Dr. Livingstone, I presume?

Shownotes

Unser Kollege Thomas Pfaff hat das Zeitzeichen zu diesem Treffen geschrieben und auch schon fürs Fernsehen darüber berichtet. Er nimmt uns mit auf seine Recherche-Reise an den Sambesi, ins Grenzgebiet zwischen Simbabwe und Sambia, wo die Victoria-Fälle donnern und rauschen. Er stellt uns Boniface Mabanza vor, der schon als Schulkind Zweifel daran hatte, dass Livingstone diesen Wasserfall entdeckt hat. Und er erklärt uns, was ein ABBA-Song aus den 70er Jahren und die wie mit dem Lineal gezogenen Grenzen vieler Staaten in Afrika mit all dem zu tun haben.

Wenn Dir die Episode gefallen hat, sag's Familie, Freunden und Bekannten. Wenn nicht, dann sag's bitte uns: kontakt@diegeschichtsmacher.de (Neben Kritik nehmen wir aber auch gern Lob entgegen…) Wenn es Dir sogar so gut gefallen hat, dass Du unsere Arbeit unterstützen möchtest, dann werde Mitglied über Steady.

Transkript anzeigen

Geschichtsmacher Livingstone.mp3

00:00:08: Intro Die Geschichtsmacher. Von den Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:30: Marko Lautes Rauschen für den Anfang dieser Folge, Martin.

00:00:33: Martin Ja, es rauscht, es rauscht, aber es ist nicht das Hintergrundrauschen und es ist kein technisches Rauschen, was wir hier haben.

00:00:40: Marko Es ist ein gewolltes Rauschen.

00:00:40: Martin Ist ein gewolltes Rauschen, ist ein Rauschen aus dem tiefsten Herzen Afrikas. Ich les dir mal was vor. Selbst die Engel in ihrem Flug müssen diese Szenerie bestaunt haben. Kein Europäer vor mir hat sie je erblickt.

00:00:57: Marko Herzlich willkommen bei die Geschichtsbücher. Da vorne sitzt der Martin Herzog vor dem Rauschen...

00:01:03: Martin Und auf der anderen Seite dieses rauschenden Flusses.

00:01:06: Marko Ach, ein Fluss.

00:01:09: Marko Ja, OK. Da sitzt Marko Rösseler und zu unserer Linken, respektive Rechten der Kollege Thomas Pfaff. Herzlich willkommen!

00:01:17: Thomas Hallo, freue mich über die Einladung.

00:01:19: Marko Du sitzt jetzt mit uns im Boot und wo befinden wir uns hier gerade?

00:01:24: Thomas Ja, wir sind in Afrika und das sind die Victoria Fälle, die wir hier hören im Hintergrund. Die grandiosesten Wasserfälle in Afrika. Ich bin da mal gewesen 2007 und das was man über diese Victoria Fälle sagt, das ist auch wirklich wahr. Das ist schon extrem beeindruckend. Man kommt da vorher durch eine sehr trockene Savannenlandschaft und plötzlich wird es grüner, es wird lauter, es wird feucht und dann steht man vor einer gigantischen Schlucht, in die der Sambesi da runterstürzt und man hat einen ewigen Regenbogen, das heißt immer diese Farben über dieser Schlucht. Und das ist schon ein ziemlich grandioser Anblick. Auf jeden Fall. Insofern kann ich diesen Zitatgeber gut verstehen.

00:02:06: Marko Der Zitatgeber, der ist wichtig. Das ist der Grund, warum du heute hier sitzt. Das ist Herr Livingston, der hatte ich auch damals an diesen, sozusagen an diesen Fluss gelockt.

00:02:14: Thomas So kann man das nicht sagen. Ich glaube, ich wäre auch ohne ihn gern da hingefahren. Aber tatsächlich, er ist da auf jeden Fall allgegenwärtig. Vor allem gibt es da ein riesiges Denkmal von ihm oder ein großes Denkmal, sagen wir mal, ein sehr beeindruckendes Denkmal. Er steht da mit Army-Mütze und Nacken-Schutz und lässig auf einen Stock gelehnt und blickt auf diese Szenerie mit einem Gesichtsausdruck, der so ausdrückt: Hier, das habe ich entdeckt und vielleicht auch das alles gehört mir - so im Hinterkopf, spielt das mit.

