Kriegsmaschine, Friedensengel - Wie der Zeppelin den Himmel eroberte

Shownotes

Völkerverbindend, elegant, riesig und doch schwerelos - das Luftschiff, erfunden von Ferdinand Graf von Zeppelin, stand für Fernweh und Luxus in den 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Dabei hatte sein Schöpfer vor allem den Kriegseinsatz im Sinn, erzählt Martin Herzog seinem Zeitzeichen-Kollegen Marko Rösseler in diesem Geschichts-Podcast.

Die erste Zeichnung, die Graf von Zeppelin von einem Luftschiff anfertigte, sah so kindlich aus, dass kaum einer sie ernst nahm: Dieses Ding sollte gute Dienste als eine Art fliegender Aufklärungs-Maschine leiten? Kaiser Wilhelm II. schüttelte über diesen "Dümmsten aller Süddeutschen" den Kopf. Kurz nach der Jahrhundertwende sah das bereits anders aus - als die ersten Prototypen dieser fliegenden Zigarren den Himmel über Deutschland eroberten, da träumten Wilhelm und seine Generäle bereits von der Eroberung Englands durch deutsche Luftschiffe.

Warum es dann doch ganz anders kommen sollte, darüber sprach Martin mit Jürgen Bleibler vom Zeppelin-Museum Friedrichshafen.

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Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher Zeppelin

00:00:04: Marko Wer das jetzt sehen könnte? Martin Herzog mit seinen Lippen, das wäre toll. Ein Bild für die Götter.

00:00:11: Martin Da habe ich lange im Archiv nachgesucht, um dieses Brummen zu finden.

00:00:15: Marko Was ist das denn für ein Brummen? Jetzt mal ehrlich.

00:00:17: Martin Das ist das Brummen eines Luftschiffes. Wir befinden uns irgendwo über dem Atlantik auf der Fahrt von Friedrichshafen am Bodensee nach Rio de Janeiro im November 1934. Und ein mitreisender Reporter der London Illustrated News, der beschreibt die Atmosphäre an Bord so Marko, lies mal.

00:00:39: Marko Kannst Du nicht weiter brrrrr machen?

00:00:39: Martin Brrrrrr - naja, irgendwann geht mir die Luft aus...

00:00:45: Marko Die Welt entfaltet sich unter uns und um uns herum wie ein riesiger Stummfilm, dessen Vorhänge nur vom Weltraum begrenzt werden. Es gibt kein Gefühl der Bewegung, kein Stampfen oder Schwanken, wie man es bei Flugzeugen und Dampfschiffen erlebt. Nichts Dynamisches scheint zu passieren. Sanft und fast lautlos gleitet das Himmelsschiff auf seiner phantastischen Reise durch den Raum. Die Zeit spielt hier oben keine Rolle. Sie wird in den Hintergrund des Geschehens verbannt und vergessen. Die Reisenden lernen wieder, ohne den allgegenwärtigen mechanischen Einfluss zu leben. Das ist eine moderne Geschichte aus Tausendundeiner Nacht. Wir schweben auf einem fliegenden Teppich.

00:01:29: Martin Ja. Willkommen an Bord. Der Graf Zeppelin....

00:01:37: Intro Die Geschichtsmacher - von den Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:44: Martin 237 Meter lang, 67 Tonnen schwer. Höchstgeschwindigkeit 128 Kilometer pro Stunde. Reichweite 10.000 Kilometer. LZ 127. Graf Zeppelin, das erfolgreichste Luftschiff seiner Zeit. Damit sind wir gerade unterwegs.

00:02:12: Marko Wahnsinn, Martin. Und du hast darüber ein Zeitzeichen gemacht?

00:02:15: Martin Ich habe darüber ein Zeitzeichen gemacht. Ja, vor einem Jahr ungefähr. Und diese Zeppeline sind ein solches Kuriosum und so mit dieser Zeit verbunden, Zwanzigerjahre vor allen Dingen Dreißigerjahredass man sie als Ikone dieser Zeit betrachtet. Und das sind sie mit Sicherheit auch. Und ich habe es immer spannend gefunden, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Aber es gibt da so ein paar dunkle Geheimnisse dieses Zeppelins und des Grafen Zeppelins, des Erfinders dieses Luftschiffes, die dann bei meiner Recherche aufgekommen sind. Und mit diesen kleinen Geheimnissen, bösen, dreckigen Geheimnissen wollen wir uns heute auch beschäftigen.

00:02:52: Marko Schmutzige Wäsche waschen im Zeppelin, heute mit Martin Herzog. Willkommen bei die Geschichtsmacher.

00:02:57: Martin Aber bevor wir dazu kommen, vielleicht noch ein bisschen Atmosphärisches aus dieser Zeit. Einfach um diesen Luxus, den es damals an Bord eines Zeppelins gegeben hat, so ein wenig zu illustrieren. Der Reporter hat natürlich da noch einiges drüber geschrieben, wie so an Bord zugegangen ist.

00:03:14: Marko Auf dem Zeppelin werden von einem erstklassigen Küchenchef und seinen Gehilfen ausgezeichnete Mahlzeiten serviert, Eier und Speck, Lamm-Koteletts und Kaviar, verschiedene Grill Spezialitäten, frisches Gemüse und Schildkröten-Suppe und andere Gerichte schmücken die Tische im Speisesaal. Sechs Mal am Tag werden die hungrigen Passagiere mit Essen versorgt, denn der Appetit scheint auf Luftschiffen groß zu sein. Die Betten in den Kabinen und Prunkräumen werden tagsüber in luxuriöse Sofas verwandelt, die mit Chintz...

00:03:49: Martin Chintz - das so mit Wachs überzogenes Leinwand-Gewebe. Das hat man damals gerne genommen, um die Wände zu tapezieren.

00:03:55: Marko Aber Chintz sagt man.

00:03:56: Martin Ja, ja, so heiß.

00:03:57: Marko Die mit Chintz die bezogenen Wände blicken auf Schreibtische und pflichtbewusste elektrische Glocken. Ja.

00:04:05: Martin Da hat es wohl öfter mal Gebimmel an Bord.

00:04:06: Marko Okay, der Komfort in den neuen Luftkreuzern ist zu einer Art Kissen geworden, immer in Reichweite. Die 20 Passagiere an Bord können sich, obwohl sie sich in 400 bis 3000 Fuß Höhe befinden. Wie hoch sind wir da?

00:04:21: Martin 400. Das sind so 120 oder 30 Meter. Bis 1000 Meter ungefähr.

00:04:26: Marko Okay, also in diesen knapp, bis maximal ein Kilometer Höhe, wie in jedem Hotel verhalten. Mit der wichtigen Ausnahme des Rauchens. Natürlich.

00:04:36: Martin Da ist Rauchverbot.

00:04:38: Marko Rauchverbot.

00:04:39: Martin Also vielleicht doch eher nichts für dich? Aber eigentlich.

00:04:42: Marko Ich bin seit einem Jahr abstinent, darf ich das noch einmal hier...

00:04:44: Martin Das müssen wir auch nochmal betonen, genau, richtig. Aber Rauchen war an Bord eher schwierig, weil dieses Luftschiff ja mit Wasserstoff gefüllt war. Und das verträgt sich nicht so richtig mit Rauchen bzw mit der Glut von Zigaretten. Deswegen Rauchverbot. Aber wenn du das so liest - also mir geht es jedenfalls so: Ich würde da gleich mal mitfahren.

00:05:03: Marko Wegen des Essens..

00:05:05: Martin Wegen des Essens und der Aussicht schon. Ja, genau.

00:05:07: Marko Ist natürlich die Frage, ob Sie so einen armen Schlucker wie dich überhaupt mitgenommen hätten.

00:05:10: Martin Vermutlich nicht.

00:05:11: Marko Was? Was hat das was so eine Reise gekostet? War wahrscheinlich nicht ganz billig.

00:05:16: Martin Die Reise war nicht ganz billig. Die hat bis Rio de Janeiro weiß ich es nicht. Aber bis nach New York hat es damals 450 bis 500 $ gekostet. Und wenn man das umrechnet auf die heutige Währung, dann ist man so bei 14 bis 15.000 US Dollar. Also ich sage mal: Selbst erste Klasse mit einem modernen Passagierflugzeug muss man nicht so viel bezahlen. Das war schon richtig teuer und es waren ja auch nur 25 Leute maximal an Bord als Passagiere, die dann von 60 Leuten Besatzung betreut worden sind.

00:05:51: Marko Das klingt nach einer schönen Art des Reisens.

00:05:55: Martin Das ist es auf jeden Fall gewesen und es, wie du eben auch vorgelesen hast, es ist ein völlig ruhiges Schweben gewesen. Also man hatte dieses Brummen der Motoren so ein bisschen in den Ohren, aber da hat nichts gerappelt, weil die waren nicht an der Gondel, wo die Passagiere drin waren, befestigt, sondern an der Hülle des Luftschiffes und waren relativ frei. Also da hat nichts vibriert, nichts geschüttelt und das Luftschiff hat sich ganz ruhig und sanft bewegt, aber es war wirklich ein Schweben wie auf einem fliegenden Teppich, so wie es der Reporter beschrieben hat. Ja, also ich hätte mir das nicht leisten können, wie die allermeisten Menschen natürlich auch. Aber wer da nicht mitgefahren ist, der konnte immerhin von unten gucken und das Luftschiff vom Boden aus bewundern. Das war ja ein Riesending. Hugo Eckener, das ist derjenige, der der Nachfolger von Graf Zeppelin war, der war nicht nur Luftschiff-Kapitän und ist den Zeppelin immer geflogen oder gefahren, muss man besser sagen, sondern der war auch ein ziemlich gewiefter Marketing-Mann, übrigens gelernter Journalist. Das sind ja die schlimmsten, wie wir wissen. Und der sorgte dafür, dass Zeppelin möglichst oft und von möglichst vielen gesehen wurde in der Zeit des aufkommenden Films und des weitverbreiteten Fotografierens. Da hat er dafür gesorgt, dass man wusste, wenn der Zeppelin irgendwo auftauchte, dass dann unten auch die Fotografen und die Filmleute standen.

00:07:10: Marko Und das war damals noch eine solche Sensation, dass die auch zu Hunderten kamen?

00:07:14: Martin Ja, so ist es gewesen. Ich habe mich mit Jürgen Bleibler unterhalten. Das ist der Leiter der Zeppelin Abteilung im Zeppelin Museum in Friedrichshafen. Der weiß so ziemlich alles, was man über dieses Thema wissen kann. Und der sagt: Wenn der Zeppelin in den 20er, dreißiger Jahren irgendwo auftauchte, dann waren das Massen Ereignisse.

