Söldner - Das (zweit-)älteste Gewerbe der Welt, Teil 2

Shownotes

Was hat ein Söldnerführer des 30-jährigen Krieges mit der Gruppe Wagner und ihrem Anführer Jewgeni Prigoschin gemein? Warum haben die Preußen lieber auf Söldner verzichtet? Und warum nur hat der berüchtigte "Kongo-Müller" bei Beschreibungen von Kriegsgräueln so seltsam gelacht? Diesen und vielen anderen Fragen, geht dieser Geschichte-Podcast auf den Grund.

Wieder einmal zu Gast bei Martin Herzog und Marko Rösseler ist Herwig Katzer, der nicht nur ein WDR-Zeitzeichen über Wallenstein gemacht hat, sondern sich auch mit der Entstehung moderner Volksarmeen und dem Militärreformer Gerhard von Scharnhorst befasst - schließlich hat er auch dazu ein Zeitzeichen produziert.

Das Wissen um die Söldner Wagner haben Martin und Marko sich in einem gemeinsamen Filmprojekt erarbeitet.

Nützliche Links deshalb: Herwig Katzers Zeitzeichen über den General und Militärreformer Scharnhorst findet ihr hier. Herwigs Zeitzeichen über Wallenstein ist hier abrufbar. Und auch den Film, an dem Marko und Martin mitgearbeitet haben, könnt ihr hier noch im Netz sehen.

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Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher: Söldner, Teil 2

00:00:12: Prigoschin Schimpft auf Russisch

00:00:15: Martin Schoigu, Gerassimow. Wo ist die Scheiß-Munition? Da hat jemand aber ganz schlechte Laune.

00:00:21: Marko Es ist der Söldner-Führer Prigoschin, der jetzt vor kurzem gegen Moskau marschiert ist, kurz nachdem er diesen O-Ton losgelassen hat gegen die Armeeführung in Moskau.

00:00:30: Martin Nämlich gegen Verteidigungsminister Schoigu und den Generalstabschef Gerassimow. Und am Ende sagt er noch: sie, also die Toten, die da auf dem Feld liegen, sind als Freiwillige hierhergekommen und sterben, damit ihr in euren Büros fett werden könnt. Merkt euch das.

00:00:47: Marko Was das mit Wallenstein zu tun hat, was das mit dem 30-jährigen Krieg zu tun hat, das erklären wir euch heute bei...

00:00:54: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:10: Und heute wieder bei uns zu Gast Herwig Katzer, der schon beim vorigen Mal dabei war, weil er ein Zeitzeichen gemacht hat über Wallenstein.

00:01:19: Herwig Schönen guten Tag.

00:01:19: Marko Hi, sei gegrüßt. Willkommen in dieser Runde.

00:01:22: Herwig Dankeschön.

00:01:23: Martin Beim letzten Mal, im ersten Teil, haben wir uns mit der Geschichte der Söldner beschäftigt. Von der Antike bis zum 30-jährigen Krieg, bis zu Wallenstein. Heute, in der zweiten Folge, wollen wir die Geschichte weiterspinnen, anfangen mit Wallenstein und dann bis heute erzählen, wie sich die Geschichte der Söldner und des Militärs und der Heere insgesamt entwickelt hat. Jetzt haben wir am Anfang diesen Tobsuchtsanfall von Prigoschin gehört und wir haben gefragt, was das mit Wallenstein zu tun haben könnte. Wir haben da beim letzten Mal schon drüber gesprochen. Du siehst da kräftige Parallelen zwischen dem Söldner-Führer heute in Russland und dem Söldner-Führer von damals, Wallenstein.

00:02:09: Herwig Ja, es gibt da so auf jeden Fall sehr deutliche Parallelen. Wir haben diesen Prigoschin, der heute eine große Truppe befehligt, die Wagner Söldner und Wallenstein war eben im 17. Jahrhundert auch ein sehr großer Söldner-Führer. Die Parallelen liegen darin, dass sie jeweils abhängig waren, zunächst vom Kaiser - Wallenstein - und jetzt Prigoschin von Putin. Die Parallelen gehen aber noch weiter, denn dieser Aufstand, den wir jetzt erlebt haben von Prigoschin, der irgendwann gesagt hat: Jetzt reicht's, ich mach den Marsch für Gerechtigkeit gen Moskau.

00:02:56: Martin So sagt er. Was es denn tatsächlich gewesen ist, weiß ja keiner so wirklich. Also ob es ein Putschversuch gewesen ist. Prigoschin sagt jetzt, behauptet im Nachhinein, das sei ein Marsch für Gerechtigkeit gewesen und er hätte genau das erreicht, was er erreichen wollte. Was man halt so danach sagt, wenn es nicht gut gegangen ist.

00:03:11: Herwig Ja auf jeden Fall begehrt er auf. Also er begehrt auf gegen den Verteidigungsminister, gegen die Militärführung in der Ukraine und bei Wallenstein war es ganz ähnlich. Da war der Kaiser, der seinen wichtigsten Söldner-Führer, den Generalissimus, nicht mehr im Zaum hatte. Nämlich Wallenstein begann so ein bisschen aus relativ unklaren Motiven, sich in dem 30-jährigen Krieg zurückzuhalten. Also der fing an zu sagen: Nee, da schicke ich jetzt meine Truppen nicht rein, die will ich da nicht verheizen. Insbesondere als er das zweite Mal Generalissimus wurde und noch mal gerufen wurde, als die Schweden von Norden her ins Reich einfielen und sich tatsächlich dann irgendwann ihren Weg gen Wien bahnten. Das heißt, der Kaiser war in unmittelbarer Gefahr und rief nach Wallenstein. Die Kurfürsten natürlich auch, der soll die Sache richten und denen Einhalt gebieten, der schwedischen Armee.

00:04:11: Martin Und Wallenstein sagt Nö.

00:04:13: Herwig Wallenstein sagt Nö. Wallenstein sagt sogar nö, als Regensburg fällt und von den Schweden belagert wird. Und das war, so glaube ich, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen hat bringen lassen bei den Kurfürsten, die sowieso mit Wallenstein ein Problem hatten, weil der denen einfach zu mächtig wurde. Und das hat er auch jedermann spüren lassen. Also er ist mit den Leuten umgegangen, als wäre er der Chef. Es gibt da ein schönes Zitat aus der Biografie von Golo Mann. Vielleicht kannst du es mal vorlesen, Marko.

00:04:43: Marko als Golo Mann Zu alledem kommt noch die geringe Achtung für den kaiserlichen Hof. Er schätzt alle gering und entzweit sich offen mit allen Ministern. Mit dem Kaiser geht er so um, als ob er selber der Kaiser wäre. Regierende Häupter schmäht er.

00:04:59: Herwig Ja, das klingt im Grunde so, wie wir das vorhin im O-Ton von Prigoschin gehört haben, der den Verteidigungsminister völlig wüst beschimpft.

00:05:08: Marko Also im Prinzip müsste man nur den kaiserlichen Hof durch Moskau und Putin ersetzen. Und bist du eigentlich da?

00:05:14: Herwig Richtig. Also die Minister waren für Wallenstein Subalterne.

00:05:18: Marko In welcher Zeit befinden wir uns da? 30-jähriger Krieg 1618 bis 1648. Wo sind wir jetzt ungefähr?

00:05:27: Herwig Das war Anfang der dreißiger Jahre. Im 17. Jahrhundert.

00:05:30: Marko Also, es dauert noch ein bisschen, bis Frieden einkehren wird.

00:05:32: Herwig Es dauert noch sehr lange. Und Wallenstein, soviel kann ich schon mal verraten, wird dabei keine große Rolle mehr spielen. Denn die Kurfürsten und der Kaiser haben beschlossen, Wallenstein, nachdem der seine Truppen nicht dahin schicken wollte, loszuwerden.

00:05:46: Martin Beim letzten Mal hatten wir darüber gesprochen, dass es da auch schon früher Gelegenheiten gab, wo er sich verweigert hat dem Kaiser gegenüber, weil er gesagt hat: Nein, im Winter schicke ich meine Truppen doch nicht ins Feld, ich verheizen hier doch nicht meine Leute. Was übersetzt hieß: Ich bin Geschäftsmann, ich verheizen ja doch nicht mein Kapital.

00:06:02: Herwig Genau.

00:06:03: Martin Ist das in diesem Fall ein ähnliches Motiv gewesen vielleicht?

00:06:07: Herwig Es könnte eins gewesen sein. Es ist wirklich unklar, warum er sich auf einmal verweigert. Das war ein sehr, sehr mächtiger Mann. Der hatte wirklich das Kapital, um Truppen aus dem Boden zu stampfen. Also, es wäre wohl möglich gewesen, dass er sagt: Okay, wir marschieren Richtung Nordwesten und werden es mit den Schweden aufnehmen.

00:06:27: Martin Jetzt würde ich da eventuell auch schon wieder eine Parallele sehen. Also mächtiger Mann, wir haben eben gesagt, im Prinzip sind ja beide erst mal abhängig, sowohl Wallenstein als auch Prigoschin von ihrem jeweiligen Herrn. Dieses Verhältnis dreht sich aber irgendwann um, denn je mächtiger diese Söldner-Führer geworden sind, desto mehr ist auch umgekehrt ihr Herr abhängig von ihnen.

00:06:49: Herwig Es hieß ja sogar teilweise unter den Kurfürsten, der eigentliche Chef im Ring - Prigoschin hätte ich beinahe gesagt - der eigentliche eigentliche Chef im Ring ist Wallenstein und der zieht im Hintergrund die Fäden und der Kaiser ist quasi entmachtet. Das kann sich der Kaiser natürlich nicht bieten lassen.

00:07:08: Martin Also, um das noch mal auf Prigoschin umzubiegen, der hatte ja auch den Spitznamen "Putins Koch", weil er eigentlich aus dem Catering Bereich kam und sich dann an die Spitze gedient hat sozusagen. Da war auch schon klar, wer Koch ist und wer bedient wird, also Putin natürlich, wer hier Chef ist und wer der Untergebene. Klar. Bei Wallenstein war es genauso?

