: Marko Plattentektonik...

00:15:36: Andrea Genau. Wir wissen heute über die Dynamik im Erdinneren, aber das wusste er natürlich damals nicht.

00:15:42: Marko Und nun sitzt er in Schottland. Und wenn ich mir heute Schottland angucke, dann ist Schottland kein Land, das irgendwie voller Vulkane ist oder so etwas. Wie kommt der denn da drauf?

00:15:53: Andrea Weil er sich einfach gefragt hat: Wie kann das alles entstanden sein? Also was ist das, was das antreibt? Und auch wenn er keine Vulkane kannte, er kannte eben diese ganzen unterschiedlichen Gesteine. Natürlich gibt es eine Art von Vulkanismus in Schottland, also beispielsweise hast du ja Basalt oder Granit - ist auch ein vulkanisches Gestein, aber eben anders entstanden. Es ist jetzt nicht aus einem Vulkan herausgeschleudert worden, aber es ist eben im Erdinneren erstarrt. Und natürlich gibt es.

00:16:21: Martin Also ich glaube, der Kern der ganzen Geschichte ist doch diese Vorstellung, wenn wir davon sprechen, Vorstellung der Bibel sechs Tage ist das Ganze entstanden und dann war es fertig. Oder die Erde ist 6000 Jahre alt und wurde einmal geschaffen und ist fertig, so wie sie ist, so wie wir sie vorfinden. Und wenn ich dich richtig verstanden habe, bringt Hutton so eine Idee von: Ja, das ist nicht so fertig, das ist jetzt nicht fertig und das war nicht fertig, sondern da tut sich was, da entwickelt sich was, diese Erosions-Geschichte. Also es verändert sich. Ist es in Bewegung? Ist das der Kerngedanke?

00:16:55: Andrea Genau. Also Hutton war der erste, deswegen sagt man ganz oft, er war derjenige, der die Zeit erfand. Das ist immer schöner Marketing-Gag, ist Quatsch. Er hat nicht die Zeit erfunden, aber ihm war klar, es gibt keinen Anfang und kein Ende. Also das ist einer seiner berühmtesten Aussprüche, die weitergetragen wurden. Also wir finden keinen Anfang und wir finden kein Ende. Das bedeutet, dass ein immerwährender Prozess ist, und das war revolutionär. Also das war nicht fertig nach sechs Tagen, sondern das, was wir heute sehen oder was Hutton damals gesehen hat, da hatte er schon die Vorstellung, na, das wird in absehbarer oder auch nicht absehbarer Zeit auf jeden Fall sich verändern, das wird nicht so bleiben.

00:17:36: Marko Und da kommt er drauf, weil er seine eigenen Ländereien beobachtet und sieht: Okay, die verändern sich schon in diesem relativ kurzen Zeitraum, wo ich da drauf gucke.

00:17:46: Andrea Genau.

00:17:46: Martin Und in großem Maßstab ändert sich das noch mal ganz ganders.

00:17:49: Andrea Genau. Da hat er groß gedacht und es gab damals auch so eine Theorie, ohne dass es jetzt hier zu speziell wird. Aber man hat immer gedacht, Granit zum Beispiel sei das älteste Gestein.

00:18:00: Andrea Das ist das. Was war.

00:18:01: Andrea Das? Genau das. Der dicke Stein hier. Das ist sogar noch etwas, was ich in der Uni in der Vorlesung noch gehört habe: das so genannte Urgestein, das ist, das.

00:18:10: Martin Granit ist das Urgestein. Ja, das, was man so sprichwörtlich heute immer gerne zitiert.

00:18:15: Martin Richtig, das ist das Urgestein.

00:18:17: Marko Das ist nicht in Granit gemeißelt.

00:18:19: Andrea Richtig? Genau.

00:18:21: Marko Aber ne, es heißt in Stein gemeißelt.

00:18:25: Andrea Aber es ist Quatsch. Du kannst es auch in Granit meißeln, aber das ist Quatsch. Also dieses Urgestein - weil Hutton. Ich habe euch da was mitgebracht. Also das ist immer ganz schwierig. Jetzt müsst ihr das mal beschreiben und jetzt schaut mal, was ist das.

00:18:38: Martin Moment, das, was wir da hier oben links sehen. Das sieht aus um. Ja, wie? Wie mag man das beschreiben? Das ist eine Struktur. Grünlich, türkis, schillernd.

