Sherlock Holmes und Dr. Watson - Die Baker Street Boys

Shownotes

In der Baker Street 221B eröffnen Sherlock Holmes und Dr. Watson eine Männer-WG, so erzählt es der Schriftsteller Arthur Conan Doyle in "Eine Studie in Scharlachrot" - der ersten Detektiv-Geschichte mit seinen beiden unsterblichen Helden. Über die Bromance der beiden berichtet Daniela Wakonigg ihren Zeitzeichen-Kollegen Martin Herzog und Marko Rösseler.

Daniela ist für diesen Podcast Sherlock Holmes und Dr. Watson hinterhergereist - von der Baker Street 221B in London bis zum Reichenbach-Fall in die Schweiz, wo Sherlock Holmes mit seinem Erzfeind Professor Moriarty in den Abgrund stürzen wird. Im Sherlock Holmes Pub erklären ihr Jean Upton und Roger Johnson von der Sherlock Holmes Society of London, warum Arthur Conan Doyle seinen Helden umbringen wollte - und trotzdem gezwungen wurde, ihn wiederauferstehen zu lassen. Und wir erfahren, wie Sherlock Holmes den Ersten Weltkrieg vorhersagte…

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Weitere Links zum Thema Sherlock Holmes:

Daniela Wakoniggs WDR-Zeitzeichen: November 1887 - Die erste Sherlock Holmes Erzählung erscheint

Daniela Wakoniggs Homepage

Die Sherlock Holmes Society London

Die Baker Street 221b - Sherlock Holmes Museum

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Die Geschichtsmacher: Sherlock Holmes und Dr. Watson

00:00:04: Marko Wieder einmal unterwegs in einem öffentlichen Verkehrsmittel...

00:00:07: Martin In der Bahn. Ich möchte sogar sagen, das wird wohl eine U-Bahn sein.

00:00:11: Daniela Das ist aber so was von eine U-Bahn. Die erste U-Bahn der Welt, so weit ich weiß.

00:00:15: Marko Es gibt Kenner, die erkennen U-Bahnen am Klang.

00:00:17: Martin Und ich würde sagen: Das ist London.

00:00:18: Daniela Yes.

00:00:23: Ansage The next Station is Bakerstreet...

00:00:24: Marko Herzlich willkommen bei...

00:00:24: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:46: Atmo U-Bahn-Station Bakerstreet Mind the gap between the train and the platform...

00:00:50: Marko Mit uns in der U-Bahn sitzt Daniela Wakonigg. Wohin hast du uns mitgenommen? Wo sind wir hier?

00:00:53: Daniela Na ja, in der Baker-Street, ne.

00:00:55: Martin Und die Baker Street ist das, worüber die berühmte Band aus den 80er Jahren singt?

00:01:00: Daniela Richtig. Und ich glaube, darum soll es auch heute gehen.

00:01:05: Marko Nein, nein. Es geht natürlich um Sherlock Holmes, der bekanntlich in der Baker Street gewohnt hat.

00:01:11: Martin Ja, und zwar in der Baker Street 221 B. Und dahin wollen wir uns jetzt auch mal bewegen. Du bist da gewesen?

00:01:18: Daniela Ja, ich bin da gewesen und habe mir das alles vor Ort angeschaut. In der Baker Street gibt es ja das berühmte Sherlock-Holmes-Museum heutzutage. Das ist ganz schnuckelig. Da hat man eine Räumlichkeit hergerichtet, die so aussieht wie das Wohnzimmer von Holmes und Watson in den Geschichten.

00:01:35: Marko Und da Kollegin Wakonigg sich natürlich immer gerne fremder Leuts Wohnzimmer anguckt. Nein, es hat ja natürlich ein Grund, warum du da hingefahren bist. Du bist als Autorin des Zeitzeichen zweimal darauf verpflichtet worden, ein Zeitzeichen über Sherlock Holmes zu machen.

00:01:49: Daniela Richtig. Was aber wichtig ist: Ich schaue mir nicht nur gerne anderer Leute Wohnzimmer an, sondern auch gerne anderer Leute Klos. Das ist nämlich dort auch zu sehen, das Klo von Sherlock Holmes. Das sollte man nicht vergessen. Das ist schon eine eine wichtige Erfahrung gewesen für mich, weil in den Geschichten wird ja nie gepieselt. Ja, genau, ich bin dort gewesen, um für ein Zeitzeichen oder für mehrere Beiträge eigentlich zu recherchieren. Und das ist ja die zentrale Anlaufstelle für den gesamten Holmes Tourismus in London, die Baker Street 221 B.

00:02:20: Martin Der auch noch fröhlich vor sich her geht? Also Sherlock Holmes ist ja nun eine Gestalt Ende des 19. Jahrhunderts und 120 Jahre später ist man da noch fröhlich dabei?

00:02:30: Daniela Ja, absolut. Also das strömt aus der Baker Street Station. Es gibt auch eine Statue direkt vor der Station, eine Sherlock Holmes Statue. Die Station selbst ist mit Sherlock Holmes Kacheln voll und man sieht dann tatsächlich die Leute, die zum Museum strömen. Und das wirklich Witzige daran ist ja, dass die Baker Street 221 B eine in jeglicher Hinsicht erfundene Adresse ist.

00:02:53: Marko Wie bitte?

00:02:54: Daniela Ja, ja, ja. Also zu der Zeit von Doyle, als Arthur Conan Doyle die Sherlock Holmes Geschichten geschrieben hat. Denn Holmes ist ja eine erfundene Figur.

00:03:03: Marko Nein.

00:03:03: Daniela Doch, doch, das sollten wir erwähnen. An dieser Stelle.

00:03:07: Marko Du willst sagen: Den gibt es gar nicht.

00:03:09: Martin Ja, irgendwie schon.

00:03:10: Daniela Irgendwie schon. Das ist. Das ist jetzt eine philosophische Frage. Bitte lasst uns da nicht einsteigen. Das wird schwierig.

00:03:16: Martin Aber er ist auf jeden Fall erfunden worden von einem gewissen Arthur Conan Doyle.

00:03:20: Daniela Genau. Und als der den erfunden hat, da gab es keine Baker Street 221 B. Die Baker Street ging vielleicht gerade mal bis zur Nummer 100 und dann gab es irgendwann eine Umnummerierung. Der Teil, der jetzt die Baker Street 221 B ist, das war damals die Upper Baker Street, also ganz was anderes. Und selbst das Museum, was heute dort steht, steht nicht in der Baker Street 221 B, sondern das sind die Grundstücke, irgendwas 237 bis 241. Über dem Grundstück 221 steht ein riesen Gebäude von einer Firma, die über viele Jahrzehnte lang einen eigenen Angestellten hatte, bevor es das Sherlock Holmes Museum gab, der tatsächlich die Post zu bearbeiten hatte an Sherlock Holmes, die kam an die Baker Street 221 B.

00:04:12: Marko Nun muss man sagen, in den Romanen - und ich habe sie als Kind geliebt - kommen natürlich immer alle Klienten, die die Dienste dieses privaten Detektiven Sherlock Holmes nutzen wollen, kommen in diese berühmte 221 B, dort wohnen Sherlock Holmes und Dr. Watson und dann schildern sie ihr Problem. Das heißt, auch heute noch schreiben Menschen an diese Adresse in der Hoffnung, dass ihnen irgendjemand wirklich hilft?

00:04:41: Daniela Ich glaube, heute hat sich das langsam rumgesprochen, aber es war tatsächlich lange Zeit so, dass Menschen der Meinung waren, dass Sherlock Holmes eine reale Person ist und tatsächlich dorthin geschrieben haben Hilfe suchend.

00:04:57: Marko Nun muss man sich natürlich fragen: Warum wohnen zwei literarische Figuren, Dr. Watson und Sherlock Holmes, in einem Haus, das es eigentlich gar nicht gibt? Was es aber geben könnte in einer realen Straße, die ist nicht fiktiv, die gibt es wirklich. Offenbar in London, Nummer 221 B Baker Street. So, da wohnen die beiden. Wie kommt es dazu?

00:05:17: Daniela Und es kommt dazu. Dadurch, dass Doyle erst mal eine Geschichte geschrieben hat. Arthur Conan Doyle. Das ist ein Arzt. Und der saß so Mitte der 1880 er Jahre in seiner Praxis, die nicht besonders gut lief, an der Südküste von England und ging seinem Hobby nach, dem Schreiben von Geschichten. Und dann hat er sich gedacht, er möchte gerne mal eine Detektivgeschichte ausprobieren, da.