00:02:43: Marko Wer die Geschichtsmacher kennt, der weiß: Wir laden immer Autoren, Autorinnen des Zeichtzeichens ein. Und Livingstone - das war ein Zeitzeichen, mit dem du beauftragt warst.

00:02:56: Thomas Genau das ist schon eine Weile her. Das war 2008, ein Jahr nachdem ich da auf der Afrikareise war. Und eben wegen dieser Reise und weil ich mich auch sonst für Afrika interessiere, habe ich auch dieses Thema sehr gerne bearbeitet. Vielleicht zu meinem persönlichen Bezug. Ich habe mich auch schon immer für Afrika, afrikanische Politik und Geschichte interessiert, war in den 80er-Jahren aktiv als junger Mensch in der Anti-Apartheit-Bewegung und bin darüber zu diesem Thema Afrika gekommen. Habe auch viele Menschen aus Afrika kennengelernt und wollte mir das dann auch mal angucken. Und es war natürlich eine touristische Reise, aber es war auch ein bisschen kulturell, politisch, soziale Informationsreise - so von beidem.

00:03:34: Martin Und daraus ist dann ein Zeitzeichen entstanden. Wir wollen heute über das Thema sprechen, über Livingston und das berühmte Treffen von Livingston und Stanley. Das hat damals viel Furore gemacht, wenn ich sage damals, wann war das?

00:03:50: Thomas Das war 1871, also vor ziemlich genau 150 Jahren,

00:03:54: Martin 150 Jahre her, damals Hochzeit der Kolonisation des afrikanischen Kontinents.

00:04:00: Marko David Livingston: Wir befinden uns im 19. Jahrhundert, ist einer der großen Pioniere, die Afrika entdecken für Europa. So muss man es ja sagen. Ja, wir sagen das gerne so: Der hat da die Victoria Fälle entdeckt. Nö, da gab es natürlich schon längst vor ihm Menschen. Und das ist so ein bisschen, wie wir da drauf gucken. Das ist, glaube ich, das Problem.

00:04:22: Thomas Das ist das Problem. Das war das Problem im 19. Jahrhundert, als Afrika kolonisiert und aufgeteilt wurde. Und das ist es zum Teil ja auch heute noch.

00:04:30: Martin So, jetzt sitzen hier drei weiße Männer, die sich über den schwarzen Kontinent unterhalten wollen. Aber wir wollen nicht nur über den Kontinent reden, sondern auch vielleicht mit Leuten, die von dort her stammen. Und das hast du gemacht. Wir hätten ihn gerne eingeladen, aber er ist, glaube ich, unterwegs...

00:04:46: Thomas Ich glaube, er ist im Moment noch im Kongo, hat er jedenfalls angekündigt. Ich habe ihn vor ein paar Monaten interviewt, in Heidelberg, wo er arbeitet. Das ist Boniface Mabanza mit kongolesischen Wurzeln. Er ist jetzt in Deutschland schon lange und arbeitet bei einer kirchlichen Arbeitsstelle "Südliches Afrika" in Heidelberg. Und er hat einerseits auch in Kinshasa noch Literaturwissenschaft, Philosophie und Theologie studiert, an der Uni und dann hier in Deutschland promoviert an der Uni Münster und beschäftigt sich mit Politik des afrikanischen Kontinents, mit Entwicklungszusammenarbeit, wie man das so schön auch nennt. Und er hat aber natürlich auch einen ganz persönlichen Bezug. Anders, völlig anders als wir, vielleicht einen touristischen Bezug haben zu Livingston. Er hat nämlich über Livingston und die sogenannten Entdecker auch in seiner Schulzeit gelernt viel.

00:05:36: Martin Und das hören wir uns jetzt mal an..

