Söldner - das (zweit-)älteste Gewerbe der Welt, Teil 1

Shownotes

Es ist gar nicht so leicht, das Söldnerwesen im alten Griechenland nachzuweisen. Aber warum sich die Byzantiner ausgerechnet Wikinger nach Konstantinopel holten, die italienischen Condottieri oft gar keine Italiener waren, warum Schweizer gern genommene Miet-Soldaten waren - und was all das mit dem 30-jährigen Krieg, Wallenstein und unserer unmittelbaren Gegenwart, der Gruppe Wagner und ihrem Führer Jewgeni Prigoschin zu tun hat, das erfahrt ihr in diesem Podcast über die Geschichte des Söldnertums.

Martin Herzog und Marko Rösseler haben sich diesmal wieder Verstärkung geholt: Ihr Kollege Herwig Katzer hat ein WDR-Zeitzeichen über Wallenstein und seine Armee gemacht und dies nehmen die drei zum Anlass, tief in die Geschichte des Söldnertums einzutauchen.

Von der Antike geht es in dieser Folge bis in den 30-jährigen Krieg. Als Experte im O-Ton mit dabei ist der Historiker Christoph Kampmann aus Marburg.

Nützliche Links: Herwig Katzers Zeitzeichen über Albrecht von Wallenstein findet ihr hier. Marko Rösseler hat ein Zeitzeichen über Harald den harten gemacht - bitte hier entlang. Wer etwas über Prof. Christoph Kampmann aus Marburg wissen will, hier geht es zu seiner Vita.

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Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher - Söldner, Teil 1

00:00:00: Marko Wir haben gar kleine Sorgen wohl um das Römisch Reich. Es sterb heute oder morgen. So gilt uns alles gleich.

00:00:07: Martin Gewissen hin, Gewissen her. Ich acht vielmehr die zeitlich Ehr. Dien nicht nicht um Glauben, dien, um Geld. Gott geb wie es geh in jener Welt.

00:00:17: Marko Zwei kleine Gedichte, die uns unser Freund und Kollege Herwig Katzer mitgebracht hat.

00:00:22: Martin Was ist das? Was sind das für Gedichte?

00:00:24: Herwig Das sind Gedichte von Landsknechten. Man kann auch sagen, das sind Söldner gewesen aus dem späten Mittelalter. Und man hört schon an diesen Texten, denen ist alles egal. Hauptsache es gibt Geld für das, was sie tun, nämlich Krieg führen.

00:00:41: Martin Und aus gegebenem Anlass haben wir uns gedacht: Das ist ein Thema, mit dem müssen wir uns mal auseinandersetzen. Ein Ritt durch die Geschichte der Kriegsführung, ein Ritt durch die Geschichte der Söldner.

00:00:52: Marko Herzlich willkommen bei...

00:00:53: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:10: Marko Herzlich willkommen bei dieser Folge. Und wie ihr ja wisst, laden wir immer wieder gerne Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion Zeitzeichen ein. Das Zeitzeichen ist eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks. Mit dem haben wir aber hier nichts zu tun, sondern das hier machen wir privat.

00:01:24: Martin Jawoll! Und deswegen freuen wir uns natürlich immer, wenn Kollegen zu uns stoßen und ihre, ja Herzens-Recherche uns vorstellen und die Themen, die sie besonders beschäftigt haben. Und der Herwig Kratzer hat sich mit Wallenstein beschäftigt. Wir erinnern uns alle in der Schule Wallenstein, Schiller. Lange Lektüre, schwere Lektüre, aber du fandst das Thema super. Warum?

00:01:51: Herwig Ja, ich fand das tatsächlich super. Ich bin darauf aufmerksam geworden, als ich den Film Wallenstein gesehen habe, mit dem großartigen Rolf Boysen in der Rolle des Wallenstein, mit seiner knarzigen Stimme und seiner wahnsinnig trockenen Art, wie er da mit den Söldnern umgesprungen ist. Und dann wurde er ja auch so ein bisschen grübelnd dargestellt. Und in der Schule musste man womöglich mal den Wallenstein von Schiller lesen. Mich hat das fasziniert diese Zeit, in der so viel Krieg geführt wurde in Europa. Und Wallenstein war eine zentrale Figur in diesem 30-jährigen Krieg.

00:02:31: Marko Nun haben wir wieder einen Krieg im Moment in Europa, und wieder spielen Söldner eine Rolle. Gibt es da Parallelen?

00:02:40: Herwig Die gibt es sehr wohl, und zwar zwischen dem Söldner Führer der Gruppe Wagner namens Prigoschin und jenem Wallenstein. Und zwar ist es, glaube ich, nicht nur der unbedingte Wille zum Reichtum und zur Macht, sondern es ist auch so eine Kompromisslosigkeit, die auf der einen Seite politisch durchschlägt. Auf der anderen Seite war Wallenstein immer darauf aus, nicht Leute in einen Krieg zu schicken, der sinnlos ist, oder in Schlachten zu schicken, die er nicht gewinnen kann, die ihm eher als geschäftsschädigend vorkamen, weil seine Söldner da umkamen und Prigoschin - nach seinen Wutausbrüchen haben wir ja gesehen: Er hat das Verteidigungsministerium in Russland dafür verantwortlich gemacht, dass seine Leute da verheizt werden, zum Beispiel in Machmud. Und da sind schon große Parallelen zwischen Wallenstein und Prigoschin.

00:03:37: Martin Also die Haupt-Parallele, die du jetzt aufziehst, ist: Beides sind Geschäftsleute. Also Wallenstein war ein Geschäftsmann, der hat Krieg als Handwerk und als Geschäft gesehen und Prigoschin heute auch.

00:03:50: Herwig Unternehmer des Krieges. Also homme de guerre, würde vielleicht der Franzose sagen. Oder homm á guerre?

00:03:57: Marko Auf jeden Fall handelt es sich um, na ja, vielleicht nicht das älteste, aber vielleicht das zweitälteste Gewerbe dieser Welt. Männer, die sich dafür hergeben, für andere den Kopf hinzuhalten und Krieg zu führen. Und deswegen wollen wir einen kurzen Galopp durch die Geschichte des Söldner Thomas machen.

00:04:13: Martin Ja, so ein kurzer Galopp wird es nicht. Es wird, glaube ich, ein etwas längerer Galopp werden über zwei Teile, die wir machen werden. Wir wollen dieses Thema Söldner ein bisschen historisch aufbohren und der Lauf durch die Geschichte wird zeigen, dass es Söldner nicht nur schon immer gegeben hat. Du hast es gerade gesagt, das ist ja auch der Titel unserer heutigen Folge: Das zweitälteste Gewerbe der Welt. Es hat sie nicht nur schon immer gegeben, sondern im Prinzip war das historisch gesehen eigentlich immer die Normalität, dass es Söldner nicht nur gegeben hat, sondern dass Kriege hauptsächlich mit Söldnern geführt wurden und die National-Armeen, die wir so heute kennen und die wir für normal halten, die sind eigentlich der geschichtliche Ausnahmefall, kaum älter als 200, 300 Jahre. Und das ist glaube ich ganz spannend, da mal den Blick darauf zu werfen und zu schauen: Wie ist es denn in den letzten 3000 Jahren Geschichte gewesen mit diesem seltsamen, blutigen Handwerk Söldner?

00:05:05: Marko Bevor wir aber die Rolle rückwärts machen und 3000 Jahre in der Geschichte zurückgehen ins Hier und Jetzt, Martin. Wir haben nämlich Post. Ja, wir haben Post bekommen, endlich.

00:05:16: Martin Jawoll! Und wir haben ein paar E-Mails uns rausgesucht, die wir jetzt mal vortragen wollen. Und zwar gibt es Post von Werner Müller aus Köln, der hat zu unserer Zeppelin Folge - ist schon ein bisschen länger her - hat der Folgendes geschrieben.

00:05:30: Marko Hallo Geschichten Macher - Geschichtsmacher, aber.

00:05:35: Martin Wir machen auch Geschichten ...

00:05:36: Marko Und auch wir machen Fehler. Ein schöner Podcast - freuen wir uns. Allerdings verstehe ich nicht, warum die ersten Angriffe durch Luftschiffe nicht zur Sprache gebracht worden, z. Sechs Köln, Lüttich und Sachsen auf Antwerpen?

00:05:51: Martin Ja, das war der Zeppelin sechs "Köln" benannt, der auf Lüttich im Ersten Weltkrieg Bomben abgeworfen hat und der Zeppelin "Sachsen", der auf Antwerpen geflogen ist und da Bomben im ersten Weltkrieg...

00:06:02: Marko War dein, Martin.