00:05:38: Marko Hat er schon viel geschrieben bis dahin.

00:05:40: Daniela Der hatte, der hatte ein paar Sachen geschrieben. Und das war übrigens gar nicht schlecht, also zu Unrecht vergessen, diese Geschichten, die sind eigentlich ganz gut geworden, die frühen Geschichten von ihm, aber die kannte halt keiner.

00:05:50: Marko Und da kommt auch noch kein Sherlock Holmes vor. Noch kein Detektiv?

00:05:53: Daniela Nee, da kommt so was noch nicht vor. Also, wie gesagt, er möchte jetzt mal eine Detektivgeschichte ausprobieren. Und man darf nicht vergessen, die Detektivgeschichte, das ist ein Genre, was damals noch komplett in den Kinderschuhen steckt. Das ist - ja, man denkt immer so, Detektivgeschichte oder Krimi schreiben, das weiß ja jeder, wie das geht. Aber das wussten die tatsächlich im 19. Jahrhundert noch nicht. Also die ersten Versuche von den ersten Autoren, die sich mit Detektivgeschichten beschäftigt haben, die sind, ich muss es sagen, richtig mies.

00:06:25: Martin Also also der Krimi bedurfte noch des Ausfeilens und Agatha Christie ist ja nun auch später.

00:06:31: Daniela Die ist auch später, genau.

00:06:33: Marko Wobei, es gibt schon schöne historische Krimis, also E.T.A. Hoffmann, das Fräulein von Scuderi.

00:06:39: Daniela Ja, aber das funktioniert. Das... Würdest du das wirklich unter Krimi fassen?

00:06:43: Marko Ja, ist ein Krimi, klar. Es geht um Mord. Natürlich. Ja, da wird. Da geht es um Brillianten, die geklaut werden.

00:06:49: Daniela Es ist keine - es ist nicht so wie moderne Detektivgeschichten funktionieren. Also, wenn du dir die Detektivgeschichten - oh da sind wir jetzt aber schon mitten hier im Literarischen Quartett. Und wir sind nur zu dritt.

00:07:00: Marko Das literarische Trio, ja, hier die Geschichtsmacher.

00:07:03: Daniela Also es ist, wie gesagt, wenn man mal Lust hat, sich damit auseinanderzusetzen, da kommt häufig nicht so richtig Spannung auf. Die wissen, die Autoren wissen noch nicht so richtig, wie man das macht. Na ja, und auf jeden Fall Doyle denkt sich: Na ja, gut, ich mache mal jetzt einen genialen Detektiv und schaue mal, was passiert. Und da hat er natürlich ein paar Vorbilder dafür.

00:07:21: Marko Gibt's doch.

00:07:22: Daniela Ja, ja, klar, es gibt literarische Vorbilder. Also am berühmtesten sind so von Emil Gaboriaus der Monsieur Lecoq oder von Edgar Allan Poe der Auguste Dupin.

00:07:33: Marko Das ist der. Das ist der von Mord in der Rue Morgue, wo es am Ende dann ein Affe ist, der Mörder.

00:07:39: Daniela Ist. Ja, ja, ja, ja, ja, verrat doch nicht alles.

00:07:43: Marko Vergessen wir es. Das sind die Vorbilder?

00:07:45: Daniela Die literarischen Vorbilder.

00:07:47: Marko Gibt es denn, wenn du schon sagst, es gibt literarische Vorbilder - es gibt doch Sherlock Holmes, oder es gibt, es gibt einen echten?!

00:07:57: Daniela Jein. Also es gibt auch leibhaftige Vorbilder. Das ist in der Tat so. Ich habe, als ich in London war, mich natürlich auch mit den Spezialisten darüber unterhalten von der Sherlock Holmes Society of London, und zwar waren das Roger Johnson und Jean Upton.

00:08:11: Marko Und natürlich gibt es, wie immer in England zu so einer Figur auch eine Society, eine Gesellschaft.

00:08:17: Daniela Selbstverständlich. Übrigens das Interview haben wir geführt im Sherlock Holmes Pub, wo sonst auch? Ja, das ist so eine Seitenstraße vom Trafalgar Square. Da gibt es das Sherlock Holmes Pub. Ich glaube sogar, bis heute müsste es das geben.

00:08:29: Martin Wo Sherlock Holmes persönlich immer verkehrt?

00:08:32: Daniela Natürlich. Selbstverständlich. Genau.

00:08:36: Martin Und du hast mit denen gesprochen?

00:08:37: Daniela Ich habe mit denen gesprochen. Genau. Und die haben mir dann auch was erzählt zum berühmten, leibhaftigen Vorbild von der Figur Sherlock Holmes.

00:08:46: Roger Johnson O-Ton Englisch

00:09:14: Daniela Ja, also das Original, das leibhaftige Original war ein Dr. Joseph Bell. Das war ein Ausbilder von Arthur Conan Doyle während seines Medizinstudiums in Edinburgh. Und der konnte aus den kleinsten Kleinigkeiten weitreichende Schlüsse ziehen, hat mir jetzt Roger Johnson erzählt.

00:09:34: Martin Dass ist das Vorbild für Sherlock Holmes offensichtlich. Es gibt ja auch die zweite Figur, Dr. Watson. Gab es da auch ein Vorbild für diesen, für diesen Side-Kick von Sherlock Holmes?

00:09:45: Daniela Soweit bekannt ist nicht, aber Watson ist natürlich Arzt wie Doyle selbst. Also in gewisser Weise kann man sagen, hat sich der Autor vielleicht ein bisschen selbst reingeschrieben in die Sherlock Holmes Geschichten.

00:09:59: Martin Und es erzählt ja auch immer Dr. Watson.

00:10:00: Daniela Es erzählt Watson - in den allermeisten Geschichten ist Watson auch der Erzähler der Geschichte. Genau. Und der ist auch total wichtig, wie mir auch meine Freunde von der Sherlock Holmes Society of London erzählt haben.

00:10:11: Roger Johnson O-Ton

00:10:29: Jean Upton O-Ton

00:10:58: Daniela Ja, also die beiden - Roger Johnson und Jean Upton haben mir alos noch mal bestätigt, wie wichtig Watson für die Holmes Geschichten, das Funktionieren der Holmes Geschichten ist, weil Watson als eine Art Filter wirkt. Also unsere Augen, durch die wir Sherlock Holmes beobachten können. Und indem Watson jetzt anscheinend etwas dümmere Fragen stellt, haben wir die Möglichkeit, den Erklärungen von Sherlock Holmes zu lauschen. Wären die beiden gleich intelligent, dann hätten wir nichts davon, weil dann würden die sich zublinzeln und sich wortlos verstehen. Aber nur dadurch, dass halt so ein Gefälle drin ist, haben wir die Möglichkeit.

00:11:41: Martin Also das ist nicht einfach nur der Sidekick, dass da eben eine Hauptfigur jemanden zum Anspielen hat, wie man das so im Theater sagt, sondern der hat eine zentrale Funktion, dieser Watson.

00:11:52: Daniela Absolut, ja.

00:11:54: Marko Nun wohnen die beiden ja zusammen. In der ersten Geschichte - "Eine Studie in Scharlachrot" lernen sie sich kennen. Irgendwo in einem Krankenhaus, genau.

00:12:03: Daniela Genau. Im St Bartholomew´s Hospital, mitten in London.

00:12:09: Martin Auch das gibt es.

00:12:10: Daniela Auch das gibt es, ja. Und zwar im chemischen Laboratorium. Die Geschichte ist, dass Watson kommt als Verwundeter aus dem Afghanistan Krieg, der zu der Zeit stattfindet, nach London zurück und sucht eine billige Unterkunft und trifft einen Studienkollegen und der sagt: Ach, guck mal, ich kenne da jemanden, der sucht auch gerade jemanden zum mitwohnen. Und das ist Sherlock Holmes. Die beiden lernen sich kennen in diesem chemischen Laboratorium des St. Bartholomew´s Hospital, man muss es immer wieder sagen, weil es so schön auf der Zunge zergeht. Und Sherlock Holmes sieht auf den ersten Blick, dass Watson in Afghanistan war, und Watson ist völlig erstaunt, woher er das denn nun wissen kann. Das erklärt er ihm nicht an der Stelle, sondern wir lernen halt in dieser ersten Geschichte "Eine Studie in Scharlachrot" die beiden kennen und eben auch Holmes durch die Augen von Watson kennen. Und etwas später in der Geschichte ist es so, dass wir tatsächlich erfahren, wie Sherlock Holmes das herausgefunden hat. Und das ist so das erste größere Beispiel dafür, wie sein Verstand funktioniert und wie er deduziert. Ja, Kollege, magst du mal lesen.

