Mit Adenauer nach Moskau, Teil 2

Shownotes

Am 08. September 1955 geht die Reise los: Kanzler Adenauer, Außenminister Brentano und ein Tross aus Experten, Unterhändlern und Technikern macht sich auf nach Moskau. Es geht um zehntausende Kriegsgefangene, die sich noch in der UdSSR befinden. Adenauers Geheimwaffe für die harten Verhandlungen: literweise Olivenöl. Davon berichtet Rolf Dietrich Keil, der als Dolmetscher damals dabei war - ihn begleiten Podcast-Hosts Martin Herzog und Marko Rösseler nach Moskau.

2010 hat Marko über diese erste Auslandsreise des ersten deutschen Kanzlers ein WDR-Zeitzeichen recherchiert und dabei von Rolf Dietrich Keil erfahren, wie Olivenöl helfen kann, nüchtern zu verhandeln.

Marko hat nie nachgezählt - aber er hat sicher über 200 Zeitzeichen in seinem Autorenleben produziert und dementsprechend mindestens 200 Interviews mit Experten oder Zeitzeugen geführt. Doch es gibt Menschen, die besonders in Erinnerung bleiben: Rolf Dietrich Keil war einer von ihnen. Als Dolmetscher fuhr er mit, als 1955 Adenauer in die UdSSR aufbrach, um die letzten Kriegsgefangenen zu befreien, und erlebte so nah wie nur möglich, wie es hinter den Kulissen dieser historischen Reise zuging.

Wichtige Links: Marko hat zu dieser Reise 2010 ein Zeitzeichen produziert - da es 2020 überarbeitet und wiederholt wurde, findet ihr es hier.

Unser Buchtipp zum Thema: Rolf-Dietrich Keil: Mit Adenauer in Moskau. Bonn 1997. (ISBN3-416-02671-3)

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Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher: Adenauer, Teil 2

00:00:00: Marko Gucken wir doch mal hier, warte mal, so... So, Martin, dann machst du mal den Mund auf, ne.

00:00:10: Martin Ja und was ist das? Was soll ich jetzt...

00:00:11: Marko Red nicht drüber. Schluck es einfach...

00:00:17: Martin Boah... Olivenöl

00:00:19: Marko Und ich sag dir eins: Du wirst es heute gebrauchen können. Herzlich willkommen bei...

00:00:22: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:39: Martin So mal ganz neue Methoden hier bei Geschichtsmachern: Der eine Host versucht den anderen Host zu vergiften. Was soll denn das mit Olivenöl?

00:00:46: Marko Es war gutes natives Olivenöl, frisch gepresst. Nein, was sagt man? Nein kalt gepresstes Olivenöl. Das ist gut. Du wirst es heute brauchen, denn es gehört zum Programm unserer Russland-Reise. Wir sind unterwegs mit Konrad Adenauer. Wir sind unterwegs mit seinem Übersetzer Rolf Dietrich Keil. Und wir sind dabei, 1955 in Moskau die Kriegsgefangenen, die deutschen Kriegsgefangenen zu befreien.

00:01:11: Martin Und dafür brauchen wir Olivenöl?

00:01:13: Marko Adenauer hat damals, so geht die Mär, literweise Olivenöl mitgenommen im Sonderzug, denn es hieß, die Russen würden unglaublich viel trinken und ein Schluck Olivenöl, also ein so Ess- Löffelchen würde den Magen so auskleistern, dass man nicht kotzen muss und dass man mithalten kann und dass man auch verhandlungsfest ist. Und das bist du jetzt. Das ist schon mal nicht schlecht.

00:01:37: Martin Verhandlungsfest - also das sind wir jetzt schon mal. Und dann gucken wir mal, wie das mit Adenauer und Herrn Keil, dem Dolmetscher damals, gewesen ist. Sagt noch mal ganz kurz: Wie bist du auf den Herrn Keil gekommen?

00:01:49: Marko Also damals habe ich das Zeitzeichen gemacht zum Thema - ich weiß gar nicht mehr, wie viel Jahre es waren - ich glaube, es waren 65 Jahre Russland-Reise Adenauers. Das war im Jahre 1955 diese Russland Reise, also nicht das Zeitzeichen, sondern das Zeitzeichen dann 65 Jahre später. Und ich habe jemanden gesucht, der mir was dazu erzählen kann. Und was gibt es Schöneres als jemanden, der dabei war? Ein Zeitzeuge. Und so bin ich auf den Mann gestoßen, der dieses Buch hier geschrieben hat. Rolf Dietrich Keil: Mit Adenauer in Moskau. Erinnerungen eines Dolmetschers. Es war die erste Auslandsreise Adenauers. Es war überhaupt die erste Auslandsreise eines deutschen Bundeskanzlers ins Ausland, nachdem die Bundesrepublik die Eigenständigkeit wiedererlangt hatte. Und es ging gleich in die Höhle des Löwen, nämlich nach Moskau. Die Moskauer hatten eingeladen, und das Interesse war, dass die Sowjetunion eine Vertretung in Deutschland bekommt. Das Problem dahinter war: Wenn wir diese Vertretung den Sowjets einräumen, dann erkennen wir gleichzeitig an, dass sie auch eine Vertretung in Ostberlin haben. Und damit erkennen wir ja auch dann Ostberlin an. Die Russen sind darauf sehr scharf, die Sowjets sind darauf sehr scharf, und Adenauer ist sehr scharf darauf, die vermuteten 100.000, damals noch vermuteten 100.000 Kriegsgefangenen und Kriegs- Verschleppten wieder nach Hause zu holen.

00:03:11: Martin Das war damals ein großes Thema.

00:03:12: Marko Das war ein riesengroßes Thema, Und man muss sich vorstellen, es gab ganz viele Kinder, die hatten keinen Vater. Und der wurde dann immer noch in russischer Kriegsgefangenschaft, in sowjetischer Kriegsgefangenschaft vermutet. Und es war auch klar, es wird bald wieder Wahlen geben und Adenauer braucht da auch wieder alle Stimmen. Und es war auch klar, wenn der die nach Hause holt, dann ist das Wahlergebnis für Adenauer sicher. Dieses Thema hat damals ganz Westdeutschland bewegt. Das ist so.

00:03:42: Martin Und deswegen war es dann ein Überlegen hin und her: Soll er es machen oder nicht. Wegen Anerkennung, aber wegen der Kriegsgefangenen hat er dann relativ schnell entschieden: Okay, wir machen es, wir fahren hin. Und Herr Keil hat ihn als Dolmetscher begleitet. Von dem ist, nehme ich an, auch die Olivenöl Anekdote.

00:04:01: Marko Na ja, zum Olivenöl kommen wir später, Martin, wir müssen ja erst mal starten. Also unterwegs ist ein Zug, ein Sonderzug der Deutschen Bahn, der Deutschen Bundesbahn, der auch durch das DDR Gebiet fahren darf. Und auf dem DDR Gebiet müssen aber alle Gäste Karten lösen. So ist es. Unterwegs werden aber auch zwei Flugzeuge sein. In einem Flugzeug sitzt der Außenminister Brentano, im anderen Flugzeug wird Adenauer sitzen...

00:04:29: Martin Das heißt Adenauer, Kanzler und Außenminister in den Flugzeugen. Und der ganze Tross, der da drumherum ist - hunderte von Leuten.

00:04:37: Marko Über 140 Leute - wir haben sie, glaube ich, beim letzten Mal aufgezählt, und die sind unterwegs. Gestartet wird in Köln-Bonn, also damals Flughafen Wahn, heute Konrad Adenauer Flughafen. Und Flug darf diesmal auch über DDR Gebiet gehen. Das durfte das Vo-Kommando noch nicht und hat deswegen fast einen ganzen Tag gebraucht, bis sie Moskau angekommen sind, weil sie über Prag und Wilna ich weiß gar nicht, wo sie da lang geflogen sind mehr. Auf jeden Fall hatten sie einen riesen Umweg. Diesmal geht es direkt nach Moskau und dort wird auch Rolf Dietrich Keil mit empfangen...