00:18:51: Marko Es sieht aus wie, wie, wie zwei verschiedene Strukturen. Einmal so eine grünliche mit so weißen Äderchen drin. Und dann haben wir hier so dieses Graue, was ja wesentlich kleinkörniger ist. Ich nehme mal an, es handelt sich um die Oberfläche von einem Gestein.

00:19:05: Andrea Richtig? Was ihr da jetzt seht, ist - wir hatten ja gerade, es gab damals die Vorstellung, Granit ist das Urgestein, also das älteste Gestein der Erdoberfläche. Und das war so eine Säule, die er eingetreten hat, muss man sagen, weil er festgestellt hat, das kann nicht sein. Und was ihr hier seht, das ist ein Sandstein. Und da sieht man so Adern, die sich da durchziehen. Und es handelt sich in diesem Fall um einen Sandstein, der schon da war, und Granit, der in diesen Sandstein eingedrungen ist.

00:19:37: Martin Also diese Adern, das ist Granit.

00:19:38: Andrea Das ist Granit genau. Das müsste mir jetzt glaube.

00:19:42: Martin Das war flüssig und ist da rein...

00:19:43: Andrea Genau das ist - es gab einen vulkanischen Prozess. Der Sandstein war schon da. Und dann kam von unten, aus dem Erdinneren, kam eben diese Lava, die dann in diesem Sandstein erstarrt ist, als Granit. Also Granit ist eben ein Intrusions-Gestein, was nicht an die Oberfläche kommt. Und da hat er schon gesagt, also diese Theorie mit dem Urgestein, das ist alles Unsinn, es kann nicht sein.

00:20:05: Marko Der Sandstein war zuerst da und richtet das Granit hinein da und ist dann im Sandstein entstanden.

00:20:11: Andrea Genau. Korrekt. Er hat eben nach und nach immer mehr von diesen Glaubenssätzen, die es damals gab, zumindest in Frage gestellt, ohne es vielleicht im Einzelnen belegen zu können. Und dieses Jahr sind ja zwei James Hutton-Biografien erschienen, einmal eine von Alan McKirdy und eine von Ray Perman. Und Ray Perman - mit dem habe ich gesprochen, und vielleicht hören wir da mal ganz kurz rein, was er erzählt hat...

00:20:42: O-Ton Ray Perman

00:21:10: Andrea Also, ich übersetze das mal ganz kurz. Ray Perman hat eben erzählt, das Hutton seiner Zeit weit voraus gewesen ist. Und dass man aber seine Theorie damals abgelehnt hat, hat da ziemlich viel Gegenwind bekommen. Und Perman sagt auch, dass Hutton damals noch einer der Universalgelehrten gewesen ist, also ähnlich wie Alexander von Humboldt. Also ich habe immer gesagt, also was Alexander von Humboldt für Lateinamerika war, war James Hutton vielleicht für Schottland und für England. Also so kann man sich das wirklich vorstellen. Und er hat sich eben nicht auf ein bestimmtes Fachgebiet nur beschränkt. Es hatte ich, hatten wir schon mal ganz kurz, hat eben in vielen, vielen Gebieten gearbeitet und es gab eben damals so eine Vorstellung von Hutton, also das sei eben so ein talentierter Amateur gewesen. Was aber totaler Unsinn ist. Und Perman sagt dann, es wäre ungefähr so, wie wenn man sagte, Newton hätte die Schwerkraft entdeckt, nur weil ihm der Apfel auf den Kopf gefallen ist. Was genauso Blödsinn ist.

00:22:13: Martin War denn Hutton eigentlich allein auf weiter Flur? War das der einzige, der das so propagiert hat? Oder gab es damals so eine allgemeine Vorstellung? Die Erde muss deutlich älter gewesen sein?

00:22:22: Andrea Ja, das waren schon die Zeichen der Zeit. Also es gab auch in der französischen Aufklärung gab es einige Wissenschaftler, die auch diese Vorstellung hatten, das war im Aufbruch. Also man hat schon angefangen, sich darüber Gedanken zu machen, wie ist denn die Erde eigentlich entstanden? Es gab natürlich auch Vorstellungen. Also es gibt da eben zum Beispiel Werner, das war ein berühmter Geologie Professor im sächsischen Freiberg, der eben auch bestimmte Vorstellungen hatte. Nur passte das mit den Vorstellungen oder Theorien, die Hutton entwickelt hatte nicht mehr überein. Also weil er tatsächlich, das hatte ich ja schon mal, gedacht hat, im Erdinneren ist ein Motor, der alles antreibt und, und das war absolut auch entgegen der gängigen Lehrmeinung damals in der Geologie. Also wenn wir das als Geologie bezeichnen, es hat immer Leute gegeben, die sich Gedanken darüber gemacht haben, also wie, wie ist das alles entstanden? Aber da war halt Hutton jemand, der ganz neue Ideen gebracht hat. Also wirklich revolutionär.