00:05:38: Boniface Mabanza Meine persönliche Erfahrung mit Schulunterricht und Umgang mit der europäischen Geschichtsschreibung ist gut zusammengefasst in einem Text von einem burundischen Priester, der beschreibt, wie gekränkt er sich fühlt jedes Mal, wenn er an all die Namen denkt, der sogenannten Entdecker aus Europa, die in Afrika unterwegs waren. Und das ist auch meine Erfahrung gewesen. In der Geografie, im Geschichts-Unterricht und vielen anderen Fächern: Immer wieder wurde betont, wie mutig diese Menschen waren, wie selbstlos ein Livingston war. Erst später, als ich selbst anfing, darüber nachzudenken, wurde mir bewusst, wie krass das ist, Geschichte aus der Perspektive der Sieger zu lernen.

00:06:38: Martin Ja, Perspektive aus der Geschichte der Sieger. Das muss man ja sagen machen wir jetzt gerade auch.

00:06:45: Thomas Ja, Und das hat natürlich auch seinen Sinn, weil natürlich die Europäer Afrika kolonisiert haben und natürlich einen sehr großen Einfluss auf Afrika hatten. Und von daher macht es durchaus auch Sinn, sich von dieser Seite dem Thema zu nähern. Und wir haben ja den Boniface, der das ein bisschen einordnen kann. Und wir können natürlich auch am Schluss auch mal ein bisschen die Perspektive versuchen zu wechseln.

00:07:11: Martin Dann fangen wir aber mal mit Livingston an. Wer war denn dieser Mensch? Es war ein Missionar, so viel weiß man über ihn.

00:07:19: Thomas Genau. Er stammt aus einer ganz armen Arbeiter- und Krämer-Familie in Glasgow. Er war aber sehr ehrgeizig und hat dann tatsächlich nach 12 Stunden Schichten an der Baumwoll-Spinn-Maschine ist er noch zur Abendschule gegangen. Das war damals, glaube ich, so die einzige Chance für arme Menschen, einen Aufstieg hinzulegen - gegenüber die Kirche, in dem Fall die anglikanische Kirche. Er hat da erst mal Theologie studiert und ist dann mit Ende zwanzig wie viele andere auch als Missionar nach Südafrika erst mal geschickt worden.

00:07:48: Marko Geschickt worden oder wollte er da unbedingt hin?

00:07:50: Thomas Ich denke, er wollte da hin. Das war sicher auch eine Möglichkeit, Karriere zu machen. Aber es war auch natürlich... DIe Kirche hat sehr viele Missionare hingeschickt in die englischen Kolonien in dem Fall.

00:08:00: Marko Ich stell mir das sehr, sehr abenteuerlich vor im 19. Jahrhundert, da geht man auf einen Kontinent, der ist für Europäer noch nahezu unbekannt. Man geht in eine Welt hinein, die einem völlig unbekannt ist, mit lauter Tieren, die man alle nicht kennt, mit Menschen, die nach ganz anderen Regeln miteinander leben. Wie hat er das empfunden?

00:08:22: Thomas Also erst mal als Missionar. Ich glaube, er war von Anfang an fasziniert von Afrika, das kann man wohl sagen. Das Innere Afrikas war eigentlich der letzte Winkel der Erde, der noch nicht wirklich erschlossen war.Um 1850 kann man sagen, in der Zeit, als er da hingegangen ist, war das noch nicht erschlossen. Von daher war das natürlich sehr spannend.

00:08:39: Marko Der schwarze Kontinent wirklich, weil er auf der Landkarte, na sagt man, eigentlich weiß, aber schwarz war, weil man nicht wusste, was da kommt.

00:08:47: Thomas Genau das Innere Afrikas war der einzige Teil der Erde, der noch nicht kartiert war quasi. Jedenfalls ist er als Missionar dann in einer Missionsstation in Südafrika, im heutigen Südafrika eingesetzt gewesen und hat eben versucht, die Menschen, die da leben, zu bekehren.

00:09:04: Martin Wie ist das gelaufen?

00:09:06: Thomas Glaube ich nicht so gut. Er war zwar durchaus anerkannt von den Einheimischen, weil er sich wirklich Mühe gegeben hat und auch sehr interessiert war im Vergleich zu vielen anderen wohl. Aber trotzdem ist er da schnell an seine Grenzen gestoßen. Da gibt es ein Zitat von ihm. Was das ganz schön beschreibt.