00:05:08: Rolf Dietrich Keil Mit einer großen Ehren-Formation der Garnison Moskau. Der kommandierende Offizier marschierte also auf Adenauer zu mit gezogenem Säbel und salutierte. Und er hatte auch die entsprechende Stimme, die über den ganzen Flughafen hin trug, und machte dann auf Russisch seine Meldung, die Adenauer natürlich nicht verstand. Aber man nimmt ja an, dass da irgendwas gesag wird: Hier zu ihren Ehren oder so angetreten und daraufhin sollte Adenauer, und das war verabredet wohl vorher auf Russisch antworten. Mit einem Wort nur. Aber das eine Wort war "Sdraswutje". Und das hatte Professor Braun versucht auf dem Flug ihm beizubringen. Mit wenig Erfolg. Und er hat also irgendwas gemurmelt. Und dann antworteten die Soldaten im Chor. Die haben gebrüllt. "Sdrawija Selajim" - wir wünschen Gesundheit! Wobei das Wort Gesundheit Kirchenslawisch war, ja - nicht russisch. Es war also genau das Zeremoniell, wie es bei der Zaren-Armee üblich war.

00:06:29: Marko Ja, da denkt man immer so irgendwie bei den Kommunisten, da geht es auch richtig kommunistisch zu. Nein, nein, nein, nein. Alte russische Traditionen, Altkirchenslawisch, Kommandos. Man gibt sich ganz seriös. So, der Westen soll beeindruckt werden.

00:06:44: Martin Was heißt denn nun das, was der Adenauer da sagen sollte? "Sdraswutje"

00:06:50: Marko "Sdraswutje" - Seien Sie gesund. Na ja.

00:06:52: Martin Und dann haben die im Chor Gesundheit geantwortet.

00:06:56: Marko Ich habe keine Ahnung, was die geantwortet haben - ist ja Altkirchenslawisch. Kann ich Altkirchenslawisch?

00:07:00: Martin Weiß ich nicht, weiß nicht, was du alles für geheime Fähigkeiten besitzt.

00:07:03: Marko So oder so, es muss auf jeden Fall äußerst beeindruckend gewesen sein.

00:07:08: Rolf Dietrich Keil Ja doch. Er hat zwar auch hinterher gesagt. Es war eindrucksvoll, aber zunächst hat er das runtergespielt und hat also dann den Bulganin am Arm genommen. Und weil die Reporter, die sehr weit weg gehalten wurden von der Absperrung und die gerufen haben: Also, Herr Bundeskanzler, ein Bild, ein Bild. Und dann hat er sich den Bulganin untergehakt und sagte: Kommen Sie zu den Fotografen, die sind ja doch in unserer Zeit die wahren Diktatoren. Ja, so hat er gesagt. Und nachher hat er noch mal auch zu Bulganin gesagt: Ach, wissen Sie, so militärisch, ich halte nicht so viel von militärischen Schauspielen. Und das war eigentlich, na ja, das war gezielt, natürlich. Aber Bulganin hatte natürlich was anderes erwartet, denn er war ja immerhin Marschall.

00:08:13: Marko Rösseler Marschall Nikolai Alexandrowitsch Bulganin, damals Vorsitzender des Ministerrats, also der Ministerpräsident, sprich der Regierungschef und damals dem entsprechend der wichtigste Ansprechpartner für Adenauer.

00:08:26: Martin Kennt man heute überhaupt nicht mehr. Also mir sagt der Mann überhaupt nichts. Ministerpräsident. War der wirklich wichtig oder war das eher so eine Vorzeige Figur?

00:08:33: Marko Na ja, es gab natürlich noch jemanden, der im Hintergrund schon damals die Strippen gezogen hat. Den könntest du vielleicht kennen. Nikita Chruschtschow.

00:08:41: Martin Der mit dem dritten Schuh.

00:08:42: Marko Der mit dem dritten Schuh, genau, mit dem er immer aufs Pult gehämmert hat. Der dann später noch berühmt werden sollte. Der hatte aber damals eigentlich noch gar kein Staatsamt inne. Also offizielles Staatsamt, so was wie Ministerpräsident. Nein, der war Erster Sekretär der KPdSU, also der Kommunistischen Partei in der Sowjetunion und damit der mächtigste Politiker. Aber er war damals schon auf dem Sprung, auch Karriere zu machen und auch Staatsämter zu übernehmen. Und er wird das ja auch später tun. Und er hat es in der Tat auch schon während dieser Verhandlungen immer wieder geschafft, das eigentliche Geschehen an sich zu reißen. Als es dann losging, wird schon klar Dieser Chruschtschow, das ist eigentlich der mächtigste Strippenzieher hier und auch einer der härtesten Gegner.

00:09:27: Rolf Dietrich Keil Bulganin war eigentlich eine langweilige Persönlichkeit. Was der sagte, konnte man auch in der Prawda lesen, der eigentliche, der Ideen hatte und unter Umständen auch Humor hatte, das war eben Chruschtschow. Und der nutzte jede Gelegenheit, natürlich und unter Umständen auch zu gestikulieren, also die Faust zu heben und so, was Adenauer dann nachher auch gemacht hat. Ja, ja, ja, ja, ja, ja, hat er ihm auch auch gedroht mit der Faust, das ging ziemlich hoch her in den ersten beiden Tagen zumindest. Also bis die erst mal alles sich von der Seele geredet hatten, was sie gegen die Deutschen vorbringen konnten.

00:10:14: Martin Also Chruschtschow offensichtlich nicht nur mit dem Schuh, sondern auch mit der Faust unterwegs. Großer Schauspieler.

00:10:19: Marko Ja, aber auch ein humoriger Mann und jemand, der, sagen wir mal zu großen Gesten neigt. Das ist ja so.

00:10:26: Martin Könnte ich mir vorstellen, dass das auch so nach Adenauers Geschmack durchaus war, dass die durchaus miteinander konnten, obwohl die ja auf unterschiedlichen Seiten standen.

00:10:34: Marko Also man muss sagen, dass Adenauer recht schnell die Russen ja für sich eingenommen hat. Das kann man, glaube ich, so sagen. Wobei man natürlich sagen muss, es ist sozusagen der Bundeskanzler aus Westdeutschland. Und aus russischer Sicht sind das natürlich die Kriegsverbrecher. Das sind die, die jetzt wieder aufrüsten im Kalten Krieg, die den Amerikanern erlauben, jetzt auch auf deutschem Boden natürlich auch sich zu positionieren gegenüber dem Eisernen Vorhang.

00:11:03: Martin Aufstellung der Bundeswehr, Westbindung, NATO. Und so weiter. Dann ist das natürlich ein Gegner.