00:07:29: Herwig Wallenstein war natürlich nie in so einer Position wie Prigoschin als Koch von Putin, der da mit Catering-Betrieben sein Vermögen gemacht hat. Wallenstein war ein mächtiger Mann, und er war ein sehr einsilbiger Mann, was man so weiß, und ließ sich nicht in den Kopf gucken. Also man wusste nicht, warum der auf einmal sagt: Nee, da mache ich nicht mit.

00:07:51: Marko Und letztendlich gilt das bis heute für uns. Wir wissen nicht, wir können nicht sagen, warum er sich verweigert.

00:07:57: Herwig Das weiß man nicht. Man weiß auch nicht, warum er im sogenannten Pilsener Revers gesagt hat: Ich lass meine Offiziere nicht mehr auf den Kaiser einschwören, sondern die sollen auf mich einschwören. Das war sein Todesurteil, selbst für einen so mächtigen Mann wie Wallenstein. Das ist Hochverrat. Das konnte der Kaiser nicht durchgehen lassen. Und die Kurfürsten natürlich auch nicht. Die hatten da auch ihr Süppchen.

00:08:21: Marko Auf Moskau zu marschieren, würde man eigentlich sagen, ist Hochverrat.

00:08:26: Martin So wurde es auch von Putin bezeichnet. Dolch im Rücken, Hochverrat. Die Bestrafung wird hart sein, was in dem Fall aber dann - na, zumindest bisher - wir zeichnen Anfang Juli 2023 auf, aber bisher ist dem nicht so! Was aus Prigoschin werden wird, wissen wir im Moment nicht. Aber das Schicksal, was Wallenstein befallen hat, das ist dokumentiert. Wie ging es da weiter?

00:08:51: Herwig Die Tatsache, dass er als Hochverräter gebrandmarkt war, ist ihm natürlich zu Ohren gekommen. Und er hat sein Heil in der Flucht gesucht. Von Pilsen aus ist er los, ist aber nur bis Eger gekommen und hat sich da zum Übernachten entschlossen. Und das war die Nacht, die er nicht überleben sollte.

00:09:09: Marko Wo wollte er hin? Weiß man das?

00:09:12: Herwig Ich glaube, er wollte im Grunde in Schwedisch besetztes Gebiet.

00:09:18: Marko Das heißt, er wollte überlaufen.

00:09:19: Herwig Ob er überlaufen wollte, ist relativ unklar. Er glaubte wahrscheinlich zumindest vor den Kaiserlichen dann sicher zu sein in dem Gebiet, was die Schweden besetzt haben.

00:09:29: Marko Okay, aber er hat es nicht dorthin geschafft.

00:09:31: Herwig Er hat es nicht dorthin geschafft. Hat es nur bis Eger geschafft.

00:09:34: Marko In Eger ist dann was passiert.

00:09:36: Herwig Es war so, dass Bewaffnete in sein Schlafgemach eingedrungen sind, ihn bedroht haben mit einer Hiebwaffe, wahrscheinlich mit einer Hellebarde. Und er hat noch um Gnade gefleht, hat gesagt: Bitte lasst mich am Leben. Aber die Leute, die gekommen sind, um ihn umzubringen, haben ihr Werk vollbracht. Er wurde in den Bauch gestochen und wurde so schwer verletzt im Bauchbereich, dass er daran gestorben ist. Es war bestimmt kein schöner Tod. Und die Pointe bei der Geschichte ist: Es waren zwei Söldner, die ihn umgebracht haben. Schottischer und irischer Abstammung.

00:10:09: Marko Geschickt von den Kaiserlichen. Oder weiß man das gar nicht?

00:10:12: Herwig Das waren seine eigenen Leute.

00:10:14: Marko Ach!

00:10:14: Herwig Es waren seine eigenen Leute, die ihn da umgebracht haben. Entweder um dem Kaiser einen Gefallen zu tun oder sich irgendeine Belohnung erhofft zu haben.

00:10:23: Martin Das war sicherlich nicht zu Ihrem Schaden.

00:10:25: Herwig Das war sicher nicht so! Also, das ist eben so, Verräter muss man loswerden. Das war die Denke der Zeit.

00:10:32: Martin So, bei Wallensteins Tod sind wir im Jahr 1634, hast du gesagt, der 30-jährige Krieg wird noch weitere 14 Jahre wüten. Ein verheerender Krieg, der weite Teile Europas verwüstet hat. Und das hauptsächlich durch Söldner-Heere.

00:10:49: Herwig In der Tat, also der 30-jährige Krieg war in der Regel von Söldnern geführt worden, und die nächsten 100 Jahre ist es noch so, Also es gibt natürlich noch Söldner Heere, es wird gekämpft, aber es entwickelt sich was. Es entwickelt sich was in der Aufstellung der Heere, nämlich 100 Jahre später, kommt so langsam was in Gang, was in Richtung Nationalarmee nach einer Identität langsam ruft. Da hat sich einiges geändert, Marko, da weißt du mehr.

00:11:20: Marko Was sich in folgenden 100 Jahren tut, habe ich mir mal angeguckt am Beispiel Preußens. Preußen ist im 30-jährigen Krieg ein kleiner Staat mit einer Armee von 8000 Mann und Infanterie und ungefähr 3000 Reitern in Hochzeiten. Das ist ungefähr die preußische Armee im 30-jährigen Krieg, eine Söldnerarmee. Und 1640 kommt ein Mann auf den Thron in Preußen. Der nennt sich oder wird später der Große Kurfürst genannt. Das ist Friedrich Wilhelm von Hohenzollern. Das ist der Urgroßvater des vielleicht euch allen Bekannten Friedrichs des Großen.

00:12:00: Martin Der Große Fritz.

00:12:00: Marko Der Große Fritz. Genau. Aber noch weit vor ihm, wie gesagt, der Urgroßvater. Und der steht in der Tat vor dem Riesenproblem, dass Preußen - er kommt ja sozusagen in den letzten Zügen des 30-jährigen Krieges an die Macht: 1640 - der merkt schon, dass er mit diesen Söldner Armeen nicht gut zurande kommt. Erstens bekriegen sich seine Obristen, die dafür zuständig sind, die Soldaten zu rekrutieren, gegenseitig, machen sich da gegenseitig Konkurrenz, duellieren sich zum Teil sogar. Er selber muss ab und zu sogar ausweichen und vor dem Kriege fliehen. Und er erkennt: Na ja, so eine Söldnerarmee hat auch schwerwiegende Nachteile. Sie ist natürlich erst mal billig, weil man kann sie anheuern, dann, wenn man sie braucht. Aber er träumt von einer Armee, die ganz anders aussieht. Die soll, wie er findet, klare Hierarchien haben, mit ihm am besten an der Spitze. Er träumt von einer Heeres Organisation, die auch in Friedenszeiten Bestand hat. Er wünscht sich eine Art Berufssoldatentum. Er hat zum Ersten Mal eine Idee, dass die auch alle Uniformen tragen sollen.

00:13:05: Martin Ansonsten ist früher jeder rumgelaufen wie er wollte. Es war so, jeder hat sich was gesucht und dann ging es los.

00:13:10: Herwig Ja, es gab wohl aber auch Söldner, die eingekleidet wurden, wenn sie selber kein Geld hatten für Klamotten und für Helme und was sie so hatten.

00:13:19: Martin Aber so was wie eine Uniform im heutigen Sinne gab es nicht.

00:13:24: Marko Und jetzt überlegt er sich: Ja, wie mache ich das? Er entlässt darauf fast seine gesamte Armee. Das macht er 1644. Wir sind also noch mitten im 30-jährigen Krieg und beginnt massiv Rekruten auszuheben. Und die lässt er auch nicht mehr, wie bislang üblich, auf den Kaiser einschwören, sondern nur auf sich und hat in kürzester Zeit ein stehendes Heer von 14.000 Soldaten. Das hat natürlich einen gigantischen Nachteil. Wenn er die auf sich einschwört, muss er die ja auch selber bezahlen. Das, was bis jetzt Wallenstein zum Beispiel gemacht hat, der hat sich ja um die Finanzierung selbst gekümmert. Das ist jetzt vorbei, und das merkt auch dieser Staat Preußen. Ein stehendes Heer wird sehr, sehr teuer. Die 14.000 Soldaten werden bald 25.000 Soldaten und schon in den 1680er Jahren hat das Militär etwa 50 % des Staatshaushaltes aufgefressen. Ich meine, wir diskutieren gerade in Deutschland über 2 %, die wir sozusagen...

00:14:22: Martin Auf die es mal kommen soll...

00:14:23: Marko Auf die es mal kommen soll. In Preußen waren es 50 % - die Hälfte ist ins Militär gegangen. Da gab es aber immer noch auch Söldner. Aber er versuchte, das immer mehr zurückzudrängen. Das ist ihm Zeit seines Lebens nicht ganz gelungen. Aber er macht einige Reformen. Er bindet nämlich dieses Heer weiter an sich. Er sagt zum Beispiel: Wer in diesem Heer befehlen soll, muss ein preußischer Adliger sein. Das heißt, er bindet den preußischen Adel an das Militär. Der preußische Adel muss auch mit dafür sorgen, dass seine Nachkommen ausgebildet werden militärisch. Es werden die ersten militärischen Schulen gegründet, und der preußische Adel ist verpflichtet, seine Kinder dahin zu geben. Damit fängt etwas an, was eine Aufwertung auch ist das Soldatentum. Das sind halt nicht mehr die herumziehen, marodierenden, sich aus den Ländern selbst heraus ernährenden Soldaten, sondern es werden immer mehr die schneidigen preußischen Offiziere mit den schicken Uniformen, die einen Drill absolvieren müssen. Und man merkt ganz schnell, dass diese preußische Armee einige Vorzüge bietet. Vorzüge vor allem deswegen, weil sie viel schlagkräftiger wird als eine Söldnerarmee. Die Kriegsführung ändert sich nämlich mehr und mehr. Haben früher die Leute in großen Haufen gekämpft und sind gegeneinander, so gibt es plötzlich etwas wie Schlachtordnung, es wird der Gleichschritt erfunden. Es wird durch die Uninformiertheit auch klar, wer zu wem gehört. Das war oftmals, glaube ich, bei Schlachten im 30-jährigen Krieg gar nicht so klar. Es verschiebt sich alles und vor allem ist es auch das Ansehen des Militärs, was sich verschiebt. Trotzdem muss ja irgendwie dieses Heer gefüllt werden. Und wie macht man das?

