Das Rätsel des Geisterschiffs - Teil 1

Shownotes

Ein schauriges Rätsel! Wer kann es lösen? 1872 segelt zwischen Azoren und Europäischem Festland ein Schiff - die Mary Celeste. Der Segler ist völlig seetüchtig und nichts deutet auf eine Katastrophe. Nur: Wo ist die Mannschaft? Von ihr fehlt bis heute jede Spur. Im Podcast über die Geschichte des Geisterschiffs Mary Celeste versuchen Martin Herzog und Marko Rösseler dies Rätsel zu lösen.

Aber in den kommenden zwei Folgen gibt es auch einen Preis zu gewinnen! Über die Entdeckung der Mary Celeste hat Marko vor einigen Jahren ein WDR-Zeitzeichen produziert und dafür Eigel Wiese interviewt. Der Seefahrt-Experte und Sachbuch-Autor hat unterdessen ein weiteres Werk über die Mary Celeste geschrieben - und wer aufmerksam den beiden Podcast-Folgen zuhört, hat die Chance, das Buch "Mary Celeste - Ein Schiff auf ewiger Reise" bald sein Eigen zu nennen!

Wenn Euch diese Folge der Geschichtsmacher gefallen hat, dann sagt es Freunden, Bekannten, Kapitänen, Matrosen, Riesenkraken und Seeungeheuern! Daumen hoch und Lob verbreitet! Vor allem auch auf Euren Podcatchern und Audioplattformen, auf Spotify, Apple, Google, Amazon & Co. Wenn es Euch nicht gefallen hat, dann sagt es uns, aber bitte nur uns: Unter www.diegeschichtsmacher.de findet Ihr alle Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten und vor allem noch viele, viele weitere Folgen dieses Podcasts.

Wichtige Links: Zum WDR-Zeitzeichen "04.12.1872 - Geisterschiff Mary Celeste" entdeckt von Marko Rösseler geht es hier entlang. Eigel Wiese - den Experten im Podcast, der auch schon im Zeitzeichen zu Wort kommt, hat natürlich auch eine eigene Homepage.

Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher - Das Geisterschiff Mary Celeste - Teil 1

00:00:02: Martin Schwere See hier.

00:00:03: Marko Martin, Martin, du sollst schöpfen!

00:00:06: Martin Ja, Ja, ja, ja.

00:00:07: Marko Das Wasser muss raus!

00:00:08: Martin Eimer für Eimer. Meine Fresse.

00:00:10: Marko Es gibt einen wichtigen Spruch. Den müssen sich alle Matrosen zu Herzen nehmen. Und das seit Jahrtausenden.

00:00:15: Martin Verlasse nie dein Schiff. Es sei denn, es verlässt dich...

00:00:20: Marko Und genau darum geht es heute bei...

00:00:22: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:38: Marko Heute begeben wir uns auf hohe See, Martin.

00:00:40: Martin Ja, ganz offensichtlich tun wir das. Also muss ich sagen: Normalerweise ist es ja so, dass wir jemanden einladen hier aus dem Zeitzeichen einen Autorenkollegen, eine Kollegin, die dann von ihren Recherchen berichten. Und normalerweise ist es so, dass wir dann vorher darüber sprechen, was denn so das Thema ist und es denn so geht und wo wir vielleicht anfangen oder wo das Ganz hinführt.

00:01:03: Marko Wir müssen sparen, Martin. Diesmal sind wir beide nur wieder mal alleine.

00:01:08: Martin Und du hast mir nicht mal verraten, worum es geht.

00:01:10: Martin So ist es. So ist es. Aber vielleicht eine Mahnung an all die da draußen, wenn ihr nicht wollt, dass wir weiter sparen müssen. Wenn ihr also wollt, dass dieser Podcast weiter existiert, dann müsst ihr uns empfehlen.

00:01:21: Martin Ja, und zwar nicht nur euren Freunden und Bekannten und Verwandten, wie wir das immer so gerne scherzhaft am Ende einer jeden Folge sagen.

00:01:28: Martin Wir machen auch keine Scherze mehr.

00:01:30: Martin Es wird nämlich bitterernst. Ja, denn ansonsten wird es schwierig, diese wunderbare Serie fortzusetzen.

00:01:35: Marko Über Wasser zu halten sozusgen...

00:01:37: Martin In diesem Sinne. Und deswegen ist es ganz wichtig, ich möchte sagen essenziell überlebenswichtig, dass ihr am besten auf der Plattform, wo ihr uns hört, also bei Spotify oder Google oder Apple oder wo auch immer dahin geht, wo es diese wunderbaren Sternchen zu verteilen gibt und da am besten ein paar Sterne für uns verteilt. Das sagt nämlich dann diesem berühmten Algorithmus der jeweiligen Plattform: Das ist eine gute Podcast-Serie, die können wir anderen Leuten auch vorschlagen. Und wenn das passiert, dann kriegen das andere Leute zu sehen und dann kriegen sie auch unsere Folgen zu hören. Und das wäre sehr wichtig. Nicht nur uns, sondern euch auch. Denn ich nehme an, oder wir nehmen an, dass ihr ganz gerne möchte, dass wir noch die eine oder andere Folge davon machen.

00:02:21: Marko Also SOS empfehlt uns und Martin, wir haben angefangen mit: Verlasse nie dein Schiff, es sei denn, es verlässt dich. Warum glaubst du, könnte das so sein?

00:02:30: Martin Ich glaube, früher war es gängig, so ist jedenfalls die Mähr, dass der gemeine Seemann nicht schwimmen konnte. Deswegen hat er nicht sein Schiff verlassen und hatte auch kein Schiffseigner ein Interesse daran, dass sie schwimmen konnten, weil dann haben sie sich mehr ums Schiff gekümmert.

00:02:47: Marko Ja, aber es gilt in der Tat bis heute. Also wenn du heute einen Segelschein machst und du lernst, irgendwie mit einem Boot umzugehen, und sei es nur ein kleines, dann musst du das lernen. Warum ist es so? Na ja, ganz einfach. Du hast eine viel, viel höhere Chance, gerettet zu werden, wenn du dich auf deinem Schiff befindest. Denn so ein Schiff ist natürlich viel, viel weiter zu sehen als so eine einzelne schwimmende Figur. Logisch. Also deswegen ist die Regel, du bleibst so lange auf deinem Schiff, solange es noch irgendwie schwimmt. Es kommt auch übrigens recht häufig bis heute vor, dass Schiffe an Land gespült werden, wo niemand mehr drauf ist, wo also niemand weiß, wo ist die Besatzung hin. Die haben offenbar in irgendeiner Panik das Schiff verlassen, warum auch immer. Aber das Schiff hat es völlig heile oder vielleicht auch beschädigt bis ans Ufer geschafft. Nur die Mannschaft ist leider ertrunken.