00:23:24: Martin Wie ist er zu diesen Ideen gekommen?

00:23:27: Andrea Durch Beobachten. Also, er war eigentlich einer der, man würde heute sagen, modernen Wissenschaftler. Also er hat wirklich akribisch Dinge beobachtet. Er ist natürlich rausgefahren, also was man Exkursionen nennen würde. Und ein ganz, ganz wichtiger Punkt ist an der schottischen Küste, da, wo er dann auch Belege für seine Theorien gefunden hat. Und das ist Siccar Point.

00:23:56: Martin Siccar Point.

00:23:56: Andrea Schon mal davon gehört?

00:23:57: Martin Nein, nie gehört.

00:23:58: Marko Never ever.

00:23:59: Andrea Genau. Und dann hören wir doch mal, was Alan McKirdy und Ray Perman dazu erzählen.

00:24:04: O-Ton (McKirdy)

00:24:07: Übersetzung Kirdy Ein wundervoller Ort. Ein bisschen schwierig, dorthin zu kommen, denn er befindet sich am Boden einer Klippe und es ist auch gefährlich, dorthin zu fahren. Aber es lohnt sich. Dort fand James Hutton Gesteine, die horizontal lagerten, und andere Gesteinsformationen, die darunter fast im rechten Winkel standen. Wie konnte das sein? Das war etwas, was er dann als Diskordanz beschrieb.

00:24:35: Andrea Genau Diskordanz, das ist natürlich wieder ein super technisches Wort, aber so heißt es tatsächlich. Bis heute hat sich dieser Begriff ist das in der Geologie üblich. Also das heißt etwas, was ich sage mal schräg und horizontal, was auf jeden Fall nicht in eine Richtung weist. Ray Perlman hat dann noch mal erzählt, wie wir uns das vorstellen, also wie die eigentlich dann damals losgezogen sind auf ihrer Exkursion.

00:25:04: O-Ton Perlman

00:25:11: Martin Er wollte das zwei Freunden zeigen und dann sind sie mit dem Boot entlang der Küsten zu diesem Cliff bei Siccar Point gefahren, wo das Meer Vegetation und Boden weggespült hatte, so dass man die Gesteinsformationen sehen konnte.

00:25:27: O-Ton Perman

00:25:30: Martin Und in Siccar Point haben sie verstanden, worüber Hutton eigentlich sprach. Er sprach von horizontal lagernden Schichten. Er sprach über vertikal lagernde Schichten und alles, was es dazwischen gab. Und es war so offensichtlich, dass er zu seinen Freunden sagen konnte: Schaut! Darüber habe ich gesprochen. So ist das alles entstanden. Und sie schauten praktisch zurück in den Nebel der Geschichte und konnten nachvollziehen, wie die Erde entstanden war. Und daher ist Siccar Point ziemlich wichtig, geschichtlich betrachtet. Aber ich bin sicher, dass es auch andere Orte auf der Welt gibt, wo man eine solche geologische Formation sehen kann.

00:26:11: O-Ton Perman

00:26:18: Andrea Genau das ist es. Klingt jetzt vielleicht ein bisschen kompliziert auch, also weil wir haben das wieder mit dieser horizontalen und vertikalen Lagerung. Also es gibt dann darüber Beschreibungen: Also man schaute in den Abgrund der Zeit, weil tatsächlich: Heute weiß man, zwischen diesen beiden Schichten, die man da also horizontal und vertikal sehen kann, liegen 50 Millionen Jahre. Also es ist 50 Millionen Jahre ich sage mal Time Gap dazwischen. Und das weiß man natürlich heute, dass wussten die, dass es so viele Jahre waren, das wussten sie natürlich damals nicht. Aber er hat das eben und das ist ja dann manchmal auch, wenn man zurückschaut, er hat das damals eben alles schon super erkannt.