00:16:16: Martin Ja, rekrutieren, anwerben. Am besten auch im Ausland. Da findet man Leute dann meistens. Also Söldner könnte man sagen.

00:16:26: Marko Genau. Ja. Aber die Idee war in der Tat, die Leute zum Militär zu bringen und dann sollen sie auch dort bleiben, nach Möglichkeit ein Leben lang. Man hat es ihnen auch später sogar dadurch versüßt, in Anführungsstrichen, dass es so etwas wie eine Versorgung gab, im Falle, dass man nicht mehr konnte, zum Beispiel, weil man auf dem Schlachtfeld eine schwere Verletzung davongetragen hatte. Es gab so die ersten Veteranen-Heime, wo es dann auch Krankenschwestern gab, die sich um einen kümmerten und so, und man wurde zumindest verpflegt. Aber der Soldaten Hunger dieser Preußen war natürlich enorm, und da gingen sie auch tatsächlich räubern in anderen Ländern und versuchten dort die Leute anzuwerben. Sehr, sehr zum Unmut der Landesherren dort. Es gibt da ein Zitat, das könnte der Herwig mal lesen, ganz oben.

00:17:11: Herwig Preußische und andere Werber sollen als Straßen- und Menschen-Räuber, Störer des Land, Friedens und Verletzer Unserer Hoheit traktiert und, wenn sie schuldig befunden werden, am Leben bestraft werden. Wer einen preußischen Werber tot oder lebendig einliefert, erhält aus der Kriegskasse 50 Taler.

00:17:32: Martin Am Leben bestraft werden heißt töten.

00:17:34: Marko Ja, natürlich.

00:17:35: Martin Totgeschlagen?

00:17:36: Marko Ja.

00:17:36: Martin Also ein Werber, Nicht jemand, der da was anstellt, sondern der um neue Soldaten für Preußen wirbt.

00:17:43: Marko Genauso ist es. Umgekehrt machen die Preußen folgenden Deal: Wer sich als preußischer Offizier, also als Adliger, bei einer anderen Armee andient, der gilt auch als Verräter. Und Verräter...

00:17:55: Martin Ja, weiß man, was damit passiert? Also es geht darum, die Leute auf den Staat Preußen und auf den preußischen König zu verpflichten.

00:18:02: Marko So ist es. Das wollen wir noch mal einen kleinen Sprung und gehen dann zu dem Mann, den Sie später den Soldatenkönig nennen werden. Das ist der Vater von Friedrich dem Großen. Ein brachialer Kerl. Der hat gern mit seinen Leuten gezecht. Der macht aus dieser preußischen Armee das schlagkräftigste und wahrscheinlich effektivste Mittel, was es auf dem europäischen Kontinent gibt. Es ist die Armee innerhalb kürzester Zeit geworden, die für ein so kleines Land nicht nur die meisten Soldaten bieten konnte, sondern wo der Staatshaushalt zu 85 % durch die Armee aufgefressen wurde. Und die Armee galt damals als heilig. Der König selbst ist immer nur in Uniform rumgelaufen. Eine enorme Aufwertung dieses Militärs, sodass man von einem Militärstaat auch reden kann. Also ist das noch ein Staat, oder? Also hält sich ein Staat eine Armee oder hält sich eine Armee einen Staat wurde damals zum Beispiel gefragt.

00:18:54: Martin Ich glaube der Begriff Soldaten-Staat, der kommt glaube ich da auch her.

00:18:58: Marko Und dieser Soldatenkönig war auch gegenüber seinem Sohn Friedrich dem Großen alles andere als pingelig. Man weiß, dass ja auch der desertiert ist.

00:19:08: Martin Wie? Friedrich ist desertiert?

00:19:10: Marko Friedrich der Große? Ja, später der Große, aber der Sohn von dem großen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm, der spätere König von Preußen, Fritz...

00:19:21: Martin Ist aus der Armee weggelaufen.

00:19:22: Marko Der ist weggelaufen und hat das mit einem Freund zusammen gemacht, Katte. Und dieser von Katte und er sind aber eingefangen worden und von Katte hat die ordentliche Bestrafung dafür bekommen. Das war der Tod. Und er musste dabei zusehen. Damals ist er da, gebrochen, am Boden zerstört, mit seinem Vater über Kreuz hat er sich zurückgezogen. Später wird das alles ganz anders werden. Kaum ist sein Vater tot, wird Friedrich der Große erst mal dieses Instrument, was er da erbt, von seinem Vater gnadenlos nutzen, um Kriege zu führen. Und es werden für Preußen die bittersten, aber auch sehr erfolgreiche Kriege. Und Friedrich der Große wird ja nicht umsonst der Große genannt, wird dieses, dieses kleine Preußen zu, ja einer europäischen Zentralmacht führen.

00:20:08: Herwig Zu Glanz und Gloria?

00:20:09: Marko Ja, einige sagen zu Glanz und Gloria. Aber es war natürlich auch, er hat Angriffskriege geführt, muss man ja ganz klar sagen. Aber das ist sozusagen die Zeit gewesen, da hatte sich das vollzogen, dass eigentlich aus diesen Söldner-Heeren ein Instrument geworden ist, was zwar vielleicht nicht ganz auf Söldner-Werbung verzichten konnte, wo aber klar war wenn du dich in diese preußische Armee gibst, bist du Teil dieser Armee, bist Teil dieses Systems, ein völlig nach festen Regeln und Strukturen funktionierendes Instrument mit einem, wie man ja auch schon damals - dieses Wort kam damals auf - Kadavergehorsam. Das heißt, die haben blind gehorcht. Man musste im Gleichschritt Formationen gehen können. Während rechts und links die Leute in Kriegen fielen, musste man stur daran festhalten, welchen Befehl man hatte. Und nur so hat dieses Instrument funktioniert.

00:20:54: Herwig Die Vorstellung war ja von einer Maschine. Also das Heer oder die Armee sollte sich oder die Truppe sollte sich bewegen wie eine Maschine. Befehl rein, Kampf raus. So sollte das funktionieren. Und so wurde ja auch exerziert. So wurde ja auch gedrillt, die wurden mit Gewalt ins Gefecht geprügelt. Also wie der Drill und das Exerzieren und diese Atmosphäre der Gewalt in diesem Heer war, das wissen wir unter anderem von einem Schweizer Söldner, der mit 20 Jahren aus der Schweiz abgehauen ist und mit 20 Jahren schon bei der preußischen Armee sich verdingt hat. Und der Mann heißt Ulrich Bräker. Und der hat das mal beschrieben, welche Strafen es gab, wenn man sich aus der Truppe entfernt hat, wenn man desertiert ist.

00:21:42: Martin Da mussten wir zusehen, wie man sie durch 200 Mann, achtmal die lange Gasse auf und ab spießrutenlaufen ließ, bis sie atemlos hin sanken und des folgenden Tages aufs Neu dran mussten, die Kleider ihnen vom zerhackten Rücken heruntergerissen und wieder frisch drauflos gehauen wurde, bis Fetzen geronnenen Bluts ihnen über die Hosen hinab hingen. Rauhe sitten.

00:22:06: Herwig Zu einer großen Identifikation mit dem Staat, für den du da deine Rübe hin hältst, die wird sich da nicht einstellen.

00:22:14: Marko Na ja, die Frage ist ja diese preußische Disziplin, von der da immer so gesprochen wird, die natürlich durch Zwang und auch diese rauen Sitten aufrechterhalten wird. Das ist das eine. Auf der anderen Seite bietet die natürlich so eine Armee ja auch so was wie ein Zuhause. Die Verräter werden halt so behandelt. Auf der anderen Seite ist es auch so die Geburt des militärischen Helden, des mit Orden und Tressen überhangenen, erfolgreichen Militärs, der im Preußischen oder in dieser dieser Gesellschaftsordnung eine Hauptrolle spielt.

00:22:49: Herwig Aber ich glaube, die einfachen Soldaten oder Söldner spielten da keine Rolle. Also wenn, dann hat das natürlich das Offizierskorps sich umgehängt. Und das wurde ja später auch noch ein Problem, dass nur adlige Offiziere werden konnten, ganz gleich, ob sie dazu befähigt waren oder nicht.

00:23:06: Marko Wann wird sich das denn ändern?

00:23:08: Herwig Das wird sich ändern mit einer militärischen Katastrophe für die preußische Armee, nämlich in der Schlacht bei Jena und Auerstedt, wo die preußische Armee vernichtend geschlagen wird vom napoleonischen Heer, die eine ganz andere Taktik gefahren haben. Die haben nämlich, weil sie eine Nationalarmee hatten, die hatten die Levée en masse 1793. Das heißt, jeder, der zwischen 18 und 25 war, wurde in die Armee eingegliedert. Und er war Franzose in einem französischen Heer. Das war mit Nationalstolz, mit dem Impetus der Großmacht.

00:23:48: Martin Und die Revolution, die gerade stand, und.

00:23:50: Herwig Die Revolution natürlich, die stattgefunden hat. Und Napoleon begann, die europäischen Länder zu überfallen. Und da hatte jetzt Preußen den Kürzeren gezogen, 1806 eine vernichtende Niederlage. Das war ein Schock für die Preußen, die das ja nicht gewohnt waren. Die waren ja Siege gewohnt und mit klingendem Spiel. Und wie auf dem Exerzierplatz. Aufs Feld gelaufen und haben sich dann niedermähen lassen von den französischen Schützen, die da rumgewusel sind und mal da und mal da aufgetaucht sind. Und da konnte die strenge, straffe Formation im preußischen Heer gar nicht drauf reagieren.

00:24:27: Marko Die über Jahrhunderte erfolgreich war. Es hatte sich was geändert.

00:24:30: Martin Also die Motivation einerseits, aber offensichtlich wohl auch die Schlacht-Aufstellung sagt man, glaube ich.

00:24:36: Herwig Genau. Nur das war jetzt vorbei. Preußen lag am Boden, die hatten diese Schlacht verloren. Napoleon marschiert in Berlin ein, verbietet Preußen ein Heer über 42.000 Mann - da war Glanz und Gloria am Boden, wie gesagt.