00:11:07: Marko Und das, wofür natürlich auch Adenauer steht, nämlich für die absolute Westbindung. Da haben wir drüber gesprochen beim letzten Mal. Und natürlich wollen die Russen erst mal klar machen oder die Sowjets erst mal klarmachen: Hey, ihr seid hier das Volk der Kriegstreiber, jetzt seid ihr wieder dabei und militarisiert euch. Und ihr habt damals gegenüber der Sowjetunion Kriegsverbrechen begangen. Nun muss man ja sagen: Also die Sowjetunion, das ist das Land, was die meisten Kriegstoten zu beklagen hat. Und den Krieg haben nun eindeutig die Deutschen angefangen. Das hat Adenauer natürlich auch eingesehen, dass er sozusagen auch Verantwortung übernehmen muss für all das, was in deutschem Namen im Zweiten Weltkrieg geschehen ist. Adenauer selbst sieht sich ja als alleiniger Vertreter dieses Deutschlands. Er sagt ja, Ostdeutschland gibt es gar nicht. Das heißt, wenn Adenauer spricht auf diesen Konferenzen, dann redet er nicht immer von der Bundesrepublik oder von der DDR. Die DDR gibt es in seinen Augen irgendwie gar nicht. In seinen Augen ist das ein Unrechtsregime, und er spricht für alle Deutschen. Und natürlich muss er auch Deutschland vertreten. Und dann sagt er einen Satz, der bringt Chruschtschow auf die Palme. Er sagt nämlich: Ja, es stimmt, es sind grauenhafte Dinge geschehen. Aber man muss auch sagen - sinngemäß - als die Russen nach Deutschland kamen, sind ja auch viele schreckliche Dinge passiert. Und da flippt der Chruschtschow aus.

00:12:37: Marko Das war also das Signal für Chruschtschow. Und bei der Rückübersetzung stellte sich dann heraus, dass Professor Braun gesagt hat: Russisches Wort? - also was der russische Dolmetscher dann wiederum als Chrustschow redete, übersetzte mit "Gräueltaten", und dann sagte Adenauer: Das habe ich nicht gesagt. Und es wurde dann, es wurde ja stenographiert, dann nachgesehen. Und tatsächlich, er hatte schreckliche Dinge gesagt und dann verbesserte Professor Braun und sagte dann Russisches Wort?, was wiederum eine winzige Nuance schwächer als "schreckliche Dinge" war. Na ja, aber das war einer der Anlässe. Anderer Anlass war der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO, die Pariser Verträge, wobei Chruschtschow dann auch wieder sagte: Na ja, ihr bereitet ja den Krieg vor gegen die Sowjetunion. Und Truppen stellt man ja nicht auf, damit sie Suppe kochen. Und so weiter. Also da ging es hoch her.

00:13:46: Martin Also das war auch eine durchaus angespannte Atmosphäre da. Also wenn da so um Nuancen gestritten wird, ob es jetzt schlimme Dinge sind oder schreckliche Dinge, und das eine bringt einen Chruschtschow zum Ausflippen, mit dem anderen kann er gerade so leben.

00:13:59: Marko Es wird jedes Wort auf die Goldwaage natürlich gelegt. Und Professor Braun, das ist der zweite Übersetzer, der eigentlich ja nun für Adenauer zuständig ist, der muss schon sich sehr, sehr genau immer überlegen, wie er das Deutsche dann dem entsprechend ins Russische übersetzt, damit das auch alles richtig ankommt. Es ist schon spannend, weil der Mann muss das ja eins zu eins und live machen. Also wenn Adenauer irgendwie von schrecklichen Dingen spricht und dann kommt das Wort auf Russisch und bedeutet dann eher Greueltaten, dann kann da so eine ganze, ja eine ganze Situation entgleisen.

00:14:37: Martin Das kann zum Eklat führen und ein Chruchtschow wütend den Saal verlassen.

00:14:41: Marko So scheint das wohl ein paarmal gegangen zu sein. Und so vergeht auch offenbar der erste Tag dieser Konferenz und wohl auch der zweite Tag. Wobei Adenauer es offenbar irgendwie immer wieder versteht, dann doch die Kurve zu bekommen und es zu schaffen, dass sie sich alle wieder zusammenraufen.

00:15:00: Marko Na ja, die Russen wollen ja auch was, also die Sowjets, wollen ja auch was, wollen diplomatische Beziehungen. Also müssen sie da auch natürlich ein bisschen dann doch auch geschmeidig sein gegenüber Deutschland, auch wenn das eben die Kriegsverbrecher sind in ihren Augen.

00:15:14: Marko Und Adenauer will natürlich die Kriegsgefangenen zurück, woraufhin die Russen sagen: Ja, die gibt es ja gar nicht, wir haben auch keine Kriegsgefangene mehr, wir haben ja nur noch Kriegsverbrecher, die sind ja alle abgeurteilt worden in diesen Standart-Prozessen und haben die Norm - damals 25 Jahre - bekommen für Kriegsverbrechen.

00:15:33: Martin Hatten wir das letztes Mal darüber gesprochen, dass das im Prinzip nach - vermutlich - nach vorgegebenen Quoten passiert ist, dass da soundso viele Leute einfach als Kriegsverbrecher dann verurteilt werden mussten.

00:15:45: Marko Die Russen brauchten Arbeitskräfte und das war eine gute Art und Weise, da ranzukommen. Die Russen sagen außerdem: Ja, sag mal, jetzt bist du hier und willst diese Kriegsverbrecher wieder zurückhaben. Ja, also, aber wir können ja gar nicht mit dir verhandeln, Da sind ja auch welche aus der DDR dabei. Da müssen wir aber mit denen noch reden, das geht ja nicht. Worauf dann Adenauer wieder sagt: Nee, nee, mit dieser DDR-Regierung, da braucht ihr nicht verhandeln, die ist den Namen ja nicht wert. Die ist überhaupt nicht gewählt worden. Woraufhin wieder die Russen sauer sind und sagen das ist ein Bruderstaat der Sowjetunion, das ist eine richtige legitime Regierung und die sind ja nun mal eigentlich Bruderstaaten. Dementsprechend - es geht die ganze Zeit auf diese Art und Weise hoch her. Und Adenauer versucht immer wieder darauf zu pochen: Der einzige, der hier irgendwie die Deutschen vertreten kann, bin ich. Denn die, die da im Osten sind, die sind nicht gewählt und die mag auch eigentlich gar keiner.

00:16:43: Martin Dann protestierten die Russen natürlich und sagten: Wir waren doch gerade da und das Volk ist ja begeistert. Und so weiter. Und da hat Adenauer dann sehr gut reagiert, hat dann gesagt, zu Bulganin gewandt: Herr Ministerpräsident, lassen Sie mich darauf ganz kurz etwas erwidern. Sie sagte er - und dann machte er mit dem Zeigefinger eine Bewegung, so dass die ganze russische Delegation gemeint war - Sie haben immerhin für Russland was geleistet. Ob man das von der so genannten DDR für Deutschland auch sagen kann, ist zumindest zweifelhaft. Ich würde den Vergleich nicht ziehen. Er ist nicht günstig für die Sowjetunion. Und da hat die ganze Delegation gegrinst der Russen und das Thema war vom Tisch.

00:17:42: Martin Das ist ja irre. Also ich habe jetzt gedacht, das ist so ein unentwirrbaren Knoten, weil natürlich hätten sich die Sowjets auf den Standpunkt stellen können, der Adenauer spricht nicht für ganz Deutschland, sondern eben nur für Westdeutschland. Und dann kommt der da mit so einer Geschichte um die Ecke. Na ja, die so ein bisschen die Sowjets bei der Ehre packt und dann, schwupps, ist die Sache erledigt. Das ist ja irre.

00:18:05: Marko Adenauer scheint einen richtigen Riecher für den richtigen Humor gehabt zu haben. Also er schafft das immer wieder durch so kleine, ironische, lustige, vielleicht auch einfach nur augenzwinkernde Bemerkungen, diese ganze Delegation wieder für sich einzunehmen. Da ist er echt ein Fuchs. Als zum Beispiel der Außenminister, den könntest du vom Namen auch noch kennen, das war Molotow...

00:18:28: Martin Der mit den Cocktails?

00:18:29: Marko Nach dem sind diese Flaschen benannt, die man gelegentlich in linksradikalen Kreisen auf Polizisten geworfen hat. Ja, stimmt, aber die hat er nicht erfunden.