00:26:59: Martin Aber was hat denn diese Diskordanz zwischen den vertikalen und den horizontal gelagerten Schichten. Was hat ihm das gezeigt? Was war da der Aha-Effekt?

00:27:10: Andrea Also da muss man natürlich verstehen, wie die Erde wie die so genannte Dynamik der Erde ist. Und es gibt immer Phasen, wo halt die Kontinente sich verschieben, wo Gebirge entstehen, wo es Vulkanismus gibt, wo der Meeresspiegel sich verändert. Und in diesem Fall hat er halt gesehen, da gibt es eine Schicht, die ist sozusagen vertikal gestellt. Und wenn wir jetzt mal ganz simpel denken, also wir haben irgendetwas und dann würden wir denken, jede Schicht ist erst mal so flach gelagert übereinander. Also du hast jetzt irgendwie mal so einen Hügel und der Hügel wird abgespült und alles, was sich am Boden dieses Hügels irgendwie ansammelt, das ist alles übereinander geschichtet, horizontal.

00:27:55: Martin Eine Sedimentschicht über die andere.

00:27:57: Andrea Richtig. Das ist so die gängige Vorstellung. In dem Moment, wo ich aber eine Beobachtung mache, wo diese horizontal gelagerten Schichten quer stehen nach oben, weiß ich, es muss irgendwas passiert sein in der Erdgeschichte, dass diese Schichten jetzt nicht mehr horizontal lagern, sondern von oben nach unten. Und da ist er halt drauf gekommen. Da muss es halt irgendeine Art von Gebirgsbildung gegeben haben. Also seiner Vorstellung nach eben durch diesen Motor im Erdinneren, dass dann diese Schichten verstellt wurden. Heute weiß man, dass das so ist, aber damals wusste man das nicht.

00:28:33: Marko Das heißt, der Motor im Inneren der Erde so stellt Hutton sie sich das vor, hat diese Schicht, die irgendwann mal horizontal war aufgestellt...

00:28:41: Andrea Genau.

00:28:42: Marko Nach oben gedrückt?

00:28:43: Andrea Genau. Und was er dann gesehen hat war halt ganz spannend. Und dann ist dieser Prozess abgeschlossen. Und dann hat sich eben im Laufe der Jahrmillionen eben eine andere Schicht horizontal, so wie wir das erwarten würden, immer eben weiter oben drauf gelegt und dadurch wusste man oder hat halt Hutton die seine Theorie bestätigt gefunden. Denn es war ja vorher nur eine Theorie. Also da hat er das tatsächlich im Gelände das erste Mal gefunden zu sagen: Hey, guckt mal, das, was ich mir ausgedacht habe, das ist ja wirklich so, dass man das man wusste also die Schichten, die oben horizontal gelagert sind, müssen zu einer ganz anderen Zeit entstanden sein als das, was vertikal gestellt ist.

00:29:24: Martin Und das ist nicht nur eine Woche oder Monate oder zehntausend Jahre, sondern das muss viel, viel länger gewesen sein.

00:29:29: Andrea Aber Interessant ist in dem Zusammenhang: Also, er hat ja seine Theorie dann vor der Royal Society in Edinburgh vorgestellt. Beziehungsweise ein Freund hat sie vorgestellt, weil Hutton selbst krank war. Es hat aber auch nicht viel genutzt: Weil man ihn kaum verstand. Er war echt. Das hatte ich ja ganz am Anfang, was Wissenschaftskommunikation anbelangt, war er echt ziemlich schlecht.

00:29:52: Marko Also er konnte es nicht erklären.

00:29:53: Andrea Er konnte es nicht erklären.

00:29:55: Marko Er hatte ne Idee aber war unfähig.

00:29:56: Andrea Genau.

00:29:57: Marko Aber die Idee, die Idee besteht erst einmal darin, dass es Prozesse gibt rund um die Erde, die lange, lange dauern. Viel länger, als wir uns das bisher vorstellen. Also auch viel länger, als es die Bibel vermeintlich uns ausrechnen hat lassen. So. Und er hat die Idee eines Motors im Inneren der Welt. Das sind die beiden Kernpunkte bei ihm.

00:30:17: Andrea Genau. Er hat also noch viele andere Dinge sich natürlich überlegt, aber das waren, so wie du sagst, die Kernpunkte. Also da ist er dann eben auch gegen alles gelaufen, was damals gängige Meinung war. Sie haben alle gesagt, das ist ein Spinner. Also was soll.