00:06:03: Martin Das war mein Thema. Und in der Tat, wir haben darüber gesprochen, aber nur sehr kurz. Tatsächlich waren die Zeppeline zu Beginn des Ersten Weltkrieges auf dem Kontinent eingesetzt worden als Bomber. Das waren eben Lüttich, Antwerpen und auch Paris und später sind die dann erst über London eingesetzt worden - ab 1915. Das sind die Bombardierungen gewesen, die man vielleicht kennt, wo man von weiß, dass es die gegeben hat. Im weiteren Verlauf ging das dann noch hoch bis nach Edinburgh sind sie eingesetzt worden, aber auch in Italien, in Neapel, in Osteuropa, in Griechenland. Einer ist abgeschossen worden in Saloniki und sogar in Afrika sind die im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden, meistens nicht für Bombardierungen, sondern für Aufklärungsflüge. Also das hat es tatsächlich gegeben. Und wer weiß, irgendwann, wenn wir einmal eine weitere Folge machen über Zeppeline, dann können wir auch darüber ausgiebig sprechen. Aber natürlich ist es so: Wir haben in einer Stunde damals die gesamte Geschichte der Zeppeline durchdekliniert. Von den ersten Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Hindenburg-Desaster 1937. Und da ist dann dieser Aspekt ein bisschen zu kurz gekommen, vielleicht.

00:07:11: Marko Und wir haben Post von ganz, ganz weit weg bekommen. Ich wusste gar nicht, dass uns da jemand hört.

00:07:17: Martin Jawohl. Und zwar Bob hat uns geschrieben aus Atlanta in den USA. Robert Potts heißt der Mann, und der hat uns folgendes geschrieben.

00:07:26: Marko Hallo, Marko und Martin, einige Gedanken über Götter, Krieg und Wissenschaft, die Geschichte der Sonnenfinsternisse Teil zwei.

00:07:33: Martin Ja, auch meins.

00:07:34: Marko Wieder dein Thema, wieder dein Thema. Erstens Robert Bunsen hat den Bunsenbrenner nicht erfunden, zumindest - wie so oft - nicht allein. Aber er hat es von Peter Desaga bauen lassen, nach Prototypen von unter anderem Michael Faraday.

00:07:50: Martin Ja, in dem Fall muss ich sagen mea culpa. In der Tat. Ich habe gesagt, dass Herr Bunsen der Erfinder des Bunsenbrenner ist. Das liegt ja auch irgendwie nahe. Und irgendwie ist er es ja auch. Aber er hat tatsächlich das Prinzip nicht erfunden. Das war Michael Faraday in den USA und er hat sich dann beim Bau des Bunsenbrenners eben auch helfen lassen. Also das ist. Ich glaube aber, ehrlicherweise, dass ist vielleicht eine lässliche Sünde in unserem Zusammenhang.

00:08:15: Marko Zweitens Mannheim ist sehr cool.

00:08:18: Martin Das war da, wo Bunsen und sein Mitstreiter dieses Feuer beobachtet haben, womit sie herausgefunden haben, welche Elemente in diesem Feuer gewesen sind.

00:08:27: Marko Und aber was uns noch mehr freut. Du hast geschrieben die Geschichtsmacher, unser Podcast, sei auch sehr cool und dafür sagen wir Danke in die USA.

00:08:34: Martin Ja, wir finden den Podcast auch sehr cool. Vielen Dank an alle an Bob.

00:08:38: Marko Danke für eure Post da draußen. Wir freuen uns. Schreibt uns!

00:08:41: Martin Gerne mehr davon. Nun aber zurück zu unserem Thema. Söldner, das ist ein Begriff "Söldner" - Sold. Kann man sich so irgendwie denken, wo das herkommt? Also hat was mit Geld zu tun offensichtlich - ist das jetzt nur eine Vermutung. Oder ist es wirklich so?

00:08:56: Herwig Nee, das ist tatsächlich so. Das Wort "Sold" kommt aus dem Altfranzösischen und hat eine Goldmünze bezeichnet. Und auch im Lateinischen spricht man von Soldo, der Münze, also Soldare - Italienisch heute: "in Sold nehmen". Es geht also um Bezahlung für Männer, die streiten, die kämpfen, die Waffen in die Hand nehmen. Und das Wort Soldat hat natürlich dann auch den gleichen Ursprung.

00:09:23: Martin Ja, interessanterweise. Das Wort im englischen "Mercenary" hat offensichtlich eine ähnliche Bedeutungs-Geschichte. Das kommt aus dem lateinischen "Merces" und das, was dann Lohn, Sold oder Preis bedeutet. Also es ist von Anfang an relativ klar, worum es hier geht.

00:09:39: Marko Kämpfen gegen Geld.

00:09:40: Martin Ja.

00:09:40: Marko Nun klingt es erst mal so ein bisschen anrüchig. Nein, es geht nicht nur ein bisschen anrüchig. Es klingt anrüchig, dafür Geld zu nehmen, jemanden umzubringen und zu töten. Aber wenn man ein Soldat ist, dann bringt man ja niemanden um. Dann zieht man ja in den Krieg. Und das für Geld zu machen, ist vollkommen in Ordnung. Auch 1618 war das so, als der 30-jährige Krieg begann.

00:10:00: Herwig Absolut.

00:10:01: Marko Man muss sagen, der Krieg dauert von 1618 bis 48 in diese Zeit entführte du uns. Und es geht letztendlich um Religion.

00:10:07: Herwig Es geht um Religion, es geht um Katholiken gegen Protestanten.

00:10:11: Marko Zwei Religionen, eigentlich ein und dieselbe Religion, die den Spruch hat: Du sollst nicht töten und deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

00:10:21: Herwig Ja, und beide Glaubensrichtungen haben ja für sich in Anspruch genommen, die richtige Religion zu sein und nicht die falsche. Und über diese Frage gab es ja schon kurz nach Einführung der Reformation Probleme und Auseinandersetzungen, Konflikte. 1618 sind diese Konflikte so weit eskaliert, dass es zum Krieg kam. Dass der 30 Jahre dauern würde, hat natürlich kein Mensch geahnt.

00:10:46: Marko Und dann kommt ein Mensch, der nennt sich Wallenstein und der organisiert das irgendwie. Oder was ist dessen Rolle?

00:10:55: Herwig Wallenstein ist ein kommerzieller Söldner-Führer. Der Mann ist in Böhmen geboren, ist zu Geld gekommen, unter anderem durch Heirat, und hat das Kriegführen als Geschäft entdeckt für sich, zur persönlichen Bereicherung und zur Absicherung seines Reichtums.

00:11:15: Marko Ist das gleich am Anfang des Krieges oder irgendwann mittendrin? Wo, wann taucht der auf?

00:11:20: Herwig Wallenstein taucht relativ bald auf, weil der Kaiser dringend Krieg führen musste. Aber er hatte die Kohle nicht dazu. Also hat er sich jemanden gesucht, der Geld hat und bereit ist, seine Söldner in einen Krieg zu führen. Im Interesse des Kaisers. Und da ist er auf den Wallenstein gekommen, weil Wallenstein Ferdinand II., noch bevor er Kaiser war, einmal in einer Schlacht gerettet hat, indem er ihm Hilfstruppen gesendet hat. Und das hat ihm der Kaiser nie vergessen. Und er war ihm also was schuldig. Und das hat der Wallenstein natürlich auch ausgenutzt.

00:11:58: Martin Jetzt haben wir eben gesagt Konfessioneller Krieg und: Du sollst nicht töten - in beiden Konfessionen eigentlich das oberste Gebot. Aber offensichtlich ist das in dem Fall kein Problem. Also wie funktioniert das mit der Moral und dem Sold? Das Geld, was man dafür kassiert, anderen den Schädel einzuschlagen?

00:12:17: Herwig Ja, jetzt bin ich kein Söldner und ich war auch nicht bei der Bundeswehr. Ich würde es nicht tun. Aber es gab natürlich Menschen, die damit ihren Lebensunterhalt verdient haben. Die mussten Familien ernähren, die hatten keine andere Möglichkeit, Geld zu verdienen. Und du hast besser verdient als ein Handwerker, wenn du Handwerker des Todes warst, also ein Kämpfer, ein Krieger, hast du oft das Doppelte oder Dreifache von dem verdient, was ein Handwerker, wenn er da beim Schmied am Amboss steht und auf Eisen schlägt, verdient. Da hast du das Zwei- bis Dreifache. Und das ist natürlich schon eine sehr lohnende Angelegenheit.

00:12:56: Martin Und moralisch verwerflich war es auch nicht in der Zeit. Also das war ein Beruf wie andere auch. Blutig zwar, aber anerkannt.

00:13:04: Herwig Genau. Und ich nehme an, dass sie auch um Gottes Segen gebetet haben vor jeder Schlacht. Weil sie waren ja auf der richtigen Seite. Nur die andere Seite hat es halt genauso gesehen.