00:03:33: Martin Also ein Geisterschiff sozusagen, das dann irgendwie über die Meere dümpelt und irgendwann angespült wird.

00:03:37: Marko So ist es. Und um ein Geisterschiff, darum soll es heute gehen.

00:03:42: Martin Oh ha, Gruselig. Unheimlich, oder wie wird es.

00:03:44: Marko Alles auf einmal: Es wird Es wird gruselig. Es wird unheimlich. Und es bewahrheitet noch mal diesen Spruch: Verlasse nie dein Schiff, es sei denn, es verlässt dich.

00:03:56: O-Ton Eigel Wiese Es ist ein absolut zutreffender Spruch, der auch bis heute gilt. Das beste Rettungsboot ist eigentlich immer noch das eigene Schiff, es sei denn, es sackt einem unter den Füßen weg.

00:04:08: Martin Jau, das eigene Rettungsboot. Wen haben wir denn da?

00:04:09: Marko Das ist Eigel Wiese - der ist Buchautor und den wirst du finden zu allen möglichen Themen, wenn es um Schiffe, um Matrosen, um Geschichten zur See geht. Und der hat ein Buch geschrieben über das wohl bekannteste Geisterschiff, das es eigentlich gibt in der Geschichte. Das ist die Mary Celeste.

00:04:28: Martin Mary Celeste.

00:04:29: Marko Genau.

00:04:29: Martin Das mag bekannt sein. Mir allerdings nicht.

00:04:32: Marko So habe ich gehofft. Aber immerhin. Du weißt schon mal, was ein Geisterschiff ist.

00:04:38: Martin Ja, Ja. Also ein offensichtlich von der Mannschaft verlassenes Schiff, was auf den Meeren rum dümpelt und Furcht und Schrecken verbreitet bei anderen Mannschaften, die auf diese Schiffe stoßen, weil da die Geister offensichtlich der Matrosen noch herumspuken und dieses Schiff in der Regel dann verflucht ist. Also so sieht man es jedenfalls in den Piraten-Filmen immer.

00:05:03: Marko Ja, der fliegende Holländer, nicht wahr? Kennt man.

00:05:07: Martin Genau.

00:05:07: Marko Also in der Tat werden solche leeren Schiffe häufiger gefunden. Das passiert sogar heute auch bei modernen Schiffen, erstaunlicherweise. Es gibt aber auch sehr, sehr viele Schiffe, die so im Freizeit-Sektor unterwegs sind. Und ein typischer Segler - allein unterwegs - zack, weg ist er. Da gibt es eine einfache Erklärung. Der ist von Bord gefallen. Passiert ja auch relativ häufig.

00:05:28: Martin Also über Bord gespült worden bei Sturm oder...

00:05:30: Marko Man, man, man glaubt es nicht. Aber die häufigste Ursache ist gerade bei Männern pinkeln gehen. Die pissen über die Reling, rutschen aus, weg sind sie und der Autopilot ist an und das Schiff ist weg. Schiff kommt irgendwo an, der Segler wird nie wieder gefunden. So ist es. Es gibt aber auch - ja, es gibt so ein wunderbares Buch heißt Yacht-Unfälle. Da gibt es so Beispiele drin. Eines der berühmtesten ist: Alle gehen sie schwimmen, der letzte springt ins Wasser und vergisst, die Badeleiter runter zu lassen.

00:05:55: Martin Und dann kommen sie nicht mehr hoch.

00:05:56: Marko Dann kommen sie nicht mehr hoch. Das Schiff wird gefunden. Man kann sich das nur so erklären. So. Aber das ist halt das Blöde bei Geisterschiffen: Man kann ja keinen mehr fragen, wie es passiert ist. Und genauso gilt es bei diesem Schiff, um das es heute geht. Die Mary Celeste. Die ist verschwunden - Nein, das Schiff selber ist nicht verschwunden: Die Mannschaft ist verschwunden im Jahre 1872. Und bis heute...

00:06:18: Martin War ein Segler oder was war das?

00:06:20: Marko Es war damals ein Segler. Genau. Wir sind zwar 1872 schon in der Zeit, wo immer mehr Dampf- Boote in der Tat und Dampfschiffe den Ozean erobern, aber ein Großteil des Handels-Verkehrs wird in der Tat noch über hölzerne Segelschiffe...

00:06:35: Martin Wenn ich mich dunkel erinnere. Ich glaube das letzte Segel-Handelsschiff war irgendwann in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts oder so ist das außer Dienst gestellt worden.

00:06:45: Marko Eines der letzten deutschen Schiffe war die Pamir. Also es hat lange Segelschiffe noch gegeben, aber 1872 war das gar nicht so ungewöhnlich, dass dann so hölzerne Segler also auch den Transatlantik-Verkehr gemanagt haben. Und ja, dieses Schiff, die Mary Celeste, wurde tatsächlich leer aufgefunden und keine Menschenseele war drauf. Und bis heute wird darüber gerätselt, wie denn die Mannschaft eigentlich verloren gehen konnte.

00:07:10: O-Ton Eigel Wiese Des Seemanns Phantasie ist also unerschöpflich und die See steckt voller Rätsel. Und das war mit Sicherheit 1872 nicht viel anders als heute.

00:07:22: Marko So, und dann wurde dieser arme Eigel Wiese, der ja Experte war, der sich gerne mit maritimen Problemen auseinandersetzte, vor ungefähr 20, 30 Jahren von einem Verlag gefragt: Ja, kannst du denn das Rätsel nicht vielleicht jetzt mal lösen?

00:07:35: Martin Nach wie viel: 130? 140 Jahren?

00:07:39: Marko Genau. Und da hat er natürlich lange überlegt, lässt er sich auf so was eigentlich ein?