00:24:51: Martin Wie hat denn Preußen dann reagiert? Also was wurde unternommen, um dem entgegenzutreten? Hat man dann gesagt: Bei den Franzosen lernen heißt siegen lernen.

00:24:59: Herwig Im Grunde war es genauso. Es gab dann junge Männer, die nicht aus den ganz oberen Offiziersrängen kamen, sondern eher aus diesem Mittelbau. Und da fallen die Namen Gneisenau und vor allem natürlich Scharnhorst, der die Armee-Reformen vorangebracht hat.

00:25:16: Marko Was sind das für Leute?

00:25:18: Marko Scharnhorst hat einen bäuerlichen Hintergrund, also eigentlich für die Offizierslaufbahn wäre der gar nicht dran gekommen.

00:25:26: Marko Keine Schnitte, nicht adelig.

00:25:27: Herwig Eigentlich keine Schnitte, nicht adlig, hat aber eine militärische Laufbahn gemacht und hat sich sehr schnell einen Namen gemacht mit seinen theoretischen Überlegungen. Die hatte er ja schon vor 1806, die wollte nur niemand hören. Also erst hatte er den Kurfürsten von Hannover beraten, aber für die war das alles kein Problem. Ne, das machen wir. Wir haben das immer schon so gemacht, das machen wir jetzt auch so weiter. Und das hat eben in diese Katastrophe geführt. Und Scharnhorst hat sich bestätigt gefühlt in dieser Niederlage, dass es so mit der preußischen Armee nicht weitergehen kann. Scharnhorst will die preußische Armee auch für Bürgerliche öffnen. Das heißt, jeder, der dazu in der Lage ist, weil er ein guter Soldat ist, weil er ein guter Stratege ist, soll in die Offizierslaufbahn kommen können. Das heißt nicht nur weil du Hochwohlgeboren bist, darfst du demnächst einen Offiziershut tragen, sondern dein Können zeichnet dich aus.

00:26:22: Marko Ich meine, das ist ja auch eine Frechheit, dass da irgendwie jeder Bauer ankommen soll und dann die Möglichkeit hat, da im Militär aufzusteigen. Das geht ja überhaupt nicht.

00:26:29: Herwig Ja, neue Zeiten. Und diese preußischen Heeresreformen waren wirklich revolutionär. Und für ein anderes Zeitzeichen war ich bei Professor Michael Sikora, der die Schriften herausgegeben hat von Scharnhorst. Und der hat mir erzählt, was Scharnhorst für eine Idee hatte.

00:26:47: Prof. Sikora Na ja, man könnte leicht spöttisch formulieren, dass Scharnhorst das Ideal des Offiziers, im Grunde die Vervielfältigung seiner selbst gewesen ist, also er selber als nicht adliger, gebildeter Offizier, dessen Qualifikation auf wissenschaftliche Ausbildung, auf wissenschaftlicher Urteilsfähigkeit beruht, ist eigentlich das Modell, das er auch anwendet, wenn es darum geht, die preußische Armee zu reformieren. Es gibt das Schlagwort davon, Staat und Nation miteinander zu vereinigen. Aber aus der Perspektive Scharnhorst ist die wesentliche Herausforderung dabei weniger gewesen, auch den letzten Bauernjungen zu mobilisieren, sondern die wesentliche Herausforderung bestand darin, das gebildete Bürgertum, das bis dahin mit dem Militärdienst gar nicht in Berührung gekommen war, und den Militärdienst, der eine Sache der Bauern gewesen zu sein scheint und der armen Teufel aus den Städten, die diesem Militärdienst sehr skeptisch und ablehnend gegenübergestanden sind. Und die mussten überzeugt werden aus der Perspektive Scharnhorsts. Und dazu gehört eben auch, einen Umgang mit den Soldaten im Militär abzuschaffen, der die Ehre dieser Soldaten berührte. Also es sollte auch für einen angesehenen Bürgersohn eine Ehrensache sein, im Militär Dienst leisten zu können.

00:28:15: Herwig Also Gerhard von Scharnhorst hatte den Gedanken, alle Bewohner des Staates sind geborene Verteidiger desselben. Ist natürlich ein super Gedanke, weil wenn du ein Mitglied der Nation bist, bist du auch bereit, dein Leben eventuell dafür zu lassen, um es zu verteidigen.

00:28:31: Martin Kommt drauf an, wenn das eine Nation ist, für die es sich lohnt, dann ja. Aber so selbstverständlich war das ja erst mal nicht.

00:28:37: Herwig Das ist in der Tat eine neue Idee. Die Franzosen haben das vorgemacht, also die französische Nation, die Grande Armée und Gerhard von Scharnhorst hat das übernommen. Frankreich war das Vorbild, aber er hatte die Ketten Napoleons ja an den Händen, dass nicht mehr als 42.000 Leute unter Waffen im stehenden Heer sein dürfen. Aber Scharnhorst war ein ganz schlauer Mensch und hat sich das Krümper-System ausgedacht.

00:29:05: Martin Das Krümper-System

00:29:07: Herwig Genau dieses Krümper-System hat mir Professor Sikora auch erklärt.

00:29:12: Prof. Sikora Die Krümper sind eine Einrichtung, die in den Jahren zwischen Jena und Auerstedt und dem Aufbruch in die Befreiungskriege von den Reformern eingeführt worden sind, mit der Idee, dieses kleine Heer, das man nach dem Pariser Vertrag nur noch aufrechterhalten konnte, zu transformieren in eine Armee und einen wachsenden Anteil an militärisch ausgebildeten Mitgliedern der Gesellschaft. Wie macht man das? In der alten Armee war eigentlich ein lebenslanger oder 20-jähriger Dienst der Regelfall. Die Re-Organisatoren führten ein, dass man in dieser kleinen preußischen Armee die Soldaten viel früher auch wieder entlassen konnte, dann wiederum neue eingestellt hat. Und die Hoffnung war, auf diese Weise in der Landbevölkerung eine große Zahl von militärisch ausgebildeten Zivilisten zu haben, die dann, wenn man in den Krieg eintreten würde, auch mit den entsprechenden Vorkenntnissen mobilisiert werden könnten.

00:30:19: Herwig Das ist im Grunde eine allgemeine Wehrpflicht mit einem Reservisten Heer. Also Scharnhorst hat die allgemeine Wehrpflicht in Preußen eingeführt. 1813 ist sie Gesetz geworden. Allerdings hat er selber das nicht mehr erlebt. Er ist nämlich selber bei der Schlacht in Großgörschen schwer verwundet worden und ist an den Folgen der Verletzungen, einer Infektion, dann in Prag, wo er wegen Friedensverhandlungen weilte, gestorben.

00:30:47: Marko Also im Krieg gegen Napoleon.

00:30:48: Herwig Im Krieg gegen Napoleon. Und dass das Koalitionsheer große Erfolge feiern konnte gegen Napoleon, das hat er nicht mehr erleben können. Aber seine Arbeit hat Früchte getragen, zum Beispiel in der Völkerschlacht bei Leipzig, wo die Koalition gegen Napoleon gewonnen hat.

00:31:04: Marko Das heißt, diese Reservisten Armee, das hat funktioniert. Die Franzosen haben sich da ein bisschen täuschen lassen, muss man ja sagen.

00:31:10: Herwig Richtig.

00:31:11: Marko Da werden Soldaten ausgebildet, die dann aber keine Soldaten mehr sind, sondern einen ganz normalen Dienst tun. Aber wenn man sie braucht, dann können die das alles.

00:31:19: Herwig Die waren jedenfalls nicht mehr unvorbereitet und konnten mit der Waffe umgehen.

00:31:23: Marko Sind es diese ausgebildeten Bürger, die dann später Napoleon besiegen werden?

00:31:27: Herwig Könnte man so sagen. Ja, würde ich so sehen.

00:31:31: Marko Also wenn bei der Völkerschlacht bei Leipzig, wenn da die Preußen mit auf den Plan rücken, dann...

00:31:36: Herwig Dann waren da nicht nur die Bauernburschen da, die da eingegliedert wurden in die Armee.

00:31:41: Marko Da waren alle mit dabei.

00:31:42: Herwig Da waren so ziemlich alle mit dabei. Natürlich haben einige die Möglichkeit gehabt, sich da vor dem Dienst zu drücken. Aber das Prinzip, dass alle in dieser Armee kämpfen können und sollen, das wurde schon da eingeführt.

00:31:55: Herwig Jetzt haben wir lange über Preußen gesprochen. Aber das war ja nicht der einzige Staat, in dem diese Entwicklung stattgefunden hat, sondern das war ein ja allgemeiner Trend. Die Entwicklung ging weg vom Söldner, von der Söldnerarmee hin zur Nationalarmee. Mit der Entstehung der Nationalstaaten war das allgemein so.

00:32:15: Herwig Ja, allgemein ja, allgemein schon. Es gab dann Volksarmeen oder Bürger-Armeen.

00:32:22: Marko Die waren die Regel. Also wenn man sich die nächsten großen Kriege anschaut, 1871 zum Beispiel, da ist auf preußischer Seite oder dann auf deutscher Seite, das sind keine Söldner mehr. Das ist ein Volksheer. Und die nächsten großen Kriege, die das vorige Jahrhundert brachte, nämlich den Ersten und Zweiten Weltkrieg, auch da weiß man doch relativ wenig über Söldner.

00:32:44: Martin Das stimmt. Also in den beiden Weltkriegen, soweit ich das überblicken kann, ist das Phänomen Söldner nicht wirklich ein großes. Das war wirklich die Zeit von nationalen Armeen und Achsen und Alliierten, die sich gegenüberstanden. Ein interessantes Phänomen gibt es nach dem ersten Weltkrieg und zwar in Deutschland. Da gab es so etwas, könnte man sagen, wie Söldnerarmeen, nämlich die Freikorps.

00:33:08: Marko Aber das waren ja eigentlich doch Soldaten, die sozusagen nach dem Ersten Weltkrieg ja arbeitslos waren und dann rekrutiert wurden. Aber waren Söldner? Und wer hat ja, wer hat die bezahlt?