00:13:14: Martin Ja, aber da konnten die Seiten ja auch ab und an mal wechseln.

00:13:17: Herwig Richtig. Also diese Leute haben nicht für die Religion gekämpft, die haben für das Geld gekämpft. Also die haben - klar, die waren in einem Religionskrieg, aber das war denen total wurscht, um es mal ganz platt zu sagen.

00:13:29: Martin So wie wir am Anfang diese Gedichte zitiert haben.

00:13:33: Herwig Genaum - es soll gehen wie es geht.

00:13:35: Martin Ja, also dass man mehr Geld damit verdienen kann, indem man Köpfe einschlägt als auf irgendein Metall, das scheint ja nun etwas zu sein, was es nicht erst seit dem 30-jährigen Krieg gibt, sondern letztendlich wir haben es ja benannt, das zweitälteste Gewerbe der Welt, wer weiß, ist es wirklich das zweitälteste? Vielleicht streitet man sich auch mit dem ältesten Gewerbe der Welt, welches jetzt nur das älteste gewesen sein könnte. Aber auf jeden Fall existiert es wahrscheinlich so lange, wie es Nachbarschaftsstreit gibt in der Menschheit. Bereits im Altertum gab es Söldner und Söldner-Führer und Söldner-Heere und Marko, du hast dich da mal, glaube ich, ein bisschen schlau gemacht.

00:14:15: Marko Na ja, schlau. Also es ist gar nicht so einfach. Wenn man so in die Schriftquellen rein guckt, dann existiert in vielen Kulturen das Wort Söldner überhaupt nicht. Wenn wir zum Beispiel auf die Griechen gucken, die haben gar kein Wort für die Söldner. Trotzdem wissen wir heute, dass es griechische Söldner gab. Warum wissen wir das?

00:14:34: Martin Warum gab es denn kein Wort dafür?

00:14:37: Marko Wahrscheinlich, weil es völlig normal war. Also es gibt verschiedene Worte, die immer wieder auch in Texten genannt werden. EPIKUROS zum Beispiel wird manchmal als "Verbündeter", aber manchmal auch als Söldner übersetzt. XENOS kann Fremder, kann aber auch Gast, kann aber auch Söldner oder Mitstreiter bedeuten. Und manchmal umschreibt man es auch ganz seltsam. Da heißt es dann zum Beispiel in Homers Ilias, da kämen fremde Verbündete nämlich auf Seiten Trojas ins Spiel. Und die ziehen wohl die für die Trojaner dann in den Kampf. Aber die wurden nicht so bezeichnet. Es war wahrscheinlich völlig normal, dass das so war. Aber ich habe euch etwas mitgebracht, und zwar ein Foto. So, dieses Foto könnte der Herwig mal beschreiben, was er da so sieht.

00:15:25: Herwig Ja, das scheint eine Ausgrabung zu sein und da sind sehr fein aufgereiht Skelette zu sehen, die mindestens, na das sind schon etliche Dutzend. Die offenbar aber auch in der richtigen Reihenfolge zu liegen scheinen oder jedenfalls auch so beerdigt wurden.

00:15:45: Marko Es handelt sich um eine Ausgrabung auf Sizilien. Und Sizilien gehörte in Teilen des achten Jahrhunderts gehörte es zu den Griechen. Das wurde von Griechen besiedelt und da gab es eine antike Stadt. Himera nennt man die. Die ist um 600-700 vor Christus ist die gegründet worden und die hat zweimal Krieg geführt, und zwar gegen Karthago. Karthago, Nordafrika, einmal im Jahre 480 vor Christus und einmal im Jahre 409 vor Christus. Und beide Kriege kann man archäologisch greifen. Dieses Foto, was der Herwig da gerade beschrieben hat mit diesen vielen Toten, ist also eine Ausgrabung, die kann man ziemlich genau auf das Jahr 480 datieren. Das heißt, die müssen während dieses Krieges gegen Karthago gefallen sein. Nun sieht man denen ja auf den ersten Blick diesen Knochen nicht an, wer liegt da eigentlich? Und dann hat man folgendes gemacht. Man hat eine Genanalyse gemacht, der Knochen. Und dann hat man festgestellt, dass die, die da lagen, und zwar das ist ja wirklich ein großes Massengrab, dass die aus verschiedenen Regionen Europas kamen, aber nicht aus Sizilien. Die kamen also aus dem Ostseeraum, die kamen aus dem Kaukasus, die kamen aus der zentralasiatischen Steppe, und die waren alle so um die 30 Jahre alt. Nun könnte man sagen okay, vielleicht sind die ja nach Sizilien gezogen, weil es so.

00:17:10: Martin Schön, weil die Zitronen da...

00:17:12: Marko Weil da die Zitronen blühen und weil es ja so schön ist. Mittlerweile ist die Archäologie ja echt verdammt weit. Es ist ja eine Naturwissenschaft geworden in großen Teilen. Man hat eine Analyse der Strontium-Sauerstoff-Isotope gemacht.

00:17:25: Martin Ach du lieber Himmel.

00:17:26: Marko Habe ich mir auch gedacht, habe ich nur gelesen. Ich habe es auch nicht verstanden, wie man's macht. Aber diese Strontium-Sauerstoff Isotope werden mit der Nahrung aufgenommen und die lagern sich in den Knochen und in den Zähnen ab. Und wenn man diese Strontium-Sauerstoff-Isotope sich genau anguckt, dann ist das wie ein Fingerabdruck der Region: Was haben die Leute gegessen? Und bei diesen Leichen kommt folgendes raus. Die, die in dem Massengrab liegen, haben was ganz anderes gegessen als die, die in anderen Gräbern derselben Zeit im selben Krieg um 480 gefallen, getötet, wie auch immer sind.

00:18:03: Martin Das heißt, die sind für das Ereignis, für diese Schlachten dahin gekarrt worden.

00:18:08: Marko Die sind dahin gegangen oder dahin gekarrt worden. Die stammen auf jeden Fall nicht aus Sizilien, sondern die stammen überall da aus Europa her und sind offenbar für diesen Krieg dahingegangen. Deshalb nehmen wir heute an, das waren Söldner. Und diesen Krieg 480 haben die Griechen dann tatsächlich auch gegen die Karthager gewonnen. Es gab dann den nächsten Krieg. Der hat ja, wie ich eben sagte, im Jahre 409 stattgefunden. Auch da gibt es wieder viele Leichen und es gibt auch wieder viel Untersuchung. Aber da hat man festgestellt, nein, da war niemand aus dem Rest Europas involviert. Und das Spannende ist: Diesen Krieg haben die Griechen verloren.

00:18:50: Herwig Was mir aufgefallen ist - sehr prominent: Links oben in dem Bild ist ein einzeln begrabene Pferd. Tja, was sagt uns das?

00:19:00: Marko Ich weiß es nicht. Das ist das Schöne. Vielleicht gehört es dem Söldner Führer. Ich habe keine Ahnung. Ein Söldner-Pferd. Ich weiß auch nicht, ob man sozusagen das Genom des Pferdes auch untersucht hat. Ich weiß auch gar nicht, ob man das kann. Aber es liegt dabei. Was noch interessant ist zu diesem Massengrab. Es gab in diesem Massengrab der Söldner gab es keine Grabbeigaben, das heißt die wurden da verscharrt. Während die anderen, also die offenbar aus der Gegend stammenden Menschen, die sich gegen die Karthager gewehrt haben, oder die gegen die in den Krieg gezogen sind, die wurden ordentlich beerdigt. Da gab es Grabbeigaben, die komplett ohne. Was vielleicht auch ein bisschen darauf schließen lässt: Es ist vielleicht doch kein so angesehener Beruf. Man weiß es nicht.

00:19:42: Martin Jedenfalls wissen wir jetzt auch die Griechen haben Söldner beschäftigt. Wie sieht es in anderen antiken Kulturen aus? Die Römer sind natürlich da.

00:19:50: Marko Die Römer. Die Römer. Der Klassiker. Die Römer sind natürlich die Meister im Besetzen von ganz Europa. Ganz Gallien. Du weißt aber auch, der Rest von Europa war ja besetzt. Es gibt den Begriff der Auxiliar-Einheiten. Die Auxiliar-Einheiten sind die sogenannten Hilfstruppen. Diese Auxiliar-Einheiten wurden rekrutiert aus entweder besetzten Provinzen oder aus Grenzregionen und wurden dann in das römische Heer integriert. Das sind Soldaten, die das römische Bürgerrecht noch nicht hatten. Also normalerweise: Legionär wirst du nur, wenn du das römische Bürgerrecht hast, dann kannst du in einer ordentlichen römischen Legion arbeiten, Krieg führen. Wenn du das römische Bürgerrecht nicht hast, wirst du auch kein Legionär, dann wirst du auch Auxiliar und diese Auxiliaren haben natürlich ein bisschen weniger verdient als als die römischen Bürger. Aber sie haben als Goodie nach 25 Dienstjahren das römische Bürgerrecht bekommen, verliehen bekommen.