00:18:39: Martin Okay.

00:18:39: Marko Den Molotowcocktail haben, glaube ich, wenn ich das Recht im Kopf habe, die Finnen erfunden, und zwar im Russland-Krieg gegen Molotow.

00:18:45: Martin Ah, okay.

00:18:48: Marko Als Billig-Waffe sozusagen: Mit brennbarem Zeug gefüllte Flaschen, die man werfen kann, also anzünden kann. Wo oben? Also, wir wollen jetzt keine Bauanleitung für Molotowcocktails machen. Also, das ist dieser Molotow, der erklärt so breitbeinig: Ja, ihr Deutschen, was seid eigentlich für ein Volk, Ihr konntet euch ja aus eigener Kraft nicht einmal von Hitler befreien. So. Da sagt der Adenauer nur einen Satz: Wer hat denn mit dem Verträge gemacht und guckt den Molotow an? Und Molotow, muss man jetzt wissen, Molotow war Außenminister unter Stalin, das heißt den Hitler-Stalin-Pakt, den hat er mit eingestellt.

00:19:26: Martin Und dann war das Thema auch ganz schnell wieder vom Tisch.

00:19:29: Marko Da war auch das wieder ganz schnell vom Tisch. Und dieser Adenauer entpuppt sich wirklich mit seinen 79 Jahren als absolut gewiefter, mit allen Wassern gewaschener Verhandler.

00:19:39: Rolf Dietrich Keil Und das haben die Russen auch anerkannt. Der sagt Also Adenauer, das ist schon jemand. Und er hat Eindruck gemacht. Und der zweite von der Delegation, der Eindruck gemacht hat, war Carlo Schmid von der SPD. Er war mit in seiner Eigenschaft als, ich glaube stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, nicht etwa als SPD-Politiker, sondern er hatte eine Funktion im Bundestag. Und den Carlo Schmid haben sie auch als Autorität gesehen, anerkannt und behandelt. Das fing schon an bei der ersten Vorstellung, als die Delegationen mehr oder weniger einander vorgestellt wurden. Die Spitzen jedenfalls. Adenauer sagte eben: Professor Carlo Schmid und seine Funktion. Und Chruschtschow guckte den an und sagt: "Oh Velico Germania," "Großdeutschland". Schmidt war ja ein Riese und hatte auch entsprechenden Umfang. Und Chruschtschow war ja auch nicht gerade schlank, aber er war viel kleiner und der sagte "Großdeutschland". Von den anderen Delegation-Mitgliedern, die haben sie, soweit ich das beurteilen kann, also Brentano haben Sie nicht sehr ernst genommen, muß ich sagen.

00:21:11: Marko Carlo Schmid, eine illustre Figur der deutschen Nachkriegsgeschichte, von Hause aus ein Staatsrechtler gewesen und einer der Väter unseres Grundgesetzes, ein offenbar kluger und besonnener Mann, der in einem entscheidenden Moment, nämlich am dritten Tag, als die Situation in Moskau wieder einmal zu eskalieren droht, die Konferenz rettet, indem er eine ruhig- besonnene Rede hält. Und wer könnte das besser lesen als du, Martin?

00:21:40: Martin Eine ruhig besonnene Rede. Nun werde ich mich mal hier versuchen als Carlo Schmid. Ich spreche hier als Mitglied des deutschen Parlaments, das einer Partei angehört, der 8 Millionen der Bevölkerung bei der letzten Wahl ihre Stimme gegeben haben.

00:21:54: Marko Carlo Schmid spricht von der SPD.

00:21:57: Martin Ich möchte vorausschicken, dass im Namen des deutschen Volkes am russischen Volke Verbrechen begangen worden sind wie vielleicht nie in der Weltgeschichte. Ich betone ausdrücklich, dass die moralische Verantwortung für diese Dinge und die Haftung für die Folgen auch auf den Schultern der Menschen liegen, die sich dieser Verbrechen nicht schuldig gemacht haben. Denn auch diese haben zumindest dieses Regime nicht zu verhindern vermocht. Ich muss das vorausschicken, denn es gehört zur Wahrheit. Und weil es so ist, ist es für jeden Deutschen immer beschämend, von Menschen, die Opfer von Verbrechen geworden sind, begangen im Namen des deutschen Volkes, etwas für Deutsche zu erbitten. Aber es gibt Situationen, in denen man aus Gründen der Menschlichkeit auch dann um etwas bitten muss, wenn diese Bitte für einen beschämend ist. Das gehört mit zu der Last, die das Vertrauen unserer Wähler auf unsere Schultern gelegt hat. Und so schließe ich mich der Bitte an, die der Herr Bundeskanzler ausgesprochen hat. Es liegt mir fern zu bestreiten, dass es ausschließlich Sache der Sowjetunion ist, ihre Gesetze anzuwenden. Ich rufe darum nicht die Gerechtigkeit an, ich appelliere an die Großherzigkeit des russischen Volkes, von der es so viele Beispiele gibt. Und wenn ich das tue, denke ich in erster Linie nicht an die Menschen, die noch hier zurückgehalten werden, sondern an ihre Frauen, an ihre Kinder, an ihre Eltern. Lassen Sie Gnade walten und lassen Sie die Menschen zurückkehren zu denen, die auf sie warten, die seit mehr als zehn Jahren auf sie warten.

00:23:33: Marko Tja...

00:23:33: Martin Sehr beeindruckend.

00:23:34: Marko Ja, ja, ja. Und es gab auch gleich Begeisterung für Carlo Schmid. Und Chruschtschow hat dann gesagt: Ja, ja, das ist der richtige Ton. So können wir weitermachen. Zu dem Zeitpunkt, muss man wissen, hatte Adenauer bereits die beiden Flugzeuge startklar machen lassen. Und das hat er tatsächlich über Telefon angeordnet, damit es auch jeder abhören kann - über öffentliche Telefone. Also, der hat angerufen: Lufthansa - ihr könnt schon mal klarmachen, wir brechen hier ab.

00:24:02: Martin Das war der klare Hinweis darauf, dass man an einen Punkt gekommen ist, wo man abreisen wollte. Ja, eigentlich nicht - aber das war eine Finte von Adenauer.

00:24:12: Marko Ja, schon mal bluffen. Auf der anderen Seite muss man sagen. Wir wissen gar nicht, wie weit die Russen geblufft haben. Also, die Verhandlungen waren ziemlich klar gezogen auf vier Tage, fünfter Tag Abschied. So war das ungefähr geplant. Jetzt befinden wir uns am dritten Tag. Wenn man sich auf irgendwas noch einigen muss und noch ein bisschen vielleicht was schreiben muss, einen Vertrag aushandeln will, dann braucht man einen vierten Tag und am fünften wird abgeflogen. Wahrscheinlich, so wird vermutet, haben die Russen einfach genauso gepokert. Erst mal Tag eins, Tag zwei auflaufen lassen, Tag drei mal langsam gucken. Also ob jetzt die Gewieftheit von Adenauer dazu geführt hat, dass man sich ab dem dritten Tag und ab der Rede von Carlo Schmid langsam wieder annähert oder ob es die Russen genauso geplant haben - wir werden es wahrscheinlich nie erfahren. Wie geht es dir eigentlich jetzt hier mit dem Olivenöl, Martin?

00:25:07: Martin Ja. Super. Ich könnte jetzt literweise Wodka saufen. Ich weiß gar nicht, warum hier noch nichts gereicht wurde, ehrlich gesagt.

00:25:14: Marko Drum greife ich hier gerade unter den Tisch, Martin, so pass auf...

00:25:22: Martin Herrlich.

00:25:22: Marko Ich würde sagen, Nosdrowje.