00:07:43: O-Ton Eigel Wiese Ich habe ganz intensiv recherchiert. Ich habe mich damals ein bisschen gegen dieses Buch fast gewehrt, weil ich sagte: Das ist so geheimnisvoll, da gibt es nichts drüber. Und wo soll ich da anfangen? Und naja, ein Spruch, den ich bei Redakteuren und bei Verlegern ungern höre: Du machst das schon. Ne. Und dann lassen sie einen laufen. Und so war das auch in diesem Fall. Und da musste ich machen. Also, ich hatte meine Reise Erfahrung auf Segelschiffen. Und das hat mir letztendlich auch geholfen, die Lösung des Rätsels zu finden.

00:08:20: Martin Ja, und wo hat er angefangen?

00:08:22: Marko Fangen wir erst mal an, mitten auf dem Atlantik. Wir sind im Jahre 1872. Es ist Anfang Dezember. Es ist der 4. Dezember, um genau zu sein, ja. Wir haben einigermaßen gutes Wetter. Wir befinden uns auf 38 Grad 20 Minuten Nord, 17 Grad, 15 Minuten West. Und damit du jetzt nicht nachgucken musst, ja: Kannst du dir vorstellen, die Azoren?

00:08:59: Martin Ja, wo das Hoch immer herkommt.

00:09:00: Marko Genau.

00:09:04: Martin Das gleiche sagt man heute glaube ich gar nicht mehr. Früher im Wetterbericht, da war hoch über den Azoren ein.

00:09:09: Marko Ein Hoch auf die Azoren, nein - ein Hoch über den Azoren. Genau. Die Azoren liegen, wenn du die portugiesische Küste so guckst, zack querab. Das ist sehr schön. Ich war mal da. Es ist wirklich sehr, sehr, sehr, sehr schön. Und das Hoch kommt nicht umsonst daher. Also die Azoren. Also ungefähr auf halbem Weg zwischen den Azoren und dem europäischen Festland. Da sind wir ungefähr gerade unterwegs und wir sind unterwegs mit einem Schiff, das heißt Dei Gratia, die die Grazia ist aus New York.

00:10:15: Martin Gottes Gnade.

00:10:17: Marko Gott sei Dank.

00:10:18: Martin Dei Gratia - Gott sei Dank.

00:10:20: Marko Genau. Wir sind vor drei Wochen gestartet in New York und haben Petroleum geladen. Und wir haben ganz ordentlichen Wind, der kommt aus Nord. Der war ein bisschen heftig die letzten paar Tage, hat jetzt aber abgeflaut, wir haben also noch ein bisschen Seegang und fahren so Kurs Richtung europäisches Festland, wir wollen nach Gibraltar. So und so sind wir da unterwegs. Eigentlich ganz fröhlich und ganz gut. Und plötzlich sagt der Steuermann: Da ist ein Schiff am Horizont. Und der Kapitän Dei Grazia, der guck da durch ein Fernglas. Der heißt David Reed Morehouse. Und der notiert im Logbuch...

00:10:56: Martin liest Logbuch Morgens frische Brise und klar, noch schwerer Seegang, aber Wind abflauend, sah um 2:00 Schiff voraus, sah, dass sie unter kleinen Segeln lief, heftig gierte und offenbar in Not war, drehten bei, um Hilfe zu leisten, falls nötig.

00:11:12: Marko So, du siehst, das ist ein Stich hier von dem Schiff, so wie es gesichtet worden ist. Das ist die Mary Celeste, so wie sie sozusagen die Mannschaft zum ersten Mal gesehen hat. Du siehst...

00:11:25: Martin Ein, zwei Master.

00:11:26: Marko Ja.

00:11:27: Martin Und da ist tatsächlich wenig Segelfläche zu sehen, sondern nur am vorderen Mast. Ich weiß jetzt nicht, wie der heißt, aber am vorderen Mast ist so ein bisschen was aufgezogen und dann vorne ich glaube die Fock-Segel, sagt man, glaube ich, oder weiß ich.

00:11:39: Marko Klüver Segel.

00:11:40: Martin Muss man dazu sagen, vielleicht mal hier so in Klammern, der Herr Rösseler ist nämlich selber Segler, deswegen ist dieses Thema ihm auch sehr nah am Herzen.

00:11:49: Marko Drum kann er gelegentlich da klugscheißen.

00:11:50: Martin Deswegen weiß er, dass das Klüver-Segel heißt.

00:11:53: Marko Ja, also so sieht sie aus. So nähert sich die Dei Grazia, die Dei Grazia aus New York, diesem damals noch erst einmal unbekannten Schiff.

00:12:02: O-Ton Eigel Wiese Es war auf See einfach üblich, dass man näher fuhr, wenn man ein Schiff auf See traf, um sich auszutauschen über Wetter, Nachrichten. Und so weiter. Und als man näher kam, hatten die den Eindruck, da ist niemand an Bord.

00:12:17: Martin Ja, das ist erst mal natürlich. Ja, du hast gesagt, gar nicht so überraschend, weil das öfter vorkommt.

00:12:23: Marko Na ja, also dass niemand an Bord ist, ist erst mal schon überraschend. Wenn man irgendwo ein Schiff unter Segeln segeln sieht, dann würde man schon erwarten, da ist jemand. Was würdest du jetzt tun, Martin? Du bist jetzt der Kapitän, der Dei Gratia. Du hast jetzt hier mal die Entscheidungsgewalt. Was machen wir?

00:12:41: Martin Na ja, also, wie gesagt: Funken ist ja eher schwierig. Gab es damals nicht. Andere Möglichkeiten? Wenn da drauf niemand zu sehen ist, kann man versuchen da irgendwie ein Boot hinzuschicken, wenn man ein Beiboot hat, um da nachzugucken. Aber das dümpelt ja offensichtlich vor sich hin. Es war ja auch noch relativ schwerer Seegang.

00:12:57: Marko Ja, aber es geht...

00:12:58: Martin So, das muss man sich dann schon gut überlegen. Also ich meine, der hat ja wahrscheinlich auch einen Termin gehabt, wann er da irgendwo ankommen musste. Ich weiß gar nicht, gibt es da eine Verpflichtung, dann danach zu schauen und gegebenenfalls Hilfe zu leisten? Wie ist das Seerecht? Also da gibt es ja so... Bestimmungen.