00:30:33: Andrea Das? Gut angekommen ist er nicht mehr.

00:30:35: Andrea Ist überhaupt nicht gut angekommen. Und ich kann euch ja mal, dann kann man auch verstehen, warum das irgendwie so schwierig war. Weil er hat dann eben seinen Vortrag nicht nicht persönlich gehalten, sondern hat ihn eben von - ich meine, es wäre Joseph Black, der berühmte Chemiker, gewesen, hat ihn gehalten für ihn. Also, es war 1785. Also um noch mal so eine Zeit-Marke zu setzen, worüber wir eigentlich reden, über welche Zeit. Und hat in der Royal Society in Edinburgh seine Theorie, seine Theorie vorgestellt. Und er war Gründungsmitglied der Royal Society. Na klar, als Vertreter der der schottischen Aufklärung war er da eben in diesen Kreisen. Und er war aber eben krank. Und es stimmt tatsächlich - Joseph Black, der berühmte Chemiker, hat eben dann seine Theorie vorgestellt, also eine Vorlesung gehalten vor diesem illustren Kreis, und die hieß - allein der Titel zeigt vielleicht, wie schwierig es war, ihn zu verstehen: Also Theorie der Erde oder eine Untersuchung der Gesetze, die bei der Zusammensetzung, Auflösung und Wiederherstellung von Land auf dem Globus zu beobachten sind. Also, er war jetzt kein Freund der kurzen Sätze. Und das zieht sich eben so durch seine Aufzeichnungen. Also man hat überhaupt nicht begriffen, was hat er da eigentlich geschrieben?

00:31:55: Martin Also das war: im Kreise der Wissenschaftler galt er dann als was Sonderling? Als Spinner?

00:32:04: Andrea Ja, als talentierter Amateur. Also das hat sich ja eben, was der Ray Perman auch erzählt hat, dass man gedacht hat, naja, der hat da irgendwie ja, der saß da auf seinen Farmen und hat da irgendwie Beobachtungen gemacht in der Natur, ist dann durch Schottland und England gereist und hat letztlich jede Menge Steine gesammelt und er stellte sich gegen alles, was damals gängige Lehrmeinung gewesen ist. Und es gibt einen, bei dem habe ich sogar gelernt, muss ich sagen, an der Uni Bochum. Der ist aber später dann ans Geomar nach Kiel gegangen, Hans Ulrich Schminke, das ist einer der berühmtesten, bekanntesten Geologen, Vulkanologen. Und der sagt halt ganz klar, warum das so war. Da können wir mal reinhören.

00:32:54: O-Ton (Schminke): Und das stand dann im Allgemeinen im Widerspruch zu den vorgegebenen Weltbildern, die religiös fundiert waren. Er wurde damals auch als Atheist apostrophiert von seinen Zeitgenossen, weil er es gewagt hatte, dem religiös begründeten Weltbild ein neues Weltbild gegenüberzustellen.

00:33:16: Andrea Diese Vorstellung, das, was er eben 1785 vor der Royal Society vorgestellt hat, das ist eben nicht gut angekommen. Und wir haben ja eben schon drüber geredet. Es widersprach der Vorstellung der Kirche, wie lange es gedauert hat, bis die Erde entstanden ist. Aber es stand eben auch allen bekannten Theorien, Vorstellungen lief es halt zuwider. Und deswegen war er zu der Zeit wirklich ein Außenseiter, das muss man so sagen. Also man hat ihn ein bisschen seltsam beäugt und hat nicht ganz ernst genommen, was er da aufgeschrieben hat. Und es war tatsächlich also das Revolutionäre an seinen Ideen, eben dieser Motor im Erdinneren. Das war damals eine revolutionäre Idee, dann der sogenannte Kreislauf der Gesteine, dieses also, dass es sich um einen immerwährenden Prozess handelt, was heute Allgemeinbildung ist. Damals wusste man das nicht, also damals.

00:34:13: Marko Was heißt denn Kreislauf der Gesteine?

00:34:14: Andrea Das heißt, du hast immer einen, einen permanenten Prozess von es entsteht und es vergeht. Also ein Berg wird gebildet und der wird abgetragen, er landet im Meer, dann gibt es wieder vulkanische Aktivität und dann wird das wieder rausgeworfen, wieder abgetragen. Und so weiter. Also sozusagen ein Prozess, der immer und immer und immer wieder passiert. Und heute wissen wir, dass es so war. Es gab in der Erdgeschichte immer oder wir sind mittendrin.