00:25:25: Martin Nasdrowje, Saufen für die historische Wahrheit. So mag ich das - ja, Momen...oh je...

00:25:30: Marko Es wird auf jeden Fall, es wird behauptet, dass Alkohol bei dieser Konferenz doch eine nicht ganz unerhebliche Rolle gespielt hat. Wir sind immerhin in Russland, im Mutterland des Wodkas.

00:25:43: Martin Klischee, Klischee.

00:25:45: Marko Und davon seien in der Tat Unmengen geflossen. Ob es stimmt?

00:25:50: Rolf Dietrich Keil Bulganin hat wenig getrunken und er hat den Chruschtschow immer zurückgehalten dabei. Hat den immer am Ärmel gezogen: Nikita! Na und dann gibt es ja diese Legende mit dem Olivenöl. Ich denke, es wird immer erwähnt, wenn irgendjemand von Adenauer-Besuch in Moskau spricht. Ja, er hätte also ordentliche Mengen von Olivenöl mitgenommen, und die Leute hätten dann jeweils vor einem solchen Empfang, bei dem mit Wodka zu rechnen war, einen Löffel Olivenöl genommen, das die Wirkung des Wodkas etwas mildert oder vielleicht sogar verhindert. Ich weiß nicht, ich habe das nicht gesehen. Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Vielleicht ist es ja sogar wahr.

00:26:42: Martin Also Alkohol als Schmiermittel und Olivenöl als gute Vorbeugung. Also, das scheint ja dann wirklich eine große Rolle gespielt zu haben.

00:26:49: Marko Ja. Merkst du denn jetzt schon was? Nach so einem Glas Wodka hätte man jetzt gedacht...

00:26:57: Martin Ja, eben nicht, hab ja das Olivenöl genommen...

00:26:57: Rolf Dietrich Keil Es wurde getrunken, natürlich. Aber es wurde zum Beispiel bei dem Essen, das Adenauer da auf der Datscha gegeben hat, wurde zum Essen natürlich Wein serviert, den Adenauer mitgebracht hatte: Rhein und Mosel. Es wurde nämlich gefragt: Was wollen Sie? Wollen Sie Rheinwein oder Mosel? Und da waren die natürlich überfragt. Und da musste der Außenminister her. Da wurde vermutet, dass der den Unterschied kennt. Und der Molotow entschied sich für Mosel. Und dann gab es einen Bernkasteler Doctor - und zwar ein Jahrgang 49, oder? Ja, das muss ein besonderer Jahrgang gewesen sein, denn ich kann mich erinnern, ich war nachher, ungefähr ein Jahr danach, war ich in Bernkastel und da kostete die Flasche etwas über 80 D-Mark, und die Tische brachen also. Es war ungeheuer viel, was da angeboten wurde. Nicht nur zu trinken, auch zu essen. Da lässt sich nicht sagen.

00:28:01: Martin 80 Mark für einen Mosel-Wein in den 50er Jahren, meine Güte...

00:28:06: Marko Ja, muss ein ordentliches Tröpfchen gewesen sein.

00:28:11: Martin Gab es denn auch neben all den harten Verhandlungen und den harten Saufereien, wenn ich das mal so sagen darf, auch so was wie ein Rahmenprogramm? Ein Damen-Programm - es ist ja eingeladen worden mit Begleitung.

00:28:24: Marko Mit Begleitung - aber außer den Sekretärinnen sind keine Damen mitgefahren. Es gab aber ein Rahmenprogramm. Dazu gehörte zum Beispiel der Besuch des Kremls. Man hat auch den Moskauer Bürgermeister mal besucht. Denn Adenauer hatte sich irgendwie komischerweise interessiert: Wie macht Ihr das eigentlich in Moskau mit eurer Abwasserentsorgung? Ja, wie macht Ihr das eigentlich mit eurer Abwasserentsorgung? Was für eine Form von Kanal habt ihr denn? Da haben die Russen gesagt: Ja, komm, dann wir wir mal morgen mal zum Bürgermeister. Fragen wir den.

00:28:50: Martin Ja, er war ja Bürgermeister von Köln. Vielleicht kommt daher...

00:28:52: Marko Ja. Ja,. genau so ist es. Und da hat er einfach mal so einen rausgehauen, mal einfach doof nachgefragt. Haben die Russen geliefert. Und es gab auch Theaterbesuche. Im Bolschoi-Theater gab es mehrere, mehrere Theaterbesuche, und es gab ja diese Empfänge in der Datscha, von denen eben die Rede war, die dann die Deutschen ausgerichtet haben. Also haben die sich dann als Gastgeber geriert. Und Rolf Dietrich Keil hat gesagt, dass eigentlich in diesem Rahmenprogramm, bei diesen Treffen, eigentlich die besten, vielleicht auch die konstruktivisten, auf jeden Fall die lustigsten Gespräche stattgefunden hätten. Manchmal hätten sie schon bei diesen Rahmen-Gesprächen das Gefühl gehabt, das Eis sei längst gebrochen. Menschlich sei man sich schon ganz nah gekommen. Und dann, wenn man sich dann wieder richtig hingesetzt hat an den Verhandlungstisch, dann ist das wieder zusammengebrochen. Aber sobald man auf du unterwegs im Theater war - und die Theater-Pause wurde dann unendlich ausgedehnt, die Schauspieler mussten warten, man verstand sich ja ganz prima. Da haben die da rumgeschäkert, Witze gemacht. Den SPDler Carlo Schmid, den haben die Russen ja besonders gemocht und da war ihnen auch gar nicht klar, auf wessen Seite steht der eigentlich? Er ist ja immerhin ein Konkurrent von dem Adenauer. Und - ja, da konnte man doch mal vertraulich werden?

00:30:04: Rolf Dietrich Keil Das war in diesen Foyer-Gesprächen im Theater. Da hatte Chruschtschow gesagt: Ich weiß ja nun gar nicht, wie ich Sie anreden soll: Herr Schmid oder Genosse Schmid? Sie kommen doch auch von Marx her. Und da schaltete sich Adenauer ein und sagte: Ja, aber Sie haben sich weiterentwickelt. Der SPD ist ein Fötus geblieben.

00:30:30: Martin Ach du lieber Himmel, das musste ja auch dann alles übersetzt werden ins Russische und so möglichst, dass es da auch noch lustig ist.

00:30:40: Marko Richtig. Und das war manchmal offenbar gar nicht so einfach. Denn der Humor Westdeutschland unterscheidet sich doch in gewisser Hinsicht vom Humor Moskau. Vor allem, wenn es dann darum geht, wenn Adenauer, der gute Katholik, der rheinische Katholik, dann anfängt irgendwie auch noch irgendwelche Bibel Witze zu machen.

00:30:58: Rolf Dietrich Keil "Der Schmid kommt in die SPD wie der Pilatus ins Credo", und ich muss übersetzen. Und ich dachte: Na, ob das ankommt? Aber es kam an, denn Bulganin war in seiner Jugend im Priesterseminar gewesen, genau wie Stalin übrigens.

00:31:18: Martin Der Schmid kommt in die SPD wie Pilatus ins Credo. Das habe ich im Leben noch nicht gehört.

00:31:26: Marko Diese Redewendung: "der kommt wie Pilatus ins Credo" - na, gelitten unter Pontius Pilatus. Kennst du doch, oder?

00:31:32: Martin Ach so, also das.

00:31:34: Marko Pilatus ist kein Heiliger, sondern der hat ihn schließlich kreuzigen lassen.

00:31:38: Martin Ist schon klar, ist schon klar. Aber wie kommt er ins Credo? Also in das, in dieses, in das Gebet rein?