00:09:22: Marko Soll der Martin mal wieder lesen.

00:09:23: Martin Ich les mal.

00:09:25: Marko Du bist bist jetzt Livingston.

00:09:26: Martin Das ist jetzt Livingston, der da schreibt. Bei meinem Gottesdienst, wenn alles nieder kniete, begann die ganze Gesellschaft zu kichern und so wie sie Amen hörten, brachen sie in lautes Gelächter aus. Der Besuch der Schule und Kirche verminderte sich auf sehr wenige. Es war eine schmerzliche Erfahrung, nach all dem, was wir getan hatten, unsere Arbeiten so wenig gewürdigt und anerkannt zu sehen. Ja, das klingt ziemlich frustriert.

00:09:57: Marko Was meinte der mit allem, was wir getan haben? Hatte da irgendwie Aufbauarbeit geleistet, oder?

00:10:01: Thomas Ja, er bringt ja die westliche Kultur und natürlich auch die christliche Religion nach Afrika. Und das ist natürlich in seiner Sicht eine Aufbauarbeit. Ist ja klar. Er merkt aber bald, dass seine Berichte aus Afrika in England sehr gut ankommen. Er hat viel geschrieben und hat das dann auch nach Hause geschickt und irgendwann auch angefangen darüber Bücher zu schreiben, wegen der schon erwähnten Neugier über diesen schwarzen Kontinent. Ja, Boniface Mabanza, er hat ja auch in der Schule über ihn gelernt. Aber er hat sich eben auch natürlich mit der Geschichte auseinandergesetzt, was da wirklich gelaufen ist und zum Beispiel auch darüber, wie sich Livingston dann da weiterentwickelt hat vor Ort.

00:10:39: Boniface Mabanza Man erfährt aus den Quellen, dass er im Laufe seines Lebens auf dem Kontinent dieser ursprüngliche Vision Missionierung, aber auch Zivilisierung ein bisschen hinter sich gelassen hatte. Livingston war sehr fasziniert von der Entdecker-Lust. Er wollte Neues sehen und er wollte vor allem der Erste sein, der bestimmte Ziele, die in der europäischen Faszination für Afrika eine große Rolle spielten, damals, der das entdeckt. Zum Beispiel, wo ist die Quelle des Nils? Oder ist der Sambesi befahrbar? Kann man den afrikanischen Kontinent überqueren, vom Westen zum Osten? All diese Fragen haben ihn getrieben, dass er aus der Aufgabe als Missionar herausgetreten ist, um sich diesen Fragen zu widmen.

00:11:38: Marko Der will plötzlich Entdecker sein, dieser Livingston.

00:11:42: Thomas Das war damals ein Beruf, sagen wir mal, der sehr in war. Das war sehr attraktiv. Es ging wirklich darum, in den Zeitungen auch diese entscheidenden geographischen Fragen in Afrika zu klären. Und wer da vorne war, der hatte schon einen sehr guten Ruf oder war populär in Europa.

00:12:01: Marko Ein bisschen heldenhaft auch wahrscheinlich.

00:12:03: Thomas Genau das ist so eine Art Heldenrolle. Er hat dann natürlich auch Abenteuer erlebt. Es gibt eine Stelle, wo er von einem Löwen angefallen wird. Das ist wohl auch verbürgt, dass das tatsächlich passiert ist und dass einer der Helfer dann den Löwen gerade noch rechtzeitig erschossen hat. Es gibt dann Buschmänner aus dem Volk der San im heutigen Botswana, die ihn dann gesund gepflegt haben tatsächlich. Also es gibt solche Geschichten. Er hat die bestimmt ausgeschmückt, aber e war auch ein abenteuerlicher Weg, den er da gegangen ist.

00:12:31: Martin Wurde so was dann in Europa, wie wurde das rezipiert, ist über so etwas in Zeitungen berichtet worden? Bücher? Wie muss man sich das vorstellen?