00:33:19: Martin Also da kann man sich trefflich darüber streiten, ob das wirkliche Söldner waren oder nicht. Auf jeden Fall einige Kriterien der Söldnerschaft haben sie auf jeden Fall erfüllt. Klar, diese Freikorps bestanden aus heimgekehrten Soldaten, die jetzt nicht mehr fürs Vaterland kämpften, sondern für Geld und - ja - politische Überzeugung. Die haben dann sich das Freikorps gewählt, was ihnen so am nächsten lag. Das waren Monarchisten, das waren Faschisten, das waren aber auch linke Gruppen.

00:33:48: Marko Aber wer hat die finanziert und wer hat da bezahlt?

00:33:50: Martin Die wurden finanziert und die wurden bezahlt tatsächlich vom Staat, also von der Reichsregierung und von der Landesregierung. Die waren aber denen nicht wirklich unterstellt. Die waren nicht dem Kriegsministerium unterstellt. Es gab keine Strukturen, denen die gehorcht haben, die wurden bezahlt, und zwar nicht schlecht. Die bekamen - die einfachen Soldaten bekamen ihren normalen Sold, den sie auch als Soldaten im Krieg bekommen haben. Das waren so 30 Reichsmark im Monat. Aber sie bekamen dann noch mal fünf Reichsmark pro Tag drauf. Das heißt, die haben dann das Sechsfache dessen verdient, was sie eigentlich als einfache Soldaten verdient haben. Und ein Kriterium für Söldnertum ist: Du kriegst mehr Geld als es in einer regulären Armee der Fall wäre. Insofern gibt es dieses Kriterium auf jeden Fall, das sie da erfüllt haben. Offiziere haben sogar 300 Mark verdient im Monat - Reichsmark. Damit haben die doppelt so viel verdient wie der Durchschnittslohn. Also es gab einen hohen Anreiz, zumal nach dem Ersten Weltkrieg, wo alles wirklich in Trümmern lag und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schoss, sich da zu verdingen. Und viele haben das gemacht, weil's gut zu verdienen gab und weil die Alternativen eben nicht da waren.

00:35:05: Marko Nun wurden diese Freikorps aber nicht in einem Krieg eingesetzt, sondern letztendlich im Inland für innenpolitische Ziele.

00:35:13: Martin Ja, so ist es. Das waren aber nicht die politischen Ziele des Staates, sondern von einzelnen Partikulargruppen. Also sie wurden vom Staat bezahlt. Das ist das Irre. Aber ihre Ausrichtung und das, was die dann so getrieben haben, das war bei weitem nicht das, was nun im Sinne des Staates war. Also Freikorps waren ja auch an diversen Verbrechen beteiligt, zum Beispiel an der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Das war jetzt nicht wirklich im Staatsauftrag, also insofern haben die da das gemacht, wo sie eben aufgrund ihrer politischen Ausrichtung und ihrer Führer hin wollten oder hingetrieben wurden. Und das waren nach Schätzungen 250 bis 400000 Mann. Also das war eine ziemlich große Zahl von Veteranen Ersten Weltkriegs-Veteranen, die dann eben in diesen Freikorps ihren Dienst taten. Und dann war es ja so ähnlich wie bei den Preußen, als die Franzosen diktiert haben, dass die Zahl der Armeeangehörigen limitiert werden muss. Bei den Preußen waren es wie viele 48000...

00:36:17: Herwig 42000.

00:36:19: Martin Im Deutschen Reich sollten es dann nach dem Ersten Weltkrieg, nach dem Versailler Vertrag 100.000 sein. Und das bedeutete, dass eben diese Freikorps aufgelöst wurden und längst nicht alle in die Armee gehen konnten. Die sind dann in Wehr-Verbände gegangen, in Bürgerwehren und nicht ganz wenige sind dann auch zur NSDAP und deren Schlägertruppen gewechselt. Was, so ist die allgemeine Ansicht, durchaus mit dazu geführt hat, dass es in der Weimarer Republik so brutal und so gewaltvoll zugegangen ist. Also das ist ein ganz spannendes Phänomen. Jetzt kann man sich natürlich darüber streiten Ist das jetzt wirklich Söldnertum gewesen oder nicht? Aber klar ist: Eine ganze Reihe von Kriterien dessen, was einen Söldner ausmacht, ist da erfüllt gewesen.

00:37:04: Herwig Aber ein wesentliches Merkmal fällt ja weg, weil das waren ja keine Ausländer.

00:37:10: Martin Das waren tatsächlich Deutsche.

00:37:12: Herwig Richtig, Aber ich dachte, ein wesentliches Merkmal wäre für Söldner, die sollten aus dem Ausland kommen und rekrutiert werden.

00:37:18: Marko Aber was wäre jetzt mit russischen Söldnern der Wagner Truppe?

00:37:24: Herwig Das ist ein großes Definitions Problem. Was ist ein Söldner?

00:37:28: Martin Das ist in der Tat ein Problem, was glaube ich auch nicht ganz zu lösen ist. Was ist ein Söldner? Was macht ihn aus? Wir haben so verschiedene Ansatzpunkte im Gespräch jetzt schon gehabt. Es gibt eine Definition der Genfer Konvention, da gibt es sogenannte Zusatzprotokolle und das vierte Zusatzprotokoll ist es, glaube ich, was sich mit der Definition von Söldnern beschäftigt. Und im Artikel 47 werden die Kriterien genannt. Und alle Kriterien müssen erfüllt sein, um klar sagen zu können: Das ist ein Söldner. Marko - vielleicht magst du diese Kriterien mal vorlesen.

00:38:05: UN-Definition A) Wer im Inland oder Ausland zu dem besonderen Zweck angeworben ist, in einem bewaffneten Konflikt zu kämpfen...

00:38:11: Martin Das kann im Inland, kann im Ausland sein.

00:38:15: UN-Definition B) Wer tatsächlich unmittelbar an Feindseligkeiten teilnimmt.

00:38:18: Marko Na ja, gut, ja, Aber das würde zum Beispiel bedeuten, wenn ich bei einer Poststelle arbeite, für die Armee, dann nicht.

00:38:24: Martin Oder in der Logistik. Oder die Suppenküche bedient. Ja, genau, dann nicht.

00:38:28: UN-Definition C) Wer an Feindseligkeiten vor allem aus Streben nach persönlichem Gewinn teilnimmt und wer von oder im Namen einer am Konflikt beteiligten Partei tatsächlich die Zusage einer materiellen Vergütung erhalten hat, die wesentlich höher ist als die den Kombattanten der Streitkräfte dieser Partei in vergleichbarem Rang und mit ähnlichen Aufgaben zugesagte oder gezahlte Vergütung.

00:38:53: Martin Das heißt, du kriegst als Söldner mehr als das, was die regulären Truppen bekommen.

00:38:58: UN-Definition D) Wer weder Staatsangehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei ist, noch in einem von einer am Konflikt beteiligten Partei kontrollierten Gebiet ansässig ist.

00:39:08: Marko Jetzt wird es schon wieder schwierig. Oben steht, ob im In- oder Ausland angeworben. Hier steht, wenn ich kein Staatsangehöriger bin, das heißt, wenn ich Staatsangehöriger bin und im Inland angeworben werde, bin ich kein Söldner.

00:39:22: Martin Genau. Ja.

00:39:24: Marko Das trifft ja fast keinen zu.

00:39:25: Martin Ja, das ist das Problem. Mach mal weiter.

00:39:28: UN-Definition E) Wer nicht Angehöriger der Streitkräfte einer am Konflikt beteiligten Partei ist und F) Wer nicht von einem nicht am Konflikt beteiligten Staat in amtlichem Auftrag als Angehöriger seiner Streitkräfte entsandt worden ist.

00:39:44: Martin Also der Punkt ist natürlich, alle diese Kriterien müssen erfüllt sein, damit man "offiziell" in Anführungsstrichen, also nach internationalem Recht als Söldner gilt. Und wenn man das durchschaut und dann überlegt, wer da überhaupt noch in Frage kommt. Das sind ganz wenige.

00:40:02: Marko Eigentlich gar keine.

00:40:03: Martin Eigentlich erfüllen alle Kriterien.

00:40:05: Marko Das ist eigentlich eigentlich unmöglich. Also wenn man es allein schon auf die Söldner der Wagner Truppe, da funktioniert es ja überhaupt nicht. Also wenn man sagt, es dürfen keine Russen sein, wenn sie in russischen Interesse kämpfen, sonst sind sie keine Söldner, dann ist damit das schon erledigt.

00:40:22: Martin Richtig. Und bei den Freikorps haben wir das natürlich auch. Das sind Deutsche, die in Deutschland kämpfen. Also dass das eine oder das andere Kriterium zutrifft. Oder zwei oder drei. Das ist relativ einfach. Aber dass alle sechs Kriterien zutreffen, das ist quasi unmöglich. Und insofern sind das zwar die Kriterien nach den Genfer Konventionen, aber so richtig eine klare Definition gibt uns das auch nicht. Es ist eben problematisch und es ist auch ein Phänomen, was eben sich über Jahrhunderte und Jahrtausende zieht in unterschiedlichsten Konstellationen, in unterschiedlichsten Konflikten, in unterschiedlichsten Regionen. Und dementsprechend wird man da, vermute ich, nie eine Definition finden, die alles unter einen Hut bringt, wo man sagt: ganz klar trennscharf - das ist ein Söldner, das ist keiner.

00:41:10: Marko Du hast dir das Leben eines Mannes angeguckt, der nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich im allgemeinen Sprachgebrauch als Söldner, ja Berühmtheit erlangt hat.

00:41:21: Martin Ja, und bei diesem Mann kann man, obwohl er vorderhand sehr eindeutig als Söldner zu erkennen ist, könnte man nach diesem Kriterienkatalog, den wir da gerade aufgefächert haben, auch gut die Frage stellen: Ist das wirklich ein Söldner gewesen? Und das ist ein Mann, der ja Berühmtheit erlangt hat, weit über seine historische Bedeutung hinaus. Man könnte sagen, er ist nicht so bekannt, weil er historisch wichtig ist, sondern der ist historisch wichtig geworden, weil er sehr bekannt wurde. Ich zeig euch mal ein Foto. Einen Moment.

00:41:55: Marko Der sieht ja aus wie Dieter Hallervorden.

00:41:58: Herwig Wollte ich auch grad sagen.

00:41:59: Marko Sieht aus wie Dieter Hallervorden.