00:34:42: Martin Passiert immer noch.

00:34:43: Andrea Passiert, passiert immer. Aber das wusste man damals natürlich nicht. Das ist das Revolutionäre. Und tatsächlich seine Art der wissenschaftlichen Arbeit. Dieses akribische Aufzeichnen, Beobachten, Rückschlüsse ziehen, das ist so ganz moderne Wissenschaft. Das war im Entstehen begriffen, damals im 18 jahrhundert.

00:35:02: Marko Wenn er denn dieses einmalige Schöpfungsereignis der Bibel sozusagen in Zweifel stellt. Hat er sich komplett abgekehrt von einem christlichen Glauben? Hat er an Gott nicht mehr geglaubt, weil den brauchte er ja nicht.

00:35:15: Martin War er wirklich ein Atheist?

00:35:19: Andrea Nein, er war kein Atheist und es war auch so, dass er bei seinem Vortrag, weil immer die Frage kommt: Ja, wie alt ist denn nun die Erde? Oder hat er denn irgendwie geschrieben: Wie alt ist das denn jetzt eigentlich? Da hat er sich nicht festgelegt, sondern er hat das ein bisschen im Vagen gelassen. Hören wir vielleicht dann noch mal? Die beiden Biografen von James Hutton zuerst Ray Perman, was er dazu sagt und danach dann auch noch mal Alan McKirdy.

00:35:47: Übersetzung McKirdy Er glaubte natürlich an Gott, aber er glaubte nicht, dass sich die Erde in nur 6000 Jahren entwickelt haben konnte. Er glaubte, die Erde müsse viele Millionen Jahre alt sein und dass sich die Erde in einem immerwährenden Prozess entwickelt.

00:36:09: Übersetzung Perman Heute wissen wir, dass es etwa 4,5 Milliarden Jahre gedauert hat, bis sich die Erde so entwickelte, wie wir sie heute kennen. Er kannte natürlich die biblische Zeitskala und konnte das nicht mehr mit dem in Übereinstimmung bringen, was er um sich herum sah.

00:36:26: O-Ton Perman

00:36:29: Marko Was man sagen kann an dieser Stelle? Der Glauben wankt am Ende des 18. Jahrhunderts, und die Menschen machen sich offenbar Gedanken: Nun, wenn nicht Gott die Erde erschaffen hat, wie ist sie dann entstanden? Und jetzt geht ein Streit los, nehme ich mal schwer an?

00:36:44: Andrea Genau. Also, genau zu datieren. Also, es gab halt Vorstellungen damals, die und da hatten wir schon mal kurz, hatte ich den erwähnt, weil es eben auch ein erklärter Gegner von James Hutton war und seinen Theorien, war Gottfried Abraham Werner im sächsischen Freiberg. Und das war ein sogenannter Neptunist. Also es war eben....

00:37:05: Martin Ein was? Ein Neptunist.

00:37:06: Andrea Neptunist genau.

00:37:07: Marko Der hat einen Fischschwanz.

00:37:09: Andrea Nee, also die Vorstellung, wenn man schon anzweifelte, also es kann jetzt nicht die biblische Schöpfungsgeschichte gewesen sein, nur die zu den Formen auf der Erdoberfläche geführt hat. Da muss man sich natürlich fragen ja, wie dann? Wer war es dann? Oder was? Was ist dann passiert? Und es gab tatsächlich im 18 Jahrhundert einen erbitterten Streit zwischen den sogenannten Neptunisten. Und dann kamen eben die Plutonisten dazu.

00:37:35: Marko Und Werner war ein Neptunist.

00:37:37: Andrea Werner war Neptunist.

00:37:37: Marko Aus Freiburg...

00:37:37: Andrea Freiberg - im Sächsischen Freiberg: Bergakademie Freiberg, bis heute ganz berühmt. Und der hat eben ganz andere Theorien verfolgt und gesagt, es ist alles aus dem Meer entstanden und hat eben diesen Vulkanismus letztlich nicht dafür verantwortlich gemacht.