00:07:34: Bleibler Dieses Gerät hat natürlich so eine gewisse, das haben auch Zeitgenossen immer beschrieben, so eine gewisse majestätische Ausstrahlung. Es ist riesengroß, ist groß wie ein Schiff, sieht total anders aus. Auf der anderen Seite war es natürlich auch in der Zwischenkriegszeit eine Ikone der Modernität. Es ist die absolute ideale Verbindung von Stromlinienform, von aerodynamischer Funktionalität mit einer, ich sage es jetzt ganz subjektiv, mit einer betörenden Schönheit, die diese Form einfach auch ausstrahlt, mit dieser silber-glänzenden Oberfläche. Wenn das dann in der Morgensonne schillert und dann die Kameras gut stehen und das dann durch die Wochenschau-Kinos geht und man in Japan landet und Eckner Rede hält vor ganz vielen begeisterten Menschen. Das hat eine ganz hohe Emotionalität. Das ist noch mal eine ganz andere Qualität, die das Zeppelin-Luftschiff da transportiert und die seine Befürworter auch eingesetzt haben.

00:08:26: Martin Letztendlich ist es dieses Bild von diesem sanften, schwebenden Riesen, diesem Friedensengel, der die Völker verbindet, wo man Weltumrundung macht und Halt macht in Japan und in den USA. Das ist so das Bild, was sich bis heute festgesetzt hat. Deswegen fasziniert das so viele Leute. Die kleine dreckige Wahrheit, von der ich eben gesprochen habe, ist die, dass der Zeppelin dafür ursprünglich eigentlich nie gedacht gewesen ist, sondern es war immer ein Kriegsgerät von Graf Zeppelin, selber auch als solches entworfen. Klar, da war auch Geld da. Militär hat in der Geschichte immer das Geld gehabt und solche technischen Entwicklungen gefördert. Aber es war Graf Zeppelin immer ein Anliegen, dieses Gerät eben auch als Waffe einzusetzen.

00:09:14: Marko Das heißt, was wir jetzt machen müssen, ist die Reise rückwärts von einem Gerät, was den Himmel erobert und Völker verbindet. Eigentlich zurück zu seinen Ursprüngen, in die Zeit, wo dieses Ding dafür gebaut worden ist, um andere Menschen zu vernichten.

00:09:29: Martin So sieht es aus. Am Anfang war Graf Zeppelin natürlich davon sehr weit entfernt und es existierte nur als grobe Idee. Und wie auf die Idee gekommen ist, das hat auch schon mit dieser Militärgeschichte zu tun, denn Graf Zeppelin war Offizier im Ingenieurs Korps der württembergischen Armee.

00:09:50: Marko Wir befinden uns in welchem Jahr?

00:09:52: Martin Wir befinden uns im Jahr oder sagen wir mal im Jahrzehnt der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts. Und 1863 ist er nach Amerika geschickt worden, in die USA, in den Bürgerkrieg.

00:10:07: Marko Aha.

00:10:07: Martin Er wollte da auch unbedingt hin, um zu beobachten, was es dort an neuen kriegstechnischen Entwicklungen geben würde. Und das hat er dann gemacht. Er ist über Washington dann eben an die Front gereist. In Washington hat er dann noch Abraham Lincoln getroffen, den Präsidenten. Also das Ganze hat auch auf sehr hoher Ebene gespielt. Da war er übrigens noch sehr jung. 25 Jahre war er zu dem Zeitpunkt alt und dann ist er weitergereist in den Süden, an die Front und hat geguckt, was es Neues gibt an Kriegsgerät neuer Kriegstechnik, wo man sich vielleicht was abgucken kann und die man vielleicht übernehmen oder weiterentwickeln kann.

00:10:43: Marko Dieser 25-jährige Graf Zeppelin, der heißt wirklich so?

00:10:48: Martin Ja. Graf Ferdinand von Zeppelin.

00:10:51: Marko So, dieser Graf Zeppelin reist jetzt da durch die USA und guckt sich an, wie sich die Amerikaner gegenseitig im Bürgerkrieg die Köppe einhauen und will da was lernen, nämlich wie man sich effektiver die Köppe einhaut.

00:11:02: Martin Ja, so ist das, wenn man zum Ingenieur-Corps gehört, dann geht es natürlich auch um Waffenentwicklung und Aufklärung. Und für Graf Zeppelin war das im Prinzip ja so eine Art Erweckungserlebnis ist jetzt vielleicht zu hoch gegriffen, aber es war schon ein Wendepunkt und für ihn die wichtigste Reise in seinem Leben, sagt Jürgen Bleibler vom Zeppelin Museum.

00:11:24: Bleibler Was ihn dort interessiert hat, war moderne Militärtechnik. Der amerikanische Sezessionskrieg ist sozusagen der erste moderne, technisierte Krieg. Es gab Vorformen von Maschinengewehren, also automatisierte Vernichtungswaffen, es gab See-Minen, es gab furchtbar experimentelle und gefährliche U-Boote. Aber man hat solche Dinge versucht. Es gab Panzer-Schiffe und es gab zum ersten Mal Luftaufklärung durch Ballone, die in der Regel gefesselt aufgelassen wurden und sozusagen den Blick aus der dritten Dimension zum Ersten Mal Militär-Planern und Offizieren vor Ort in der Vorbereitung von Kampfhandlungen einen neuen Blick gegeben haben. Und man hat diese Ballone auch schon eingesetzt zum Einschießen der Artillerie, wie man das dann im ersten Weltkrieg nannte. Also ich habe einen erhöhten Blickpunkt, kann hinter die Höhen-Kuppe sehen und kann sozusagen die Artillerie dazu bringen, gegen ein nicht sichtbares Ziel zu schießen.

00:12:16: Marko Das heißt, diese Ballone, die man da in die Luft lässt, da ist wahrscheinlich ein Gas drin...

00:12:22: Martin Ja, oder Heißluft. Aber in der Regel war es Gas, ja.

00:12:24: Marko Ja, und dann ist das befestigt und eine Gondel ist da drunter.

00:12:27: Martin Genau: Das ist im Prinzip, wie man einen Drachen aufsteigen lässt.

00:12:31: Marko Nur mit jemandem drin...

00:12:32: Martin Nur mit jemanden drin. Der hat dann irgendwie ein Fernrohr oder so und der guckt dann über die Hügel, auf das Schlachtfeld, auf die andere Seite und identifiziert dann Stellungen, die es lohnt, mit der Artillerie zu beschießen. Das war die Aufgabe dieser Ballons. Und Zeppelin war von dieser Möglichkeit der Feind-Aufklärung total begeistert, hat darüber auch in einem Brief berichtet, den er damals an seinen Vater geschrieben hat. Vielleicht magst du den auch mal gerade vorlesen.

00:12:56: Marko Soeben bin ich mit Professor Steiner, dem berühmten Aeronauten, zu einer Höhe von 6 bis 700 Fuß aufgestiegen. Kein Turm, keine Höhe ist hoch genug, um die Verteilung der Truppen des Verteidigers auf dem sanften, offenen Hang hinter seiner Gefechts-Linie zu zeigen. Aus der hohen Stellung des Ballons war sie vollständig zu überblicken. Sollte man die auf jenem Hange aufgestellten Reserven mittels Artillerie beunruhigen.

00:13:22: Martin Beunruhigen - beschießen...

00:13:26: Marko So könnte der Batterie durch Zeichen telegraphiert werden, wie ihre Geschosse fallen. Letzteres ist bei den hiesigen Armeen zuweilen mit großem Erfolg geschehen. Kein Mittel ist geeigneter, um rasch den Plan einer ungekannten und namentlich einer ohnehin vom Feind besetzten Gegend aufzunehmen.

00:13:45: Martin Ja, im Prinzip schwärmt er da von einem schwebenden Wachturm. Das einzige Problem bei der ganzen Geschichte ist, dass diese Ballons eben an einem Seil hängen. Und wenn sie das nicht tun, sind sie halt dem Wind ausgesetzt und schweben einfach dahin, wo der Wind sie hintreibt. Die sollen aber natürlich dahin, wo man sie braucht. Also steuerbar sollen sie sein. Und von da an lässt den guten Grafen die Idee nicht mehr los, so etwas zu entwickeln. So einen steuerbaren Ballon. Das ist seine fixe Idee. Und in den folgenden Jahren denkt er immer wieder darüber nach. So trägt er 1874, also da sind wir dann zehn Jahre später, Gedanken über ein Luftschiff in sein Tagebuch ein. Wen du den Abschnitt auch noch einmal lesen könntest.

00:14:32: Marko Ich bin jetzt also wieder Graf Zeppelin. Das Fahrzeug würde auf die Dimension eines großen Luftschiffes auszurechnen sein, die Gasräume so berechnet, dass das Fahrzeug bis auf ein geringes Übergewicht getragen wird. Die Erhebung wird dann erreicht durch das Angehen der Maschine, welches das Fahrzeug gewissermaßen auf die nach aufwärts gestellten Flügel treibt. In der gewollten Höhe angelangt, werden die Flügel weniger steil angestellt, so dass das Luftschiff in der horizontalen Ebene bleibt.

00:15:04: Martin Also die Idee war, dass das Luftschiff so viel Auftrieb erzeugt, dass es so gerade schwebt und dass dann der eigentliche Höhen-Gewinn über Dynamik erreicht wird. Dann gehen die Motoren an und die Propeller treiben das Luftschiff dann nach vorn und dadurch gibt es Auftrieb und dadurch schwebt das Ganze.

00:15:22: Marko Du hast hier eine Zeichnung angefügt ist, das sieht wirklich... Ein Kind hätte es nicht schöner malen können, muss man sagen. Was man sieht ist etwas, was in der Tat aussieht wie ein Schiff, auch von der Form her. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass vier Flügel daran angebracht sind, zwei vorne, zwei hinten und ganz hinten sitzt am Heck ein Propeller. Da hat das Ding noch mal so eine Aufriss-Zeichnung. Dann sieht man, dass da offenbar ein Motor angebracht ist mit einem sehr, sehr kindisch gemalten Getriebe.

00:15:54: Martin Der Mann ist Ingenieur, also man ist schon erstaunt, dass das so eine doch eher kindliche Zeichnung ist.

00:15:59: Marko Ja, ich kenne. Ich kenne Zeichnungen aus Kindergärten, die sehen besser aus.

00:16:03: Martin Aber immerhin Flaggen vorne und hinten.

00:16:05: Marko Also das wichtigste, das wichtigste ist dran, ne Flagge.

00:16:07: Martin Und die Rumpf-Form ist schon auch deutlich erkennbar. Also Luftschiff hat er da sehr wörtlich genommen. Das hat auch die Form, den Kiel eines Schiffes.

00:16:15: Marko Und es hat mehrere Etagen, offenbar weil man nach vorne guckt. Dann sieht man so Treppen, da geht es rauf und runter.