00:20:50: Martin Schon nach 25 Jahren.

00:20:52: Marko Ja, so lange dauert es halt so, aber das war offenbar ein großer Anreiz für viele Menschen, sich in der römischen Armee anzudienen, dort Dienst zu leisten gegen Geld und gegen Bezahlung. Hinterher die Verleihung des römischen Bürgerrechts. Es gab da ganz verschiedene Spezialtruppen, die auch die Römer dann brauchten. Also es gab Schleuderer oder Bogenschützen, es gab auch Kamel-Truppen zum Beispiel unten in der Provinz Syrien, da wurden halt Leute, die Kamele führen konnten, in diese Auxiliar-Einheiten gelockt und haben da dann Dienst getan. Aber die Frage ist natürlich: Sind das Söldner? Ja, also weil die die haben dann ihr Leben lang eigentlich auf der Seite der Römer gekämpft, aber halt gegen Bezahlung und am Ende gegen sozusagen das Goodie: Du wirst römischer Bürger.

00:21:38: Martin Also eigentlich mehr reguläre Truppen, nicht Leute die das Bürgerrecht hatten. Aber für einen Staat. Da fällt mir jetzt ein. Das ist ja dann eher so was wie die Fremdenlegion, wo man ja auch, die französische Fremdenlegion, wo auch Leute aus anderen Staaten teilnehmen können und dann eben zehn Jahre, 20 Jahre für diese Fremdenlegion.

00:22:00: Marko Zum Beispiel: Sind das Söldner? Aber die andere Frage ist zum Beispiel sind Wagner Soldaten, die alle aus Russland oder zum Großteil aus Russland kommen und für Russland gekämpft haben? Zumindest bisher. Sind das Söldner? Ja, natürlich sind es Söldner. Also ich glaube es ist auch eine Begrifflichkeit. Also ich tue das nicht, tue ich schwer. Ich weiß das gar nicht.

00:22:19: Herwig Sind halt keine: Das sind irreguläre Truppen, also die sind außerhalb der nationalen Armee angesiedelt, also kann man sie, glaube ich, mit Fug und Recht als Söldner bezeichnen.

00:22:29: Marko Was man bei der Fremdenlegion nicht tun könnte. Und bei den bei den Römern eigentlich nicht, weil da sind die Auxiliar-Einheiten fester Bestandteil des römischen Heeres, wo es immer relativ klar war. Und was es auch relativ häufig auch in der Antike gibt, ist, dass persönliche Schutztruppen von einzelnen Leuten, die es immer gab, dass die in der Tat aus Söldnern rekrutiert wurden. Also der spätere oströmische Kaiser, der Basileus von Byzanz, der nimmt sich zum Beispiel eine sogenannte Waräger-Garde und diese Waräger stammen aus dem Ostseeraum. Nun habe ich mich gefragt, warum machen die das eigentlich? Also warum würdet ihr jemanden von weit her nehmen, der euch beschützt, statt jemand aus dem eigenen Land?

00:23:13: Herwig Die haben wahrscheinlich auch kein Interesse, die Macht sich zu ergreifen. Weil wenn du Leute aus dem eigenen Land hast, haben die ja vielleicht eigene Ideen, wie sie auf den Stuhl des jeweiligen Herrschers geraten könnten.

00:23:25: Marko Das genau scheint der Grund gewesen zu sein und man sagt ja schon byzantinische Verhältnisse, das war ein Drunter und Drüber in Byzanz, ein Geschacher um die Macht. Und da hat der Basileus, glaube ich, ganz gut daran getan, sich solche Wikinger zu holen. Gibt einen dieser Wikinger, über den habe ich mal ein Zeitzeichen gemacht, das war Harald der harte.

00:23:42: Martin Harald der harte.

00:23:43: Marko Harald der Harte. Über den gibt es auch ein Wikinger-Epos. Und da wird also auch beschrieben, wie der in der Tat nach seinem Dienst, den er in Byzanz gemacht hat, als Leibgardist des dortigen Kaisers, wie der unglaublich reich nach Hause kommt, mit Gold beladen, sodass er mehrere Männer braucht, um allein das Gold tragen zu können, was er sich sozusagen als Söldner im Mittelmeerraum verdient hat.

00:24:08: Martin Also offensichtlich hat man sich in der Antike und dann eben bis Byzanz, bis ins frühe Mittelalter nicht nur Heere geleistet, Söldner-Heere, sondern hat auch irgendwie die persönlichen Garden, die den Personenschutz des jeweiligen Kaisers Leuten aus aller Herren Länder ans Herz gelegt. Wie ging das dann so im Mittelalter weiter?

00:24:28: Marko Herwig, der beliebteste Söldner im Mittelalter?

00:24:31: Herwig Ja Schweizer.

00:24:32: Marko Der Schweizer.

00:24:33: Herwig Schweizer.

00:24:34: Marko Warum der Schweizer?

00:24:36: Herwig Nicht wegen des Schweizer Messers, das gab's damals noch nicht hochho, sondern weil das.

00:24:41: Marko Einmal in die Kalauer-Kasse.

00:24:43: Herwig Entschuldigung

00:24:44: Marko Sold für Kalauer-Kasse.

00:24:47: Herwig Die Schweizer waren deswegen so beliebt, weil sie einfach als wirklich kompromisslose Kämpfer bekannt waren. Raue Gesellen aus den Schweizer Bergen, wo es nichts als karge Armut gab und das Söldnertum eine Möglichkeit bot, Geld zu verdienen. Und zwar mit dem blutigen Handwerk des Krieges. Und die haben sich von jedem anheuern lassen, der sie bezahlt hat.

00:25:09: Marko Beim Papst stehen die bis heute vor der Haustür.

00:25:11: Herwig Und beim Papst stehen sie bis heute vor der Haustür, genau.

00:25:13: Martin Was uns zu der Frage bringt, ist die Schweizergarde der Vatikanstadt. Ist das eine Söldnerarmee?

00:25:21: Herwig Nach der Definition. Eigentlich ja.

00:25:23: Martin Kann man so sagen, bis heute.

00:25:26: Marko Na ja, sagen wir mal so: Ich glaube, die haben selten die Seiten gewechselt.

00:25:29: Martin Ja, das ist richtig, ja.

00:25:31: Herwig Aber ich glaube, die Schweizergarde wird tatsächlich nicht vom Vatikan bezahlt, wenn ich mich irgendwie dunkel da mich erinnere.

00:25:39: Marko Aber die...

00:25:40: Martin Schweizer...

00:25:41: Herwig Die werden von Schweizer Staat bezahlt.

00:25:43: Marko Ja weil jetzt mittlerweile die Schweizer reich sind und. Na egal, auf jeden Fall.

00:25:47: Herwig Aber das ist nicht verbrieft. Also bitte keine bösen Zuschriften.

00:25:51: Marko Bevor wir uns in Halbwissen versteigen. Also die Schweizer waren sozusagen das Armenhaus Europas. Und weil sie das Armenhaus Europas waren und ganz besonders wilde Gesellen, hat man sie halt genommen, um sie auf die Schlachtfelder Europas zu führen.

00:26:03: Herwig Also, so beschreiben es die Historiker auch bis ins 19. Jahrhundert. Ich zitiere mal den Leopold von Ranke. Das ist ein sehr bekannter Historiker des 19. Jahrhunderts. Der charakterisiert sie folgendermaßen: Es war in ihnen eine wilde Kriegslust ohne höhere Begeisterung, die nur auf sich selbst trotzte und keiner Führung zu bedürfen meinte. Sie wussten, dass sie Mietlinge waren, aber ein jeder sollte und wollte seine Pflicht tun. Ihr Gedanke war nur die Sache Leib an Leib auszufechten, den Sturm-Sold zu verdienen, ihre alten Gegner, die Schwaben, die Landsknechte zu bezwingen. Also das ist wirklich ein Ritterschlag vom Historiker auf die Schweizer und ihre harte Gangart in den Kriegen, die sie mit geführt haben.

00:26:54: Marko Besonders berühmt ist natürlich eigentlich Italien wegen der Söldner. Also da gab es ja diese Stadtstaaten und da geht es ja immer drunter und drüber. Und man, wenn man sich nicht wirklich richtig damit beschäftigt, kriegt eigentlich überhaupt keinen Überblick, wer da gegen wen. Aber das Wichtigste ist wohl, glaube ich: Söldner.