00:13:14: Marko Wie das 1872 war? Keine Ahnung, aber auf jeden Fall: Normal wäre gewesen, die hätten sich angenähert. Dann kommt normalerweise die Mannschaft an Deck, die winken sich irgendwie zu und man gibt sich ein paar Signale über Flaggen. Da kann man vielleicht auch noch austauschen wie das Wetter da drüben wird, weil wenn man drei Wochen unterwegs ist, das ist ja alles noch nicht wie heute mit modern, mit moderner Technik. Man konnte Neuigkeiten aussagen, man kann sogar vielleicht in Ruf-Nähe fahren. So, aber da scheint offenbar auf dem Deck niemand zu sein. Der Kapitän entscheidet. Wir fahren mal näher an das Schiff ran und gucken mal. So. Und als er näher rankommt, sieht er: Das Schiff kenne ich. Das ist die Mary Celeste, weil die Mary Celeste kam auch aus New York, war auch im Handel unterwegs. War eines der typischen Handelsschiffe auch, so ähnlich wie die Dei Gratia im selben Geschäftsumfeld tätig, also im Transatlantik Handel. Und er kannte sogar den Kapitän und hat sich sehr gewundert, weil der Kapitän der Mary lässt galt als ein besonders penibler Mann, also Puritaner, dem Alkohol abgeneigt und sehr streng und aber auch ein guter Kapitän. Und er wundert sich und beschließt: Da kann irgendwas nicht stimmen, und wenn was nicht stimmt, dann müssen wir mal rüber und da müssen wir nach dem Rechten gucken und gucken, ob da irgendwie jemandem zu helfen ist. Er setzt also ein Beiboot aus und schickt seinen ersten Maat Oliver Deveau und seinen zweiten Maat, John Wright, und den Matrosen John Johnson in dieses Beiboot. Und die sollen mal gucken: Ja, was ist denn auf auf dieser Mary Celeste los? Die machen sich also auf den Weg, rudern also rüber, schaffen es auch relativ leicht über das Schanzkleid rüber zu klettern.

00:14:51: Martin Über wen?

00:14:52: Marko Das Schanzkleid, das ist also - ne, Freibord, also sozusagen das Stückchen, was das Schiff ausspuckt und oben ist das Schanzkleid, da klettert man dann drüber und ist man auf dem Schiff. So. Also dann kommen sie da drauf und am Steuer steht niemand. Dann gehen sie runter, gucken im ganzen Boot nach und da ist - niemand. Und dann gucken Sie in die Küche. Da liegen also auch noch so ein paar Sachen rum - niemand zu sehen. Und dann fragen sie sich natürlich schon: Was ist denn hier eigentlich jetzt passiert?

00:15:22: Martin Und es ist so gewesen, als wäre das gerade verlassen worden. Oder war da aufgeräumt und sonst nichts zu sehen? Wie sah es dann in der Küche - Kombüse sagt man ja. Wie sahr es in der Kombüse aus?

00:15:35: Marko Offenbar alles völlig normal, aber. Also es gibt. Es gibt dann später ganz viele Berichte, dass da noch der Kaffee auf dem Herd gestanden hätte oder so. Das stimmt alles nicht. Nee, es war offenbar schon seit einer gewissen Zeit irgendwie verlassen. Aber die Betten waren in der Tat ungemacht und so, als wäre da gerade einer raus gestiegen und dann los. Und was die sehr gewundert hat, war, dass die Luken-Deckel des Laderaum offen waren. Das sind die Luken, über die man das Schiff normalerweise belädt. Und die macht man während der Fahrt tunlicherweise zu, damit nämlich da kein Spritzwasser reinkommt und das Boot voll läuft. Die waren aber sperrangelweit offen.

00:16:08: Martin Und das sind diese großen Luken, wo dann die Säcke oder die Paletten dann per Kran rein und raus gehoben wurden.

00:16:15: Marko Genau. Die standen beide offen, also die vorderen und hinteren. Im Salon des Kapitäns stand ein großer Koffer, da waren Frauen-Klamotten drin. Und ein gut bestückter Näh-Beutel lag auch noch rum. Und eine Sammlung religiöser Bücher.

00:16:31: Martin Okay, ja, Puritaner, hast du gesagt.

00:16:34: Marko Das Schiff ist selbst in einem absolut seetüchtig Zustand. Es ist auch voll proviantiert. Also die gucken nach, was da noch alles so zu essen so an Sachen da ist - alles noch wunderbar. Es liegt eine Log-Tafel, also das im Prinzip die Tafel, auf die du vorher aufschreibst, was du ins Logbuch eintragen willst, die lag in der Tat noch auch in der Küche. Und der letzte Eintrag war neun Tage alt und verortete die Mary Celeste vor einer der Azoren Inseln. Das ist also mittlerweile ungefähr 750 Kilometer vom jetzigen Fundort entfernt. Also schon eine ganze Weile. So lange muss die wahrscheinlich dann irgendwie doch alleine gefahren sein.

00:17:15: Martin Also maximal neun Tage, weil das war der letzte Eintrag.

00:17:18: Marko Das war der letzte Eintrag. Genau. So. Jetzt müssen die natürlich eine Entscheidung treffen. Was macht man mit so einem Schiff? Was würdest du machen?

00:17:27: Martin Gute Frage.

00:17:29: Marko Sie gucken noch in den Laderaum. Der Laderaum ist voll. Das Ding hat Industrie-Alkohol geladen? Dieser Industrie-Alkohol, das wussten Sie wohl irgendwie, der war, ja, ich glaube, für Genua bestimmt. Der sollte nach Genua. Da sollte die Mary Celeste eigentlich auch hin. Ladung sieht vollkommen in Ordnung aus. Alles gut. Was würdest du jetzt tun?

00:17:49: Martin Ja, nicht so einfach, weil ich ja mal davon ausgehe, dass die Schiffe damals jetzt auch nicht so wahnsinnig viel Personal an Bord war, dass man da eben mal eine halbe Mannschaft entbehren konnte, um das andere Schiff irgendwo hin zu steuern.

00:18:01: Marko Es würde gehen.

00:18:02: Martin Also eine Möglichkeit ist zu sagen, wir lassen es einfach weiter treiben. Weiß nicht, ob das eine Option wirklich war. Zweite Möglichkeit wäre gewesen, ein Teil der Mannschaft ab zu kommandieren und zu sagen: Okay, ihr steuert das zumindest bis zum nächsten Hafen. Vielleicht gab es auch noch die Möglichkeit, das Schiff ins Schlepptau zu nehmen.

00:18:22: Marko Schlepptau geht nicht in der Tat, weil die Mary Celeste ist ungefähr genauso groß wie die Dei Gratia. Das kann man nicht abschleppen mit dem Segelboot. Das funktioniert nicht - zu schwer. Treiben lassen? Ja, wäre möglich. Aber, man muss natürlich sagen, wenn man so ein Schiff findet, das hat einen gewissen Wert.