00:16:20: Martin Ja, also das ist schon als großes, wirklich großes Luftschiff angelegt. Der hat da nicht in Kleinklein gedacht. Der Graf Zeppelin. Na ja, aber wenn man sich das so anguckt, ist es nicht ganz so überraschend, dass daraus nichts wirklich geworden ist. Jedenfalls diese Zeichnung und all seine Überlegungen verschwinden erst mal in der Schublade. Der Mann ist ja immerhin noch Offizier und hat eine Tages Beschäftigung. Vielleicht wäre auch nie etwas aus dieser Idee geworden, wenn Zeppelin nicht zu Beginn der 1890er aus der Armee geschmissen worden wäre. Da musste er sich nämlich was Neues suchen.

00:16:54: Bleibler Er wird aufgrund einer Intrige, man konstruiert ihm Unfähigkeit bei einem Manöver als Kavallerie- Offizier, als Führer einer Einheit aus dem Militärdienst verabschiedet 1891 / 92, also mit 52 / 53. Und jetzt nimmt er etwas aus der Schublade, was ihn all diese Jahre vorher so als schweifendes Hobby beschäftigt hat. Und das ist die Realisierung eines großen Luftschiffes. Und das nimmt er raus und macht daraus, auch aus persönlicher Zurückgesetztheit, aus Kränkung über den Verlust dieses von ihm sehr geliebten Offiziersberufes. Daraus die große national-patriotische Aufgabe, das heißt er will es allen zeigen.

00:17:32: Marko Der geschasste Militär...

00:17:35: Martin Aus einer Kränkung entsteht so etwas wie der Zeppelin. Aber dafür braucht er natürlich erst mal eins, nämlich Geld. Also er braucht Leute, er braucht Werkstätten, wo man so was bauen kann. Und dazu schreibt er 1891, also gerade aus der Armee entlassen, einen Brief an den Kabinettschef des Königs von Württemberg.

00:17:55: Marko Euer Exzellenz. Eingedenk des hohen Interesses, das Seine Majestät der König vor einigen Jahren an den Fortschritten der Luftschifffahrt zu nehmen geruhten, beehre ich mich, Euer Exzellenz zu bitten, allerhöchst demselben davon Kenntnis geben zu wollen, dass ich beabsichtige, demnächst Luftfahrzeuge zu bauen, von deren Lenkbarkeit auch bei starken Windströmungen ich überzeugt bin. Da die schnelle, von keinen Hindernissen auf der Welt abhängige Art zu reisen, welche meine Luftschiffe ermöglichen sollen, von größter Bedeutung für Zwecke des Heeres und namentlich der Flotte sein wird, so erachte ich es für Pflicht, vor weiteren Schritten als demjenigen der Anmeldung bei dem Patentamte die Reichsregierung auf meine Erfindung aufmerksam zu machen. Ja, das ist natürlich jetzt ein bisschen gestelzt formuliert.

00:18:50: Martin Sehr unterwürfig natürlich. Aber in eben dem Stil der Zeit, ist immerhin ein König, dem er schreibt.

00:18:56: Marko Ja, natürlich. Und: Kriegt er Geld?

00:19:00: Martin Ne. Also, anbeißen mag trotz aller Unterwürfigkeit niemand, also nicht der König von Württemberg und schon gar nicht der deutsche Kaiser Wilhelm. An den richtete er sich nämlich auch und an sein Kabinett. Aber das wird alles abgelehnt, denn da glaubt weder das Militär noch sonst irgendjemand dran, dass mit dieser komischen Luftschiff-Idee irgendein Staat zu bauen ist. Mittlerweile, weil er dauernd diese Bittbriefe schreibt...

00:19:24: Marko Es ist nicht der einzige Brief, den er schreibt.

00:19:25: Martin Nein, nein, nein. Er hat, wie gesagt, auch an den deutschen Kaiser Wilhelm.

00:19:28: Marko Er bettelt...

00:19:28: Martin ...bettelt er und handelt sich damit den Titel ein "Der Narr vom Bodensee". Weil das halt so eine spinnerte Idee ist. Und Kaiser Wilhelm hat für ihn sogar einen ganz besonderen Titel.

00:19:40: Bleibler Der dümmste aller Süddeutschen. Ich glaube, in dieser frühen Luftfahrt-Welt ging es nicht ohne, ohne Spinnerei, ohne Sturheit. Auch ohne die Bereitschaft sozusagen, sich der Lächerlichkeit preiszugeben oder seine Existenz aufs Spiel zu setzen. Und das war bei ihm nicht so das Thema. Also viel wurde finanziert über das Vermögen seiner Frau, das muss man auch sagen. Und er hat natürlich auch mit seiner Rolle als Adeliger, der aber auch weiß, wovon er redet, wenn er von Krieg und Militär redet, hat er natürlich auch kokettiert, hat sich da auch sehr clever inszeniert. Und natürlich war er auch schon privilegiert aufgrund seines Status gegenüber vielen Altersgenossen, Gleichaltrigen, die Ähnliches versucht haben und dann halt im Irrenhaus gelandet sind. Also hier gibt es natürlich auch die sozialen Schichtungen. Wer kann sich wie viel Spinnerei leisten? Man muss sich auch klar machen, dass er sich als technischer Laie in diese Fachwelt hineinbegeben hat, in diese damalige Ingenieurs Welt. Und diese Emotionalisierung, die Begeisterung auch breiterer Massen mit dieser nationalen Aufladung, die kann natürlich erst kommen, als das erste Luftschiff am Himmel war.

00:20:49: Martin Ja, aber das hat dann erst mal zehn Jahre gedauert, bis es wirklich dann am Himmel zu sehen war.

00:20:54: Marko Nun stellt sich ja die Frage, wenn das ja schon in den USA als Spionagemittel als Ballon zumindest existiert hat, dann ist dieser Schritt zu sagen, das Ding muss einen Propeller haben und fliegen können ja nicht so weit. Ich gehe mal davon aus, dass das auch andere daran gearbeitet haben.

00:21:10: Martin Ja, und vor allen Dingen der Erzfeind damals. Die Franzosen haben daran gearbeitet und waren im Übrigen auch schneller als der Graf Zeppelin. Da gab es in den 1880 er Jahren das Militär. Man horche auf Militär, Luftschiff, Lawrence. Natürlich hieß es so, und auch da war das Militär daran interessiert und hat das finanziert. Das erste steuerbare Luftschiff, 50 Meter lang, neun PS mit Elektromotor angetrieben. Tatsächlich auch.

00:21:41: Marko Umweltfreundlich.

00:21:42: Martin Kann man so sagen. Aber das war natürlich dann mit den Batterien, die es dafür brauchte, auch sackschwer. Und ja, es hat insgesamt nur sieben Fahrten veranstaltet. Mit zwei Mann Besatzung. Das waren die beiden Konstrukteure, die da mitgefahren sind. Und danach ist es mehr oder weniger wieder verschwunden.

00:22:00: Marko Warum?

00:22:01: Martin Das Hauptproblem- und das hat mit der Zeit zu tun, in der es entwickelt worden ist dieses erste Luftschiff - das sind zwei: Zum einen die Motorentechnik in den 1870er 80er Jahren, die war einfach noch nicht so weit. Das zweite Problem war, dass die "La France", also dieses erste französische Luftschiff, eine weiche Hülle hatte. Und das Problem damit ist: Mit einer weichen Hülle kannst du nur bis zu einer gewissen Größe das bauen, vor allen Dingen mit den Materialien, die damals zur Verfügung standen.

00:22:28: Marko Weiche Hülle bedeutet: Im Prinzip wird das Ding aufgeblasen.

00:22:31: Martin Ja, da kommt eben das Gas rein und dann entfaltet sich die Hülle aufgrund der Gas-Füllung und sobald das Gas raus ist, fällt es wieder in sich zusammen.

00:22:39: Marko Beim Zeppelin ist es anders.

00:22:41: Martin Beim Zeppelin ist es insofern anders, als es eben eine starre Konstruktion ist. Es gibt eine Aluminium Konstruktion, ein Aluminium Gerüst und darüber wird dann Leinwand gezogen, also Leinwand, wie man sie so kennt und dann mit Spannlack, damit das Ganze dann auch dicht ist und stramm ist, wird das bestrichen und dann kommen da einzelne Trag-Behälter rein. Einzelne Ballone werden da reingesetzt, die dann tatsächlich mit dem entsprechenden Gas gefüllt werden.

00:23:11: Marko Also was ich außen sehe ist nicht die Hülle, die sozusagen das Gas zurückhält, sondern nur die Hülle für die Hüllen.

00:23:17: Martin Ja, in den späteren Versionen ist das so. Ganz am Anfang war da tatsächlich in diesem Haupt-Körper tatsächlich auch das Gas drin.

00:23:24: Marko Muss ja nur ein verwirrter Vogel mal gegen dengeln. Dann ist das Dingkaputt.

00:23:27: Martin Dann ist da ein Loch drin. Das ist dann erst mal noch nicht so dramatisch. Da sind ja Riesen-Körper, da kann schon mal auch ein Loch drin sein. Dann flickt man das halt wieder.

00:23:35: Marko Das kann man unterwegs flicken.

00:23:37: Martin Das ist dann später teilweise unterwegs auch wirklich geflickt worden. Da gibt es so Mannschaften, die dann während der Fahrt über dem Atlantik oben auf der Hülle rumgeturnt sind und haben dann zum Beispiel Löcher repariert. Ja, das war, das war möglich. Also nur, dass da so ein kleines Loch drin ist, bringt das Ding noch nicht zum Abstürzen. Aber was eben der Vorteil dieser starren Konstruktion ist, dass es viel, viel größer gebaut werden kann als die mit einer weichen Hülle. Und das hat der Graf Zeppelin mit Verve verfolgt. Und das hat lange, lange gedauert, bis er dann erfolgreich gewesen ist. Und deswegen wurde es darüber das Jahr 1900. Genau. Im Juli 1900 ist er dann zum Ersten Mal über den Bodensee öffentlich mit einem Zeppelin geschwebt. Das war das LZ 1, Luftschiff Zeppelin 1. Und am Rand des Bodensees standen 12.000 Zuschauer.

00:24:32: Marko Und offenbar auch ein Reporter. Der hat folgendes geschrieben: In Friedrichshafen unternahm Graf Zeppelin seine erste abenteuerliche Reise durch den Weltraum. Durch den Weltraum?

00:24:42: Martin Ja, war ein englischer Reporter, der schrieb Mid-Space. Ich habe das mal mit Weltraum übersetzt, also durch den durch den Raum, kann man sagen.

00:24:50: Marko ...durch den Weltraum mit dem Luftschiff. Dass einige der wildesten und daher beliebtesten Kapitel der halb wissenschaftlichen Schüler-Romane in nüchterne Tatsachen verwandelt hat. Bei seiner denkwürdigen ersten Probefahrt, bei der er sich vorwärts, rückwärts und seitwärts bewegte, stieg er bis zu einer Höhe von über 1000 Fuß auf und legte in einer Viertelstunde 3,3 Meilen zurück. Aha. Also wir. Wir befinden uns auch in der Zeit der Jules Verne Romane.