00:42:00: Martin Ja, das ist ein Ding. Weißt du, woran das liegt?

00:42:03: Marko Das ist der Bruder von Dieter Hallervorden?

00:42:04: Martin Nein, das ist Dieter Hallervorden. Das ist Dieter Hallervorden. Beschreibt doch mal das Bild, Marko. Also, da sitzt ein Mann, ein bisschen drecksverschmiert auf irgend so einem Gelände-Fahrzeug so halb gelehnt, auf dem Gelände Fahrzeug liegt ein menschlicher Schädel. Im Hintergrund tummeln sich ein paar Leute, die aussehen wie eine schlechte Kopie von Che Guevara. Er trägt, wIe nennt man dieses Mützchen? So ein rotes...

00:42:28: Herwig Barett?

00:42:28: Marko Ja, danke. Ein Barett. Und guckt so verschmitzt in die Kamera.

00:42:32: Martin Ja, das ist aus dem Film Didi und die Rache der Enterbten von 1985. Und Dieter Hallervorden spielt da die Rolle des Kongo-Otto, so heißt er in dem Film. Und dieser Kongo-Otto ist nachempfunden der Figur, über die wir reden wollen, nämlich Kongo-Müller, so heißt der Mann. Also der Mann heißt Siegfried Müller, aber genannt wurde er Kongo-Müller.

00:42:57: Marko Wenn ich jetzt an Dieter Hallervorden denke, dann denke ich eher an irgendwas Lustiges.

00:43:01: Martin Ja, das sollte wohl auch lustig sein. Aber dieses Vorbild Kongo-Müller war alles andere als lustig. Der hat auch gerne gelacht. Aber bei allem, was er erzählt hat und das hat ihn eher gruselig gemacht, als dass jemand das lustig empfinden könnte. Also Siegfried Müller, 1920 in Preußen geboren, in Crossen an der Oder. Keine Ahnung, wo das liegt, aber da irgendwo in der Gegend. Und zwar Siegfried Friedrich Heinrich Müller, so wurde er genannt und kommt aus einer Soldaten Familie. Sein Vater war Berufssoldat, er war Fähnlein-Führer in der Hitlerjugend, im Zweiten Weltkrieg dann in Polen, Frankreich und an der Front in der Sowjetunion eingesetzt. Erst bei der Artillerie, dann war er Panzer-Jäger und brachte es bis zum Ober-Fähnrich. Das ist, glaube ich, nicht so wahnsinnig weit oben, wurde aber mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse ausgezeichnet und das hat er bis zum Lebensende quasi immer getragen. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der dann schwer verletzt, hat einen Steckschuss in der Wirbelsäule gehabt und ist dann im Krankenhaus gelegen und von da aus in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten. Hat später für die Amerikaner in den sogenannten Dienst- Gruppen gearbeitet, bevor er dann zum Amt Blank gekommen ist. Das ist der Vorläufer vom Verteidigungsministerium gewesen in der Nachkriegszeit. Und intererssaner Weise: Er hat sich dann bei der Bundeswehr beworben, ist aber nicht genommen worden. Gründe weiß man nicht. Und ist dann nach Nordafrika gegangen, um dann mal was Sinnvolles zu tun. Er hat nämlich Minen geräumt. Die Minen, die General Rommel da im Wüstenkrieg im Sand vergraben hat und ist dann 1962 mit Ehefrau und Tochter nach Südafrika gegangen, als Manager in einem deutschen Restaurant.

00:44:45: Marko Schon wieder ein Koch?

00:44:46: Martin Ja, ja, so könnte man sagen. Und da hat er gearbeitet. Und dort ist er dann von einem Politiker, einem kongolesischen Politiker aus, angeheuert worden, um im Kongo den Aufstand der Simbas niederzuschlagen. Da gab es damals einen Aufstand von bestimmten Gruppen, und die regulären Truppen des Kongos waren nicht in der Lage, diesen Aufstand niederzuschlagen, und deswegen hat er sich 1964 anwerben lassen, um unter dem Söldner Führer Mike Hoare, ein Ire, genannt Mad Mike mit Dutzenden anderen Söldnern dort zu kämpfen. Einige seiner Kameraden kamen auch aus Deutschland und ganz interessant Mike Hoare, der ist einer der bekanntesten Söldner Führer in Afrika nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Der hat Müller beschrieben als preußisch wie eine Pickelhaube. Herwig - vielleicht magst du mal kurz lesen?

00:45:44: Mike Hoare Er bat gleich zu Beginn um Erlaubnis, das Eiserne Kreuz tragen zu dürfen, und ich erteilte sie bereitwillig. Ich glaube nicht, dass ich ihn danach jemals ohne den Orden an seiner Brust sah. Gerüchte behaupteten, er habe ein zweites Exemplar für seinen Schlafanzug gehabt, aber dafür kann ich nicht bürgen.

00:46:02: Martin Jedenfalls ist dieser Siegfried Müller im Kongo unterwegs. 1964 / 65, und dort stöbert ihn ein Reporter des Magazins Stern auf, nämlich ein Gerd Heidemann. Sagt der euch noch was?

00:46:16: Herwig Der sagt mir was. Der Hitler-Tagebuch Heidemann.

00:46:20: Martin Genau, der hat ja, wann war das - Hitler-Tagebücher war das 82, 83, so was um den Dreh. Also 20 Jahre später hat er traurige Berühmtheit erlangt mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern. Und der hat wohl immer so einen Hang auch zu seltsamen militärischen, zwielichtigen Figuren, gerne auch vom rechten Rand gehabt.

00:46:40: Herwig Da hat er auch viele Militaria Sachen gesammelt und alles mögliche, die Yacht von Göring oder so Zeug. Also der war schon so sehr affin zu dieser Szene auch.

00:46:51: Martin Genau. Und 64, das war einer seiner ersten Coups, hat er eben diesen Siegfried Müller im Kongo aufgestöbert und mit dem Müller Interviews geführt und viele Fotos gemacht. Es gab dann eine große Story im Stern, das war ja ein Magazin, was damals noch sehr relevant war und ist dadurch international bekannt worden. Und daher kommt dann eben auch der Name Kongo-Müller. Der hat sich im Gespräch und das war dann eben der Joker. Er hat sich im Gespräch offen und jovial gezeigt und er erzählt dem Reporter da völlig unbedarft und aus heutiger Perspektive könnte man sagen naiv so ziemlich alles. Zum Beispiel auch den Umgang mit gefangenen Aufständischen. Diesen kurzen O-Ton vom Tonband mitschnitt, den kann ich euch mal vorspielen.

00:47:39: Kongo-Müller Eher mißhandelt ja, das ist hier. Das ist normal, ne. Man vernimmt jemanden, und wenn man ihn vernimmt muss Hiebe kriegen, sonst erzählt er nicht richtig. Und wenn er erzählt hat, dann wird er ja, da er ja ein Rebell ist und ein Rebell außerhalb des Rechts steht, wird er getötet. Man macht normalerweise keine Gefangenen und wenn es doch vorkommt, dann wird er also stückchenweise abgeschnitten. Erst das rechte Bein, dann das linke Bein. Zum Spaß habe ich das natürlich gesehen. Also ich nehme an dass es Spaß war, wenn sie ihre langen Messer gewetzt haben in der Nähe, um ihm schon einige Schauer einzujagen.

00:48:23: Marko Na der hat ja einen herzlichen Humor.

00:48:24: Martin Das kann man so sagen. Er lacht dann eben auch bei den Erzählungen der grausigsten Details. Das ist so seine Wesensart gewesen, und man kann sich vorstellen, dass solche Zitate dann, als sie im Stern veröffentlicht worden sind, ziemlich großen Wirbel verursacht haben. Und er ist dadurch eben auch weltweit bekannt geworden. Der ist nach dieser Kongo Geschichte ist er zurückgegangen nach Südafrika und hat dort ein Sicherheitsunternehmen gegründet und war aber dann zwischendurch auch mal irgendwann in Deutschland, wo ihn zwei Dokumentarfilmer der DDR aufgestöbert haben und die haben sich als West-Journalisten ausgegeben und haben ein langes Interview mit ihm geführt. Und da erzählt er wieder unbefangen von seiner Zeit im Kongo. Und weil er eben dauernd lacht, wenn er irgendwelche Dinge erzählt und auch dem Alkohol ordentlich zuspricht, wird der Film "Der lachende Mann" heißen. Mit dem Begriff Söldner aber hat er so seine Probleme.

00:49:23: DDR-Reporter Zunächst einmal bleibt der Tatbestand, dass Sie als deutscher Staatsbürger unter fremder Fahne Dienst tun.

00:49:30: Kongo-Müller Richtig.

00:49:30: DDR-Reporter Würde es Sie verletzen, wenn man diesen Dienst als einen Söldner-Dienst bezeichnen würde.

00:49:35: Kongo-Müller Das möchte ich nicht sagen. Was ist denn schon Söldner? Der Begriff Söldner ist sehr schlecht, finde ich. Man wendet ihn auch auf die Süd-Vietnamesen an, die ja doch für ihr Vaterland kämpfen, die allerdings von Amerika bezahlt werden, das heißt immer die Söldner. Sie kämpfen für ihr Vaterland oder für eine bestimmte Richtung, die sie politisch vertreten. Und dasselbe tue ich auch im Kongo. Ich habe den Westen, die westliche Freiheit oder unsere westliche Ideologie im Kongo verteidigt.

00:50:09: Martin Ja, so sieht er sich eigentlich als Freiheitskämpfer. Aber später im Film spricht er dann selber davon, dass er ein Söldner sei. Er bezeichnet sich selber sogar als Landsknecht, aber versucht das Ganze immer ideologisch zu untermauern. Also irgendwie fühlt er sich doch dazu genötigt, dass da noch was anderes sein muss als nur reines Söldnertum.

00:50:27: Marko Womit er dann ja eigentlich auch laut Definition der Genfer Konvention auch keiner ist.

00:50:35: Martin Ja, er hat ja im Kongo auch für die Regierung gekämpft. Schon das macht ihn zu jemandem, der eben nicht mehr Söldner sein kann, denn er wird ja von einer legal an einem Konflikt beteiligten Partei, in dem Fall der Regierung, engagiert und bezahlt.