00:27:11: Martin Ja. Es gab diese Stadtstaaten im elften, zwölften Jahrhundert haben sich viele Städte, die dann reich geworden sind, vor allen Dingen in Norditalien, haben sich vom Kaiserreich abgesetzt und abgenabelt und gaben sich meist republikanische Verfassungen. Das waren dann diese Stadtstaaten: also Florenz, Pisa, Siena, Mailand, Verona, Bologna, Ferrara, Venedig, dann vor allen Dingen natürlich auch Genua. Die waren reich geworden durch den Orient Handel, hatten aber das Problem, dass sie viel Geld hatten, aber wenig Verteidigung, schwache Verteidigung. Und wie das dann so ist, wenn der Nachbar sieht: Aha, da gibt es was zu holen und der hat seine Mauern nicht besonders gut befestigt und hat auch nur wenige Soldaten. Da falle ich mal ein, da hole ich mir was. Und das ist dann tatsächlich auch so passiert. Bis ins Spätmittelalter. Dann also vor allen Dingen 13. / 14. Jahrhundert, haben die sich gegenseitig bekriegt - jede Stadt gegen jede andere. Die haben also untereinander Verträge abgeschlossen, die wieder gebrochen. Dann sind sie Koalitionen eingegangen und am Ende hat jeder gegen jeden gekämpft und alle dann gegen den Vatikanstaat. Das war natürlich dann oftmals der gemeinsame Feind. Und die Frage ist natürlich, wenn du keine Soldaten hast, die die Stadt verteidigen können, was machst du? Klar, du engagierst Söldner. Diese Kriege der Stadtstaaten gegeneinander wurden durch sogenannte Condottiere geführt. Das waren die Söldner-Führer - von condotta - habe ich mir sagen lassen: Sold-Vertrag. Das war der Condotta. Der wurde geschlossen zwischen der Stadt und einem solchen Söldner-Führer. Und deswegen wurde der dann Condottiere genannt. Das hat dann im Laufe der Zeit dazu geführt, dass diese Condottieri, die haben jetzt nun mal wirklich alle Kriege geführt, die dazu führen waren, und die haben mehr oder weniger so ein quasi Monopol ein militärisches dann innegehabt. Und das Problem ist natürlich dann, wenn man die komplette Militärmacht aus der Hand gibt, ja, dann können die Condottiere natürlich irgendwann die Bedingungen diktieren, unter denen sie dann arbeiten. Und das haben die dann auch gemacht. Diese Truppen der Condottieri waren auch für ihre Launen berüchtigt und wir hatten das Thema ja schon ein paar mal, dann wurden die Seiten gewechselt. Aber berüchtigt waren die vor allen Dingen dafür, dass die das nicht nur vor der Schlacht getan haben, sondern mittendrin auch. Also während die Schlacht lief, haben die Verhandlungen geführt. Du gibst mir mehr.

00:29:47: Marko Nachzahlen!

00:29:48: Martin Ja, entweder nachzahlen oder ich drehe mich um und kämpft dann gegen meinen bisherigen Auftraggeber. Also das ist da gerne gemacht worden.

00:29:55: Marko Kamen die alle aus Italien oder wurden die überall rekrutiert oder...

00:29:59: Martin Die kamen überall her. Eigentlich kamen die meisten, also die Söldner-Führer jedenfalls, die kamen oft aus dem Ausland. Einen habe ich mir mal rausgesucht. Das war ein gewisser John Hawkwood, das lässt der Name schon ahnen. Das ist kein Italiener.

00:30:14: Marko Ein Brite, ein Engländer...

00:30:16: Martin Ein Engländer. Der hatte dann auch einen italienischen Namen, der wurde dann Giovanni Acuto.

00:30:21: Marko Acuto...

00:30:22: Martin Acuto wurde er genannt, und ihm lief der Ruf voraus, ein Italienisierter Engländer ist der fleischgewordene Teufel. Das war sozusagen sein Markenzeichen, unter dem er dann berühmt und vor allen Dingen auch berüchtigt geworden ist.

00:30:37: Marko Fleischgewordener Teufel.

00:30:38: Martin Der fleischgewordene Teufel, jawoll! Und der gilt als der erfolgreichste Söldner-Führer des 14 Jahrhunderts, ist 1320 in Essex geboren, also in der Nähe von London, hat dann eine Schneider-Lehre gemacht in London und als kleines apercu nebenbei gilt er als das Vorbild für die Geschichte vom tapferen Schneiderlein.

00:30:56: Marko Aber das war doch ein Gute?

00:30:58: Martin Ja.

00:30:58: Marko Sieben auf eine Streich - aber das waren doch Fliegen.

00:30:59: Martin Es waren Fliegen und eigentlich ist das ja auch nur ein Großkotz und Angeber gewesen, der eben nur Fliegen getötet hat und keine Riesen, wie eigentlich von ihm verlangt.

00:31:09: Marko Und Hawkwood war auch ein Großkotz?

00:31:11: Martin Das weiß ich nicht ganz genau, ob er ein Großkotz war. Aber auf jeden Fall hat er mehr getötet als Fliegen. Also der war ab 1340 mit seiner weißen Kompanie in Italien unterwegs, mit dreieinhalbtausend Reitern und 2000 Bogenschützen. Und diese Bogenschützen sollen in der Lage gewesen sein, bis zu 20 Pfeile pro Minute zu verschießen. Wie das gegangen sein soll, weiß ich nicht. Alle drei Sekunden einer.

00:31:33: Herwig Man spricht vom sogenannten Pfeil Regen.

00:31:36: Martin Okay.

00:31:37: Herwig Also das ist wirklich eine furchtbare Waffe. Wenn 2000 Leute nur am Schießen sind. So viele Schilder kann man nicht hochhalten.

00:31:46: Martin Also offensichtlich hat er gewusst, wie man damit umgehen musste und hatte da entsprechendes Fachpersonal im Bogenschießen beschäftigt. Und er hat das Kriegsgeschehen in Gesamt-Norditalien maßgeblich beeinflusst im 14. Jahrhundert und hat dann für denjenigen gekämpft, der eben am meisten bezahlt hat. Und das wechselte dann auch gerne mal, also 1361 war er erst mal bei der Belagerung von Avignon dabei. Da ging es dann um den Papst, den Gegenpapst und hat anschließend Angst und Schrecken in der Lombardei verbreitet, weil da seine Leute wüteten. Und dann hat er in Norditalien für den Markgraf von Montferrat gegen die Visconti in Mailand gekämpft, dann also gegen die Visconti in Mailand gekämpft, dann für die Visconti gegen Florenz, dann für Perugia gegen Papst Urban V., dann für die Visconti gegen Pisa, für die er vorher gekämpft hat.

00:32:41: Marko Und ich sagte ja eben schon, man kriegt überhaupt keinen Schlauen rein... wie diese diese italienische Renaissance Geschichte ist. Ja, das ist ja zum Kotzen. Also man versteht es eigentlich gar nicht. Also man weiß, man weiß eigentlich nur, dass sie währenddessen noch tolle Kunstwerke schaffen konnten und sich gleichzeitig den Kopf eingehauen haben.

00:32:57: Martin Ja, und das ging also lustig hin und her. Und er hat eben meistens für die Republik Florenz gekämpft, aber wenn es notwendig war, auch eben gegen die. Also das lief tatsächlich nach dem Motto: Wes Brot ich ess, des Pfeil ich schieß. Oder wie muss man das sagen? Irgendwie so was in der Art? Also da war er auch völlig ohne Vorbehalte, das war ihm komplett egal. Aber er muss dann eben so gewütet haben in Norditalien mit seinen Männern, dass es teilweise auch wütende Proteste gegeben hat und auch Bittbriefe. Da ist zum Beispiel ein Bittbriefe von Katharina von Siena zum Beispiel erhalten, wo sie sich an diesen John Jacquot wendet, mit einer innigen Bitte.

00:33:40: Herwig liest Katharina von Siena Daher bitte ich euch Messer Giovanni kommt und Tiere süß. Da ihr euer entzückenden Krieg und Kampf findet, führt keinen Krieg mehr gegen Christen, denn das beleidigt Gott, zieht gegen die Türken, damit ihr nicht länger ein Knecht und Soldat des Teufels, sondern ein männlicher und wahrer Ritter werdet.

00:34:00: Martin Ja, vielen Dank, Herwig. Also, da ist schon klar, es geht nicht darum, dass der Mann ein blutiges Gewerbe betreibt, sondern es geht darum, dass er das unter den Christen macht. Also wenn es gegen die Türken geht, ist dagegen eigentlich nichts zu sagen.

00:34:12: Marko Ein frommer Wunsch von der Katharina von Siena, die Söldner gegen die Türken, gegen die Muslime dem entsprechend - die Ungläubigen in ihren Augen zu schicken. Die Wahrheit ist aber es geht ja schon in Italien darum, dass sich die Christen gegenseitig die Köpfe einhauen. Und so wird es auch weitergehen.