00:12:38: Thomas Seine Bücher waren Bestseller. Es gab natürlich viele Zeitungsartikel, aber vor allem waren seine Bücher dann auch wirkliche Bestseller. Also für damalige Verhältnisse in hohen Auflagen, natürlich vor allem englischsprachig. Aber auch in Deutschland war er, glaube ich, da eine relativ bekannte Figur. Zu der Zeit schon. Und was dazu kam ist eben, er hat gutes Kartenmaterial geliefert. Er war auch durchaus ein brauchbarer Kartograph auf seinen Reisen. Das ist ja auch nicht jeder Entdecker so gewesen. Und - was vielleicht am wichtigsten war - er hat auch ein sehr positives Image darüber bekommen, dass er sich gegen die Sklaverei gewandt hat. Also im 19. Jahrhundert war es in Europa, vor allem in England, aber auch in anderen Ländern wurde die Sklaverei langsam unpopulär und wurde langsam als menschenverachtend eingestuft, was über 400 Jahre ja eben nicht so war. Und er hat sich eben gegen die Sklaverei eingesetzt. Bei den meisten Ländern Europas war um die Zeit schon verboten, in anderen wurde gerade noch darum gestritten. Aber es war sozusagen am Ende der Sklaverei-Zeit und er war eben dagegen und hat vor allem gegen die arabischen Sklavenhändler, die es weiter gab und die auch weiterhin Menschen gefangen haben in Afrika und verkauft haben, hatte er mobil gemacht, hat immer wieder beschrieben, was sie in Afrika tun und dadurch ist er auch zu so einer Art Volksheld in England und auch darüber hinaus geworden. Eben weil er der Gute war, der nicht nur den Afrikanern Religionen und Zivilisation bringt, sondern auch noch der Befreier ist.

00:14:04: Marko Aber er hatte der Interesse auch daran, wie die Menschen dort eigentlich leben?Oder wollte er nur seine europäische Vorstellung da in Afrika umsetzen? Die sollten jetzt also alle gute Christen werden. Und was war er für einer?

00:14:19: Thomas Also er hat sich schon ernsthaft für Afrika interessiert, im Gegensatz zu manch anderen Entdeckern und Kolonisatoren später. Das schon, aber er hat trotzdem immer aus einer paternalistischen Haltung heraus ist er auf die Menschen zugegangen. Er fühlte sich schon moralisch überlegen und da gibt es auch ein ganz schönes Zitat dazu, wo er das mal so in einem Satz zusammenfasst

00:14:42: Martin Das werde ich jetzt wieder. Ich bin wieder Livingstone.

00:14:44: Marko Du bist wieder LIvingstone.

00:14:44: Martin Ich bin weder Livingston. Wir Briten haben die göttliche Mission, die niederen Mitglieder der menschlichen Familie zu heben.

00:14:54: Boniface Mabanza Die Idee der Entdeckung - und deswegen ist der Begriff so problematisch - suggeriert ja, dass man in einen Raum hineinbricht und etwas irgendwie findet, was irgendwie nicht existierte. Deswegen die Notwendigkeit, von hier aus dahin zu gehen und Strukturen der Wirtschaft, der Politik hineinzutragen. Insofern war eine Figur wie Livingston die perfekte Projektionsfläche für diese Ideen der Übertragung der Zivilisation in andere Räume

00:15:35: Martin Also die Idee war da leben eben Wilde. Und wir bringen die Zivilisation zu denen - also ganz einfach, ganz schlicht möchte man sagen

00:15:44: Thomas Ja, paternalistisch kann man das in einem Adjektiv zusammenfassen.

00:15:47: Marko Dann kommt da so ein Mitteleuropäer, so ein Weißer dahin. Wie haben denn die Menschen, die dort gelebt haben, auf denen geguckt?

00:15:57: Thomas Also der war natürlich auch eine Sensation und der war natürlich auch sehr interessant, auf jeden Fall, wenn er jetzt neu irgendwo ankam. Also das gab schon auch einen großen Auflauf. Es gibt so diese Stiche, wo er dann in dem Kreis der Schwarzen steht und so auch eine Ausstrahlung hat von: Ich bin hier das Besondere. Das hat er, glaube ich schon, genossen, würde ich sagen.