00:37:57: Marko Es liegt vielleicht ein bisschen auch daran, wo man lebt. Also wenn ich zum Beispiel bei uns in der Eifel gucke und gucke mir Gestein an, dann sehe ich da ganz oft: Ach guck mal, da sind Muscheln drin, ach da sind ja so Korallenreste drin. Also ist doch naheliegend: Scheint ja wohl offenbar aus dem Meer entstanden zu sein. Und jetzt sehe ich mir diesen Klotz hier an, da sehe ich keine Muschel, da sehe ich einfach nur Granit. Das ist hier dein schottischer Granit. So, und dann kommt da halt einer und sagt: Ja, scheint ja wohl offenbar vulkanischen Ursprungs zu sein. Haben beide recht, der Herr Werner in Sachsen und auch er? Oder wie hat sich die Geschichte da entschieden?

00:38:34: Andrea Letztlich haben beide recht. Beziehungsweise es hat - wir greifen ja den Entwicklungen vor. Also es hat ja noch sehr, sehr lange gedauert bis ins 20. Jahrhundert hinein. Also ich erinnere noch mal an Alfred Wegener, der mit seiner Theorie zur Drift der Kontinente, dem hat man ja auch nicht geglaubt und hat ihn als Spinner abgetan. Das hat wahnsinnig lange gedauert, und das.

00:38:58: Marko Muss man sagen, das war der, der gesagt hat, dass es nur einen Kontinent gegeben hat.

00:38:59: Andrea Genau.

00:39:01: Marko Und dann sind die Platten auseinandergedriftet. Und das ergibt im Prinzip das, was wir heute als unsere Erde...

00:39:05: Andrea Genau oder dass es eben auch ein über die Jahrmillionen währender Prozess ist, dass diese Kontinente auseinanderbrechen und sich wieder vereinigen, wieder auseinanderbrechen und dass das alles eben von einer Kraft im Erdinneren angetrieben wird. Und selbst das hat sich ja wirklich ganz, ganz langsam nur im 20. Jahrhundert, und da reden wir vom 20. Jahrhundert durchgesetzt.

00:39:29: Marko Also zu Huttons Zeit, hat man sich noch nicht so richtig entschieden.

00:39:31: Andrea Nein, also es war nicht entschieden. Seine Theorie war eben sehr neu, also Huttons Theorie. Man konnte es natürlich auch mit nichts belegen. Also man konnte es nur beobachten. Und dann kommt eben einer, der sagt. Aber ich habe ja hier die Korallen. Das kann jetzt alles gar nicht sein und muss aus dem Meer kommen. Und interessant an Huttons Geschichte ist tatsächlich und dann komme ich noch mal auf diese Wissenschaftskommunikation zurück, dass es tatsächlich einer derjenigen gewesen ist, die mit ihm im Bötchen gefahren sind zu den Klippen von Siccar Point. Das war ein gewisser John Playfair, Mathematiker auch. Der hat dann 1805 dieses ganze Werk was hatten hinterlassen hat über seine Theorie der Erde übersetzt. Also er hat sich hingesetzt und hat mal irgendwie das so geschrieben, dass es andere Leute verstehen.

00:40:22: Martin Also aus dem Englischen ins Englische.

00:40:24: Andrea Richtig. Aus dieser furchtbaren James Hutton Sprache in eine verständliche Sprache. Und dann gibt es einen berühmten Geologen, der hat das erste Lehrbuch der Geologie verfasst, in drei Bänden. Charles Lyell. Und Charles Lyell hat dann das, was John Playfair über James Huttons Theorien geschrieben hat, dann auch verstanden und hat sozusagen auf diesen Theorien aufgebaut. Das ist auch eingegangen in das erste moderne Geologie-Buch.

00:40:55: Marko Das heißt aber, da hat man dann Hutton längst vergessen, weil Hutton sich einfach zu ungeschickt ausgedrückt hat. Man hat Hutton nicht verstanden. Und damit war er sozusagen aus der Wissenschaftsgeschichte eliminiert.