00:34:31: Herwig Genau. Und besonders blutige Konfessions-Kriege fanden im 16. Jahrhundert und im 17. Jahrhundert statt. Natürlich der bekannteste Krieg, der 30-jährige Krieg, in dem auch Protestanten gegen Katholiken kämpften.

00:34:48: Marko Also man spricht immer im 30-jährigen Krieg, glaube ich, von den Kaiserlichen. Das sind die Katholiken.

00:34:53: Herwig Genau das ist der Kaiser, der sitzt in Wien.

00:34:55: Marko Für die hat ja auch Wallenstein, über den du das Zeitzeichen gemacht hat, gekämpft. Und auf der anderen Seite sind die Protestanten.

00:35:01: Herwig Richtig.

00:35:02: Marko Die kommen woher?

00:35:03: Herwig Also Protestanten gab es im Norden Deutschlands, im Osten und dann auch noch über die Grenze raus, in Böhmen zum Beispiel. In Böhmen, da kommt auch unser Wallenstein her, der seine Söldner Heere aufgestellt hat, und zwar richtiggehend aus dem Boden gestampft: 50.000 Mann, teilweise 100.000 Mann unter Waffen. Einer davon, von dem wissen wir, wie das Söldner-Leben überhaupt so praktisch war. Weil er - ungewöhnlich genug - Tagebuch darüber geschrieben hat, wo er war. 20.000 Kilometer ist er da durch Europa, nun muss man sagen gelatscht, weil da gab es ja wenig Verkehrsmittel, die er da zurückgelegt hat, 20.000 Kilometer und in diversen Schlachten war. Und von dem wissen wir, wie es da so zuging.

00:35:52: Martin Wer war da?

00:35:54: Herwig Das war Peter Hagendorf. .

00:35:57: Marko Peter Hagendorf. Nie gehört.

00:35:59: Herwig Das weiß man auch nur von seinem Tagebuch, das er da akribisch geführt hat, was wirklich sehr ungewöhnlich war für diese Zeit. Und von dem wissen wir zum Beispiel, dass seine Frauen - er hat mehrfach geheiratet - und auch seine Kinder mit in dem Tross dieser Söldner waren. Und der beschreibt das einfach super, wie das da so zuging. Ein Menschenleben - heute lebendig, morgen tot. Aber vielleicht kannst du mal ein Zitat vorlesen aus diesem Tagebuch.

00:36:28: Martin aus dem Tagebuch Den 22 März ist uns Johann Gallgort als Hauptmann vorgestellt worden. Den 26 April ist er im Laufgraben wieder totgeschossen worden. Den sechsten Mai ist uns Tilge Neuberg wieder vorgestellt worden. Der hat zehn Tage unsere Kompanie gehabt. Danach hat er resigniert. Den 20. Mai haben wir mit Ernst angesetzt und gestürmt und auch erobert. Da bin ich mit stürmender Hand ohne allen Schaden in die Stadt gekommen. Aber in der Stadt am Neustädter Tor bin ich zweimal durch den Leib geschossen worden. Das ist meine Beute gewesen. Dieses ist geschehen, den 20. Mai im Jahr 1631, frühmorgens um 9:00 Uhr. Nachher bin ich in das Lager geführt worden, verbunden, denn einmal bin ich durch den Bauch vorne durch geschossen worden, zum anderen durch beide Achseln, so dass die Kugel ist in dem Hemd gelegen. Also hat mir der Feldscher die Hände auf den Rücken gebunden, damit er hat können den Meißel einbringen. So bin ich in meine Hütte gebracht worden, halbtot. Ja, das ist lustig ist das Söldnerleben?

00:37:36: Herwig Ja, blutige Geschichte. Und so ein Leben war einfach damals: Ja, man hat es bekommen und es ist wieder genommen worden. Und Peter Hagendorf schreibt auch in seinem Tagebuch von seinen Kindern, die unterwegs geboren werden aber allesamt sterben. Wünscht ihnen dann jeweils eine fröhliche Auferstehung.

00:37:56: Martin Also das ist es ja auch am Anfang dieses Zitats. Das ist ja mit welcher - naja, Nonchalance kann man nicht sagen, aber mit welcher Selbstverständlichkeit er da schreibt, da der eine ist uns vorgestellt worden, zehn Tage später war er tot. Also das ist offensichtlich, ja. Also Leben und Sterben im 30-jährigen Krieg. So war es halt.

00:38:13: Herwig Ja, so war das.

00:38:15: Marko Weiß man, wie alt der geworden ist? Hat der diesen Krieg überlebt?

00:38:19: Herwig Der hat tatsächlich den Krieg überlebt. Und er ist dann nachher in einer Gemeinde Bürgermeister geworden.

00:38:25: Marko Ach. Das war also ein durchaus auch vielleicht auch gebildeter Mann.

00:38:30: Martin Er konnte schreiben.

00:38:31: Herwig Er konnte schreiben. Immerhin, das war ja damals nicht Gang und Gäbe. Aber er ist Bürgermeister geworden. Dann hat er noch paar Jahre gewirkt und ist glaube ich erst mit über 70 gestorben.

00:38:43: Marko Okay. Und man muss sich das wirklich vorstellen. Die sind mit Frauen, Kindern wie bei Mutter Courage und ihre Kinder bei Brecht sind die durch die Gegend gezogen.

00:38:51: Herwig Ein riesen Tross. Also wenn man bedenkt, dass Wallenstein wirklich mal 100.000 Leute unter Waffen hatte, eine Armee von 100.000 Leute, die sind durch die Lande gezogen. Das war die Pest für die Leute, die da lebten.

00:39:05: Marko Ja, die mussten sich ja auch irgend wovon ernähren.

00:39:07: Herwig Genau. Und die sind ja nicht in den Hofladen gegangen und haben Bio-Salat gekauft, sondern die sind da rein marschiert, haben sich geschnappt was sie brauchten und die brauchten viel, die mussten essen, die mussten trinken. Und die Bauern, die hatten das zwar vorrätig, aber wollten das ja auch nicht gerne hergeben. Aber da wurde in der Regel ein kurzer Prozess gemacht und gesagt: Gibst du es mir nicht, dann nehme ich es mir.

00:39:28: Martin Aber ist das nicht in irgendeiner Form organisiert worden? Also ich meine 100.000 Mann, wenn ich das richtig im Kopf habe, rechnet man auch damals wie heute über den Daumen gepeilt für jeden kämpfenden Mann drei aus Unterstützungs-Einheiten, also vom Koch über Schmiede, über Pferde...

00:39:45: Herwig Marketenderinnen.

00:39:47: Martin Marketenderinnen - das komplette Programm, also das wir reden, dann eben über 400.000 Menschen, die da durch die Lande gezogen sind in so einem Heer.

00:39:55: Herwig Ja, also ich glaube, bei diesen 100.000 geht es tatsächlich wirklich um die Leute unter Waffen. Genau 100.000 Mann. Also das ist wirklich unvorstellbare Truppen, die da angerückt sind. Und Wallenstein hat es verstanden, diese Mengen anzuwerben. Und er hatte wirklich sehr, sehr gute Obristen, die für Disziplin in diesem ganzen Haus und in diesem Haufen gesorgt haben. Die hat er auch gut bezahlt. Also er hat selber gut verdient, aber er hat auch seine Leute gut bezahlt.

00:40:26: Marko Na gut, wir Hagendorf schreibt: Manche muss er dann wahrscheinlich gar nicht mehr bezahlen. Die halten ja gar nicht lange durch. Aber dieser Hagendorf der war nun bei den Kaiserlichen. Also das heißt, das heißt, er war. Der war sozusagen in Wallensteins Armee.

00:40:39: Herwig Der hätte aber auch genauso gut bei den Protestanten kämpfen können. Also das war völlig egal. Also ihm war es egal, der hatte mit Glauben nix am Hut. Also wie ganz viele Söldner. Denen war es egal welche Religion, ob sie die falsche Religion haben oder nicht. Wer zahlt schafft an.

00:40:56: Marko Okay. Aber dann sterben seine Kinder und dann wünschte er ihnen eine frohe Auferstehung. Ist doch nur egal unter welchem.

00:41:02: Herwig Offensichtlich - er war offenbar gläubig. Aber war nun kein konfessioneller Fanatiker. Also jemand, der wirklich viel über den 30-jährigen Krieg publiziert hat und auch über Wallenstein ist der Historiker Professor Christoph Kampmann aus Marburg, der zahlreiche Bücher auch über den 30-jährigen Krieg geschrieben hat. Und er hat mir das bestätigt, dass Konfession oder das Politische für die Söldner selber kaum eine Rolle gespielt hat.