00:13:21: Marko Wo haben wir ihn.

00:13:21: Daniela Ja, da im Büchlein.

00:13:24: Marko Das ist das der hier.

00:13:25: Daniela Jo.

00:13:25: Marko Sie waren offenbar überrascht, als ich Ihnen bei unserer ersten Begegnung gesagt habe, dass Sie aus Afghanistan gekommen waren.

00:13:34: Martin Jetzt mache ich den Watson. Okay. Das hat Ihnen sicherlich jemand erzählt.

00:13:38: Marko Nichts dergleichen. Ich wusste, dass Sie aus Afghanistan gekommen waren. Aus langer Gewohnheit ist der Denkvorgang in mir so schnell abgelaufen, dass ich zu der Schlussfolgerung gelangt bin, ohne mir der Zwischenschritte bewusst zu sein. Der Denkprozess lief folgendermaßen ab: Hier ist ein Gentleman der medizinischen Sparte, aber mit der Haltung eines Soldaten, also offenbar ein Arzt der Armee. Er ist kürzlich aus den Tropen gekommen, denn sein Gesicht ist dunkel, und das ist nicht seine normale Hautfarbe. Seine Handgelenke sind nämlich hell. Er hat Mühsal und Krankheit durchgestanden, wie sein abgezehrtes Gesicht verrät. Sein linker Arm ist verletzt worden. Er hält ihn unnatürlich steif. Wo in den Tropen könnte ein englischer Armee-Arzt viel Mühsal erlebt haben und am Arm verwundet worden sein? Natürlich in Afghanistan.

00:14:35: Martin Die unfehlbare Deduktion des Sherlock Holmes. So läuft sie ab. Also er guckt jemanden an, und zack weiß er, was es mit demjenigen, mit derjenigen auf sich hat.

00:14:46: Daniela Richtig. Übrigens möchte ich mal kurz darauf hinweisen: Wir arbeiten hier gerade mit tatsächlichen Büchern. So was gibt es noch - also nicht mit Bildschirm, und zwar mit der Übersetzung aus dem Haffmans-Verlag. Meiner Ansicht nach die allerbeste Sherlock Holmes Übersetzung, die es gibt.

00:15:01: Martin Du kennst sie alle.

00:15:02: Daniela Ich kenne sie alle. Alle kenne ich sie nicht. Aber das ist mit Abstand die beste Sherlock Holmes Übersetzung, wie ich finde.

00:15:08: Marko Nun, ist das diese erste Geschichte von den beiden. Wo veröffentlicht er sie? Und ist es sofort so ein Kracher?

00:15:16: Daniela Es ist alles andere als ein Kracher. Also er versucht verzweifelt einen Verleger zu finden dafür, hat das an verschiedene Verleger geschickt. Und was die so erzählt haben, das hat mir dann Roger Johnson mal erklärt.

00:15:31: Roger Johnson O-Ton

00:16:10: Daniela Ja, also es war keiner so wirklich begeistert von den Verlegern. Die einen haben gesagt, ja die Geschichte ist zu lang für eine Kurzgeschichte und zu kurz für einen Roman und haben es dann zurückgeschickt und einige haben sich es gar nicht angeschaut. Und dann irgendwann hat ein Verlag - Ward, Lock hat gesagt: Ja, okay, wir können es veröffentlichen, aber nicht dieses Jahr, weil wir sowieso schon überschwemmt sind mit billiger Fiktion.

00:16:35: Martin Billige Fiktion.

00:16:36: Daniela Billige Fiktion. Genau. Also nicht gerade eine freundliche Sache. Und wenn Sie nichts dagegen haben, dass wir das nächstes Jahr erst bringen, dann können wir Ihnen 25 £ geben für das Copyright. Und das geschah dann. Also 25 £.

00:16:50: Martin Das war damals viel Geld, sag ich jetzt mal.

00:16:52: Daniela Nein, das war ein Hungerlohn. Man muss sich vorstellen, der hat sein gesamtes Copyright dafür abgegeben. Und die Geschichte ist dann erschienen im Jahr drauf, nämlich im November 1887 in Beeton´s Christmas Annual. Das war also die erste Sherlock Holmes Geschichte, die dort erschienen ist: A Study in Scarlet - Eine Studie in Scharlachrot.

00:17:15: Marko Und dann schlagartig berühmt?

00:17:18: Daniela Äh, nein. Also die Kritiker haben gesagt, na ja, ist ganz nett, aber.

00:17:26: Marko Aber es gab Kritiker. Immerhin. Es gibt Leute, die sich das durchgelesen haben und darüber geschrieben haben.

00:17:30: Martin Weil es war ja billige Fiktion, also Groschenroman oder wie muss man sich das vorstellen?

00:17:36: Daniela Ja, so in der Art, genau.

00:17:39: Marko Ist ja auch eine bescheuerte Geschichte. Sagen wir mal so: Zwei Typen, die eine WG aufmachen und einer davon ist genial und der andere ist Arzt. Ja also das ist...

00:17:45: Daniela Ja gut. Es gibt noch eine kleine Krimi Geschichte dabei, aber die ist nicht so wichtig. Also Doyle hat danach dann noch weiter geschrieben, Sherlock Holmes, aber das war auch erst mal nichts. Und der Durchbruch, der kam dann tatsächlich 1891.

00:18:04: Marko Moment mal, da sind... da sind vier Jahre dazwischen.

00:18:06: Daniela Vier Jahre später. Genau. Und zwar...

00:18:09: Marko Aber in der Zeit hat er sich nicht abhalten lassen. E schreibt einfach weiter.

00:18:12: Daniela Genau, er hat auch was veröffentlicht, also auch Sherlock Holmes, aber das wurde halt nicht so, also die Kritiker haben gesagt, ja, ganz.

00:18:21: Marko Also für alle da draußen: Man muss offenbar Zähigkeit an den Tag legen, wenn man irgendwann mal ein berühmter Autor werden möchte.

00:18:28: Daniela Absolut. Und man muss die richtige Marketing Idee haben, um das noch dazu zu sagen. Nämlich es kam dann, wie gesagt 1891 die Zeitschrift The Strand Magazin auf den Markt. In London.

00:18:42: Marko Das war eine neue Zeitschrift...

00:18:44: Daniela Genau. Eine neue Zeitschrift gab es damals einige, und die suchten halt so kürzere Geschichten, die sie auch veröffentlichen konnten. Und Doyle hat die Idee gehabt: Och Mensch, da würde sich mein Sherlock doch hervorragend eignen. Und zwar schreibe ich immer kurze Geschichten mit denselben Hauptfiguren, also Sherlock Holmes und Dr. Watson. Und dann kann da jeden Monat eine Geschichte erscheinen. Das Konzept hat er halt angeboten.

00:19:09: Marko Das hat er so vorgeschlagen. Oder hat er die schon fertig in der Schublade liegen gehabt?

00:19:12: Daniela Das Konzept hat er vorgeschlagen, also als er das Strand-Magazin und das Konzept des Strand Magazins sah.

00:19:19: Marko Das Konzept war: Bunte Zeitung.

00:19:22: Martin Illustrierte sagt man.

00:19:23: Daniela Genau...

00:19:23: Martin Das war so der Anfang der illustrierten Zeitungen.

00:19:26: Marko Einmal monatlich oder oder.

00:19:26: Daniela Genau.

00:19:27: Marko Okay, okay.

00:19:28: Daniela Ja und dann ging die Post ab. Anders kann man das wirklich nicht sagen.

00:19:35: Marko Kann man das irgendwie erklären. Also vorher war es ja offenbar - Studie in Scharlachrot - Okay, war nicht so der Brüller, aber dann geht die Post plötzlich ab.

00:19:44: Daniela Ja, es gibt verschiedene Erklärungsversuche, warum das so ist. Ein Erklärungsversuch haben wir natürlich mal wieder von unseren Freunden von der Sherlock Holmes Society of London.