00:41:07: Andrea Ja, fast. Also ganz Eingeweihte, die wussten um die Bedeutung. Aber letztlich ist es genauso, was du sagst. Also wenn man heute denkt oder jemanden fragen würde, wer war denn im 18. - OK Charles Lyell war etwas später 19., Anfang 19. Jahrhundert? Aber wer war denn so, wer gehört denn zu den Urvätern, sage ich mal, der der Geologie, dann würde - wir könnten jetzt eine Wette abschließen - jeder dritte, wenn er denn überhaupt da Namen zu hat, Charles Lyell nennen. Und keiner würde James Hutton sagen. Also Charles Lyell ist eben viel, viel bekannter. So wie Darwin letztlich. Und das ist schade. Man hat ihn echt Jahrzehnte, Jahrhunderte, muss man sagen, irgendwie fast ignoriert und das hat aber auch damit zu tun: Also man hat ihn wie gesagt, als er starb 1797 man hat überhaupt nicht verstanden, was für geniale Dinge er da schon erdacht hatte und was dann passiert ist. Wir haben ja heute kaum Briefe, wir haben kaum Tagebucheinträge, wenn er denn überhaupt Tagebuch geschrieben hat. Es gibt ganz wenig schriftlich Überliefertes, und das hat man schlicht und ergreifend dann nach seinem Tod alles weggeworfen. Also man hat auch die Gesteins-Sammlung hat man - da gibt es nur noch ganz ganz wenige erhaltene Sachen. Das meiste hat man einfach in den Müll geworfen oder keine Ahnung - in den Vorgarten.

00:42:27: Martin Weil man gedacht hat, das ist halt irgendein spinnerter Steine-Sammler gewesen, der auch irgendeinen Kram geschrieben hat, den kein Mensch verstanden hat. Und kann weg.

00:42:35: Andrea Genau. Kann weg, stört, kann weg, verstaubt nur. Und das ist natürlich, wenn man sich das überlegt. Also stellt euch vor, wenn wir heute so historische Figuren betrachten, wenn es da keine Überlieferungen gibt. Ich meine ja, wer soll sich denn damit beschäftigen? Also beziehungsweise wer soll auf die Idee kommen, dass das vielleicht ein ganz wichtiger Mensch gewesen ist, in diesem Fall im 18 Jahrhundert? Wenn nach seinem Tod man sofort auf die Idee gekommen ist, alles zu eliminieren, es ist ja klar.

00:43:08: Martin Aber wir haben ihn heute ja nicht exhumiert, aber immerhin an ihn erinnert.

00:43:13: Marko Wir streicheln also noch mal hier über den Stein, den schottischen Granit.

00:43:19: Andrea Granit, richtig, es.

00:43:21: Marko Den Schottischen Granit, ja. Du auch noch mal, Martin.

00:43:25: Martin Richtig auch noch mal.

00:43:26: Andrea Anfassen.

00:43:28: Marko In Andenken an James Hutton...

00:43:29: Andrea Ja. Genau.

00:43:31: Marko Wenn es euch gefallen hat...

00:43:32: Martin Dann sagt es allen Freunden, Bekannten, Steine-Sammlern und Menschen, die ansonsten schwer zu tragen haben.

00:43:41: Marko Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es bitte uns, aber bitte auch nur uns unter.

00:43:47: Martin www.diegeschichtsmacher.de gibt es alle Informationen, die ihr braucht? Kontaktinformationen und alles Weitere zu dieser und weiteren Folgen der Geschichtsmacher. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Andrea Karth, die uns heute den fast vergessenen James Hutton, den Geologen näher gebracht hat.

00:44:07: Marko So und jetzt gucken wir uns noch die Gesteinssammlung an von der Andrea. Ne.

00:44:07: Martin So machen wir das.

00:44:11: Marko Was hast du noch Schönes da? Was ist das hier?

00:44:13: Andrea Das ist ein vulkanisches Gestein.

00:44:16: Marko Lieblingsstein von dir?

00:44:17: Andrea Nein.

00:44:17: Marko Wo kommt er her?

00:44:19: Andrea Oh, wenn ich das wüsste. Ich darf jetzt nicht sagen, irgendwelche Nationalparks. Das gibt doch Gemecker.

00:44:25: Marko Haste abgebrochen?

00:44:25: Andrea Aber das ist schön. Guckt mal, das ist ein Olivin. Das findet man in Vulkanengebieten ganz oft. Und das ist hier, guck mal, das ist ein Glimmerschiefer sieht man, oder? Das ist das, was immer so glitzert. Das ist. Kann Granit gewesen sein, muss aber nicht so ähnlich aus. Und wenn, dann die Kontinente aufeinander...

00:44:42: Marko Dann wird gepresst.

00:44:44: Andrea Und wenn dann der Druck draufkommt.

00:44:45: Andrea Dann kommt dann so was, dann.

00:44:46: Marko Dann glimmerts schön.

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