00:41:30: Christoph Kampmann Zunächst muss man sagen: Wir leben in einer Zeit, in der Konfessionelles und Politisches nicht trennbar ist. Man kann nicht sagen, etwas ist nur konfessionell oder nur politisch. Es ist immer beides in der Zeit. Also wir dürfen nicht davon ausgehen, dass die Menschen davon trennten. Machtpolitik war immer auch religiöse Machtpolitik. Wenn ein Fürst die Macht in seinem Territorium ausbaut, so gehört die Religion dazu. Das es keine Untertanen gibt, die von dem Glauben abweichen. Beides ist untrennbar. Was die Armeen betrifft, die in der Tat aus unterschiedlichen Konfessionen zusammengesetzt worden sind, das hing mit der Struktur der Armeen zusammen. Das sind professionelle Söldner-Armeen. Und Söldner kämpfen für Geld, und es war ihnen letztlich gleichgültig, welcher Konfession, welcher politischen Partei der Befehlshaber angehört, Hauptsache, er zahlt gut. Es herrschte in der Söldnerarmee eine eigene Disziplin und die überschritt das Religiöse. Und gerade Wallenstein war jemand, der auf Professionalität großen Wert legt und auf Religion in seiner Armee nicht. Wallensteins Stellvertreter war lange Zeit ein protestantischer Däne, der Stellvertreter der Armee, der kaiserlichen Armee. Das hat wunderbar funktioniert. Die Soldaten selbst hatten ihr eigenes disziplinäres Verhältnis und da spielte Religion interessanterweise keine Rolle.

00:42:46: Marko Und das in einer Zeit, in der Religion ja nun eigentlich unglaublich wichtig ist für die Menschen, auch der richtigen Religion anzugehören, weil ansonsten kommt man nicht ins Himmelreich und dem Himmelreich waren diese Söldner oder der Hölle immer sehr nah. Sie mussten ja jeden Tag damit rechnen, dass sie den nächsten nicht überleben.

00:43:07: Martin Aber für Leute wie Wallenstein war das offensichtlich zweitrangig. Wir haben ja schon drüber geredet. Der Mann war Geschäftsmann, vor allen Dingen.

00:43:13: Herwig Genau.

00:43:14: Martin Mit der Religion gehörte dann irgendwie mit dazu, oder wie muss man sich das vorstellen?

00:43:18: Herwig Er war Kriegs-Unternehmer und war protestantisch geboren, haben wir schon erzählt, und ist zum Katholizismus übergetreten. Aber seine Religion war glaube ich die Bereicherung sich seiner selbst.

00:43:29: Martin Also die Konversion war eine durch Geschäftsinteressen verursachte Konversion. Nicht unbedingt, weil er da jetzt sein Glaubensbekenntnis gewechselt hat.

00:43:39: Herwig Da müsste man in seinen Kopf schauen können, was wir nicht können. Aber vermutlich war ihm Religion total wurscht.

00:43:46: Marko Nun ist er darüber zu Reichtum gelangt und konnte diese Soldaten immer aus eigener Tasche bezahlen. Oder wie muss ich mir das vorstellen?

00:43:55: Herwig Er ist zu sehr großem Reichtum gelangt. Also was wir von ihm wissen ist, dass er kein besonders gefühliger Mensch sein sollte. Also er schreibt irgendwann einen lapidaren Satz: Ich heiratete eine Witwe.

00:44:09: Marko Okay.

00:44:09: Herwig Das war so sein. Sein Tagebucheintrag.

00:44:11: Martin Faktisch korrekt.

00:44:14: Herwig Faktisch korrekt. Die Witwe bringt praktischerweise eine Menge Ländereien mit sich. Das heißt, er war dann schon nicht mehr ganz arm. Also der war nie ganz arm, aber er hat dann immer wieder so ein bisschen dazubekommen und am Schluss war er so eine Art böhmischer Oligarch, könnte man, glaube ich, sagen.

00:44:31: Marko Ja gut, aber man muss sich ja vorstellen, der muss die ganzen Leute ja auch bezahlen und er muss sie unterhalten, er muss sie ernähren. Das muss eine so unglaubliche Menge an Geld gekostet haben. Wo kam das alles her?

00:44:43: Herwig Er hat tatsächlich eine richtige Systematik entwickelt, seinen Reichtum zu mehren. Und auch dazu hat mir der Professor Kampmann erzählt, wie das funktioniert hat.

00:44:52: Christoph Kampmann Wallenstein hat die Kriegsfinanzierung reformiert. Bis dahin war es so, dass die Kriegsherren eigentlich für die Finanzierung ihrer Armeen zuständig waren. Die Soldaten zogen Salz, Brennholz aus den Gebieten, aber eigentlich waren die Kriegsherren selbst dafür zuständig, die zu bezahlen. Es stellte sich nur rasch heraus, dass die Kriegsherrn das nicht konnten. Sie waren nicht finanzkräftige genug. Und Wallenstein stand schon kurz nach Aufstellung seiner Armee vor dem Problem, dass er seine Armee nicht finanzieren kann. Der Kaiser gab kein Geld. Und wie hat er es gelöst? Er hat es dadurch gelöst, dass alle Territorien, in denen seine Armee stand, seine Armee zu finanzieren hatten. Sie mussten alle zahlen. Geld zahlen, sogenannte Kriegssteuern, die Kontribution. Es gehört zu diesem System, dass die Soldaten nicht auf eigene Faust plündern. Wallenstein kassiert die Steuern selbst und gibt sie dann an seine Soldaten je nach Dienstrang weiter. Wenn die Söldner anfangen, auf eigene Faust zu plündern, geht das System kaputt. Und deshalb legt Wallenstein Wert darauf, dass seine Soldaten sich diszipliniert verhalten. Nicht weil er die Menschen liebt. Das tat er wahrhaftig nicht. Sondern weil er wollte, dass das Kriegsfinanzierungs-System am Laufen bleibt. Deshalb hat er auch manchmal Exempel statuiert. Selbst Offiziere, was selten vorkam, wurden für Plünderungen mit dem Tode bestraft, weil er nicht wollte, dass in diesen Territorien auf eigene Faust geplündert wird. Wenn man so will: Es plündert nur einer, nämlich er selbst.

00:46:18: Martin Sympathischer Charakter auch, aber offensichtlich einer Art und Weise, damit umzugehen. Das heißt, man hat ein Territorium und da wird dann geordnet geplündert, um es mal so zynisch zu sagen.

00:46:32: Herwig Ja, genau darum ging es. Aber er hat das dann natürlich wieder in seine Armee gesteckt, die dann wiederum weitere Kämpfe abgeliefert hat für den jeweiligen Auftraggeber und dadurch wieder neues Geld generiert hat.

00:46:47: Marko Was ich mich dann frage: Also diese Soldaten plündern dann aber geben alles ab. Das ist ja schon erstaunlich, das sackt da keiner für sich ein oder so.

00:46:56: Herwig Das war quasi wie so eine Kaskade nach oben. Also die, die rauben das Zeug, die haben natürlich selber auch was eingesteckt. Logisch. Wenn keiner hingeguckt hat, waren die bestimmt keine Kinder von Traurigkeit.

00:47:10: Marko Aber es wurde jetzt nicht das gesamte Land gebrandschatzt, wie man das immer so im Kopf hat. Es wurde vergewaltigt und - nö, das nicht. Also das hat man immer so im Kopf, wenn man an den 30-jährigen Krieg denkt. Aber das klingt ja so, als wäre das sozusagen ein sehr disziplinierter Haufen.

00:47:25: Herwig Na ja, Wallenstein war ja nicht der einzige, der in diesem Krieg seine Truppen da hatte, sondern da waren ja ganz viele Söldner-Führer und Disziplin war da nicht in jedem Haufen angesagt. Also der, der Christoph von Grimmelshausen - also ein Zeitgenosse, der über diese Zeit auch geschrieben hat, der beschreibt, wie diese Söldner und Landsknechte in den Dörfern gewütet haben. Also die haben, wenn der Bauer nichts rausgerückt hat, sind die dem richtig mit Gewalt gekommen. Also die haben die teilweise totgeschlagen, gefoltert, weil die wollten ja wissen, wo hat er denn sein Säcklein mit den Dukaten? Und natürlich gab es auch sexualisierte Gewalt, wie in jedem Krieg.

00:48:09: Marko liest Grimmelshausen Von den gefangenen Weibern, Mägden und Töchtern weiß ich sonderlich nichts zu sagen, weil mich die Krieger nicht zusehen ließen, wie sie mit ihnen umgingen. Das weiß ich noch, dass man teils hin und wieder in den Winkeln erbärmlich schreien hörte.

00:48:24: Das ist jetzt Grimmelshausen gewesen. Genau da geht es ja um einen Roman, der in dieser Zeit spielt, den Simplicissimus, der dann ein kleiner Junge, der in diesem Betrieb rein gerät und dann unter die Söldner gerät.