00:25:22: Martin Genau, genau. Und nicht nur Jules Verne hat über solche fliegenden Geräte spekuliert, sondern da gab es eben auch alle möglichen Billig-Romane und Geschichten.

00:25:31: Marko Das meint er mit diesem Schüler-Roman.

00:25:32: Martin Genau.

00:25:32: Marko Das, was uns irgendwelche phantastischen Zukunfts-Romane erzählen, das wird hier Wirklichkeit über dem Bodensee.

00:25:40: Martin Plötzlich sieht man dieses Gerät tatsächlich da schweben. Und dieser englische Reporter von der Illustrated London News war von dieser ganzen Geschichte offensichtlich sehr angetan. Der Artikel fällt sehr, sehr freundlich aus und verschweigt, dass das Luftschiff nach 18 Minuten notwassern musste, weil da wohl eine...

00:26:00: Marko Ist im Bodensee gelandet.

00:26:01: Martin Ist im Bodensee gelandet, also die Plattform, auf der dieses Luftschiff gebaut wurde, der Hangar schwamm auch auf dem Bodensee und weil man da eben gute Möglichkeiten hatte, es war alles platt. Und weil man Angst davor hatte, auf festem Boden zu landen, hat man gedacht okay, wenn das Ding runtergeht, dann ist es auch im Wasser immer noch besser aufgehoben als an Land. Und ja, da ist es eben genotwassert, weil irgendeine Kurbel gebrochen ist, womit man diesen Körper, diesen Schwebe-Körper austrimmen konnte. Dann hat es drei Monate gedauert bis das wieder repariert war und dann die zweite Fahrt, da wurde das Schiff vom Wind abgetrieben, weil die vier Daimler-Motoren die das angetrieben haben, zu schwach gewesen sind. Und drei Tage später erneut ist man gestartet, damals schon dann in Anwesenheit des Königs von Württemberg. Der hatte also zwar kein Geld gegeben, aber doch offensichtlich Interesse angemeldet und von diversen Militärbeobachtern. Aber so richtig überzeugt war man nicht. Das Urteil lautete dann: Das ist ein wertvolles Versuchsstück, aber militärisch nicht verwendbar. Zeppelin wollte das eigentlich verkaufen und mit diesem LZ1 in Serie gehen, aber das hat nicht funktioniert. Er ist kein einziges Exemplar losgeworden und musste dann seine Mitarbeiter entlassen und LZ1 zerlegen, um seine Ausstände zu begleichen. Er hatte schlicht und ergreifend Schulden.

00:27:21: Marko Aber offenbar - er ist ja später sehr erfolgreich geworden: War LZ1 zwar das erste, aber nicht das letzte Luftschiff.

00:27:30: Martin Nein, Zeppelin ging sofort LZ2 an, das war im Prinzip nichts anderes als eine verbesserte Version von LZ1.

00:27:35: Wo nimmt das Geld her?

00:27:37: Martin Ja, das ist halt wieder so eine Sache. Was macht man, wenn man kein Geld hat? Bewährte Möglichkeit...

00:27:41: Marko Keine Ahnung: Verrat es mir, verrat es mir jetzt und sofort.

00:27:47: Martin Na, man veranstaltet eine Lotterie.

00:27:49: Marko Ach so,.

00:27:50: Martin Ja, das hat man immer gerne gemacht. Und da kommen auch 12.000 Reichsmark zusammen. Außerdem schaffte er es, aus dem Sondervermögen der Reichsregierung 50.000 Mark zu bekommen. Und Zeppelin privat steckt auch noch mal 100.000 Mark in diese Geschichte. Also privat heißt jetzt nicht unbedingt er, sondern seine Frau. Die hat ihm das offensichtlich alles finanziert. Muss Liebe wohl gewesen sein? Ja, und dann dauerte das Ganze aber bis 1905. Und beim ersten Versuch, wurde der Zeppelin an die Hallen-Wand gedrückt und musste zwei Monate repariert werden. Der nächste Versuch endete mit einer Bruchlandung auf einem Acker und der völligen Zerstörung des Zeppelins in der folgenden Nacht durch Gewitter. Ja, und dann ist es natürlich relativ wenig überraschend, dass sich das Volk, was da am Bodensee lebte, langsam über den guten Grafen und seine Fehlversuche lustig machte. Und da existierten dann auch schöne Kinderreime. Ich habe da mal einen mitgebracht, Marko, magst du mal?

00:28:54: Marko Lange kam vom Schwäbischen Meer sonderbare Kunde her, dass dort einer, der wohl toll, gar das Fliegen lernen woll. Zippel, zappel, Zeppelin - Zeppelin ist wieder hin.

00:29:04: Martin Hübsch, ne.

00:29:04: Marko Toll. Aber wie wir alle wissen, nach LZ2 kommt.

00:29:09: Martin Wir raten es LZ3 - jawoll. Aber LZ 3 wird dann endlich das erste Luftschiff, was auch was taugt.

00:29:15: Marko Machen wir so weiter bis LK 125 oder wie muss ich mir das vorstellen?

00:29:19: Martin Nein, nein, wir. Wir werden das nicht komplett durchdeklinieren. Gleich kommt noch LZ4, weil das wichtig ist. Und dann wollen wir es erst mal bewenden lassen mit der Nummerierung. Aber jetzt erst mal LZ3, also das wird 1906 fertiggestellt und ein Jahr später hat es schon erfolgreich 45 Fahrten hinter sich gebracht und über 4000 Kilometer zurückgelegt. Also das war wohl was Solides mittlerweile. Und zur Demonstration reiste dann sogar auch Kaiser Wilhelm an und das Militär beißt an und das ganze blieb auch im Ausland nicht unbemerkt. Also man hat da vor allen Dingen von Großbritannien aus auch schon sehr interessiert und auch mit einer gewissen Vorsicht auf diese ganze Geschichte geguckt.

00:30:05: Marko Auf dem Bodensee hat Graf Zeppelin weitere Versuche mit seinem neuen Luftschiff durchgeführt, für das das deutsche Kriegsministerium die Summe von 100.000 £ zu zahlen bereit ist, sobald es 24 Stunden am Stück in der Luft bleiben kann. Am Montag schwebte Graf Zeppelin etwa sechs Stunden lang über dem Bodensee. Er konnte eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 Meilen pro Stunde beibehalten, wenn er sich geradeaus bewegte.

00:30:30: Martin Ja, also woher dieser Reporter die Summe von 100.000 £ hat, weiß ich nicht. Der Reichstag bewilligte dem Grafen 3 Millionen Reichsmark zum Ankauf von diesem LZ3, und das wurde dann 1908 zu Versuchszwecken ins Heer übernommen. Und außerdem erhielt Zeppelin eine halbe Million Mark zur Entwicklung von....

00:30:52: Marko Jetzt kommt es... LZ4

00:30:56: Martin Ja, richtig, genau. Und ja, mit der Entwicklung von LZ4, das ist besonders wichtig, weil damit die Phase beginnt, in der der Zeppelin ja von einer technischen Kuriosität und einem technischen Wunder zu einem Prestigeprojekt des deutschen Kaiserreiches wird. Das sagt jedenfalls der Jürgen Bleibler vom Zeppelin Museum.

00:31:17: Bleibler Nichts, was damals flog und was man über sich sehen konnte, war auch nur annähernd so groß wie dieses Ding. Also der LZ4 war 139 Meter lang, so groß wie ein Panzerkreuzer und schwebte über den Köpfen. Und das ist natürlich etwas, was die Fantasie beflügelt hat, was diesem Ausdruck von Macht und von Selbstbewusstsein, den das Ding verkörpert hat, eben auch physischen Ausdruck verliehen hat. Es ist eben auch groß. Und Karl Klaus-Berg hat mal vom Staatsphallus der zu spät gekommen Nation gesprochen und da ist sicher auch was dran. Also das hat mit Dimension zu tun und mit mit Aufladungen in unterschiedlichsten psychologischen und auch soziologischen Hinsichten.

00:31:57: Marko Der Zeppelin als Schwanz-Verlängerung als fliegender Pimmel von Kaiser Wilhelm dem Zweiten.

00:32:02: Martin Den er auch stolz vor sich hergetragen hat, um im Bilde zu bleiben. Mit LZ4 hat das angefangen und setzte sich dann mit den folgenden Zeppelinen fort. Aber was besonders wichtig war, ist, dass LZ 4 eine 24 Stunden Fahrt durchgeführt hat. Mit 15 Passagieren sind die vom Bodensee entlang des Rheins über Straßburg bis Mainz und wieder zurück. Und diese Strecke entlang des Rheins und über Straßburg, die ist nicht zufällig.

00:32:31: Bleibler Am Rhein entlang war der mit Abstand wichtigste Punkt die Überquerung von Straßburg, der Hauptstadt des Elsass, nach dem Krieg 1870 / 71 mit französischen schmerzhaften Gebietsverluste verbunden, also für Frankreich ein Symbol der Niederlage und für das deutsche Kaiserreich ein Symbol des Sieges und der Macht. Und Straßburg war die einzige Stadt, die vorher über die voraussichtliche Ankunft informiert wurde, damit man Fotografen aufstellen konnte. Die Belichtungszeiten waren ewig, da musste man richtig da sein, damit Begrüßung Komitees auf der flachen Plattform des zweiten Münster-Turms stehen konnte, damit man flaggen konnte, damit man Musikkapellen aufgestellt hat. Und diese Fotos und diese Darstellung: LZ 4 mit dem Straßburger Münster. Das wurde ein ikonische Bild in dieser Zeit, das massenhaft verbreitet wurde auf Werbematerialien, auf Aluminium-Medaillen, auf Anhängern für Mädchen, auf Gesellschaftsspielen und was auch immer. Und es zeigt natürlich auch diese, diese bildhafte politische Aufladung, dieses Dings.

00:33:31: Martin Also es wird zum großdeutschen, zum deutschnationalen Symbol dieses LZ4 und mit ihm natürlich auch der Graf Zeppelin. Und das, obwohl diese Fahrt ja ziemlich unrühmlich geendet ist, nämlich bei Echterdingen südlich von Stuttgart auf dem Rückweg, da musste LZ4 notlanden und da hat es dann das Schicksal von LZ2 erlitten. Es ist durch ein Gewitter zerstört worden. Für Zeppelin aber war das Unglück eigentlich ein Gottesgeschenk, so seltsam das klingt. Es geschah nämlich das Wunder von Echterdingen: Er hat nämlich durch diesen Bruch und durch die Zerstörung Aufmerksamkeit bekommen und Hilfsbereitschaft im ganzen Reich. Die internationale Presse hat sogar berichtet. Und dann wurde die Zeppelin Spende des deutschen Volkes eingerichtet. Das war damals die größte freiwillige Spendenaktion im Deutschen Reich.