00:31:44: Marko Ja, ja, genau, das ist eigentlich der Bösewicht. So. Das heißt so viel wie: Pass mal auf, der Schmid ist ein guter Kerl, mit dem komme ich prima aus. Er ist aber anders als der Rest der SPD.

00:31:55: Martin Ist halt im falschen Verein.

00:31:56: Marko Ist im falschen Verein, wie man so sagt. Und auf derlei Humor stehen die Russen offenbar. Nun muss man sagen, auch in der russischen Delegation kriselt es. Also die sind sich gegenseitig auch nicht immer grün. Dass Chruschtschow der mächtigste Mann da ist, das muss also Bulganin auch gelegentlich gestört haben. Und vor allem auf dem Molotow haben sie wohl ab und zu rumgehackt, weil sie den auch nicht mehr leiden konnten. Wir befinden uns ja in einer Zeit, wo auch in Russland große Veränderungen stattfinden. Also Bulganin, dann später noch viel mehr Chruschtschow, hat ja nun mit dem Stalinismus gebrochen. Also es war diese Tauwetter- Politik, das das war, es war alles so, ja auch im Fluss und auch gegeneinander. Wer hat da noch die Macht und wer kann mal Witze über wen reißen? So.

00:32:40: Martin Also ich finde das ja ganz spannend, dass das so so dynamisch war und sich dann auch wirklich über die Tage entwickelt hat. Weil das so wie ich mir eine Konferenz auf Staatsführer- Ebene vorstelle, ist eher so, dass das alles vorher mehr oder weniger, was man dann am Ende im Schlussdokument unterschreiben will, irgendwelche Verträge oder so, das ist vorher alles ausverhandelt, da sind vorher die Emissäre unterwegs gewesen, die Sherpas, wie man so schön sagt. Die haben das alles mehr oder weniger festgezurrt. Und dann kommen die Staatspräsidenten angereist oder in dem Fall der Bundeskanzler. Und dann redet man nett miteinander, dann gibt es...

00:33:14: Marko Einen Handschlag und dann...

00:33:15: Martin ...ein Handschlag und ein Gläschen Sekt, und dann setzt man die Unterschrift drunter und dann war's das. Das war da offensichtlich sehr anders.

00:33:21: Marko Komplett anders. Man wusste ja nicht mal, worüber die Russen mit den Deutschen eigentlich reden wollen. Also man hatte ja auch Experten für alle möglichen Gebiete mit dabei, weil man einfach gar nicht wusste, was wollen sie von uns genau? Und wie muss man ihnen vielleicht entgegenkommen?

00:33:35: Martin Und umgekehrt wussten die Russen nicht, dass der Adenauer sich für die Kanalisation in Moskau interessiert.

00:33:40: Marko Ja, und haben dann schnell mal reagiert und haben den Moskauer Bürgermeister herangezogen. So ist es. Und so langsam, am dritten, vierten Verhandlungstag, kristallisiert sich offenbar auch so etwas wie eine Lösung für zwei Dinge heraus: Einmal nämlich für die Vertretung der Sowjetunion in der Bundesrepublik. Dass Adenauer anfängt zu sagen: Könnten wir vielleicht machen. Was ist denn jetzt mit den, mit den, mit den deutschen Kriegsgefangenen? Und na ja, also es scheint sich eine Lösung anzubahnen. Die sieht folgendermaßen aus: Die Deutschen stimmen schriftlich zu, dass sie in Zukunft diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion aufnehmen. Bundesrepublik. Nicht Deutschland.

00:34:28: Martin Na klar.

00:34:29: Marko So: Die Deutschen stimmen dem schriftlich zu. Im Gegenzug aber versprechen die Sowjets - jetzt allerdings nicht schriftlich, sondern sie versprechen es nur, die Gefangenen, die Sowjets sagen ja immer noch die Verurteilten freizugeben. So ist das Angebot.

00:34:47: Martin Also eine heikle Nummer. Denn wenn die nichts schriftlich geben, kann man denen vertrauen? Ist ja dann die Frage.

00:34:52: Marko Genau. Und verspielt man eigentlich damit jetzt die deutsche Einheit? Und was macht man eigentlich? Und darüber gerät die gesamte deutsche Delegation in Zwist. Der deutsche Außenminister, der den Adenauer nicht leiden kann und Adenauer kann ihn nicht leiden, ist dagegen. Die meisten Vertreter des Auswärtigen Amtes sind auch dagegen. Jetzt ziehen sie sich alle zurück zu Beratungen in den abhörsicheren Zug, der da immer noch steht in Moskau und wälzen dieses Problem. Kann man eigentlich den Russen trauen, wenn sie das nur mündlich versprechen?

00:35:28: Rolf Dietrich Keil Und Carlo Schmid kam an dem Abend, nachdem sie ihre Besprechung im Zug gehabt hatten, da war ich natürlich nicht dabei. Da traf er mich zufällig auf dem Korridor im Hotel und sagte: Ja, nun sagen Sie mal, kann man denn den Russen vertrauen? Fragt der Carlo Schmid mich. Das sagte ich: Das geht ja nun über meine Kompetenz als Dolmetscher weit hinaus. Ich glaube aber ja. Na ja. Und Carlo Schmid hat das auch geglaubt. Der war auf Adenauers Seite einer der wenigen, und deshab hat der Adenauer ja auch ein paar Leute mitgenommen, die keine Juristen waren. Mit Juristen hätte er das nie zustande gebracht.

00:36:13: Marko Hahaha, muss man nun sagen. Carlo Schmid, war ja nun ausgerechnet Jurist. Aber - wahrscheinlich gefühlt keiner weiß, man weiß es nicht. Aber was auf jeden Fall Fakt ist: Adenauer wird später immer wieder scherzen, der schlimmste Verhandlungspartner, das seien ja nun eigentlich gar nicht die Russen gewesen, sondern das wäre nun der eigene Außenminister gewesen. Und letztendlich, muss man sagen, hat sich dann Adenauer als Kanzler durchgesetzt.

00:36:40: Martin Gegen das komplette Auswärtige Amt, hat die einfach beiseite geschoben.

00:36:44: Marko Genau. Und hat dann sich sozusagen auf diesen Deal eingelassen - nur gegen ein Versprechen, gegen ein Wort, das ihm die Sowjets geben, diese Botschaft einzurichten und dann gleichzeitig denn darauf zu bauen, dass die Russen auch wirklich die deutschen Kriegsgefangenen herausrücken und auch die Zivil-Verschleppten, um die es geht. Mittlerweile ist wohl offenbar aber auch klar: Das sind nicht mehr 100.000, sondern wahrscheinlich eine Zahl um die 30.000 Menschen, das heißt etwa 10.000 Kriegsgefangene noch und 20.000 zivile Verschleppte, die zum großen Teil aber, muss man auch sagen, aus der DDR gekommen sind, die Zivil-Verschleppten.

00:37:22: Martin Aber immer noch eine große Zahl. Und - wie gesagt - das war ja ein großes Thema in Westdeutschland, wo es dann wahrscheinlich auch nicht nur darum ging, wie viele sind es denn jetzt am Ende, sondern einfach auch um das Symbol, dass die wieder zurückgeholt werden.