00:48:37: Herwig Richtig, da mag natürlich das eine oder andere dazugedichtet sein, der Aufmerksamkeit der Leser geschuldet. Aber im Grunde ist das ja bei ganz vielen beschrieben. Also dass da keine moralischen Grenzen unbedingt galten.

00:48:51: Marko Die Söldner müssen ein Interesse daran gehabt haben, dass das immer so weitergeht, weil letztendlich ist das ja deren Lebensgrundlage. Wie ist es? Auf der andern Seite ist es natürlich auch grausam.

00:49:02: Herwig Hmm, ja, eigentlich müsste man meinen, Wallenstein würde die Sache immer weiter treiben, immer weiter eskalieren können. Aber es kommt anders. Also überraschenderweise muss Kaiser Ferdinand II. Wallenstein sozusagen zum Jagen tragen.

00:49:20: Marko Hat er keine Lust mehr?

00:49:22: Herwig Da zerbrechen sich die Historiker so ein bisschen den Kopf darüber. Es gibt ja so diesen Wallenstein-Mythos, er habe so Frieden herbeigesehnt. Das schließt mein Experte, den ich damals befragt habe, aus, weil das überhaupt nicht zu Wallenstein passt.

00:49:39: Martin Aber so ist er ja immer auch beschrieben worden, auch bei Schiller. Also er ja eigentlich der große, der Mensch, der die die Friedens-Vision hat, auch wenn er eben dieses blutige Handwerk betreibt. Aber eigentlich will er ja Frieden und durch sein Handeln dazu führen, dass dieser Krieg dann endlich aufhört. Das hat aber mit dem historischen Wallenstein nichts zu tun?

00:49:59: Herwig Ne. Also es gibt keine schriftliche Evidenz, dass er den Frieden wollte, wie es bei Schiller heißt. Ich hatte den Frieden in der Hand. Aber das ist nicht so! Wallenstein war ein Kriegs- Unternehmer. Für ihn war wichtig Der Krieg läuft und er läuft zu meinen Bedingungen.

00:50:15: Marko Aber irgendwann war das nicht mehr richtig. Vielleicht. Vielleicht war das Land einfach leer. Vielleicht gab es einfach nichts mehr zu holen. Vielleicht wäre das System sozusagen zerbrochen, weil einfach gar nichts mehr aus der Bevölkerung herauszupressen war und dementsprechend auch nicht mehr die Bezahlung gewährleistet gewesen wäre. Könnte das ein Grund gewesen sein?

00:50:35: Herwig Das könnte ein Grund gewesen sein, aber ich glaube, es war die Widerständigkeit Wallensteins gegenüber den kaiserlichen Anforderungen.

00:50:43: Marko Was wollte der Kaiser?

00:50:44: Herwig Der Kaiser wollte, dass Wallenstein seine Truppen in den Krieg führt, in den nächsten Kampf. Und der Wallenstein wollte zum Beispiel im Dezember keinen Kriegszug führen, der sagte: Verschleißt ich mein Betriebskapital. Die sterben da vor Hunger, vor Kälte. Nö. Die bleiben schön im Winterlager. Und das hat weder dem Kaiser noch den Kurfürsten geschmeckt. Und da wurde gegen ihn intrigiert. Ferdinand der zweite setzt Wallenstein ab.

00:51:11: Martin Also noch mal um. Aber um das noch mal auf den Punkt zu kriegen Also Wallenstein war nicht kriegsmüde oder so was in der Art, sondern er hat einfach nur gesagt: Meine Landsknechte sind mein Kapital. Und wenn du mich hier im Winter in die Schlacht jagen willst, dann verschleiss ich mein Material, mein Kapital. Und das mache ich einfach nicht. Bin Geschäftsmann.

00:51:31: Herwig Richtig. Wallenstein hat gesagt: Okay, dann halt nicht. Dann musst du dir jemand anderen suchen. Ich bin raus. Das war jetzt sehr ungewöhnlich, weil er als sehr aufbrausend bekannt war gegen jede Autorität, die ihm da reinreden wollte. Das Interessante ist aber, dann greift der schwedische König in den 30-jährigen Krieg ein. Und der Kaiser weiß nicht, wie er sich helfen soll, und wird wieder bei Wallenstein vorstellig und sagt, ob er sich denn nicht vorstellen könnte, wieder der Generalissimus zu sein. Wallenstein sagt: Okay, mach ich, mach ich, mach ich mit, bin ich dabei. Und so wurde er wieder zum Anführer der königlichen Truppen. Der höchste General, also Generalissimus. Und dann scheint ihm das so ein bisschen zu Kopf gestiegen zu sein, denn er macht diesen Pilsener Revers.

00:52:25: Marko Den was?

00:52:26: Herwig Den Pilsener Revers. Da hat er kein Bier getrunken oder so, sondern seine Obristen um sich versammelt und die nicht mehr auf den Kaiser eingeschworen, sondern auf sich.

00:52:36: Marko Aha!

00:52:37: Herwig Und das war sein Todesurteil. Denn so eine Opposition zu dem Kaiser, zu dem politischen Führer zu bieten, das konnten die sich nicht bieten lassen. Und die Sache wurde eben an den Kaiser herangetragen. Und damit war schon fast sein Schicksal besiegelt, auch wenn er versucht hat, ihm zu entkommen.

00:52:56: Martin Also das ist ja ein Klassiker, kann man sagen. Genau diese Loyalitäts-Geschichte. Also jeder Alleinherrscher, früher König, Kaiser, heute Diktatoren, Staatspräsidenten, die ein Regime führen, die auf die Person zugeschnitten ist und wo man auf diese Person eingeschworen wird. Ein System, das nach Loyalitäts-Kriterien funktioniert und nicht nach irgendwelchen Kriterien der Fähigkeit. Sondern wo es nur auf Loyalität ankommt. Wenn da dann jemand den Affront begeht, seine Leute auf sich statt auf diese einzelne Person einzuschwören, dann ist das ja eigentlich immer das Todesurteil.

00:53:40: Herwig Interessanterweise hätte er ja gar nicht Kaiser werden können oder so, der hätte ja gar nicht die Macht an sich greifen können, weil die Kurfürsten hätten ihn nie gewählt. Das heißt, er hat Opposition gegen den Kaiser betrieben, von der er eigentlich wissen musste, dass sie ihnen den Kopf kosten wird.

00:53:56: Marko Na ja, vielleicht ist es das ja auch, dass er das unterschätzt hat. Vielleicht hat er einfach geglaubt, dass sozusagen seine Position als Söldner-Führer viel mehr und viel wichtiger ist als dieser hohle Titel eines Kaisers, der ja eh von ihm abhängt. Warum muss man dann noch Kaiser sein? Warum zum Beispiel sollte man einen Präsidenten ernst nehmen, wenn man auf seine Hauptstadt marschieren kann?

00:54:22: Martin Da sind wir wieder.

00:54:23: Herwig Richtig. Da wären wir jetzt bei den Parallelen. Der Untergebene wird allmählich mächtiger als der Herrscher und das kann sich kein Herrscher gefallen lassen.

00:54:34: Marko Welche Parallelen es sonst noch gibt, wohin die Geschichte der Söldner führt und was das Ganze vielleicht mit unserer unmittelbaren Gegenwart zu tun hat, das werden wir in der nächsten Folge klären.

00:54:47: Martin Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann sagt es allen Freunden und Bekannten.

00:54:54: Marko Sagt es keinem Söldner, die wollen wir nicht als Hörer.

00:54:58: Martin Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es bitte uns.

00:55:02: Marko Aber bitte nur uns.

00:55:03: Martin Unter folgender Adresse: www.diegeschichtsmacher.de

00:55:09: Marko Dort findet ihr auch alle weiteren Informationen und noch ganz, ganz viele andere Folgen von unserem Podcast. Uns bleibt heute nur zu sagen: Danke Herwig, dass du heute da warst.

00:55:17: Herwig Für mich war das eine sehr, sehr interessante Sache. Also wirklich.

00:55:21: Marko Das ist doch schön. Bleibt uns ein bisschen treu. Noch bis zur nächsten Folge. Dann, wenn wir uns wieder hören.

00:55:26: Herwig Aber nicht länger...

00:55:30: Marko So lange bleibt er jetzt hier bei uns unter unserer Fahne.

00:55:33: Martin Wir sagen auf jeden Fall Danke fürs Zuhören. Und bis zum nächsten Mal bei den Geschichtsmachern. Tschüss.

00:55:38: Marko Tschüss.

00:55:40: Herwig Auf Wiederschauen.

00:55:41: Marko Man sieht sich gar nicht, Herwig.

00:55:43: Herwig Und tschüss.

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