00:19:56: Jean Upton O-Ton

00:20:31: Daniela Also Jean Upton erzählt, dass die Leute es irgendwie toll fanden, dass sie diese Figur nach und nach kennenlernten. Weil natürlich in jeder Geschichte haben wir nicht nur eine neue Geschichte gehabt sondern auch immer etwas mehr über Sherlock Holmes erfahren. Und dazu kam, dass Sherlock Holmes nicht eine abgehobene Figur war, die irgendwo in einem Bereich spielte, wo kein Normalsterblicher jemals hinkam, so wie andere Geschichten, sondern dass Sherlock Holmes durch dieselben Straßen ging wie diejenigen, die die Geschichten lasen, also durch die Straßen von London. Und in der Tat, wenn man sich so die Sherlock Holmes Geschichten vornimmt, mit einem Stadtplan von London der Zeit, man kann die Wege, die Sie gegangen sind, nachvollziehen.

00:21:13: Martin Die Baker Street, das St. Bartholomew´s Hospital.

00:21:16: Daniela St. Bartholomew´s.

00:21:19: Martin St. Bartholomew´s. Entschuldigung. Hospital. Jawohl. Ja. Also, das sind alles Orte, die es gibt, wo man hingehen kann?

00:21:25: Daniela Richtig. Und das scheint wohl etwas gewesen zu sein, also auch, dass das eine normale Person ist. Der muss sich eine Wohnung teilen, Apartment teilen mit jemand anderem. Der ist jetzt nicht besonders reich, sondern das ist eine normale Person mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, aber halt irgendwie auch einer von uns.

00:21:42: Marko Also dass er nicht besonders reich ist hat mich immer so ein bisschen gewundert, weil der ist ja so genial. Also wenn man diese ganzen Geschichten kennt: Er rettet ja auch sehr reichen Leuten den Hals und kriegt doch unglaublich viel Geld immer. Ich glaube eigentlich, dass der, der will eine WG haben - oder.

00:21:59: Martin Herr Rösseler psychologisiert wieder.

00:22:01: Marko Naja, es könnte auch wie Ernie und Bert ein schwules Pärchen sein. Also man weiß es nicht so genau, finde ich.

00:22:07: Daniela Na ja, es hat in späteren Zeiten hat es das ja durchaus gegeben, als Erklärungsansatz oder als Spielerei. Also dass die beiden eigentlich ein schwules Pärchen gewesen sind, aber das passt nicht. Also die beiden - also ich meine, klar, Homosexualität in der viktorianischen Ära hat es natürlich gegeben, Oscar Wilde und überhaupt, wir wissen es, aber die beiden sind nun wirklich überhaupt nicht schwul. Das ist eine ganz klare Bromance, wie man so sagt.

00:22:31: Marko Aber gibt also, wenn man sich Sherlock Holmes anguckt, so ist er doch auf eine gewisse Art sehr asexuell.

00:22:37: Daniela Ja.

00:22:38: Marko Also, Watson heiratet später, das wissen wir. Aber ich glaube, es gibt nur eine einzige Sherlock Holmes Geschichte, wo eine Frau vorkommt, die ihn irgendwie so ein bisschen beeindruckt.

00:22:47: Daniela Ja, Irene Adler. Aber das ist keine sexuelle Anziehung. Sie beeindruckt ihn, weil sie ihn ausgespielt hat. Und das hat er nun wirklich nicht erwartet, dass jemand ihn ausspielen kann, also in gewisser Weise intelligenter ist als er selbst. Und das ist das, was ihn beeindruckt hat, aber nicht das Sexuelle.

00:23:05: Martin Ich würde ganz gerne noch mal zurück zu dieser Strand Magazin Geschichte und der Frage: Wieso ist das so interessant für die Leser? Ein Mensch wie du und ich, nur dass er halt unglaublich intelligent ist und außergewöhnliche Deduktions-Fähigkeiten hat. Aber wir alle wissen: Sherlock Holmes hat diesen seltsamen Umhang, eine Schaumpfeife und so einen komischen Deerstalker-Hat. Das ist so ein so - für die Fuchsjagd, glaube ich - irgendwie so.

00:23:31: Daniela Deer heißt Hirsch, also insofern vermute ich eher Hirschjagd...

00:23:34: Martin Ja, ja, richtig - Hirschjagd - Deerstalker. Wie auch immer jedenfalls, er sieht jedenfalls nicht normal aus. Also auch für die damalige Zeit kann man das, glaube ich, so sagen.

00:23:47: Daniela Definitiv. So ist keiner durch London gegangen. Also so hat man sich auf dem Land angezogen, wenn man auf die Pirsch gegangen ist, vielleicht. Dass sich Sherlock Holmes so merkwürdig kleidet, das hängt damit zusammen, was der Illustrator im Strand Magazin gemacht hat. Da kann Doyle überhaupt nichts dafür. Da kann auch Holmes nichts dafür. Das Ganze...

00:24:06: Martin Der muss das Ding aufsetzen...

00:24:09: Daniela ...weil natürlich das Strand Magazin in der Tat, Illustrierte, also man wollte auch Illustrationen haben. Das heißt, diese Geschichten, die Sherlock Holmes Geschichten, mussten illustriert werden. Und da gab es einen Illustrators, Sidney Paget, der hat sich gedacht: Naja, nu, wie zeichne ich denn jetzt diese Figuren und diesen Sherlock Holmes? Und hat dann seinen Bruder Walter genommen, hat ihn in so einen Mantel gesteckt und ihm einen Deerstalker aufgesetzt und ihn gezeichnet.

00:24:37: Martin Warum, weiß man nicht.

00:24:38: Daniela Warum, weiß man nicht.

00:24:39: Marko War halt grad da.

00:24:40: Daniela Na ja, es ist von einer ähnlichen Bekleidung von Holmes bei einem Ausflug die Rede, aber nicht vom Deerstalker. Klar, beim Ausflug aufs Land kann man so was tragen, aber dass Holmes dann in allen weiteren Geschichten tatsächlich mit diesen Klamotten auch durch London läuft, ist eher ungewöhnlich. Aber das verdanken wir, wie gesagt, dem Illustrator.

00:25:03: Marko Und so entsteht diese typische Figur mit diesem karierten Mäntelchen, diesem blöden Hut und gerne auch immer diese Pfeife - aber die gibt es im Roman, die raucht er schon ständig.

00:25:15: Daniela Ja, ja, der nimmt einiges an Drogen zu sich, auch Kokain und alles Mögliche. Also der ist schwer drogenabhängig. Er ist.

00:25:22: Marko Was aber auch in die Zeit passt, also - und auch dieses Dandyhafte natürlich unterstützt - Oscar Wildes Drogen Experimente. Es ist doch sehr naheliegend, dass es so in diese Richtung geht.

00:25:35: Daniela Ja, ich weiß es nicht. Ich meine, es passt nicht. Es passt nicht zu den beiden. Ich weiß, dass es da Spekulation gibt. Aber es passt nicht zu den beiden. Überhaupt nicht. Es ist wirklich, wenn ich das mal so sagen darf, es ist echt ne Bromance. Es ist ein bisschen das, was ihr beide habt.

00:25:49: Martin Ach Gottchen...

00:25:50: Daniela Ja. Das ist schon so eine, so eine Freundschaft-Nummer. Also wirklich, wo man sich lange kennt, wo man die Eigenarten des anderen kennt und sich manchmal auch auf den Keks geht, weil...

00:26:02: Martin Was wir? Marko? Wir gehen uns auf den Keks?

00:26:06: Daniela Ich hab das so manchmal - aber lassen wir das.

00:26:08: Marko Ich sage dazu gar nichts. Aber ich habe nie, ich habe nie mit dem Herzog in der WG gewohnt. Nie.

00:26:15: Martin Ne, das stimmt, das ist richtig.

00:26:16: Daniela Was nicht ist, kann ja noch kommen.

00:26:19: Martin Aber wir schweifen ab.

00:26:21: Marko Genau. Aber dieses Duo ist plötzlich literarisch unglaublich erfolgreich. Wird dieser Arzt Conan Doyle wird der Millionär? Wird der berühmt damit?

00:26:30: Daniela Er wird reich und er wird berühmt. Aber das, wenn man so will, steigt ihm gewissermaßen auch in den Kopf, weil er denkt, er ist jetzt zu höheren literarischen Dingen berufen als nur diese cheap fiction, um noch mal darauf zurückzukommen Also er hat wirklich schon sehr, sehr schnell keine Lust mehr auf seinen Sherlock Holmes, der gerade boomt wie bekloppt.

00:26:53: Martin Also er hätte eigentlich glücklich und lustig bis an sein Lebensende Sherlock Holmes Geschichten schreiben können und wil das dann aber nicht mehr.