00:34:24: Bleibler Die Spende begann spontan an dem Platz nach dem Ereignis des Verbrennens und wurde dann eine breite Massenbewegung, in die natürlich auch die Industriellen, die an dem Weiterleben der ganzen Geschichte aus eigenem Interesse interessiert waren oder auch aus nationalem Impetus. Aber eben auch die, die Spenden der Kinder und der Dienstmädchen, die einen Zehner schicken. Und all das - und all das wurde natürlich auch entsprechend kommuniziert und pressetechnisch vermarktet. Und so wurde das Zeppelin-Luftschiff dadurch zu einem nationalen Anliegen. Und das Spannende ist es, dass dann danach ja immer noch Schiffs-Verluste da waren. Und je mehr Schiffs-Verluste kamen, desto größer wurde eigentlich der Glauben an das System. Denn das Luftschiff mit seiner Erhabenheit ist etwas Majestätisches. Und der Zweifel an ihm ist Majestätsbeleidigung. Und das sollte man nicht tun. Also so wird es in einer für uns heute kaum noch nachvollziehbaren Weise aufgeladen.

00:35:23: Martin Der Zeppelin wird also sozusagen zu einer nationalen Aufgabe und die Weiterführung dieses Programms quasi zur Staatsräson. Und deswegen sammelt der gute Graf Zeppelin mit dieser Spendenaktion 6 Millionen Reichsmark ein, was dazu führt, dass er sich erst mal um Geld keine Gedanken mehr machen muss. Und gründet die Zeppelin GmbH, die es im übrigen auch bis heute noch gibt. Die bauen neben Zeppelinen auch Bau-Geräte. Das sieht man manchmal so an Baustellen, da steht auch Zeppelin dran. Ja, genau, das gibt es bis heute im Prinzip. Also der hat sich an dieser Spendenaktion gesund gestoßen und ich habe einen Original O-Ton von Graf Ferdinand von Zeppelin ausgegraben von 1908, wo er sich für diese National-Spende, für diese Spende des deutschen Volkes bei den Spendern bedankt.

00:36:11: Marko Nun muss man sagen, das ist eine Sensation, ein O-Ton aus dem Jahre 1908. Da gibt es nicht so wahnsinnig viele. Der muss das aufwendig auf eine Wachs Walze aufgesprochen haben.

00:36:22: Martin Ja richtig, genau das waren damals Walzen, die besprochen worden sind. Und da gibt es im Prinzip heute noch eine Handvoll davon. Und eine davon ist eben diese Dankesrede von Graf Zeppelin an das deutsche Volk.

00:36:35: Marko Ist das verständlich für uns?

00:36:37: Martin Gut zuhören.

00:36:38: Marko Man muss sich zusammenreißen. Okay.

00:36:39: Graf Zeppelin Meine Luftschiffe werden bald zu den betriebssichersten Fahrzeugen zählen, mit welchen weite Reisen bei verhältnismäßig geringster Gefahr für Leib und Leben der Insassen ausführbar sind. Mit froher Zuversicht darf das deutsche Volk demnach annehmen, dass es sich mit seiner hochherzigen Spende einen gangbaren Weg zur Wahrhaftigen Eroberung des Luftmeeres aufgetan hat. Dass es bald im Besitz von Luftschiffen sein wird, die zur Erhöhung der Wehrkraft und damit zur Erhaltung des Friedens beitragen, wenn mir noch ein paar Jahre des Schaffens geschenkt werden, so werde ich das seltene, hohe Glück haben, den vollen Erfolg einer beudeutsamen Erfindung, zu deren Werkzeug ich erkoren ward, erleben zu dürfen: zum Nutzen und zum Heile des Vaterlandes.

00:37:27: Martin Ja, das war vielleicht jetzt doch ein bisschen schwierig zu verstehen, wer das noch mal nachlesen möchte. Wir haben ja immer ein Transkript der jeweiligen Episode und da findet sich auch dieser O-Ton ausgeschrieben. Da kann man noch mal genau nachschauen, wie es klingt.

00:37:41: Marko Das Transkript findet ihr unter www.Diegeschichtsmacher.de

00:37:45: Martin Wie auch alle anderen Informationen zu dieser Episode und allen anderen wunderbaren Folgen dieses Podcasts. Ja, das Luftschiff zur Erhaltung des Friedens, das ist das, was er da verkündet. Das klingt natürlich super. Aber Zeppelin wusste natürlich auch, was er in der Öffentlichkeit sagen muss und wie er sich vermarktet.

00:38:05: Bleibler Zeppelin ist ja 1838 geboren, war also kein ganz junger Mann mehr als er das alles gemacht hat. Und er inszeniert sich natürlich als Beherrscher der Lüfte, als neuer Ersatz-Bismarck, auch als Einigungs-Figur in diesem doch nicht so ganz einhelligen Deutschen Reich in diesem Kaiserreich. Und es ist jetzt eben das Heilsversprechen militärischer Überlegenheit. Und natürlich waren die Zeppelin-Luftschiffe vor dem Ersten Weltkrieg auch militärische Drohgebärden gegenüber Frankreich, aber vor allem gegenüber Großbritannien, wo 1908 / 09 zum ersten Mal auf den britischen Inseln Alarmglocken zu schrillen begannen bei der Presse, bei Politikern, bei Militär-Planern und dadurch natürlich auch in der Bevölkerung, die gesehen haben, ein nächster Krieg wird ein anderer sein und die übermächtige Royal Navy, gegen die ja das Kaiserreich versucht hat anzurüsten, aber dieses Wettrüsten nie hätte wirklich gewinnen können. Und so schuf das Zeppelin-Luftschiff eine neue Militär- und machtpolitische Komponente in dieser Zeit.

00:39:09: Martin Also ganz besonders in Großbritannien wurde man unruhig. Und da gab es dann eben auch zu dieser Zeit schon Debatten im Unterhaus darüber, wie man diesen Rückstand gegenüber Deutschland aufholen könnte. Darüber berichtet auch wiederum die Illustrated London News.

00:39:25: Marko Im Parlament gab es eine ernsthafte Diskussion über die Luftfahrt für Kriegszwecke. Herr Haldane.

00:39:32: Martin Das ist der Kriegsminister damals.

00:39:34: Marko Herr Haldane teilte mit, dass die Admiralität für die Marine ein starres Luftschiff vom Typ Zeppelin gebaut habe und dass das Kriegsministerium bald im Besitz von drei nicht starren Luftschiffen sowie zwei Flugzeugen sein werde. Beim gegenwärtigen Stand der Konstruktion sei der Nutzen dieser Instrumente für den Krieg nicht sehr groß, aber es sei unerlässlich, dass wir vorankommen. Und er sei zuversichtlich, dass wir die anderen Länder einholen werden.

00:40:02: Martin Dazu muss man wissen, dass es damals eine große Diskussion gab. Und die Frage war: Was wird denn jetzt das Rennen machen? Die Luftschiffe, also die Luftfahrt, leichter als Luft oder Flugzeuge, denn die waren ja auch noch ganz in den Kinderschuhen. 1908 und 1909 da gab es die ersten halbwegs flugfähigen Flugzeuge...

00:40:22: Marko Doppeldecker, Dreifachdecker.

00:40:23: Martin Auch Eindecker hat man versucht und alles Mögliche. Da gab es die kuriosesten Konstruktionen. Es gab Flugzeuge, die so einigermaßen zuverlässig geflogen sind, aber es war immer noch ein Risiko, mit so einem Ding in die Luft aufzusteigen. Und wer da das Rennen machen würde, Luftschiff oder Flugzeug, das war zu dem Zeitpunkt noch völlig unklar.

00:40:43: Marko Ich stelle mir so etwas etwas seltsam vor, wenn so ein riesengroßes Luftschiff am Horizont erscheint. Man denkt sich so: Das ist ein leichtes Ziel eigentlich. Es ist so groß, man trifft es leicht. Und wenn man es einmal getroffen hat, ja dann es ja auch ab, ist ja voller Wasserstoff. Wasserstoff ist hochexplosiv.

00:41:02: Martin So stellt man sich das vor. So einfach ist es aber nicht. Da gab es auch in den Zeitungsartikeln durchaus Diskussionen darüber, wie man denn so ein Luftschiff bekämpfen könne, denn es reicht ja nicht, da ein Loch rein zu schießen. Haben wir eben drüber gesprochen. Wenn da ein Loch drin ist, dann schwebt das Ding erst mal weiter, sondern man muss dann schon ein ziemlich großes Loch machen und Explosions-Geschosse da rein schießen. Da muss man erst mal treffen und man muss genau da explodieren, damit dann so ein Luftschiff tatsächlich auch abgeschossen werden kann. Es ist nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Und ja, es gab eben damals auch Diskussionen darum, wie das denn zu bewerkstelligen wäre und auch in der Presse entsprechende Berichte. Hier zum Beispiel auch wieder von der Illustrated London News.

00:41:46: Marko Krieg in der Luft. Kaum war das Luftschiff zu einem kriegswichtigen Faktor geworden, machten sich die Kanonen-Bauer daran, eine Waffe zu entwerfen, mit der lenkbare Ballons zerstört werden konnten. Eine solche Waffe ist die 6,5 Zentimeter Kanone von Krupp. Es ist behauptet worden, dass es nicht leicht sei, einen lenkbaren Ballon zu treffen, und das ist es auch nicht. Aber andererseits muss man bedenken, dass ein Luftschiff wie der Zeppelin ein Ziel bietet, das kaum kleiner ist als ein Zerstörer der Dreadnought-Klasse.

00:42:18: Martin Das sind die damals größten Zerstörer gewesen, die Großbritannien besessen hat.

00:42:23: Marko Zur See

00:42:23: Martin Zur See, genau, richtig. Das war der Stolz der britischen Marine. Und es gab ein Wettrüsten zwischen Deutschland und Großbritannien zur See. Und die Maßeinheit war immer der Zerstörer der Dreadnought-Klasse - wie viele hatten die Deutschen davon? Wie viele hatten die Engländer davon? Das war die Währungseinheit.

00:42:44: Marko Jetzt geht dieser Text weiter. Die Firma Krupp hat für ihre Kanone eine spezielle Brand-Granate hergestellt, die die Hülle des Ballons durchstoßen und das Gas entzünden soll. Na, wo sitzt die Firma Krupp?

00:42:56: Martin In Deutschland natürlich. Und das zeigt, dass man auch damit gerechnet hat, dass natürlich andere Länder nachziehen würden. Und wie wir eben gehört haben, im Parlament von Großbritannien, im britischen Unterhaus hat man ja nun eben auch darüber diskutiert und entschieden: Ja, wir brauchen auch so was. Wenn Deutschland das hat, dann brauchen wir auch so was und.