00:18:37: Martin Achso, und dann gehört einem das dann, wenn man das auf offener See...

00:18:41: Marko Dann hat man zumindest einen Anspruch auf sogenannten Berge-Lohn. Und dieser Berge-Lohn das ist viel Geld. Das lohnt sich eventuell, weil es bezieht sich einmal auf das Schiff selber und es bezieht sich auf die Ladung. Und Sie entscheiden sich für eine der Optionen, die du schon genannt hast. Sie stellen nämlich drei Mann ab und sagen: Zu dritt versucht ihr jetzt mal dieses Schiff an Land zu segeln. Und der Plan ist, die beiden Schiffe segeln sozusagen nebeneinander und man soll sich nicht aus den Augen verlieren. Das geht eine ganze Weile lang gut. Die Mary Celeste und die Dei Gratia segeln nebeneinander her. Aber es kommt Sturm auf nach einigen Tagen in der Nacht und die beiden Schiffe werden getrennt. Die Dei Gratia erreicht irgendwann tatsächlich Gibraltar, aber die Mary Celeste ist weg.

00:19:30: Martin Wieder.

00:19:31: Marko Wieder einmal. Und die warten und warten und warten. Und vielleicht ist das der Moment, wo wir mal darüber nachdenken sollten. Was für ein Schiff war eigentlich diese Mary Celeste? Und wer waren die Menschen, die da spurlos verschwunden sind?

00:19:48: O-Ton Eigel Wiese Es gibt in der Tat Schiffe, die haben einen schlechten Ruf. Die haben den Ruf, ein Unglücks- Schiff zu sein. So was gibt es eigentlich bis in unsere heutigen Zeiten. Die Seeleute heuern auch auf solchen Schiffen ungern an, und dazu gehört auch die Mary Celeste.

00:20:05: Martin Ja, Unglücks-Schiff? Was macht denn jetzt die Mary Celeste Unglücks-Schiff.

00:20:09: Marko Nun, im Laufe ihres Lebens, hat man so ein bisschen das Gefühl, ihres Schiffs-Lebens, das ja, dass die sozusagen das Unglück magisch anzieht. Sie überlebt mehrere ihrer Kapitäne. Das ist schon mal das Erste.

00:20:22: Martin Was heißt, sie überlebt mehrere ihrer Kapitäne? Die sterben dann im Dienst auf See oder was?

00:20:28: Marko Sie sterben - manche im Dienst auf See, manche auch nicht auf See. Aber das ist ja manchmal ein schlechtes Omen. Und was man sagen kann: Allen ihren Besitzern - und sie hatte viele Besitzer - hat sie immer nur Verluste eingefahren. Vom Stapel gelaufen ist die Mary Celeste im Juni 1861 und dann hieß sie auch nicht Mary Celeste sondern sie hieß Amazon.

00:20:51: Martin Amazon.

00:20:52: Marko Wie der Versandhandel, genau.

00:20:53: Martin Ich wäre jetzt auf Urwald gegangen. Aber gut, Versandhandel passt ja in diesem Sinne für ein Handelsschiff auch sehr schön.

00:21:00: Marko Die Amazon of Parrsboro, Parrsboro ist eine Stadt in der Bay of Fundy? Das ist Neu-Schottland. Eine sehr raue Gegend, wo viele Schiffe gebaut werden und sehr, sehr stabile Schiffe. Denn in der Bay of Fundy ist der Tidenhub, also der Unterschied zwischen Ebbe und Flut weltweit am höchsten.

00:21:16: Martin Okay.

00:21:16: Marko 20 Meter. Also wenn du mal, wenn du mal so guck zum Saint Malo in Frankreich, wo wir das ja schon so kennen, da sind es so maximal 12 Meter in der Bay of Fundy sind des 20. Und die Seeleute aus der Bay of Fundy, die gelten als besonders fähig, weil klar. Und die Schiffe von dort gelten natürlich auch als besonders gute Schiffe.

00:21:37: Martin Das ist ja auch so eine Sache. Da ist da der größte Tidenhub der Welt? Da geht die Ebbe und Flut immer hoch und runter und genau da baut man dann irgendwie seinen Hafen hin. Ist ja auch irgendwie seltsam, aber gut gut.

00:21:46: Marko Aber gleich davor sind sehr, sehr reiche Fischgründe, diese Banks of Neufundland, da kann man wunderbar so Cott - wie sagt man...

00:21:54: Martin Kabeljau.

00:21:56: Marko Kabeljau kann man da wunderbar fangen. Also das ist sehr traditionelle Gegend, wo also Schifffahrt großgeschrieben wird. Und damals gab es eine neue Werft, Joshua Dewis hieß die, die war neu gegründet und die Amazon war tatsächlich das erste Schiff, was die gebaut haben. Und es sollte auch besonders stabil sein. Und das war die auch. Sie hatte eine Länge von knapp über 30 Metern, hat knapp 200 Tonnen verdrängt, zwei Masten hat sie gehabt. Damals war war.

00:22:22: Martin War das viel zu der Zeit, Also so 200 Tonnen verdrängt - sagt mir jetzt nichts.

00:22:26: Marko Das war durchaus - also wenn man heute denkt, so 30 Meter Schiffchen, das fährt über den Rhein, das ist ja nix. Aber das waren damals die üblichen Schiffe, mit denen Transatlantik Handel getrieben worden ist. Und ein zwei Master war auch sehr üblich. Meistens waren die Brigg-getakelt. Das heißt, du kennst du vielleicht noch so wie bei alten Piratenschiffen, so eine Stange, dann geht das Segel da runter.

00:22:46: Martin Also wenn die da immer aufentern und dann die Segel setzen. Und so weiter so, so wie das, wie man sich das vorstellt.

00:22:51: Marko Also so eine Stange lässt das Segel runter, also Rah-Segel. Rah-Segel nennt man das. Da hast du möglichst viel Fläche vorm Wind die lässt du runter. Und damals kam ein neuer Schiffstyp auf - schonergetakelt. Also das heißt nicht mehr diese Dinger, die man so an so Stangen runter lässt, sondern die dann sozusagen parallel am Mast gefahren werden, mit einem Großbaum, wo dann das Segel so glatt hochgezogen ist.

00:23:15: Martin Also so wie heute die Segel-Yachten noch getakelt sind.