00:26:59: Daniela Ganz genau.

00:27:00: Martin Was heißt relativ schnell?

00:27:01: Daniela Das sind zweieinhalb Jahre, also schon nach zweieinhalb Jahren. Ich meine, man muss ... Andererseits, man kann es auch verstehen, es ist irgendwie Fließbandarbeit. Es ist immer ein sehr ähnlicher Aufbau der Geschichten. Und man merkt aber auch in den Geschichten selbst, dass Doyle manchmal keine Lust mehr hatte. Also das sind Sachen, wo er dann verwechselt, wo Watson seine Kriegsverletzung hatte. Mal hat er die am Bein und mal hat er die am Arm. Also wo man einfach merkt, das ist ...er schmiert das jetzt so ein bisschen auch hin und macht sich da nicht großartig Gedanken und er möchte eigentlich Holmes so schnell wie möglich loswerden.

00:27:40: Martin Ja, und was macht der geneigte Autor dann in so einem Fall? Er bringt seine Figur um, lässt ihn sterben.

00:27:46: Daniela Ganz genau das. Aber halt man kann so ein Genie wie Sherlock Holmes nicht einfach so sterben lassen, sondern man muss eine böse Gegenfigur mindestens genauso genial erfinden, um diese Figur umzubringen. Und das tut Doyle, indem er Professor Moriarty erfindet.

00:28:08: Martin Professor Moriarty. Ich bin ja immer wieder überrascht, wie viele Erz-Bösewichte akademische Titel vorzuweisen haben. Also Dr. Doom, Dr. Evil, Dr. Octopus, der Gegner von Spiderman, alles Akademiker. Irgendwie scheint da das Böse.

00:28:22: Daniela Ja, ja, Mann, man müsste das mal untersuchen. In der Tat. Ja, also das Ganze.

00:28:27: Marko Auch hab auch noch nie was von dem teuflischen Dachdecker gehört, oder? Handwerker sind selten teuflisch. Ja, das ist einfach so...

00:28:34: Martin Vielleicht anders als im realen Leben.

00:28:37: Marko Dieser Professor Moriarty ist sozusagen Holmes ebenbürtig. Der ist mindestens genauso schlau wie der, wenn nicht sogar ein Ticken schlauer.

00:28:45: Daniela Nein, das würde ich sofort zurückweisen wollen.

00:28:50: Marko Und was hat er vor? Er will so was wie die Weltherrschaft an sich reißen. Man weiß es nicht genau, oder?

00:28:54: Daniela Ja, das witzige daran ist ja, dass dieser Professor Moriarty bisher überhaupt noch nicht aufgetaucht ist in den Holmes Geschichten.

00:29:01: Marko Der kommt einfach so wie Kai aus der Kiste.

00:29:03: Marko Genau. Und Holmes sagt aber, dass er den schon lange kennt und weiß, dass der hinter allem Bösen, was so läuft in London, dahinter steckt. Aber wir haben lustigerweise bisher noch nie was von Professor Moriarty gehört. Das ist kein Wunder.

00:29:16: Marko Das ist ja oft so was. Verschwörungstheorien, da gibt es irgendjemanden, der steckt dahinter, der hat das alles in der Hand und das ist Professor Moriarty und jetzt kommt er.

00:29:24: Daniela Und jetzt kommt er. Jetzt wird er eingeführt in der Geschichte "Das letzte Problem" "The Final Problem". Und in dieser Geschichte, tja, am 4. Mai 1891, so das Datum der Erzählung, stürzt Holmes dann tatsächlich im letzten Kampf mit Moriarty in den Reichenbachfall in der Schweiz.

00:29:48: Martin In der Schweiz, also von London in die Schweiz? Also wie in einem guten James Bond reist er erst mal durch die Weltgeschichte und dann muss er dort...

00:29:54: Daniela Genau, das ist so eine kleine Verfolgungsjagd. Und dann gibt es dann halt den Reichenbach- Fall, wo übrigens Doyle Urlaub gemacht hatte. Also der Doyle kannte das Setting da und hat sich gedacht: Ach guck mal, das wäre doch ganz nett, wenn wir hier.

00:30:07: Marko Hier kann ich ihn versenken.

00:30:08: Daniela Hier kann ich ihn versenken. Genau. Und in diesen Reichenbach-Fall stürzen die beiden dann halt in einem Kampf und es gibt keine Zeugen dafür. Es gibt einen Abschiedsbrief von Holmes und es gibt dann halt einfach die traurigen Worte von Watson, der davon erzählt.

00:30:28: Martin Ja, ich, ich. Ich war ja Watson eben schon. Dann mache ich das mal gerade. So. Mein Herz ist schwer. Nun, da ich zur Feder greife, um ein letztes Mal die einzigartigen Gaben, die meinen Freund, Mister Sherlock Holmes auszeichneten, in Worten festzuhalten. Das wird schon sehr gewichtig, wirkt das. Wir lassen mal ein paar Seiten aus.

00:30:57: Daniela Da wird. Da wird. Da wird jeder Sherlock Holmes Fan schwach. Also bei diesen ersten Worten der Erzählung.

00:31:03: Martin Also dann kommt auch unter anderem der Abschiedsbrief von Sherlock Holmes an Watson und dann folgende Passage. Ein paar Worte mögen genügen, das Wenige, was noch bleibt, zu erzählen. Eine Untersuchung durch Experten lässt wenig Zweifel, dass ein Handgemenge zwischen den beiden Männern damit endete, wie es in einer solchen Situation auch kaum anders enden konnte. Dass sie hinunter taumelten. Einer den anderen umklammert haltend. Jeder Versuch, ihre Leichname zu bergen, war absolut hoffnungslos. Und dort, tief unten in jenem schrecklichen Kessel voll wirbelndem Wasser und brodelndem Schaum, werden sie für alle Zeiten ruhen. Der gefährlichste Verbrecher einer Generation und ihr vornehmster Streiter für das Recht. Der beste und weiseste Mensch, den ich je gekannt habe. Was für ein Schluss!

00:32:03: Daniela Ja, ja, ja.

00:32:05: Marko Und genauso bescheuert ist es auch. Also, er kann es ja gar nicht wissen. Die Leichen werden nie gefunden. Was soll man denn da rekonstruieren? Völlig erfunden. Ein mieser Tod, muss man sagen.

00:32:16: Martin Es gibt einen Abschiedsbrief und Sie sind nicht mehr da. Weder Moriarty noch Holmes. Natürlich sind die tot. Klar.

00:32:23: Daniela Ja. Auf jeden Fall ist das ein ziemlicher Schock. Ihr seht, ich bin ganz betroffen, wenn ich diese Worte höre. Es geht einem doch immer wieder nahe. Und ich muss sagen, es geht nicht nur mir nah als Holmes-Fan, sondern natürlich ging es auch den Holmes Fans damals, als im Dezember 1893 diese Geschichte erschienen ist, sehr, sehr nah. Die Reaktion, die es in London gab, die war schon ziemlich irre, muss man sagen.

00:32:49: Roger Johnson O-Ton

00:33:05: Daniela Ja, Roger Johnson erzählt, dass damals, als diese Geschichte veröffentlicht wurde, in London tatsächlich Menschen in der Stadt rumgelaufen sind und Trauer-Schleifen an der Kleidung getragen haben, weil sie um Sherlock Holmes getrauert haben. Das Publikum wollte nicht, dass Holmes tot ist. Es hat tatsächlich Doyle bekniet, hat den Verlag, das Strand Magazin bekniet, dass Holmes wieder auferstehen möge. Aber Doyle will halt nicht.

00:33:35: Marko Er hat auch genug Geld verdient.

00:33:38: Daniela Er möchte halt was anderes machen. Er möchte sich anderen Dingen zuwenden, von denen er glaubt, dass er dazu eher berufen ist. Aber wenn man hartnäckig genug ist, dann fluppt das natürlich irgendwann und tatsächlich schon acht Jahre später.

00:33:54: Marko Aber die Trauer war schon sehr groß - acht Jahre...

00:33:56: Daniela Na ja, also das Publikum hat tatsächlich die ganze Zeit gesagt, wir wollen mehr davon. Und die Verleger haben natürlich auch Geld geboten, und das ist dann schon irgendwann verlockend.

00:34:05: Marko Das hat sich dann summiert und aufgestockt. Und irgendwann konnte er nicht widerstehen.