00:43:16: Marko Schock schwere Not. Da schreibt die englische Presse, die haben nicht nur diese Dinger, die fliegen können und uns von oben mit ich weiß nicht was beglücken können. Nein, sie haben auch noch das Instrument, um es zu zerstören. Das klingt ja so, als wäre Deutschland irgendwo mal zum Ersten Mal in seinem Leben vorne.

00:43:34: Martin Ja.

00:43:34: Marko Also militärisch gesehen.

00:43:36: Martin Gerade in diesem Bereich ist es wohl auch tatsächlich so gewesen. Die Briten hatten natürlich einen sehr besonderen Grund, um da sehr unruhig zu werden, denn zum Ersten Mal war es durch diese Luftschiffe, durch diese deutschen Luftschiffe möglich. Nach London auf die Insel zu kommen, also tatsächlich nicht nur von See aus anzugreifen, sondern direkt bis nach London zu fliegen und dort die Zivilbevölkerung zu bedrohen.

00:44:04: Marko Die große Angst der Briten irgendwie die Teutonen, die Hunnen kommen sozusagen über den großen Ärmelkanal, die wird plötzlich sehr real, weil da fliegen die jetzt rüber.

00:44:14: Martin Genau: die splendid isolation, also diese wunderbare Abriegelung nach außen. Die war mit einem Mal zerstört. Und diesen psychologischen Effekt, den darf man nicht unterschätzen. Und bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges, da haben die dann noch mal sehr genau hingeschaut: Was machen die Deutschen denn da eigentlich mit ihren Zeppelinen? Und so heißt es in einem Ausschnitt aus der Times Ende 1914 bereits.

00:44:36: Marko Die Chicago Tribune hat einen Artikel mit Einzelheiten über die deutschen Aktivitäten beim Bau von Zeppelinen veröffentlicht. Nach Angaben des Tribune Korrespondenten ist der Luftschiff-Typ, der jetzt gebaut wird, 400 Meter lang, 14 Meter breit und hat eine Besatzung von 30 Mann. Diese Dreadnought Zeppeline sollen für die Invasion Londons bestimmt sein, die - wie man uns mitteilt - Anfang nächsten Jahres stattfinden soll. Man geht davon aus, dass für diese Invasion 18 bis 20 Zeppeline des neuesten Typs benötigt werden. Deutschland bereitet sich langsam, aber stetig auf seinen angedrohten Luftangriff auf London und die Ostküste Englands vor. Schreckt lass nach!

00:45:18: Martin Ja, und es bleibt eben nicht bei diesen Befürchtungen. Also die Informationen waren mehr oder weniger korrekt. Die deutschen Zeppeline werden zu Beginn des ersten Weltkrieges gleich als strategische Langstreckenbomber eingesetzt. Erst werfen sie Bomben über Städte auf dem Kontinent ab: Antwerpen zum Beispiel wird bombardiert und dann auf englische Küstenstädte und im Mai 1915 dann schließlich auf London.

00:45:43: Marko Und für Herrn Zeppelin, der das ja vorher als großes Friedensumspannendes Werk gefeiert hat, seine Zeppelin Forschung, für den ist das okay.

00:45:51: Martin Mehr als okay, sagt Jürgen Bleibler.

00:45:53: Bleibler Da war Zeppelin eben bis zu seinem Tod auch einer, der radikale militärische Forderungen gestellt hat, also auch mit Argumenten, wie man sie später benutzt hat. Also letztendlich ist es das Bombardement, das dann das Blut unserer eigenen Soldaten spart. Auch ein Argument für die Atombombenabwürfe im Zweiten Weltkrieg auf Japan. Also es wiederholt sich immer. Und diese Stereotypen, die hat er natürlich auch weitergetragen und umgesetzt.

00:46:18: Martin Ich habe ein ganz interessantes Interview gefunden in der Times von damals von 1915, wo Graf Zeppelin auf die Frage nach Bombardierungen der Zivilbevölkerung ja mehr oder weniger sagt: Was habt ihr euch eigentlich so? Ich würde dich bitten, das gerade auch noch mal vorzulesen. Hier, das ist eine ganz interessante Passage. Ich glaube, die kennt man so auch nicht.

00:46:38: Marko Angesichts der Empörung, die dieser Angriff in England ausgelöst hatte, wurde Graf Zeppelin gefragt, was er von der Kriegsführung halte, insbesondere von den Zeppelin Flugzeugen. Der Krieg in der Luft wird ein entscheidender Faktor in der Auseinandersetzung zwischen den Nationen werden, antwortete er. Was die Tötung von Nicht Kombattanten bei dem Angriff betrifft, sagte Graf Zeppelin: Keiner bedauert das mehr als ich. Aber sind nicht auch Nicht-Kombattanten durch andere Kriegsmaschinen getötet worden? Warum also dieser Aufschrei? Ganz einfach: Weil England befürchtet, dass die Zeppeline seine splendid isolation zerstören. Weil es, wenn es nicht gelingt, etwas Ähnliches zu bauen, hofft, die Welt aufzurütteln und Druck auf Deutschland auszuüben, damit es keine Waffe einsetzt, die ihm, England, nicht zur Verfügung steht. Die Besatzungen der Zeppeline haben ebenso wenig den Wunsch oder die Absicht, Frauen und Kinder zu töten, wie die Offiziere und Kanoniere der Artillerie. Wir sind da ja am Anfang einer ganz neuen Entwicklung. Normalerweise hat Zivilbevölkerung auch gelitten, aber eine Schlacht wurde auf dem Schlachtfeld geschlagen.

00:47:49: Martin Und jetzt kommen die Bomben mitten in die Stadt und in dem Fall mitten nach London. Und das hat schon noch eine andere Qualität.

00:47:57: Marko Es ist psychologisch wichtig, glaube ich, weil der Krieg damit wesentlich weiter gefasst wird. Klar, Zivilbevölkerung hat immer gelitten, hat auch im 30-jährigen Krieg gelitten mit unendlichen Verlusten, es wurde immer schon vergewaltigt, wurde immer schon geplündert und es wurde immer schon gemordet. Aber dass plötzlich ein riesengroßes Luftschiff am Himmel auftaucht und irgendwas runter wirft und dann am Ende die Menschen tot, das ist schon neu.

00:48:21: Martin Es ist im Prinzip aus dem Nichts heraus. Dann eben fallen diese Bomben auf die Köpfe. Und der Widerstandswille, der sich daraus ergibt, der hat eben auch eine sehr große Rolle gespielt und war dann eben auch für die britische Propaganda extrem wichtig. Das kann man aus einem Artikel herauslesen, der auch über einen der Angriffe, die auf London geführt worden sind, berichtet.

00:48:46: Marko Mörder der Zivilbevölkerung. Ein Zeppelin-Überfall wie ein Dieb in der Nacht. Das Urteil über den Luftangriff auf die östlichen Grafschaften und einen Teil des Londoner Gebietes lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Keine Panik. Es wurde offiziell festgestellt, dass - mit Ausnahme eines zufälligen Schusses - ausschließlich Eigentum beschädigt wurde, das nichts mit der Kriegsführung zu tun hatte, und dass die Bevölkerung Londons, obwohl Hunderttausende das Geräusch der explodierenden Bomben und der Kanonen hörten, ruhig blieb und nicht in Panik verfiel. Wenn das unmittelbare Ziel des Angriffs darin bestand, die Metropolitan Area zu terrorisieren, so war der Angriff ein kläglicher Misserfolg. London bedauert den Vorfall aus persönlicher und menschlicher Sicht, aber das militärische Ergebnis war die Stimulierung der Rekrutierung und die Vertiefung der Entschlossenheit, den Feind vollständig zu besiegen und ihn in die Knie zu zwingen.

00:49:49: Martin Ja, das ist natürlich Mut, macht Propaganda, ist ja klar mitten im Krieg. Aber tatsächlich haben diese Bombardierungen nicht den erhofften Effekt gehabt, weder die Zerstörung noch die Zermürbung der Zivilbevölkerung. Das hat im Prinzip zu gar nichts geführt, außer dazu, dass die Zivilbevölkerung eben sich hinter ihre Regierung gestellt hat und den Krieg, diesen Abwehrkampf weiter unterstützt hat. Das hat überhaupt nicht funktioniert.

00:50:15: Marko Es gibt zwei Möglichkeiten. Man kann sagen Okay, als Kriegsgerät taugt das Ding nicht, oder? Nö, jetzt erst recht.

00:50:22: Martin Genau. Und jetzt erst recht, haben die Deutschen sich gedacht. Und die weiterentwickelten Zeppeline ab 1916 dann wieder Richtung London geschickt. Das war damals der Typ R, der da neu entwickelt worden ist.

00:50:37: Bleibler Diese Schiffe sind gleichfalls Enttäuschungen, weil natürlich die Abwehr sich inzwischen besser aufgestellt hat. Es gibt Brand-Munition in den britischen Jagdfliegern und es werden im Sommer 16 in kurzer Zeit einige dieser Schiffe abgeschossen. Die Verlust-Quoten waren erheblich. Es gab ungefähr genauso viele Luftschiff-Besatzungen, die in Einsätzen umgekommen sind, wie man Ziviltote auf den britischen Inseln durch Luftschiffe getötet hat. Und das waren so etwas unter 600 als, ich glaube 580, soweit man das heute irgendwie zuverlässig zählen kann. Und natürlich waren die Risiken der mit Wasserstoff gefüllten Luftschiffe waren gewaltig. Und wenn ein Luftschiff von Brand-Munition getroffen wurde durch ein Jagdflugzeug, dann war das das Ende. Insofern hat sich hier die Überlegenheit dieses neuen Systems gezeigt und Luftschiffe wirklich zu fliegenden Särgen gemacht. Das ist sicher richtig.

00:51:26: Marko Die Überlegenheit des neuen Systems - das heißt der Luftabwehr.

00:51:29: Martin Der Luftabwehr, die in dem Fall einerseits aus Geschossen bestand, die vom Boden abgefeuert wurden, aber natürlich auch von diesen neuen Jagdfliegern. Die Entwicklung der Flugzeuge hat ja im Ersten Weltkrieg, angetrieben durch den Ersten Weltkrieg, einen enormen Sprung vorwärts gemacht. Und das, was 1914, zu Beginn des Krieges, noch so mit Ach und Krach in die Luft gekommen ist wackelig. Ich sag jetzt mal ein bisschen übertrieben. Das waren 1916, zwei Jahre später, schon relativ gut ausgereifte Flugzeuge, mit denen man eben auch Attacken auf solche Luftschiffe fliegen konnte und sehr erfolgreich sein konnte. Das wusste natürlich auch der Graf Zeppelin und der hat das Ende des Krieges zwar nicht mehr erlebt, aber für ihn war klar, dass diese Erfindung sein Zeppelin nicht die Kriegsmaschine war, die er sich erhofft hatte. Interessant dabei ist das Image, das er selbst bei Kriegsgegnern gehabt hat. Da gibt es einen sehr, sehr gnädigen Nachruf in der Times. Wenn du denen mal kurz vorlesen könntest.