00:23:18: Marko Aber die damals waren noch Gaffel-getakelt. Das heißt es gab einen Baum unten und ein Gaffel-Baum, also ein zweites Stück Holz, einen zweiten Balken, der wird hochgezogen und dann ist das so halb dreiecki dieses Segel.

00:23:31: Martin So oder so, ja. Ich glaube Fischerboote gab es immer noch so...

00:23:35: Marko Bis heute.

00:23:37: Martin Plattboden...

00:23:37: Marko Ja, die haben das heute noch. Früher hat man eigentlich nur fast nur Rah-Segler gebaut. Also das heißt der erste und der zweite Master, da waren überall Rah-Segel dran, dann nennt man das eine Brigg. Und wenn man so ein Segel hat, was man so über einen Baum hochzieht, was dann so parallel zum Mast steht, das nennt man dann ein Schoner-Segel. Da kann man jetzt sagen ein Brigg-Schoner, oder man sagt eine Brigantine. Aber diese Schiffe waren damals noch relativ neu, und die waren auch so ein bisschen, ja, man hat da so ein bisschen draufgucken: dann hat man die hermaphroditen Brigg genannt.

00:24:12: Martin Wie herm...

00:24:13: Marko Ein Hermaphrodit ist ein Zwischenwesen zwischen Männlein und Weiblein. Und so muss diesen Leuten damals, den Seefahrer muss so ein Schiff so vorgekommen sein, also kein Schoner. Es ist aber auch kein Rah-Segler. Was ist das? Da war ein Hermaphrodit, also irgendwie so was hat so ein Ding dazwischen.

00:24:27: Martin Und das war diese Amazon.

00:24:29: Marko Das war diese Amazon. Aber das war jetzt eigentlich kein großer Nachteil oder so was, sondern die waren also, diese Brigantinen waren relativ leicht zu bedienen. Sie waren auch billiger zu bauen und sie waren leichter. Und das war nur einige Vorteile. Und das war auch diese Amazon. Nun, schon beim Stapellauf ging es so zu sagen - na ja, - das Schiff wird nach dem Stapellauf dann eingetragen im kanadischen Schiffs-Register, aber schon am selben Tag, wo es eingetragen wird, erkrankt der Auftraggeber und zwei Tage später ist er tot. Einfach so! Es war ein Schotte, der hat die in Auftrag gegeben. Zwei Tage später ist er tot, nachdem das Boot gerade eingetragen worden ist.

00:25:08: Martin Das ist ja schon alles sehr dubios.

00:25:10: Marko Ja, das ist ein blöder Zufall, würde ich mal sagen. Aber es kann natürlich passieren. Dann, während der Jungfernfahrt, kollidiert die Amazon mit einem Fisch-Wehr. Das ist so ein Ding, mit dem man versucht Fische zu fangen. Da fährt die volle Pulle drauf und beschädigt sich den Rumpf, muss abgeschleppt werden, kommt wieder ins Dock, da wird das ganze repariert. In dem Dock bricht Feuer aus. Fast der gesamte Aufbau vom Schiff verbrennt, muss noch mal neu gebaut werden. Als das fertig ist, macht sie ihre erste Transatlantik-Überquerung und in der Straße von Dover rammt sie ein anderes Schiff. Das andere Schiff sinkt. Sie schaffts. Aber es ist sehr teuer. Und der Kapitän ist offenbar schuld. Unter einem anderen Kapitän geht es wieder zurück. Es folgen mehrfache Eigner-Wechsel. Davon gehen einige dieser Eigner pleite. Und irgendwie scheint an dieser Amazon Scheiße zu kleben. Und deshalb wird auch wieder mal versucht, sie zu verkaufen. Und in der Tat, sie wird am 13. Oktober 1869 nach New York verkauft und da erhält sie einen neuen Namen:.

00:26:20: Martin Mary Celeste.

00:26:22: Marko So ist es, Mary Celeste. Warum?

00:26:23: Martin Nochmal fragen: Mary Celeste? Mary Celeste?

00:26:27: Marko Ich würde sagen Celeste. Auf jeden Fall: Man weiß doch gar nicht so genau, weil offenbar verschreibt sich auch noch der Maler beim Namen.

00:26:38: Martin Okay. Also man weiß auch gar nicht, warum die so heißt.

00:26:41: Marko Nein, so richtig nicht.

00:26:43: Martin Okay.

00:26:43: Marko Aber was man weiß, ist, dass sie wahrscheinlich umbenannt worden ist, weil keine Sau mehr auf diesem Ding mitfahren wollte.

00:26:50: Martin Weil okay, die hatte schon bis dahin so einen schlechten Ruf als Amazon, dass man gesagt hat okay, anderer Name, dann verspielt sich das so ein bisschen.

00:26:57: Marko Genau. Und man ist ja auch ein bisschen weiter weg von der Bay of Fundy. Man ist jetzt in New York, das ist ja schon noch ein ordentliches Stück weit weg. Und am 29. Oktober 1872 übernimmt sie ein gewisser Kapitän Benjamin Spooner Briggs. Und das ist der Mann, der sie jetzt über den Atlantik fahren wird.

00:27:17: Martin Der Puritaner.

00:27:18: Marko Der Puritaner, der übernimmt das Kommando, der stammt gebürtig mit seiner Familie aus Massachusetts.

00:27:25: Martin Massachusetts.

00:27:26: Marko Genau, äh. Ist 37 Jahre alt, zweifacher Vater und gilt als ein erfahrener Seemann aus Neuengland und...

00:27:37: Martin Hat einen Koffer mit Frauenkleidern an Bord offensichtlich.

00:27:40: Marko Ja, dafür gibt es jetzt eine Erklärung. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und die jüngste Tochter ist zwei oder wird im Hafen gerade zwei, den zweiten Geburtstag feiern sie. Und der Junge ist sieben. Der kommt gerade zur Schule. Der wird jetzt bei der Großmutter geparkt, denn seine Frau und seine jüngste Tochter werden ihn auf dieser Reise begleiten. Er ist sehr stolz, dieser Kapitän Spooner Briggs. Er hat nämlich 1/3 des Anteils an dem Schiff gekauft. Ihm gehört jetzt ein Teil dieses Schiffes. Und deswegen denkt er sich: Och komm, fahr ich mit Familie. Es gibt so einige Dinge, die Seeleuten etwas aufstoßen. Eine Namensänderung beim Schiff ist ja nie gut, ne. Das bringt ja eigentlich Unglück. Und es heißt ja angeblich auch, dass Frauen an Bord.