00:34:09: Daniela Ja, wenn man so will. Aber er macht einen Trick. Also die Geschichte, die dann erscheint, und zwar auch als als Fortsetzungsgeschichte von August 1901 bis April 1902 dann wieder im Strand Magazin. Das sind der Hund der Baskervilles - also bekannte Geschichte.

00:34:25: Marko Wenn nicht die bekanntest Geschichte?

00:34:28: Daniela Ja, aber er lässt Holmes nicht auferstehen, sondern er siedelt diese Geschichte in der Zeit vor dem literarischen Tod von Holmes an, also er möchte die Figur immer noch nicht wieder auferstehen lassen.

00:34:40: Martin Ein Prequel, wie man heute sagt.

00:34:43: Martin Richtig. Und wenn man die Geschichte daraufhin noch mal genau liest, merkt man auch, dass er immer noch keinen Bock auf Holmes hat. Weil die Geschichte. Die Geschichte ist eigentlich eine Watson Geschichte.

00:34:54: Marko Ja, sie trennen sich ja.

00:34:55: Daniela Watson ist der Hauptakteur und Holmes ist die ganze Zeit irgendwo im Moor unterwegs und ward nicht gesehen.

00:35:01: Marko Ja, der muss ja auch den Hund jagen.

00:35:04: Daniela Aber er spielt eigentlich keine große Rolle während langer Teile dieser Geschichte. Also Doyle hat echt keinen Bock die.

00:35:13: Marko Er hat die Schnauze voll von diesem Typen mit Deerstalker.

00:35:17: Daniela Aber das Publikum lässt ihn nicht in Ruhe. Also das Publikum will, dass Holmes wieder aufersteht, dass er wieder lebt. Und irgendwann muss Doyle tatsächlich es machen und knickt ein. Und dann gibt es die Erzählung "Das leere Haus" in der Holmes dann drei Jahre nach seinem vermeintlichen Tod in der Praxis von Dr. Watson wieder auftaucht.

00:35:39: Marko Einfach so.

00:35:40: Daniela Einfach so, genau.

00:35:41: Martin Steht in der Tür. Und ja.

00:35:43: Daniela Es geht natürlich dann schon wieder um den nächsten Bösewicht. Aber.

00:35:46: Marko Aber Moriarty ist tot.

00:35:48: Daniela Moriarty ist tot. Ja, genau. Und wir erfahren dann - übrigens witzig, Watson fällt in Ohnmacht. Das ist eine wunderbare Szene.

00:35:56: Martin Das kann man ihm auch nicht verdenken. Nur drei Jahre später einfach mal wieder Tag, da bin ich.

00:36:00: Daniela Genau. Und dann gibt es wirklich die wirklich die skurrilsten Erklärungen dafür, warum er da nicht gestorben ist. Also er ist da rausgeklettert aus der Situation, damit eben auch die Fußstapfen so aussehen als wären sie abgestürzt und dann ist er drei Jahre durch die Welt gereist. Und überhaupt. Also wirklich, wo man sagt: Boah, Leute, das ist doch jetzt keine Erklärung, die man fressen kann. Aber die Fans waren zufrieden, waren glücklich.

00:36:29: Marko Und man muss natürlich auch sagen, wenn man das mal in der Realität so hätte, wenn man seinen besten Freund verliert und der tut dann so drei Jahre, als wäre er tot und gibt kein Lebenszeichen, wäre das eine menschliche Wrackigkeit ohne Ende?

00:36:41: Martin Ja, da wäre man sauer. Und zwar zu Recht eigentlich. Ist Watson sauer, dass er von Holmes drei Jahre lang nichts gehört hat und er steht dann auf einmal vor ihm?

00:36:50: Daniela Ja, aber die Freude überwiegt. Muss man sagen.

00:36:55: Martin Jetzt hast du eben gesagt: Eigentlich, der Doyle hat auf seine Figuren, also vor allen Dingen auf den Holmes eigentlich gar keine Lust mehr. Kann man das in den Geschichten auch ablesen? Nimmt die Qualität ab der Sherlock Holmes Geschichten so zum Ende hin?

00:37:08: Daniela Würde ich jetzt nicht unbedingt sagen. Also, wie gesagt, er hat immer diese Verwechslungen, wo man merkt, so, der hat sich jetzt nicht unbedingt eine Liste angelegt, wie seine eigenen Figuren heißen und wo die ihre Verletzungen haben und was die für Vorlieben haben. Aber das, ähm, ja, ne, aber die Qualität selbst - es ist halt immer eine ähnliche Strickweise. Und das ist ja auch das, was das Publikum verlangt, und was man ja auch als Autor dann relativ leicht bedienen kann und was, was Doyle dann gemacht hat.

00:37:37: Daniela Es ist Trivialliteratur, aber es ist geniale Trivialliteratur. Ich habe es geliebt als Kind, ich habe die alle verschlungen. Aber wenn ich jetzt darauf zurückblicke, ich könnte dir jetzt nicht sagen: Studie Scharlachrot - da geht es darum. Die tanzenden Männchen, die sind da oder beim Hund der Baskervilles, weiß ich es noch ziemlich genau, das haben wir im Englischunterricht gemacht, aber es fließt alles so in eins. Es ist eigentlich eher so eine Art Lebensgefühl, was man da sich anguckt.

00:38:05: Daniela Ja, das ist definitiv der Fall. Also es ist eigentlich immer dieses Bild, was man sieht. Holmes und Watson in ihrem Wohnzimmer in der Baker Street 221 B. Es fängt nicht jeder Fall so an und spielt auch nicht jeder Fall dann dort so, also sie sind ja auch viel unterwegs und lösen da ihre Fälle. Aber man hat, wenn man an Holmes und Watson denkt, immer Baker Street 221 B, Wohnzimmer, Kamin.

00:38:28: Marko Geige.

00:38:29: Daniela Geige. Ja.

00:38:31: Martin Wie geht es denn dann in den folgenden Jahren weiter? Also Doyle kann sich offensichtlich nicht helfen und muss weiter schreiben. Und ja, wie sehen denn die Geschichten dann anschließend aus?

00:38:44: Daniela Es ist tatsächlich so, dass sich Holmes dann irgendwann zur Ruhe setzt. In den Geschichten wissen auch wenige, eben weil die beiden immer für uns gefühlt in der Baker Street sind, aber Holmes setzt sich irgendwann zur Ruhe, und zwar in Sussex.

00:39:00: Martin Südengland.

00:39:02: Daniela Südengland. Genau. Und züchtet Bienen.

00:39:06: Martin Nicht wirklich.

00:39:07: Daniela Doch, doch - er züchtet Bienen.

00:39:10: Marko Wobei diese Aufrechterhaltung einer WG ja auch etwas seltsam ist, weil Watson zwischendurch auch mal heiratet.

00:39:16: Daniela Richtig.

00:39:18: Marko Aber das ist egal. Der wohnt trotzdem beii Sherlock.

00:39:20: Daniela Nee, der wohnt dann da nicht mehr, sondern auch das ist das, was ich meine. Also es ist nicht immer so, dass die Geschichten so anfangen, sondern Watson kommt dann auch mal vorbei zu Besuch und dann stolpern sie halt in einen Fall rein. Aber tatsächlich heiratet Watson auch und auch als Holmes sich zur Ruhe setzt, ist er wieder verheiratet und hat.

00:39:40: Marko Ich weiß das gar nicht mehr. Heiratet der zweimal. Ich habe keine Ahnung.

00:39:42: Daniela Ich meine, schon.

00:39:43: Marko Tatsächlich? Okay.

00:39:45: Daniela Ich habe die Frauen von Watson nicht so verfolgt.

00:39:47: Marko Wobei, so viele waren es ja offenbar nicht. Tja, Frauen haben da keinen Platz zwischen den beiden.

00:39:53: Marko Ich sage ja, ne Bromance...

00:39:54: Martin Weder zwischen den beiden noch überhaupt eigentlich. Viele Frauengestalten gibt es nicht.

00:39:58: Marko Doch hilfesuchend. Oft kommen so Frauen hilfesuchend in dieses Büro 221 B - also eigentlich ins Wohnzimmer und jammern die dann voll und dann wird der Fall gelöst.

00:40:07: Martin Aber das passt ja dann auch ins Rollenbild, also in die Rollenverteilung. Ja, ja.

00:40:12: Daniela Ja, aber ihr wolltet ja wissen, wie es weitergeht. Dann also nach dem Ruhestand. Es gibt tatsächlich so etwas wie eine letzte Sherlock Holmes Geschichte.