00:16:20: Martin Er war ja wahrscheinlich auch nicht alleine unterwegs. Also so was ich so in Erinnerung habe aus den Berichten, da ist da nicht einer allein auf dem Esel oder Pferd unterwegs, sondern da sind ganze Trosse mit Dutzenden von Leuten, die da unterwegs waren und Trägern und Führern und so weiter und so fort.

00:16:38: Thomas Das war unterschiedlich. Also sagen wir bei Livingston war es durchaus so, dass er eher in kleinerer Gruppe gereist ist und mit nicht so vielen. Oft hatte er auch vertraute afrikanische Menschen, die mit ihm dann über längere Distanzen und längere Zeit auch unterwegs waren. Und er war darauf angewiesen, irgendwo auch empfangen und bewirtet zu werden. Das war eine ganz andere Reiseart als nachher bei Stanley, zu dem wir ja noch kommen. Also da gab es sehr unterschiedliche Arten

00:17:03: Marko Also durchaus bescheiden.

00:17:05: Thomas Durchaus bescheiden, also jedenfalls aus der späteren Zeit weiß man das, dass er mit drei, vier afrikanischen Begleitern unterwegs war.

00:17:12: Marko Was macht er da für Reisen? Er kommt ja dann in der Tat auch an die Stelle, wo wir heute begonnen haben, nämlich die Victoria Fälle. Was treibt ihn dahin? Einfach so? Oder wollte er da irgendwas Besonderes?

00:17:24: Thomas Ja, eben. Er wollte natürlich der Erste sein. Man hatte schon gehört, da müssen irgendwelche spektakulären Wasserfälle sein, wo es eben auch Legenden der Afrikaner gab. Das hatte man alles schon gehört. Und er wollte natürlich auch der erste sein, der das sieht. Es gab da diesen großen Fluss, in dem Fall den Sambesi. Da war es interessant. Man kannte natürlich die Mündung und vielleicht ein Teil des Unterlaufes. Es kannte man und die Frage war Wo fließt er weiterhin? Ist der schiffb kannte man. Und so weiter, solche Sachen waren natürlich spannend, deswegen ist er da eben auch in diese Regionen und dann auch weiter immer nach Norden Richtung zu diesen großen Seen. Die ganz große, spannende Frage war: Wo sind die Quellen des Nils? Das wusste man, dass er im Inneren von Afrika irgendwo entspringen musste und man hatte auch schon gehört, dass es da große Seen gibt im Inneren Afrikas, den Viktoria See und Tanganjika See und so weiter, was man heute kennt und da war die Frage: Entspringt der in diesen Seen oder noch wo anders. Und wie hängen diese Seen zusammen? Und all die Sachen. Das war eben die große Frage und das Wettrennen um die Frage Wer findet die zuerst.

00:18:29: Martin In die Richtung ist er dann aufgebrochen? Und was passierte dann?

00:18:32: Thomas 1866 ist er eben wieder auf eine lange Entdeckungsreise gegangen, noch aus dem Süden her, und ist dann eben in dieses Gebiet der Großen Seen gekommen. Aber man hat dann eben vier Jahre gar nichts mehr von ihm gehört. Und das war dann natürlich schon auch für Europa die Frage: Wo ist er denn jetzt und lebt er noch? Ist er umgebracht worden? Ist er irgendwo an der Krankheit gestorben? Das hat man schon alles durchaus vermutet oder jedenfalls für sehr gut möglich gehalten. Und vier Jahre ist natürlich auch in Afrika eine sehr lange Zeit.

00:19:03: Martin Der war einfach weg - keine Nachricht, kein gar nichts.

00:19:06: Thomas Keine Nachricht. Und das war ja auch ganz klar, weil er vermutlich in der Zeit auch der einzige Weiße im Umkreis von vielen tausend Quadratkilometern war in der Zeit.

00:19:18: Marko Livingstone verschollen. Wo ist er? Man fragt sich das mittlerweile.

00:19:21: Thomas Ja, halb Europa fragt sich das und das gibt dann sozusagen ein geflügeltes Wort. Das nennt sich: What about Livingston? Diese Frage wird immer wieder gestellt, in Zeitungen zum Beispiel. Und die hat sich so eingebrannt damals, dass die noch Spuren bis heute und in die Popkultur gezogen hat. Dieser Satz...