00:28:26: Martin Das war mein Gedanke: War das damals auch noch so, dass man gesagt hat - O weh - Frau an Bord bringt Unglück?

00:28:32: O-Ton Eigel Wiese Kapitäne nahmen ihre Ehefrauen durchaus schon mal mit auf eine Reise, und hier war es eine besondere Reise. Es war nämlich die erste Fahrt, die Kapitän Briggs auf seinem Schiff, nachdem er Anteile an dem Schiff erworben hatte, die er dort unternommen hat. Und von daher war das schon für die beiden etwas Außergewöhnliches.

00:28:55: Marko Was ich aber gelernt habe Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass Frauen mit an Bord waren. Also diese Idee, die bringen Unglück, das hat man damals eigentlich nicht so gesehen. Eigentlich waren viele Menschen sehr zufrieden, wenn eine Frau mitgefahren ist, vor allem, wenn es die Kapitäns-Frau war, weil die hat ein bisschen nach dem Essen geguckt. Es gab oftmals auf solchen Schiffen richtig miesen Fraß. Wenn die Kapitäns-Frau aber mitgefahren ist, die hat sich gekümmert.

00:29:16: Martin OK

00:29:18: Marko Die hat für gut Laune gesorgt und das scheint gut gewesen zu sein. Also es war immer ein gutes Argument, wenn die Frau mitfährt, dann gibt es wenigstens was ordentliches zu essen und die kümmert sich mütterlicherseits irgendwie. Keine Ahnung, ist jetzt vielleicht ein bisschen nicht gerade genderkonform, aber so war die Seemanns-Welt damals. Also es war nicht so ungewöhnlich, dass Frauen offenbar mitfuhren. Wie gesagt, 1/3 des Schiffes gehört dem Kapitän Briggs. Und jetzt baut er das auch so ein bisschen für sich darin um. Seine Frau kommt mit. Seine Frau ist genau wie er sehr puritanisch, singt also auch im Kirchenchor, spielt auch im Kirchenchor diverseste Instrumente, unter anderem ein Harmonium. Und drum wird auch das Harmonium mitgenommen und.

00:29:55: Martin War viel Platz auf dem Schiff...

00:29:57: Marko Ja, gut, das ist so also. Und es gibt ein Tagebuch der Elizabeth Briggs, und das hat sie auch weitergeführt, als sie sozusagen in der freudigen Erwartung dieses Aufbruchs von New York waren. Da müsste man jetzt mal am besten als Frau lesen. Aber wir haben ja keine Frau hier.

00:30:12: Martin Ich kann ja meine Stimme ein wenig hochdrehen - aber ansonsten.

00:30:16: Marko Also Elizabeth Briggs schreibt an ihren 7-jährigen Sohn, der ja zu Hause bleiben musste, wird ja gerade jetzt eingeschult.

00:30:23: Martin liest Elisabeth Briggs Papa hat bei der Ankunft des Beibootes gewartet. Dann hat er uns an Bord seiner Brigantine begleitet, der Mary Celeste. Die kleine Sophia hat sich sofort für die Bord-Katze interessiert, die in der Kajüte eingeschlossen war, damit sie sich nicht davonmachen konnte. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich deine kleine Schwester war, als Papa ihr zwei Puppen gegeben hat. Ich habe bei Sonnenuntergang auf meinem Harmonium gespielt. Dann habe ich die kleine Sophia mit ihren beiden Puppen ins Bett gebracht.

00:30:54: Martin Ja, das klingt doch nach einem Familienidyll. Harmonium und Puppen und alles ist schön. Bord- Katze gibt es auch. Klingt sehr idyllisch.

00:31:01: Marko Ja, scheint irgendwie auch ganz nett zu sein. Die Sophia Mathilda, so heißt das kleine Mädchen, wird im Hafen auch noch genau zwei Jahre alt. Die feiern auch noch Geburtstag im Hafen. Und für die soll es natürlich die erste Reise werden über den Atlantik.

00:31:14: Martin Aber gab es da keine Befürchtungen? Ich meine, so riesig war das Schiff ja nicht. 30 Meter ist...

00:31:20: Marko ...durchaus handelsübliches Schiff. Erfahrener Mann, dieser Kapitän Briggs, der hat schon ganz andere Schiffe über den Atlantik gesegelt. Das scheint niemanden wirklich beunruhigt zu haben.

00:31:31: Martin Hat man so gemacht, kannte man nicht anders.

00:31:32: Marko Genau. Zielhafen übrigens Genua, denn wer möchte da nicht mal hin? Ist doch ganz schön. Und geladen sind knapp über 1700 Eichen-Fässer und Rot-Eiche und in diesen...

00:31:44: Martin Nur die Fässer? Oder ist da was drin?

00:31:45: Marko Da ist Industrie-Alkohol drin. Dieser Industrie-Alkohol soll also nach Genua und eigentlich würde man jetzt auch relativ schnell losfahren, aber das Wetter ist schlecht. So ist es, man lässt sich raus schleppen, erst mal aus dem Hafen, dann liegt man da auf Reede da vor Anker und wartet darauf, dass das Wetter erst mal besser wird. Und am 7. November 1872 laufen die also bei frischen und relativ gutem Wind aus. Besatzung ist also einmal der Kapitän. Benjamin Spooner Briggs heißt er. Seine Ehefrau Elizabeth und die kleine Sophie-Mathilda, das ist die Tochter. Zwei Jahre, da sind sie alle drei Mal zu sehen. Hier.

00:32:19: Martin Es gibt Fotos.

00:32:20: Marko Es gibt Fotos. Genau.

00:32:22: Martin Okay, also der Kapitän sieht noch relativ jung aus. Was hast du gesagt? 37 oder was?

00:32:27: Marko Genau.

00:32:27: Martin Zu dem Zeitpunkt. Sieht da jetzt nicht irgendwie Wetter gegerbt das Gesicht oder irgendwie so aus? Aber so?

00:32:32: Marko Aber immerhin.

00:32:32: Martin Und immerhin ein Seemann-Bart, so ein Lincoln Bart ist das, glaube ich, so gewesen und so ein bisschen wallende Haare. Und seine Frau sieht auch noch sehr jung aus, streng gescheiteltes Haar, lächelt aber in die Kamera, ganz, ganz sympathisch in der Kleidung der Zeit. Züchtig, hoch geschlossenes Kleid. Ja, und dann eben ein kleines Kind, das ist die Tochter Sophie- Mathilda steht da. Ja, genau.