00:37:34: Marko Ja, also ich meine: Man muss sich überlegen, das waren Menschen, die hatten jetzt ja zehn Jahre hinter sich. Oder wenn, wenn die irgendwann am Anfang des Krieges in Kriegsgefangenschaft geraten sind und das irgendwie überlebt haben - mein Opa zum Beispiel, 43, da war Stalingrad gefallen, dann ist der in Kriegsgefangenschaft geraten. Der ist allerdings früher rausgekommen. Aber wenn der 55 noch gesessen hätte, das sind ja zwölf Jahre, 13 Jahre, die man dann in Kriegsgefangenschaft verbracht hat. Und da jetzt endlich ein Schlussstrich drunter zu ziehen und auch dann zu wissen, okay, jeder der jetzt noch festgehalten wurde, der kommt jetzt nach Hause. Das hat natürlich eine riesen Bedeutung. Also diese Spätheimkehrer, wie man sie später genannt hat, die wurden ja teilweise sehnlichst erwartet. Teilweise hatte man aber von ihnen auch gar kein Lebenszeichen mehr. Es gab ja auch Frauen, die hatten mittlerweile neu geheiratet oder neue Beziehungen sind sind die eingegangen. Man erinnere sich an dieses berühmte Theaterstück "Draußen vor der Tür" von Borchert, wo dann der der Spätheimkehrer nach Hause kommt. Und die Frau hat sich längst einen neuen gesucht und die Kinder erkennen ihn nie mehr wieder. Und das war deutsche Realität in dieser Zeit.

00:38:41: Martin Und das nur auf Zusage eines Versprechens der Russen. Heikle Sache, hatten wir eben schon gesagt, aber das musste ja dann zum Schluss doch in irgendeiner Form formalisiert gefasst werden, sag ich mal.

00:38:56: Marko Genau. Und dazu wurde ein Papier aufgesetzt, in dem dann von den russischen Kriegsgefangenen natürlich nichts stand, aber wo ziemlich klar gemacht werden soll: Ja, wir tauschen jetzt Botschafter aus.

00:39:10: Rolf Dietrich Keil Dieses Kommunique, ungefähr eine Seite, war gar nicht lang, aber das wurde einer kleinen Gruppe zur Aufgabe gemacht. Da musste ich übersetzen und dann ging es da langsam nur voran. Chruschtschow hatte gesagt: Ihr kriegt nicht zu essen, bevor das Kommunique nicht fertig im Netz.

00:39:34: Marko Ja, ja, das klingt jetzt sehr scherzhaft, aber wenn das ein Chruschtschow sagt, dann ist das überhaupt nicht scherzhaft gemeint. Es gibt nichts zu essen. Da hast du auch gleich die Angst auf der Stirn stehen.

00:39:45: Martin Was soll das denn heißen?

00:39:45: Marko Du bist auch so einer...

00:39:45: Martin Ich?

00:39:45: Marko Wenn du nichts zu essen kriegst?

00:39:49: Martin Ich bin immer bester Laune. Gut, sprechen wir nicht weiter von...

00:39:53: Rolf Dietrich Keil Und wir versuchten, ein deutsches Wort so zu übersetzen, dass die Sowjetunion das schlucken konnte. Das war das Wort "vorbehaltlich". "Vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestages". Ein Adjektiv oder Adverb, das genau dasselbe bedeutet, gibt es nicht. Man muss umschreiben. Man muss also sagen: "unter Vorbehalt, dass..." Und das klingt schon irgendwie unsicherer. Oder "unter der Bedingung, dass" oder so irgendwie. Das konnte sich ein sowjetischer führender Politiker überhaupt nicht vorstellen, dass man eine Abmachung trifft unter Vorbehalt.

00:40:37: Marko Tja, aber das war ein Trick. Adenauer wollte sich sozusagen ein Hintertürchen offen halten. Er hatte diese Formulierung unter dem Vorbehalt, dass der Deutsche Bundestag dem Ganzen zustimmt. Das hat er da reingeschrieben. Und er hat so getan, als wäre das verfassungsrechtlich in der Bundesrepublik zwingend notwendig.

00:40:56: Martin War es aber nicht.

00:40:58: Marko Nein, es war es überhaupt nicht. Und man muss sagen: Teile der Russen scheinen das zumindest geahnt zu haben, dass sie da aufs Glatteis geführt werden sollen. Aber dann haben sie den Molotow gefragt. Ja, stimmt denn das überhaupt hier? Und der hatte auch keine Ahnung, aber wollte sich keine Blöße geben. Hat dann wohl gesagt: Ja, stimmt, stimmt ja, ja, das muss er so machen. Und so hat sich der der Fuchs da wieder durchgesetzt. Er wollte natürlich nicht als der Doofe dastehen, wenn die Russen ihr Wort nicht halten. Also wollte er sich sozusagen, dass da... Aber das Problem ist natürlich: Jetzt streiten sich die armen Dolmetscher darum und kriegen nichts zu essen.

00:41:34: Rolf Dietrich Keil Und dann habe ich eine Formulierung im Russischen vorgeschlagen, die juristisch absolut anfechtbar war. Das bedeutete nicht dasselbe wie "vorbehaltlich", sondern ich habe gesagt "im Hinblick auf die zu erwartende Zustimmung". Ja, das war unmöglich, aber es ging nicht weiter. Aber wir wären ja heute noch nicht fertig, wenn... Das war schon sehr, sehr anstrengend.

00:42:05: Marko Und so konnte ein Dolmetscher Weltgeschichte schreiben.

00:42:09: Martin Mit Wortklauberei.

00:42:10: Marko Ja, aber so ist das nun mal, dieses Dolmetscher-Geschäft. Aber es hat offenbar funktioniert. Also Gott sei Dank, das Ganze wurde ja nie überprüft. Es ging tatsächlich am 14. September, am fünften Tag dann wie geplant wieder heim. Aber zuvor gab es dann tatsächlich auch noch in Moskau, im Hotel Sovjetskaja, wo die Deutschen untergebracht waren - steht übrigens heute nicht mehr - da gab es noch eine Pressekonferenz, bei der Adenauer dann tatsächlich verkündete, die Sowjets hätten versprochen, die in der Sowjetunion zurückgehaltenen Personen freizugeben. So das heißt, die Heimführung werde, so sei ihm versprochen worden, noch ehe wir in Bonn wieder eingetroffen sind, beginnen.

00:42:51: Marrtin Und?

00:42:52: Marko Das ist genau so passiert.

00:42:54: Martin Also das heißt, Chruschtschow war gut für sein Wort, er hat Wort gehalten.

00:42:59: Martin Bulganin auch.

00:42:59: Martin Bulganin auch.

00:43:00: Marko Molotow auch.

00:43:00: Martin Die Sowjets haben tatsächlich noch während Adenauer sozusagen seine Pressekonferenz gegeben hat, haben die Anweisung gegeben: Lasst die Deutschen frei!

00:43:12: Marko Es ist sogar noch ein bisschen verworrener. Heute weiß man, dass auf Staatsbesuch in der DDR, zwei Monate zuvor, bereits darüber gesprochen wurde, dass man eventuell sich doch mal darauf vorbereiten solle, dass die deutschen Kriegsgefangenen vielleicht wieder zurückkommen könnten.

00:43:32: Martin Jetzt frage ich mich dann natürlich: War das, weil wir eben ja das schon angesprochen hatten, war denn die ganze Nummer vielleicht eine Show?

00:43:40: Marko Vielleicht. Vielleicht hat es auch der Fuchs Adenauer durchschaut, vielleicht aber auch nicht. Wir wissen es nicht. Es scheint so gewesen zu sein, dass die Sowjets offenbar auch schon im Vorfeld geplant haben, die deutschen Kriegsgefangenen wieder in die Freiheit zu entlassen. Umgekehrt war das natürlich ein sehr probates Mittel, wenn man eine Botschaft in Westdeutschland haben wollte, dass man die auch durchsetzt und vielleicht sogar ein bisschen die Teilung Deutschlands zementiert oder zumindest schon mal klar macht, okay, wo die Interessensphären so lang gehen.

00:44:12: Martin Das ist unser Einflussbereich und die Kriegsgefangenen müssen sowieso irgendwann mal nach Hause geschickt werden, können wir nicht ewig hier halten. Wissen wir auch. Und da haben wir zumindest noch ein Faustpfand, mit dem wir dann das erreichen können, was wir haben wollen.