00:40:20: Marko Die aller allerletzte Sherlock Holmes Geschichte, letzte Sherlock Holmes.

00:40:24: Daniela Genau. Und zwar jetzt gesprochen auf der Ebene der Erzählung. Also wo Holmes und Watson ihren letzten gemeinsamen Fall lösen. Das ist die Geschichte, seine Abschiedsvorstellung. Ich finde, den englischen Titel "His last bow" schöner. "Seine letzte Verbeugung" könnte man das übersetzen, finde ich viel schöner. Das ist eine absolut, total komplett skurrile Geschichte, die überhaupt nichts gefühlt mit Sherlock Holmes Geschichten zu tun hat. Das ist so eine Spionage- Geschichte, das ist mehr James Bond. Das Ganze spielt am 2. August 1914, also direkt vor dem Eintritt Englands in den Ersten Weltkrieg. Und Sherlock Holmes enttarnt einen Deutschen Spion. Und das, wie gesagt, das hat, das fühlt sich auch überhaupt nicht nach einer Sherlock Holmes Geschichte an, das ist aber tatsächlich die die allerletzte Geschichte der beiden. Der allerletzte Fall, den sie lösen. Und das Ganze endet dann, wie sie gemeinsam am mondbeschienen Meer Südenglands stehen. Und wir suchen gerade das Buch hier. So, also die haben jetzt ihren letzten Fall gelöst und...

00:41:45: Marko chillen am Strand...

00:41:45: Daniela Ja und haben jetzt ihren Gefangenen. Und jetzt haben sie ihr letztes Gespräch. Die beiden Freunde plauderten ein paar Minuten lang in inniger Vertrautheit und beschworen einmal mehr vergangene Zeiten herauf, während ihr Gefangener sich vergeblich wand, um sich der Fesseln, die ihn banden, zu entledigen. Als sie sich wieder dem Wagen.

00:42:06: Marko Skurriles Bildn, ne. Zwei gucken aufs Meer und im Hintergrund...

00:42:11: Daniela Jetzt stör doch nicht die Stimmung, hör doch mal auf...

00:42:12: Martin Da geht die Sonne gerade unter, Marko...

00:42:15: Marko Tschuldigung. Tschuldigung.

00:42:16: Daniela Meine Fresse! So, so Stimmung. Aus. Jetzt. Als sie sich wieder dem Wagen zuwandten, wies Holmes zurück auf das mondbeschienene Meer und schüttelte nachdenklich den Kopf.

00:42:30: Marko Es ist ein Wind von Osten her im Anzug. Watson.

00:42:34: Martin Das glaube ich nicht, Holmes. Es ist sehr warm.

00:42:39: Marko Guter alter Watson. Sie sind der einzige Fixpunkt in einer sich wandelnden Zeit. Und dennoch, es ist ein Ostwind im Anzug. Ein Wind, wie noch nie einer über England hinweggefegt ist. Es wird ein bitter kalter Wind sein, Watson. Und manch einer von uns wird unter seinem Ansturm welken. Prophetische Worte vom Meisterdetektiv. Der redet über den Ersten Weltkrieg.

00:43:09: Daniela Ja, ja, ja. Und mit dem Ostwind ist natürlich leider gerade ausgesprochen aktuell.

00:43:15: Marko Die Hunnen, wir sind gemeint.

00:43:17: Daniela Ja, ja, im Augenblick haben wir aber einen anderen Ostwind. Aber lassen wir.

00:43:20: Marko Das stimmt. Das stimmt. Das stimmt.

00:43:22: Martin Also der kalte Ostwind, der da bläst, der Böses ankündigt. Warum lässt denn Doyle ausgerechnet im August 1914 diese Geschichte enden? Und dann auch noch so mit diesem melodramatischen Ende?

00:43:37: Daniela Ich weiß gar nicht, ob Doyle sich selbst bewusst darüber war, aber es ist schon so, dass Holmes einfach in eine andere Zeit hineingehört. Holmes verbinden wir mit der viktorianischen Zeit. Und wir dürfen nicht vergessen, der Erste Weltkrieg war ein unfassbarer Einschnitt in die Geschichte, in das Empfinden der Leute. Es war wirklich eine totale Zäsur in Europa. Und Holmes gehört eindeutig in die Zeit davor. Und vielleicht hat Doyle das einfach gespürt und hat gespürt, Holmes würde danach nicht mehr funktionieren. Und ich glaube, das ist der Grund dafür, warum die letzte Begegnung der beiden am Vorabend des britischen Eintritts in den Ersten Weltkrieg stattfindet.

00:44:25: Martin Geschrieben hat er, dass man.

00:44:27: Daniela 1917, mitten im Ersten Weltkrieg. Es hat ja später unfassbar viele Holmes Geschichten gegeben und Holmes Verfilmungen gegeben. Und die spielen alle in der Jetztzeit dann. Also in den Dreißigerjahren, in den 40er Jahren oder jetzt die BBC Sherlock-Serie in der Gegenwart. Und trotzdem hat Sherlock Holmes immer den Geschmack von - Ja, wie will man das beschreiben? - Von heiler Welt?

00:44:55: Marko Gute, alte Zeit.

00:44:58: Daniela Ja. Also Rätsel werden bei ihm immer gelöst. Es ist am Ende letztlich alles gut. Und ich glaube, das spielt eine sehr, sehr große Rolle.

00:45:07: Martin Jetzt hat Arthur Conan Doyle seinen Held sterben lassen, ihn wieder auferstehen lassen und am Vorabend des Ersten Weltkrieges beendet.

00:45:16: Marko Quasi in Rente geschickt, zum Bienenzüchter gemacht.

00:45:19: Martin Quasi in Rente geschickt? Ja, genau. Hat denn das Publikum diesmal akzeptiert, dass jetzt wirklich Schluss ist mit Holmes?

00:45:27: Daniela Nö, natürlich nicht. Also, es musste weitere Geschichten geben, aber insofern ist Doyle sich treu geblieben. Diese Geschichten waren immer angesiedelt in der Zeit davor.

00:45:37: Marko Vor 1914.

00:45:37: Daniela Vor 1914, auch wesentlich früher noch. Das waren meistens dann Geschichten aus der gemeinsamen Zeit von Holmes und Watson noch, wo die beiden zusammengelebt haben, die, das war dann der Kunstgriff Watson aus seinen Erinnerungen zu Papier gebracht hat.

00:45:51: Marko Da konnte er noch immer mal wieder was Neues erfinden. Hat er dann gemacht, weil er Geld brauchte oder weil die alle gedrängelt haben.

00:45:59: Daniela Also Geld hat er sicherlich nicht mehr gebraucht. Er war sehr erfolgreich zu der Zeit schon. Der hat ja die Professor Challenger Geschichten geschrieben.

00:46:08: Marko Aber wer kennt heute noch Professor Challenger?

00:46:11: Daniela Ja, aber die waren damals durchaus beliebt. Und der war gut im Geschäft.

00:46:16: Martin Okay, wenn du sagst erfolgreich, heißt das, er war erfolgreich in England, Großbritannien, im British Empire. Oder war das dann zu dem Zeitpunkt auch schon international?

00:46:26: Daniela Interntional. Also Sherlock Holmes war vom Beginn der Publikationen im Strand-Magazin ein weltweites Phänomen, wenn man will.

00:46:35: Marko Und wann war dann nun endlich wirklich Schluss?

00:46:40: Martin Ist jetzt der dritte?

00:46:41: Marko Also ich meine, das ist ja...

00:46:43: Daniela Ist wie ne Katze - sieben Leben!

00:46:45: Marko Oder die Abschiedstournee von ich weiß alternden Popstars, ne.

00:46:50: Daniela Ja, also es gibt ein letztes Buch mit Geschichten, Sherlock Holmes Geschichten aus der Feder von Arthur Conan Doyle. Das ist 1927 erschienen. Insgesamt gibt es ja 60 Erzählungen, den sogenannten Canon Sherlock Holmes Kanon, so heißt das. Das sind die Original Geschichten von Arthur Conan Doyle.

00:47:11: Marko Und dann gab es noch Epigonen.

00:47:13: Daniela Ja, die kamen...

00:47:15: Martin Die Apokryphen. Es ist ja, glaube ich, in der Bibel...

00:47:18: Marko Die Apokryphen des Sherlock Holmes.

00:47:20: Daniela Aber Doyle hat ein Vorwort geschrieben zu seinem letzten Buch mit Sherlock Holmes Geschichten, und man spürt wirklich seine Beziehung zu dieser Figur. Ich lese das einfach mal vor. Das ist einfacher, weil der kann das viel besser ausdrücken als ich.