00:50:50: Marko Was noch mal klar macht, dass diese Genfer Konvention eigentlich in dem Fall wirklich unsinnig ist.

00:50:57: Martin Und dieses Problem bleibt natürlich bestehen, vor allen Dingen dann auch bei den Organisationen, die dann viel später, ja vor allen Dingen in den USA aufkommen. Also Kongo. Müller Mitte der 60er Jahre. Und dann ist das Thema Söldner eigentlich kein großes mehr. Bis zur Jahrtausendwende, bis zum Irakkrieg 2003 und bis 2011. Und dann tauchen da seltsame Firmen auf, die im Auftrag der Vereinigten Staaten im Irak unterwegs sind. Im Prinzip ist das eine komplett neue Dimension, die da aufgemacht wird. Da setzen die USA nämlich erstmals in großem Maßstab so genannte PMCs ein. PMC - Private Military Contractor, also privat-militärische Vertragspartner sind das. Und die machen alles Mögliche fürs Militär. Also von der Feldküche und Sanitärversorgung.

00:51:54: Marko Was dann wieder nach Genfer Konvention nicht ...

00:51:57: Martin Natürlich, also das sind keine Söldner: Nachschub, Logistik, aber eben auch kämpfende Einheiten. Und da geht es nicht um einzelne, sondern da geht es um Zehntausende von Soldaten. Bis 2011 - ich habe das mal nachgeschlagen - bis 2011 gibt es mehr Personal von privaten Vertrags Firmen des US Militärs im Irak als Armeeangehörige. Und...

00:52:19: Marko Die Frage ist ja: Was ist der Grund? Warum machen die das?

00:52:22: Herwig Und wer bezahlt die?

00:52:24: Martin Ja, also bezahlt werden sie von dem amerikanischen Staat. Der wirbt sie an, ganz offiziell. Da gibt es Verträge, es gibt einen Etat auch, und das wird ganz regulär abgewickelt. Es gibt Anbieter, private Firmen, die sagen: Wir stellen euch das Personal zur Verfügung, seien es Fahrer, die mit Jeeps unterwegs sind, seien es Personenschützer, seien es Infanteristen, ehemalige Soldaten, die dann eben jetzt für eine private Firma arbeiten oder seien es Scharfschützen oder was auch immer - Hubschrauberpiloten im Prinzip das komplette Programm wird der US-Armee zur Verfügung gestellt.

00:53:02: Marko Und es zahlt der amerikanische Steuerzahler.

00:53:05: Martin So sieht das aus. Genau. Und zwar nicht zu knapp.

00:53:07: Marko Ja, die Frage ist: Warum machen die Amerikaner das? Ich meine die Amerikaner haben eine Riesen-Armee und haben einen Riesen-Etat für ihre Armee. Und warum brauchen die dann noch Söldner?

00:53:17: Martin Na ja, teilweise aus den Gründen, die wir schon erörtert haben. Es ist einfacher wenn du eine Vertrags-Firma hast. Die kannst du buchen, sage ich jetzt mal, wenn du sie brauchst. Und wenn du sie nicht mehr brauchst, musst du sie auch nicht mehr bezahlen. Das belastet natürlich den Haushalt.

00:53:32: Marko Das alte Problem, was die Preußen hatten und wo die Preußen gesagt haben, ist aber Mist, weil wenn die käuflich sind, dann sind die nicht loyal. Also wir machen eine Rolle rückwärts?

00:53:41: Herwig Na ja, wie vor 400 Jahren eigentlich.

00:53:43: Martin Im Grunde wie vor 400 Jahren. Aber es kommen verschiedene Aspekte dazu, die gerade auch in einer Demokratie besonders vorteilhaft sind, sage ich mal. Also tote Söldner zählen nicht für die offizielle Toten-Statistik. Wenn also Särge gezählt werden auf dem Weg zurück, wie das in Demokratien der Fall ist. Da stehen dann die Film- und Fernsehkameras und die Reporter und die Zink-Särge kommen zurück mit der amerikanischen Fahne drauf. Da zählen die ganzen Söldner natürlich nicht dazu.

00:54:12: Marko Blöde Frage Wo kommen die her? Sind das Amerikaner?

00:54:16: Martin Zum großen Teil sind das Amerikaner. Was dann die Loyalität-Frage wieder ein bisschen relativiert. Natürlich fühlen die sich dem amerikanischen Staat auch verpflichtet.

00:54:25: Marko Nach Genfer Konvention also keine Söldner.

00:54:27: Martin Sie sind in dem Fall auch keine wirklichen Söldner, wenn man die Genfer Konvention heranzieht. Also das hat schon eine ganze Menge von Vorteilen. Also auch die Familien von Toten Söldnern müssen nicht entschädigt werden. Wenn überhaupt, dann von der Privatfirma, hat der Staat nichts mit zu tun. Kriegsverbrechen werden kaum verfolgt. Also gerade bei den USA war das so ein Beispiel: 2006 - da hat ein angetrunkener Mitarbeiter der Firma Blackwater den Leibwächter des irakischen Vizepräsidenten erschossen, also im angetrunkenen Zustand. Dieser Blackwater-Mitarbeiter wurde dann fristlos entlassen, konnte aber unbehelligt aus dem Irak ausreisen und ist bis heute nicht vor Gericht gestellt worden. Das ist so etwas, was bei einem regulären Armeeangehörigen vielleicht nicht passieren würde. Söldner machen eine Beteiligung an Konflikten auch generell weniger sichtbar. Es gibt eine Studie zu den Costs of war, also den Kriegskosten von 2021. Und die hat ergeben, dass in den Kriegen in Zusammenhang mit 9/11, also vor allen Dingen eben Irak und Afghanistan, 7000 Angehörige der US Armee gefallen sind aber 8000 von privaten Firmen. Und, wie gesagt, die gehen natürlich alle nicht in die offizielle Statistik ein. Also zahlt der amerikanische Staat dafür, aber muss halt die Nachteile nicht in Kauf nehmen.

00:55:46: Marko Das heißt aber, dass die Amerikaner mit dieser Praxis wesentlich früher eingesetzt haben, als es die Russen getan haben.

00:55:53: Martin Ja, das war im Prinzip ein Dammbruch, den die Amerikaner da vollzogen haben. Denn ich hatte ja eben gesagt, so in den 70er, 80er, 90er Jahren haben Söldner in den großen Konflikten eigentlich keine große Rolle gespielt. Und das hat sich geändert im Jahr 2003, als die Amerikaner in den Irak einmarschiert sind und dann eben ganz massiv diese privaten Firmen mit reingenommen haben. Besonders bekannt oder berüchtigt ist auch damals die Firma Blackwater gewesen, die eben dort eingesetzt worden ist für alles Mögliche. Und das hat so eine Art Knoten gelöst, dass überall auf der Welt plötzlich diese privaten Firmen entstanden sind. Das, was so ein Kongo Müller alleine gemacht hat, der ist halt gefragt worden und hat gesagt: Ja, gehe ich hin, mache ich mit. Und daraus ist eine regelrechte Industrie entstanden, die international tätig ist bis heute und wo immer mehr Firmen entstanden sind. Und irgendwann ist das dann eben auch in Russland entstanden unter Präsident Putin.

00:56:53: Herwig Aber kann man denn wirklich sagen, die Söldner sind nur die dunkle Seite der Macht oder gibt es auch positive Aspekte?

00:56:59: Herwig Das ist immer so die große Frage. Begehen Söldner und Söldner-Armeen mehr Kriegsverbrechen, mehr Grausamkeiten im Krieg als reguläre Armeen? Es gibt diese spektakulären Fälle. Es gab die spektakulären Fälle eben auch im Irak mit Blackwater, die die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit erregt haben. 2007 in Bagdad, wo Blackwater-Mitarbeiter wild um sich geschossen haben und 17 Zivilisten getötet und 24 Menschen verletzt haben. Das sind dann so spektakuläre Dinge, die an die Öffentlichkeit geraten und natürlich noch mal einen besonderen Dreh dadurch kriegen, dass es Söldner gewesen sind, die diese Taten, diese Grausamkeiten begangen haben. Ob es in einer regulären Armee weniger solcher Grausamkeiten gibt und Kriegsverbrechen, das ist ganz schwer auszumachen, weil es da auch keine vernünftigen Statistiken dazu gibt.

00:57:51: Marko Na, ich würde sagen, die deutsche Wehrmacht hat alles getoppt. Wenn man jetzt natürlich, wenn wir jetzt auf Wagner wieder gucken, dann ist ein Argument zum Beispiel auch die phänomenale Grausamkeit, mit der die vorgehen. Es gibt ganz schreckliche Videos, wo Menschen gefoltert werden von Wagner Söldnern, nachweislich Wagner-Söldnern, Videos wo mit einem Vorschlaghammer Leute getötet werden. Man bringt das schon in Zusammenhang mit diesem Söldner-Wesen.

00:58:16: Marko Ja, das ist richtig. Im Gegensatz zu den USA waren Söldner in Russland eigentlich per Gesetz verboten.

00:58:25: Marko Da sind sie noch immer, wenn ich das richtig weiß.

00:58:27: Marko Ich glaube, es gibt mittlerweile ein juristisches Hintertürchen, was Putin geschaffen hat. Aber zumindest zu dem Zeitpunkt, als diese Truppe Wagner zum ersten Mal auftritt. Und dann schreiben wir so das Jahr 2013, 2014, das ist in Syrien. Da ist es auf jeden Fall so, dass russische Verfassung, diese sogenannten PMCs, diese privaten Sicherheits- und Militär- Unternehmen verboten sind. Und diese Söldner tauchen da auch nicht auf als ein russisches Unternehmen. Damals gab es Prigoschin als Führer noch nicht. Damals gab es einen Söldner- Führer namens Utkin. Dieser Herr Utkin war ein oder ist ein Nazi. Er lebt ja noch. Das ist glaube ich, wo wir eben schon über Nazi-Symbole gesprochen haben. Der hat ein Hakenkreuz auf die Brust tätowiert, also der trägt nicht wie Kongo-Müller den Orden mit Hakenkreuz, der hat es tätowiert. Und weil Adolf Hitlers Lieblings-Komponist Wagner war, so hatte auch bald seine Truppe den Namen weg. Wagner.