00:44:27: Marko Also die Konferenz endete friedlich, man hat sich geeinigt. Und so kam es dann auch: Die Sowjets bekamen ihren Botschafter in Bonn und die Deutschen schickten einen Botschafter nach Moskau. Und am 7. Oktober 1955, also gar nicht so lange danach, kamen im Grenz- Durchgangslager Friedland, das liegt bei Göttingen, die ersten 600 Spätheimkehrer an.

00:44:51: Martin Von diesen 30.000, von denen wir gesprochen haben.

00:44:55: Marko 10.000 Kriegsgefangene und etwa 20.000 Kriegs-Verschleppte, also Menschen, die wahrscheinlich sogar nach dem Krieg mitgenommen worden sind, um dann in diesen russischen Straflagern zu arbeiten. Was auch klar war: Von den Menschen, die jetzt da ankommen in Friedland, die hatten nicht alle eine saubere Weste.

00:45:13: Martin Also für die Russen, hat man ja gesagt, waren das alles Kriegsverbrecher. Die sind da alle verurteilt worden oder ein großer Teil ist verurteilt worden. Aber klar ist, dass das nicht alles Kriegsverbrecher waren. Aber es waren sicherlich auch Kriegsverbrecher darunter, unter denen, die da zurückgekommen sind nach Friedland gekommen sind.

00:45:27: Marko Das ist heute nachgewiesener Weise so, damals war das noch nicht so ganz klar. Es war auch nicht ganz klar: ja, hatte man jetzt sozusagen einen wirklichen Sieg in der Sowjetunion errungen, ja oder nein? Vielleicht wären die ja ohnedies nach Hause gekommen.

00:45:42: Rolf Dietrich Keil Ja, aber damals wusste man es nicht. Da wusste man es nicht. Und man hatte doch das Gefühl, wir haben doch etwas zustande gebracht.

00:45:52: Marko Also es war definitiv die Reise Konrad Adenauers, die in die Geschichte eingegangen ist. Ich weiß nicht, welche Reisen Konrad Adenauers überhaupt sonst noch im Bewusstsein der Deutschen irgendeine Rolle spielen. Aber definitiv gilt Adenauer bis heute als derjenige, dem es gelungen ist, die Russen über den Tisch zu ziehen.

00:46:12: Martin Ich höre aus deinen Worten auch so eine gewisse Bewunderung für den Fuchs. Hast du auch eben gesagt.

00:46:17: Marko Na ja, das ist auf jeden Fall jemand, wo man so sagen kann, der wusste, was er tat. Ich glaube, der war einer, der war mit allen Wassern gewaschen, mit allen rheinisch-kölschen Wassern, die es so gab. Genau.

00:46:28: Martin Und wie schaut der Herr Keil auf diese Reise? Das muss ja die Reise auch seines Lebens gewesen sein.

00:46:35: Marko Fragen wir ihn selbst.

00:46:36: Rolf Dietrich Keil Es war ein großes Erlebnis, auf jeden Fall. Und vor allen Dingen eben das Erlebnis auch von Adenauer, der wirklich einen sehr großen Eindruck gemacht hat, auch was seinen körperlichen Zustand betraf. Der ging also...Er stieg da die Treppen rauf in einem Tempo, da kam mancher Jüngere nicht mit. Der war 79 damals, das war schon rein körperlich eine ganz erstaunliche Leistung. Es standen ja Wahlen bevor. Und das waren die einzigen Wahlen, in denen die CDU die absolute Mehrheit gewonnen hat. Weil er die Leute zurückgeholt hat.

00:47:19: Martin Ja, und dein Opa und deine Oma haben auch fleißig mitgewählt.

00:47:24: Marko Bis zu ihrem Lebensende hat mein Großvater, der selbst in russischer Kriegsgefangenschaft war, und meine Oma, die die Russen allerdings nie leiden konnte, weil sie von den Russen vertrieben worden ist aus ihrer Heimat, haben die CDU gewählt, unbeirrbar. Adenauer hat es längst nicht mehr gegeben. Aber alle CDU-Kanzler wurden mit den Stimmen meiner Großeltern ins Amt gehievt.

00:47:47: Martin Weil Adenauer die Leute zurückgeholt hat.

00:47:50: Marko Ja, so ist es.

00:47:51: Rolf Dietrich Keil Er war schon beeindruckend, denn ich muss ehrlich sagen, ich war als normaler Bundesbürger, der ja noch nichts mit Politik zu tun hatte, durchaus skeptisch Adenauer gegenüber, bevor ich ihn kennengelernt habe. Er hat mir dann doch großen Eindruck gemacht. Der hat es verstanden, durchzusetzen, was er wollte, und es auch so hinzukriegen, dass am Ende keine Partei als Verlierer dastand. Das war ja auch wichtig.

00:48:25: Martin Und was ist aus dem guten Rolf Dietrich Keil geworden? Der war ja kein professioneller Dolmetscher ganz am Anfang, sondern er hat das erst da gelernt, bevor Adenauer zu seiner Reise aufgebrochen ist.

00:48:39: Marko Rolf Dietrich Keil hat diese Reise als einen einzigen Ausflug in die Politik genommen und hat danach vorgezogen, lieber an der Universität zu bleiben und zu forschen und zu lehren. Und das hat er wohl auch sehr, sehr glücklich getan. Als ich ihn interviewt habe, das war im Jahre 2010. Da habe ich ihn damals gefragt: Wenn Sie jetzt so an die Reise zurückdenken, was ist Ihnen denn geblieben? Und Rolf Dietrich Keil hatte auch einen wunderbaren Humor, hat gesagt ein schwarzer Anzug.

00:49:10: Rolf Dietrich Keil Er hat ja auch noch ein paar Jahre gepasst. Ich aber hatte wenig Gelegenheit, in zu erscheinen.

00:49:18: Marko Was vielleicht auch besser war. Es ist schließlich die Beerdigungs-Farbe. 2018 ist Rolf Dietrich Keil im Alter von 95 Jahren gestorben. Und ich muss sagen, in der Geschichte all der Zeitzeichen, die ich gemacht habe und das sind weit über 100, war er mir einer der liebsten Gesprächspartner, die ich je für ein Zeitzeichen interviewt habe.

00:49:38: Martin Mit dem Dolmetscher Rolf Dietrich Keil und mit Adenauer in Moskau. Und wir durften hinter die Kulissen blicken, im wahrsten Sinne des Wortes. Spannende Geschichte bei den Geschichtsmachern. Wir sagen Schönen Dank.

00:49:52: Marko Und wenn es euch gefallen hat, dann sag das allen, die da draußen herumlaufen. Seien sie Russen, seien Sie ehemalige Sowjetbürger, seien Sie Dolmetscher, seien Sie Diplomaten, seien Sie.

00:50:05: Martin Bundeskanzler?

00:50:06: Marko Seien Sie Bundeskanzler.

00:50:07: Martin Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es uns aber bitte nur uns unter...

00:50:14: Marko www.diegeschichtsmacher.de findet ihr unsere Adresse, unter der ihr uns schreiben könnt und wir freuen uns über eure Post.

00:50:23: Martin Und wir sagen: Bis zum nächsten Mal mit Adenauer - Tschüs.

00:50:26: Marko Nasdrowja - komm ich tu dir noch einen rein...

00:50:29: Martin Komm, aber du musst vorher noch Olivenöl, sonst gibt das ja keinen heute Abend.

00:50:35: Marko Nasdrowje.

00:50:36: Martin Auf deinen Opa und deine Oma. Prost.

00:50:37: Marko Prost....

00:50:37: Martin Das nächste Mal wieder Mosel-Wein...

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