00:32:59: Marko Also das ist die Familie. Und mitfahren dann noch die normalen üblichen sieben Mann Besatzung, da ist der erste Maat, das ist ein Amerikaner, verheiratet übrigens mit der Nichte des Reeders. Der zweite Maat stammt aus Dänemark, lebt aber auch schon seit längerer Zeit in New York, verdingt sich da auch als Seemann schon seit einer ganzen langen Zeit. Und beide kennt der Kapitän auch schon länger. Sie haben schon mehrere Fahrten zusammen gemacht. Ein Mann aus Brooklyn ist Koch, die kennen sich auch schon. Also es scheint irgendwie ganz familiär. Aber wer jetzt dazukommt, das ist interessant. Nämlich vier Deutsche.

00:33:32: Martin Ach ja.

00:33:33: Marko Vier Deutsche sind mit an Bord. Zwei Mann stammen aus Föhr, also der Insel Föhr. Und die sind nach einem Schiffbruch nach New York gekommen, wo sie alles verloren haben. Und haben dann angeheuert und wollten wieder zurück in die Heimat.

00:33:47: Martin Ach so, das war so ein so ein Einbahn-Trip sozusagen. Sie wollten nur einmal noch über den Atlantik und haben dann angeheuert, um wieder nach Hause zu kommen.

00:33:56: Marko Und dann gab es noch einen Mann, der stammt von der Insel Amrum und ist der Sohn eines bekannten Grönland-Fahrers gewesen. Das war jemand, der eigentlich Robben und Wale jagt. Er hat sich aber offenbar als Matrose verdingt. Und der letzte Matrose, da weiß man nicht mal genau, wie er heißt. Der steht in dem Schiffs-Register als Gottließ Gottschad, wahrscheinlich heißt er aber Gottlieb Gottschalk. Herkunft ist unbekannt, aber auch ein Deutscher offenbar. Also vier Deutsche und drei Amerikaner. Aber dieser Spooner Briggs, also der Kapitän, ist ganz guter Dinge. Er schreibt an seine Schwiegermutter.

00:34:29: Martin zitiert Spooner Briggs Ich fühle mich seit der Ankunft von Sarah und Sophia wie zu Hause. Der zweite Offizier und der Steward scheinen mir brave und gute Menschen zu sein. Ich hoffe auf eine angenehme Reise. Unser Schiff ist in einem perfekten Zustand.

00:34:42: Martin Ja. Dann kann es ja losgehen.

00:34:44: Marko Genau. So, jetzt wird das Schiff raus geschleppt. Ja. Es ist schwierig, aus dem Hafen rauszukommen, aber der Wind steht genau gegenan und Briggs entscheidet. Okay, wir legen uns noch ein bisschen hier vorne ins Hafenbecken und warten auf besseren Wind. Und weil es ja so ein bisschen Zeit gibt, wird sich die Elisabeth hin und schreibt noch einen Brief an ihre Schwiegermutter.

00:35:03: Martin zietiert Elisabeth Liebe Mama Briggs, wahrscheinlich wirst du dich über das Datum dieses Briefes wundern. Aber anstatt unsere Reise am Dienstag früh nach dem Auslaufen aus dem Hafen zu beginnen, haben wir ungefähr eine Meile von der City entfernt wegen starken Gegenwindes wieder geankert. Ben sagte mir, dass das Wetter draußen sehr schlecht sei und dass wir nicht viel gewonnen hätten, wenn wir draußen auf dem Meer herum kreuzen würden. Heute laufen wir nun bei frischem und gutem Wind aus und hoffen, den Atlantik zu erreichen, ohne noch einmal ankern zu müssen. Benji ist sicher, dass er eine sehr gute Besatzung führt. Die Männer haben ihre Arbeit ordentlich begonnen. Alle sind sehr aufmerksam und freundlich zu mir. Benji sagte mir, wir hätten einen guten Start und so übergebe ich nun diesen Brief dem Lotsen. Herzlichst deine Sarah.

00:35:52: Marko Dies wird das letzte Lebenszeichen sein, was es von der gesammelten Mannschaft in dem Fall von Elisabeth Briggs gibt.

00:36:01: Martin Wie es weitergeht mit Elizabeth Briggs, Captain Briggs und der ganzen Mannschaft und der Mary Celeste, das erfahrt ihr in der nächsten Folge von Die Geschichtsmacher.

00:36:14: Marko In der ihr übrigens auch was gewinnen könnt, nämlich das neueste Buch zum Thema, geschrieben von Eigel Wiese.

00:36:22: Martin Wenn euch dieser erste Teil der Geschichtsbücher zur Mary Celeste gefallen hat, dann sagt es allen Freunden und Bekannten, Seglern und anderen Seefahrern.

00:36:33: Marko Leichtmatrosen.

00:36:34: Martin Leichtmatrosen, Schwermmatrosen, Kapitänen und und wenn es euch nicht gefallen hat.

00:36:40: Marko Dann sagt es doch bitte uns, aber nur uns unter:

00:36:44: Martin www.diegeschichtsmacher.de

00:36:47: Marko Dort findet ihr alle Möglichkeiten, um mit uns in Kontakt zu treten und wir freuen uns, wenn ihr uns schreibt oder uns Nachrichten hinterlasst oder wie auch immer. Und ich kann noch mal darauf insistieren: Beim nächsten Mal gibt es was zu gewinnen, das heißt, dann müsst ihr uns aber schreiben.

00:37:01: Martin Jawoll, so ist es. Und nicht vergessen: Auch auf der Plattform, wo ihr diesen wunderbaren Podcast hört, bitte einen Kommentar hinterlassen. Das gibt es ja bei den meisten Plattformen auch eine Möglichkeit, wie es euch gefallen hat. Und wenn es da so was gibt wie eine Sterne Bewertung, Herzchen oder was man da so alles macht.

00:37:18: Marko Wir brauchen eure ultimative Lobhudelei, sonst geht das hier nicht vorwärts. Um das noch mal ganz klar zu sagen.

00:37:24: Martin Eine nächste Folge wird es aber auf jeden Fall geben, nämlich den zweiten Teil zur Mary Celeste. Und bis dahin sagen wir erst mal Danke fürs Zuhören. Und bis bald.

00:37:34: Marko Ahoi!

00:37:35: Martin Tschö.

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