00:52:31: Marko Graf Zeppelin ist nicht auf dem Zenit seines Ruhmes gestorben, sondern an einem der tiefsten Punkte, den die merkwürdige Ebbe und Flut seines Glückes je erreicht hat. Seit dem Ausbruch des Krieges ist eine ganze Reihe seiner teuren Luftschiffe für Deutschland verloren gegangen. Nicht weniger als sechs wurden nacheinander über England zerstört. Für Graf Zeppelin waren diese Verluste ein schwerer Schlag. Es darf jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Zwecke, für die die Luftschiffe jetzt eingesetzt werden, nicht die sind, die Graf Zeppelin im Auge hatte, als er seine Bemühungen um den Bau der Luftschiffe begann. Sein Ziel war es, einen lenkbaren Ballon zu bauen, der in der Lage ist, in gerader Linie über Land und über Wasser zu fahren, aber nicht, um aktiv an den Operationen der eigentlichen Kriegsführung teilzunehmen. Nun ist Graf Zeppelin tot, der Krieg bald für die Deutschen auch verloren. Wie geht es mit dem Zeppelin weiter?

00:53:30: Martin Ja, das ist jetzt die große Frage, denn militärisch ist er nutzlos.

00:53:36: Marko Und militärisch ist Deutschland auch am Boden...

00:53:38: Martin ... darf eh nicht aufrüsten, sehr viele Jahre lang, und in die Luft steigen: Also was macht man mit diesem Zeppelin? Und da kommt Hugo Eckener ins Spiel. Hugo Eckener ist der Nachfolger von Graf Zeppelin. Der ist über die Jahre nach und nach aufgebaut worden. Der ist ursprünglich Journalist gewesen und ist dann ja als rechte Hand und als Nachfolger von Graf Zeppelin immer mehr ins Geschäft gekommen. Und der übernimmt dann nach dem Ersten Weltkrieg. Und der kommt auf die Idee zu sagen: Okay, als Kriegsgerät taugt das nicht. Was machen wir jetzt damit? Wir drehen das Image um 180 Grad. Oder besser, wir knüpfen im Prinzip da an, wo wir mit dem Image eben schon waren, offensichtlich, der Zeppelin hatte ja trotzdem ein gutes Image, zumindest sein Erfinder. Und wir machen aus dem Kriegsgerät einen Friedensengel. Hugo Eckener hat dann versucht, neue Märkte zu erschließen, Kontakte in die USA geknüpft, nach Südamerika, nach Japan und hat dort versucht, Geldgeber zu finden. Und die hat er auch gefunden. Und dann baut er diesen Zeppelin zur völkerverbindenden Friedens Marke aus.

00:54:48: Bleibler Also in dieser Zwischenkriegszeit, in diesen 20er und dreißiger Jahren verkörpert Zeppelin Fernweh, Globalisierung, beschleunigt die Kommunikation, auch das Aufmachen eines neuen Marktes, um sozusagen große interkontinentale Entfernungen einfach schneller zurücklegen zu können, schneller Post befördern zu können. Das ist das Eine, das ist das Praktische. Das ist das, womit man einen Markt aufbauen und erobern wollte. Auf der anderen Seite, und das ist gerade so das Thema eines Hugo Eckeners - und als solches hat er das Schiff auch verkauft -verkörpern die Zeppeline eben auch genau diese Emotion von Völkerverständigung. Die Kontinente einander näherbringen, die Menschen einander näherbringen. Das ist ja ein durchgängiges Heilsversprechen der gesamten Luftfahrt in dieser Zeit, sozusagen zivilisatorisch im Sinne der Menschheit zu wirken. Und das wird eben auch mit einer sehr klugen Marketingstrategie verkauft. Man nutzt das Radio, man nutzt die Wochenschauen, man nutzt die Fotografie, um eben all das in die Wohnungen der Steuerzahler und in die Lesesessel und in die Kinderzimmer zu bringen. Also diese massenhafte Vermarktung des Luftschiffes in dieser Zeit, es gibt nichts, wo nicht irgendwo ein Zeppelin-Luftschiff mal drauf war. Also es ist ein Gemisch etwas Positivem, Globalem, etwas Pragmatischem Markt aufbauen, ein Produkt verkaufen. Und natürlich auch in Deutschland, in der Weimarer Zeit und danach natürlich noch umso mehr - also ab 33 mit einer nationalen und nationalistischen politischen Aufladung.

00:56:24: Martin Also da haben wir im Prinzip die Wiederholung dessen, was man 1908 / 09 schon mal hatten. Dieses Nationalprojekt, dieses einigende Überlegenheit- und Prestigeobjekt der deutschen Nation, des deutschen Volkes, das wird hier wieder aufgenommen und dann von den Nazis natürlich für ihre Zwecke gebraucht, missbraucht und gewendet. Das ist letztendlich das freundliche Gesicht des Faschismus. Dieser Zeppelin, der als Botschafter in alle Welt fliegt...

00:56:51: Marko Jetzt, halt mit Hakenkreuze dran...

00:56:53: Und der auf der Seiten-Flosse groß das Hakenkreuz trägt. Genau. Ja.

00:56:58: Marko Ist denn viel damit wirklich gereist worden? War das ein Verkehrsmittel in dem Sinne zu der Zeit?

00:57:03: Martin Na ja, kein Massenverkehrsmittel, das sagt ja eben schon die Platzzahl.

00:57:07: Marko Schon des Preises wegen....

00:57:08: Martin Also es war einfach unglaublich teuer und es waren wenige Leute, die damit über den Atlantik gefahren sind. Der Höhepunkt dieses noblen Reisens durch die Luft, dieses Schwebens durch die Luft war die LZ 129. Das war die Hindenburg. Also das war letztendlich ja der Glanzpunkt und der Höhepunkt in der Zeppelin Entwicklung. 245 Meter lang. Man muss mal die Daten einfach sich auf der Zunge zergehen lassen. 245 Meter, 45 Meter hoch, 242 Tonnen schwer und gefüllt mit 200.000 Kubikmetern hoch entzündlichem Wasserstoff. Also beste Voraussetzungen für ein Desaster. Aber da kommen wir gleich zu Das hatte zwei Decks für bis zu 72 Passagiere und 61 Besatzungsmitglieder. Also allein schon an dem Verhältnis kannst du sehen.

00:57:58: Marko Eine Nahezu eins zu eins Betreuung.

00:57:59: Martin Dass man da viele Leute braucht, um die paar Männeken dann eben zu transportieren.

00:58:04: Marko Aber so eine Hindenburg, die flog dann schon in einer Art Linienverkehr. Oder wie muss ich mir vorstellen?

00:58:09: Martin Ja, das hat man dann etwas großspurig Linienverkehr -Transatlantik-Dienst hat man das genannt, aber letztendlich ist es eine sehr überschaubare Anzahl von Fahrten gewesen. Insgesamt sieben Mal ist man von Friedrichshafen bis nach Rio de Janeiro gefahren und zehn Mal zwischen New York und Friedrichshafen hin und her gependelt. Das war also dann der reguläre Dienst, die Fahrzeit nach New York 59 Stunden - also das war auch ein etwas längeres Vergnügen.

00:58:38: Marko Na ja, die Alternative wäre das Schiff damals gewesen.

00:58:42: Martin Das hätte ungefähr doppelt so lange noch mal gedauert. Deswegen war das auch immer -obwohl dieses Luftschiff sehr behäbig daherkommt - war es auch immer eine Frage der Beschleunigung. Also man konnte schneller reisen. Man war doppelt so schnell wie das schnellste Passagierschiff, das zu dieser Zeit existierte. Und das war ein unglaublicher Sprung nach vorne.

00:59:00: Marko Und es ist natürlich auch ein sehr luxuriöses Reisen und ein Abenteuer. Und das Modernste überhaupt, was es überhaupt gibt. Ich habe mir immer vorgestellt, dass alles, was sich in diesem Luftschiff abspielt, unten in dieser Kanzel ist. So ist es gar nicht.

00:59:13: Martin So denkt man, genau richtig, weil da die Fenster sind. Und so weiter. Und so war das bei den meisten Luftschiffen auch der Fall. Bei der Hindenburg war das anders. Da war in der Gondel im Prinzip nur das Steuer-Haus und so ein paar technische Einrichtungen und die eigentlichen Passagier Decks - zwei Stück an der Zahl - die waren in diesem großen Ballon-Körper unten drin untergebracht. Und dann gab es Fenster. Wenn man genau auf die alten Fotos guckt, dann kann man die auch sehen. Fenster, die so schräg nach unten zeigen. Und da waren dann die entsprechenden Annehmlichkeiten untergebracht. Also neben den Kabinen, die waren eher spartanisch, gab es da ein Restaurant und einen Salon mit Flügel im Übrigen, der extra dafür konstruiert und gebaut wurde aus Aluminium, damit er nicht so schwer ist. Und es gab Promenaden-Gänge, Wandel-Gänge. Es gab - und jetzt aufhorchen - sogar ein Raucherzimmer.

01:00:08: Marko Ach.

01:00:09: Martin Mit dem einzigen Feuerzeug an Bord, was vom Steward verwaltet wurde. Und dieses Raucherzimmer wurde aufwendig be- und entlüftet, um jede Gefahr zu vermeiden, dass es durch dieses Feuerzeug eine Entzündung geben könnte. Und Rauchen war verboten in den allermeisten Luftschiffen, in der Hindenburg nicht. Da konnte man sich eben in das Raucherzimmer zurückziehen und dort eine in Ruhe durchziehen.

01:00:32: Marko Nun wissen wir alle das Ende der Hindenburg. Grausam.

01:00:38: Martin Ja,.

01:00:38: Martin Nichts ist bekannter als eine Reportage über das Ende der Hindenburg. Eine Radio-Reportage., damals, glaube ich, entstanden in New York.

01:00:46: Martin Genau. Es war eben einer dieser Transatlantikdienste, wo die Hindenburg mal wieder erwartet wurde. Ich habe ja eben gesagt, es waren nicht so viele Fahrten, die da tatsächlich stattgefunden haben und deswegen war das auch immer noch ein Riesen Ereignis, immer wenn die Hindenburg, wenn dieses deutsche Luftschiff ankam und in Lakehurst, das war der Flughafen oder das Flugfeld, wo die Luftschiffe abgefertigt wurden, und wenn da eben das Luftschiff ankam, dann waren da immer Tausende von Menschen. Und als die Hindenburg 1937 dann bei einer dieser Fahrten wieder in Lakehurst ankommt, warten da eben nicht nur Zehntausende von Menschen, sondern auch ein Radioreporter. Und was der zu berichten hat, fassungslos zu berichten hat, das hören wir uns mal an - einer der berühmtesten Töne des 20. Jahrhunderts.