00:47:36: Marko Also der Autor über seine eigene Figur.

00:47:39: Daniela Genau das Vorwort, das Vorwort zum allerletzten Buch mit Sherlock Holmes Geschichten aus der Feder von Arthur Conan Doyle, erschienen 1927. Ich fürchte, dass es Mr. Sherlock Holmes wie einem jener beliebten Tenöre ergehen wird, die, obschon ihre Zeit vorbei ist, immer wieder in Versuchung geraten, ihrem nachsichtigen Publikum noch eine allerletzte Abschiedsvorstellung zu geben. Einmal muss dies freilich ein Ende haben, und er muss den Weg allen Fleisches, einerlei ob es real oder erfunden ist, gehen. Gleichwohl würde man sich gerne vorstellen, dass es für die Kinder der Phantasie ein imaginäres Zwischenreich gibt. In einer bescheidenen Ecke eines solchen Walhallas werden vielleicht auch Sherlock und sein Watson eine Zeit lang ein Plätzchen finden, dieweil ein noch gewitzterer Detektiv mit einem noch minder gewitzten Gefährten die Bühne betreten mag, die sie nun verlassen haben.

00:48:38: Martin Meint der Austin Powers wahrscheinlich dann.

00:48:40: Daniela Ja, ich gehe stark davon aus.

00:48:44: Marko Das ist 1927 - da hat er selbst auch nicht mehr so lange zu leben.

00:48:49: Daniela Ne, drei Jahre noch.

00:48:51: Marko Das heißt, dieses Sherlock Holmes Gespenst hat ihn von seiner relativ frühen Jugend - Du hast eben gesagt, wie alt war er beim ersten Roman.

00:48:57: Daniela Ende 20?

00:48:57: Marko Ende 20 bis ans Grab begleitet?

00:49:01: Daniela Ja.

00:49:01: Marko Dabei wollte er ihn ein paar Mal entsorgen. Aber er ist nicht losgeworden.

00:49:05: Daniela So ist es.

00:49:06: Marko Die letzten drei Jahre dann.

00:49:08: Martin War er dennoch glücklich mit seiner Figur, mit seinem Leben, seinem Erfolg als Schriftsteller?

00:49:14: Daniela Ja, er hatte ja schon ganz andere Prioritäten. Also Doyle hat sich ja in gewisser Weise doch etwas anders entwickelt als sein berühmter Meisterdetektiv. Also Doyle war ja sehr tief drin im Spiritismus-Geschäft, also der Versuch, eine eine jenseitige Welt empirisch zu beweisen.

00:49:35: Marko Er wollte Geister beschwören und solche Geschichten hat er gemacht.

00:49:39: Daniela Genau. Auch fotografieren. Beim Spiritismus geht es auch um den empirischen Beweis einer jenseitigen Welt.

00:49:44: Marko Es ist ihm nicht geglückt.

00:49:45: Martin Ziemlich hoffnungsloses Unterfangen.

00:49:47: Daniela Es ist ihm nicht geglückt. Es gab da ja auch diese witzige Geschichte, dass er glaubte, dass tatsächlich es Feen gibt in Yorkshire. Die Geschichte der Cottingley Fairies, die auf Fotos zu sehen waren, die aber einfach zwei kleine Mädchen gefaked hatten. Und er glaubte aber, dass das wirkliche Foto-Beweise sind für Feen.

00:50:04: Marko Er war kein Holmes. Er hat nur einen Holmes erschaffen.

00:50:08: Daniela Ja, wie man's nimmt. Er selbst hat sich wahrscheinlich als Holmes gefühlt, weil es ging beim Spiritismus und bei diesen ganzen Geschichten darum, tatsächlich empirisch nachzuweisen, diese jenseitige Welt, also eigentlich das, was Holmes auch gemacht hat, empirisch mit den Mitteln der Wissenschaft etwas nachzuweisen. Nur ist Doyle da quasi ein bisschen auf den falschen Pfad gekommen.

00:50:32: Marko Nun gibt es bis heute Sherlock Holmes Verfilmungen. Es gibt Neue-Erzählungen, die BBC Serie ist angesiedelt in einem absolut modernen London und da wird getwittert und da wird auch mit dem Handy recherchiert und gegoogelt und alles Mögliche. Offenbar funktioniert diese Mixtur zwischen diesem Watson und diesem Sherlock bis heute. Woran liegt das?

00:50:55: Daniela Das ist eine sehr gute Frage, die sehr viele Leute versucht haben zu beantworten.

00:50:59: Marko Du auch.

00:51:00: Daniela Ich bin eigentlich mehr ein Mensch der offenen Fragen als der Antworten.

00:51:06: Marko Du magst es doch auch bis heute. Du hast auch die BBC Serie zum Beispiel gesehen. Fands Du klasse.

00:51:10: Daniela Ja, fand ich klasse. Es gibt einige Leute...

00:51:13: Marko Weil du auf den Cumberbatch stehst.

00:51:14: Daniela Na ja, das wird sein. Genau.

00:51:19: Marko Oder Freeman, du stehst auf Freeman.

00:51:20: Martin Martin Freeman. Das war's.

00:51:22: Daniela Das würd dem doch wehtun, wenn ich auf den stehen würde. Nee, nee, das stimmt.

00:51:25: Marko Das stimmt, der ist klein. Aber. Aber irgendwas muss es doch haben. In Gottes Namen.

00:51:29: Daniela Ja. Also, Jean Upton, um noch mal zurückzukommen auf unsere Freunde von der Sherlock Holmes Society of London hat da einen sehr interessanten Gedanken dazu, von dem ich glaube, dass da etwas dran sein könnte.

00:51:43: Jean Upton O-Ton

00:52:10: Daniela Ja, Jean Upton meint, dass die Freundschaft der beiden die Essenz der Geschichten ist. Wenn man alles andere abzieht, also die bunten Kostüme und den viktorianischen Nebel, dann dreht es sich in den Geschichten immer um die Freundschaft und das Vertrauen zwischen diesen beiden Männern, die wissen, dass sie immer füreinander da sein werden, sich immer aufeinander verlassen können. Und ja, das ist vielleicht etwas, was sich viele Menschen wünschen.

00:52:45: Martin Siehst du das auch so?

00:52:48: Daniela Ja, ich bin, offen gesprochen, immer von dem Phänomen Männerfreundschaft immer schon sehr fasziniert gewesen. Vielleicht, weil ich es nicht haben kann als Frau, ich weiß es nicht. Nein, aber dieses, dieses Phänomen der - darum bin ich übrigens auch so vehement gegen die Sexualisierung von Holmes und Watson, weil ich dieses Phänomen einer einer nicht sexuellen Freundschaft so schön finde. Du bist innig miteinander verbunden, du weißt, der andere würde mit dir zusammen durchs Feuer gehen, aber...

00:53:17: Marko Gibt es das unter Frauen nicht?

00:53:20: Daniela Anders.

00:53:20: Marko Anders.

00:53:22: Daniela Anders. Und da kommt immer noch so diese Helden Nummer dazu hier bei den beiden, weil die erleben dann Abenteuer und würden auch für den anderen sterben und so und ich glaube Frauen sind da pragmatischer insgesamt.

00:53:34: Martin Sherlock Holmes und Dr. Watson eine Bromance, eine Männer WG, die berühmteste Männer- WG jenseits von Ernie und Bert. Darüber haben wir heute gesprochen mit unserer Kollegin Daniela Wakonigg, bei der wir uns noch mal ganz herzlich bedanken, dass sie uns mit der U-Bahn nach London genommen hat.

00:53:54: Daniela Bitte, bitte sehr gerne und immer wieder gerne aufs Neue.

00:53:57: Marko Und wenn es euch gefallen hat, dann sagt es euren Freunden, Bekannten, Sherlock Holmes Lesern...

00:54:03: Martin Erz-Schurken, soweit im Bekanntenkreis vorhanden. Egal. Wenn es euch nicht gefallen hat, dann bitte sagt es uns...

00:54:09: Marko Aber bitte nur uns.

00:54:11: Martin Unter www.diegeschichtsmacher.de - da gibt es unsere Kontaktdaten und alles, was ihr zu diesem wunderbaren Podcast wissen müsst. Und wir hören uns wieder in 14 Tagen. Bis dahin. Tschüss.

00:54:24: Marko Tschüss.

00:54:24: Daniela Tschüss.

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