00:59:28: Martin Daher kommt das.

00:59:28: Marko Daher kommt es. Und er tauchte zum ersten Mal in Syrien auf, paar Dutzend Mann offenbar. Und dessen Finanzierung übernahm dann jener Mann, den wir heute kennen, weil er geschimpft hat, nämlich Prigoschin. Prigoschin,damals noch auch selbst illustrer Typ, der offenbar ja aus dem Knast stammt. Der hatte eine lange Knast-Strafe, bevor er sich ein Restaurant in Petersburg zugelegt hat und dort wohl offenbar Putin gefallen hat und sich dort sozusagen qualifiziert hat, um im Namen Putins viel Geld zu verdienen, indem er Schulen und Kindergärten und später die Armee mit Lebensmitteln versorgt hat. Deshalb Putins Koch. Und der wiederum übernahm dann später die Finanzierung dieser Wagner Söldner. Nur das war ein völlig geheimes Unterfangen. Also Wagner Söldner gab es offiziell nicht.

01:00:14: Martin Ja, das waren die kleinen grünen Männchen bei der Krim Besetzung 2014. Das waren ja. Ich glaube, so hat sich Putin damals ausgedrückt, russische Patrioten, die nichts mit dem russischen Staat zu tun hatten, aber eben für die Idee des russischen Staates gekämpft haben. Das war ja so damals die Rede davon.

01:00:32: Marko Die waren natürlich für den russischen Staat sehr nützlich. Also die Russen waren sozusagen durch die Wagner Söldner auf der Krim aktiv. Die Wagner Söldner haben für Russland gekämpft. Sie waren bei der Annexion der Krim sicherlich auch kriegsentscheidend. Und wie praktisch, der Russe war ja gar nicht da.

01:00:50: Martin Ja noch so ein Vorteil für Staaten sich Söldner Armeen zu bedienen. Wenn's gut geht, kann man sich das dann an die Brust heften. Hat Putin ja dann anschließend auch gemacht. Also aus den kleinen grünen Männchen sind dann doch irgendwie unsere Kämpfer geworden. Und wenn es schlecht läuft, kann man einfach sagen: Hat nichts mit uns zu tun. Du hast keine Ahnung, wo die herkommen.

01:01:08: Marko Prigoschin hat auch immer wieder - natürlich auch die, die russischen Medien haben ihn angesprochen - hat auch immer wieder bestritten, eigentlich Chef einer Wagner Truppe zu sein. Er hat sogar die Existenz einer Wagner Truppe völlig bestritten. Erst 2022 hat er eingeräumt: Stimmt, die gibt es und ich bin der Chef von denen. Ist eine erstaunliche Wendung. Das ist anders als bei Wallenstein.

01:01:27: Herwig Ja, in der Tat. Wallenstein war natürlich, hat sich sofort als Kriegsunternehmer geoutet, wenn man das so will. Das war für ihn gar keine Frage. Das war für ihn auch keine Frage der Moral.

01:01:38: Martin Das war, glaube ich, auch damals kein Problem. Also anders als heute, wo es eben in Russland sogar verboten war und natürlich auch immer so ein moralisches Geschmäckle kann man nicht mal sagen, sondern moralisch verwerflich gesehen wird.

01:01:51: Herwig Also was mir noch aufgefallen ist, Prigoschin und Wallenstein - beide sind bei ihren Armeen, also die kämpfen mit denen. Ob Prigoschin jetzt in einem Gefecht war, kann ich nicht sagen, aber er zeigt sich mit seinen Leuten. Das hat Wallenstein auch gemacht, der ist auch mit geritten, der war auch in der Schlacht. Also die ziehen sich nun nicht nur in ihr Büro zurück und lassen den Rechenschieber über den Geldsäcken kreisen, sondern die sind dabei. Und das macht natürlich auch einen großen Teil ihres Nimbus aus. Und wenn Wagner besonders brutal vorgeht, dann ist das natürlich ein Ruf, von dem diese Truppe auch lebt, der ihnen vorauseilt.

01:02:28: Martin Diese, diese Videos, die dann aufgetaucht sind, die sind ja nicht zufällig in Umlauf gekommen. Also wenn da gezeigt wird, in allen schrecklichen, grausamen Details, wie jemand mit einem Vorschlaghammer ums Leben gebracht wird, dann ist das eben kein Zufall, sondern das ist ein Signal. Schaut zu, was euch passiert, wenn ihr desertiert, wenn ihr von der Truppe abhaut.

01:02:53: Marko Ein schönes Zitat Im Mai 2022 gibt Prigoschin gegenüber der New York Times wohl offenbar ein Interview, wo er die Existenz der Gruppe Wagner eigentlich rundweg abstreitet und gleichzeitig aber erklärt. Zitat: "Wo immer es russische Söldner gibt, reale oder eingebildete, verletzen sie niemals die Menschenrechte.".

01:03:16: Martin Also es ist ist, man lacht, aber es ist schon ein bitteres Lachen, muss man sagen.

01:03:21: Marko Und zum Nimbus eines Mannes, der bei seiner Truppe steht. Heute war die Nachricht, dass seine Villa in Sankt Petersburg offenbar gefilzt worden ist. Er lebt geradezu königlich offenbar.

01:03:31: Herwig Ja. Aber er tut natürlich schon so, als wäre er da Teil dieser Mannschaft, die er da befehligt. Er stellt sich vorne hin mit schief sitzendem Helm und mit einer schlecht sitzenden Splitter-Weste. Also als wäre einer von denen, als würde er jetzt sich gleich mit seinem Schlafsack neben die anderen Kollegen dahin rollen und vielleicht eine Kiste Bier aufmachen oder so was.

01:03:55: Marko Die nächste Frage ist natürlich: Was wird jetzt mit diesen Wagner Söldnern? Und man geht mittlerweile davon aus, die Amerikaner denken, es sind ungefähr 50.000. Was wird mit denen jetzt passieren?

01:04:06: Martin Offensichtlich rekrutieren sie ja lustig weiter. Also die Rekrutierungs-Büros sind weiter besetzt und da werden weiter Männer angeworben, um für Wagner zu kämpfen, obwohl ja eigentlich gesagt wurde, diese Truppe wird aufgelöst und Prigoschin sollte nach Belarus gehen. Da ist er jetzt. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht ist er in Sankt Petersburg. Man weiß es nicht ganz genau. Die Frage ist: Was passiert mit Prigoschin? Wird ihn das Schicksal von Wallenstein ereilen?

01:04:35: Herwig Na interessant ist das...bei Wallenstein war es so: Nachdem der Hochverrat bekannt wurde, sind 90, 95 % seiner Leute von ihm sofort abgehauen. Also, die waren sofort ihre Loyalität gekündigt und gesagt, Mit Wallenstein, ne, haben wir nichts mehr zu tun. Bei Prigoschin weiß ich nicht, wie das läuft. Also, wenn er weiter wirbt. Da hören die Parallelen auf. Scheinbar steht seine Truppe noch hinter ihm.

01:05:00: Marko Oder werden die jetzt alle Teile der russischen Armee? Man weiß es nicht. Auf jeden Fall hat er schon wieder angekündigt, dass demnächst wieder über große Taten von Wagner an der Front zu berichten sein.

01:05:10: Prigoschin Auf russisch.

01:05:18: Martin Also über Telegram hat er sich da geäußert, wie er das gerne gemacht hat in den letzten anderthalb Jahren. Und der hat da verkündet: Wir brauchen eure Unterstützung heute mehr denn je. Und hat dann gedankt seinen Unterstützern und gesagt, dass der Gerechtigkeits- Marsch, also das war dieser, ja, was war es Putschversuch oder eben Marsch auf Moskau, dass der zum Ziel hatte, die Verräter zu bekämpfen und die Gesellschaft zu mobilisieren. Und dann dankt er noch mal und sagt: Bald werdet ihr unsere nächsten Siege an der Front sehen. Danke, Leute.

01:05:50: Marko Wie immer diese Geschichte jetzt weitergehen mag. Nach diesem gescheiterten Putschversuch oder was es auch immer war, wie immer auch das Schicksal von Herrn Prigoschin aussehen mag. Wir haben jetzt einen Ritt durch wie viele Jahrtausende?

01:06:04: Martin Drei Jahrtausende waren es mindestens.

01:06:06: Marko Den haben wir es hinter uns gebracht. An unserer Seite stand uns bei unser lieber Kollege Herwig Katzer. Danke dafür. Ehrlich gesagt, nach all dieser Geschichte über Söldner. Jetzt sind wir so klug als wie zuvor. Wir haben den Ritt vom Söldnertum zu den Nationalarmeen und den Vorteilen der Nationalarmeen wieder zurück zum Söldnertum und stehen jetzt da, so nackig wie zuvor.

01:06:27: Martin So ist es. Und wie es damit weitergehen wird, weiß glaube ich kein Mensch. Die Fachleute streiten sich ob die Söldner Armeen die Zukunft sein werden, ob die Nationalarmee nur die geschichtliche Ausnahme gewesen sind. Also bisher sind sie es auf jeden Fall gewesen, die 200 Jahre, 300 Jahre maximal, in denen es sie gegeben hat. Und wie sich das in Zukunft entwickeln wird, das ist völlig offen. Das nächste Mal machen wir was Leichteres. Ja, bitte. Trotzdem schön, dass du bei uns warst.

01:06:55: Herwig Ich habe tatsächlich trotzdem was gelernt. Ich habe viel über Söldner gelernt und ich habe was übers Podcast machen gelernt, was ja auch nicht ganz unwichtig ist.

01:07:05: Martin Wir sagen Danke fürs Zuhören. Wenn es euch gefallen hat, dann sagt es Freunden und Bekannten und der Familie. Und wenn es euch nicht gefallen hat.

01:07:12: Marko Dann sag es doch bitte uns. Aber nur uns unter www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Möglichkeiten, um mit uns in Kontakt zu treten.

01:07:20: Martin Und auch sämtliche weiteren Folgen - den ersten Teil zu unserer Folge: Das zweitälteste Gewerbe der Welt und viele andere Folgen auch noch und wir sagen für heute: Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal. Tschüss.

01:07:36: Marko Tschüss.

01:07:37: Herwig Tschüss.

01:07:37: Marko Tschüss Herwig.

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