01:01:37: Reporter Lakehurst Unübersetzt

01:02:34: Martin Der Reporter beschreibt, wie die Seile herabgelassen werden. Das ist im Prinzip dann schon Routine. Es hat angefangen, ein bisschen zu regnen und die Atmosphäre ist so ein bisschen gewitterig die ganze Zeit schon und etwas windig. Es hat eine ganze Weile gedauert, den Zeppelin wirklich dahin zu kriegen, wo er sein soll. Und nun geht es aber los. Und dann beschreibt er eben, wie dieser Zeppelin innerhalb von Sekunden anfängt Feuer zu fangen und in weniger als einer halben Minute zu Boden stürzt und komplett ausbrennt. Und man hört das an der - seine Stimme ist komplett fassungslos und erstickt. Und an einer Stelle sagt er seinem Techniker Charlie: Ich kann hier gar nicht weiterreden und bin völlig fertig. Und das ist das Schlimmste, was ich je in meinem Leben gesehen habe.

01:03:16: Marko Na ja, also ein mit Wasserstoff gefüllter, riesengroßer Gaskörper mit Menschen darin, das ist natürlich auch furchtbar.

01:03:24: Martin Ja, es ist furchtbar. Und wenn man die Bilder dazu gibt, es gibt Wochenschau-Bilder dazu, wie die Leute versuchen aus diesem brennenden Wrack heraus zu rennen, auch noch Sekunden nachdem das Luftschiff auf dem Boden aufgeschlagen ist. Das ist schon hart anzusehen, wenn man das live mitbekommt.

01:03:40: Marko Und so entstand einer der berühmtesten Radioreportagen der Menschheitsgeschichte, muss man sagen.

01:03:45: Martin Ja, im Nachhinein wird das als Lehrmaterial gebraucht, wie man mitfühlend reportiert. Das Ganze ist als eine der größten Luftfahrt-Katastrophen in die Weltgeschichte eingegangen, wobei es gar nicht, wenn man das jetzt mal relativieren möchte, ist. Es gehört nicht mal zu den Top Ten der größten Katastrophen der Luftfahrt-Geschichte. Aber es existiert eben diese Reportage darüber und es existieren die Bilder und die sind nun wirklich sehr spektakulär.

01:04:14: Marko Aber hat irgendjemand aus diesem Luftschiff überlebt?

01:04:17: Martin Ja, es gab am Ende 37 Tote. Es waren an Bord über 90 Personen. Es haben sich erstaunlich viele aus diesem Inferno retten können. Und insofern, was ich gerade sagte: Es sind gar nicht so wahnsinnig viele Tote gewesen, ist natürlich furchtbar um jeden Einzelnen. Aber im Vergleich zu anderen Katastrophen der Luftfahrt-Geschichte war das relativ überschaubar.

01:04:39: Marko Nun, die Frage ist nach der Ursache. Da gibt es ja die wildesten Spekulationen, wenn ich das richtig im Kopf habe.

01:04:47: Martin Ja, es gibt alles Mögliche. Wie bei anderen spektakulären Unfällen auch, gibt es natürlich sofort Verschwörungs Erzählungen, Verschwörungs Fantasien. Wer hat da vielleicht - und dann ja auch noch in der Vorkriegszeit.

01:04:59: Marko Ein Anschlag - - -.

01:05:00: Martin Wo sich das gerade so anbahnte in Richtung Zweiter Weltkrieg. Wer hat da vielleicht seine Hand im Spiel gehabt? Das ist im Prinzip bis heute nicht wirklich genau herausgefunden worden, was der Grund gewesen ist. Klar ist, es war sehr gewittrig und es gab verschiedene Untersuchungsberichte, die dann eben auch versucht haben, mögliche Ursachen auszumachen. Die wahrscheinliche Ursache war vermutlich eine statische Aufladung der Zeppelin-Hülle und um diese Aufladung abzuführen, wurden mit den Seilen, an denen der Zeppelin zum Schluss dann festgemacht wurde und runtergezogen wurde, wenn er gelandet ist. Da waren auch Kabel mit dran, die eben die entsprechende elektrische Aufladung in den Boden erden sollten. Und man vermutet, dass diese Kabel nicht ausgereicht haben und dass es dann durch irgendeinen Grund, da braucht dann tatsächlich nur ein Funke in der Luft zu liegen, dazu geführt hat, dass dieses Luftschiff ja explodiert ist.

01:06:01: Marko Damit war die Idee der Luftschiffe tot.

01:06:06: Martin Noch nicht ganz. Da war die Idee der Passagier Luftschifffahrt tot. Es gab anschließend verschiedene Versuche das Ganze weiterzuführen. Es gab Propaganda-Fahrten, die weiter gemacht wurden mit dem Grafen Zeppelin, mit dem Luftschiff. Sogar während des Zweiten Weltkrieges gab es noch Versuche die Zeppeline über dem Kanal als Aufklärer einzusetzen, also wieder als im Prinzip Kriegs-Werkzeug. Aber so richtig weitergegangen ist das Ganze nicht. Der Zeppelin und die Luftschifffahrt war dann erst mal tot.

01:06:40: Marko Das ist ja eigentlich bis heute so.

01:06:43: Martin Im Prinzip ist es bis heute so, jedenfalls wenn man an eben diese goldene, große Zeit der Zeppeline zurückdenkt. Heute gibt es sogenannte Blimbs, das sind diese mit weicher Hülle versehenen Luftschiffe. So für Werbefahrten wird sowas eingesetzt, für archäologische Ausgrabungen auch - so Luft-Archäologie und so weiter. Und es gibt verschiedene andere Zwecke. Es wird immer mal wieder versucht, den Zeppelin oder das Luftschiff als Schwerlaster zu etablieren. Für Turbinen, die man dann vielleicht nach Arabien verschiffen will oder so, gab es verschiedene Versuche. Der Cargolifter in Deutschland war in den 90er Jahren so ein Versuch - ist gescheitert. Die Briten versuchen in den letzten Jahren mit einem etwas anderen Konzept das auch, aber so richtig will das nicht funktionieren. Und man muss sagen...

01:07:30: Marko Woran, woran liegt das? Ich frag mich ja schon. Also es ist erst mal wahrscheinlich energetisch wesentlich günstiger als jedes Flugzeug.

01:07:40: Martin Wenn es nicht auf die Geschwindigkeit ankommt, dann auf jeden Fall natürlich. Wenn man nicht dringend in vier Stunden in New York sein muss und Zeit hat, dann...

01:07:48: Marko Es gibt sicherlich eine Menge Güter wo wo man 60 Stunden einkalkulieren kann und wahrscheinlich bei der Geschwindigkeit, die so ein Ding fliegt, lässt es, könnte man das vielleicht auch automatisieren.

01:07:58: Martin Da gibt es alle möglichen Ideen und Konzepte, aber wie das halt immer so ist, der Teufel liegt im Detail und offensichtlich: Was so einleuchtend und klar auf den ersten Blick scheint, ist, wenn es dann an die technische Umsetzung geht, dann offensichtlich doch schwierig. Sonst hätten sich eben nicht die die Deutschen an diesem Thema verhoben in den 90er Jahren. Es gibt noch die Cargolifter Halle in Brandenburg südlich von Berlin. Das ist heute so ein Tropen-Bad, so ein Spaßbad. Das war damals die größte frei tragende Halle Europas, wo man eben diese Zeppeline, diese neuen Luftschiffe bauen und versorgen wollte und von wo aus es dann in alle Welt gehen sollte mit dem Frachttransport. Das hat nicht funktioniert und die Briten sind seit 5,6,7 Jahren da auch massiv dran und es funktioniert auch nicht so richtig. Da heißt es dann immer:Ja nächstes Jahr und übernächstes Jahr und - es passiert nichts. Der Zeppelin hatte seine goldene Zeit in den 20er, 30er Jahren und ist ein Stück dieser Geschichte. Und ich fürchte, auch auf zumindest absehbare Zeit wird das so bleiben.

01:09:02: Marko Und wenn man jetzt, nachdem du uns diese Geschichte so dargelegt hast, darauf guckt, dann ist es eigentlich eine Geschichte, die mit dem Ziel, Menschen zu töten beginnt und die mit einer der größten Luftfahrt Katastrophen der Menschheit endet. Und trotzdem, wenn wir heute einen Zeppelin sehen, gucken wir da sehr positiv drauf.

01:09:18: Martin Ja, das hat Zeppelin, Graf Zeppelin und Hugo Eckener haben das fertiggebracht, dieses Image so zu bewahren, dass im Nachhinein und auch noch fast 100 Jahre später wir eben mit dem Zeppelin was Positives verbinden und was Ruhiges, Friedliches, Völkerverbindendes und nicht das Kriegsgerät, als was es entwickelt worden ist und als was es dann eben auch im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden ist.

01:09:45: Marko Dies war die letzte Folge von die Geschichtsmacher in diesem Jahr.

01:09:50: Martin Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht wieder hören. Es wird im nächsten Jahr weitergehen, und zwar Ende Januar wird es die nächste Folge geben und wir würden uns freuen, wenn ihr dann auch wieder einschaltet und uns zuvor vielleicht auch ein wenig Rückmeldung gebt: Wie hat es euch gefallen? Was habt ihr für Gedanken über die Kriegsmaschine Zeppelin? Und das alles könnt ihr los werden, dort, wo ihr die anderen Informationen auch finden können. Zu diesem Podcast. Nämlich ...

01:10:18: Marko Unter www.dieGeschichtsmacher.de Also wenn's euch gefallen habt, dann sagts Freunden, Bekannten, Luftfahrendem Volke, egal wem. Sagt allen! Wenn es euch nicht gefallen hat, dann...

01:10:31: Martin Sagt es bitte uns und nur uns. Wir haben auch eine E-mail-Adresse: Kontakt@dieGeschichtsmacher.de Da könnt ihr uns direkt erreichen oder eben auf unserer Webseite. Wir freuen uns, wenn ihr die Folge weiter empfehlt und wenn ihr beim nächsten Mal auch wieder einschaltet.

01:10:48: Marko Wünschen euch ein frohes Weihnachtsfest. Guten Rutsch.

01:10:51: Martin Und bis die Tage. Tschüss.

01:10:53: Marko Tschüss!

Kommentare (1)

Joe Hörer

Gute Episode .. ein interessanter Aspekt ist tatsächlich die militärische Herkunft von Graf Zeppelin.. Ein Detail am Rande: Dreadnought(s) waren keine Zerstörer sondern Schlachtschiffe .

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