00:19:43: Abba singt What about Livingstone...

00:19:43: Thomas Ja, man glaubt es kaum, aber das ist tatsächlich ABBA. Auch die haben einen Song gemacht, der heißt "What about Livingston" in den 70er Jahren, und das war so ein bisschen, was deren Spuren eigentlich...

00:19:59: Marko 100 Jahre später...

00:20:01: Thomas ...in der Popkultur sogar hinterlassen.

00:20:02: Martin Also das war ein geflügeltes Wort, einfach etwas, was so lange überlebt hat.

00:20:05: Thomas Genau so.

00:20:06: Marko Und das haben sich dann die Zeitgenossen 100 Jahre vor ABBA gefragt. Wir sind so um 1870.

00:20:12: Thomas Richtig. Genau das war ziemlich genau hundert Jahre vor ABBA. Und es gab dann einen Menschen, der losgeschickt wurde, diese Frage dann wirklich mal aufzuklären.

00:20:22: Thomas Der wurde wirklich geschickt,

00:20:24: Thomas Der wurde geschickt. Wer war das? Das war Henry Morton Stanley, auch ein Mensch, der in Großbritannien geboren wurde, 1840 in Wales, also einige Jahre jünger als Livingstone, und der auch eine harte Kindheit hatte, in eine Art Heim, Arbeitshaus aufgewachsen ist, aber eben auch sehr ehrgeizig war und dann schon mit 17 in die USA ist, mit einem Schiff, und dort erst mal als Soldat im Bürgerkrieg gekämpft hat und dann Abenteurer geworden ist. Tatsächlich auch zu den Entdeckern des amerikanischen Wilden Westens gehört...

00:20:57: Martin Berufs-Bezeichnung Abenteurer.

00:20:57: Thomas Und was hat er dann gemacht, als die Abenteuer ihm anscheinend ausgingen? Er ist Journalist geworden und hat Karriere gemacht beim New York Herald. Das war damals die führende Boulevardzeitung oder eine der führenden Boulevardzeitungen in New York. Und da gab es einen Verleger mit Namen Bennett, der eben auch - Livingston war auch in Amerika inzwischen längst ein großer Name.

00:21:20: Marko Die haben auch gefragt: What about Livingstone?

00:21:22: Thomas What about Livingstone? haben die gefragt und der hat dann die geniale Idee gehabt: So, ich rüste jetzt einfach mal eine Karawane aus. Ich lasse mir das Geld kosten und schicke hier meinen besten Reporter los und der soll den gefälligst mal finden. Und wenn wir den finden, dann haben wir die Story. Das war so eitn bichen der Hintergrund.

00:21:39: Marko Okay, jetzt wird dieser Stanley geschickt. Im Prinzip von der Vita her, ist so ein bisschen ähnlich wie Livingston selbst. Der kommt ja auch aus einfachen Verhältnissen.

00:21:46: Thomas Ja, es gibt da ein Zitat von ihm, was vielleicht seine Haltung ganz gut in einem Satz zusammenfasst

00:21:51: Marko Bist du das wieder, Martin?

00:21:53: Martin Ja, dann mache ich jetzt auch den Stanley, wo ich gerade Livingston war. Also Herr Stanley gibt zu Protokoll: Der Wilde respektiert nur Gewalt, Macht, Kühnheit und Entschlossenheit. Ja, klare Haltung.

00:22:07: Thomas Ja, also er stellt ganz anders als Livingston eine riesen Expedition zusammen. Er hat dann wirklich, das waren etwa 140 Träger, die er dann da anmietet quasi. Er zieht dann los, über ungefähr 1000 Kilometer- vorneweg immer die amerikanische Flagge. Die sind auch schon ausgerüstet mit modernen Gewehren, also gut bewaffnet. Aber auch die Nilpferd-Peitsche ist immer dabei. Und von Anfang an ist eben diese rassistische Haltung dabei, wer da rebellierte, da gibt es durchaus auch Berichte darüber, dass er da seine Leute sehr schlecht behandelt hatte, der wurde dann auch schon mal ausgepeitscht oder auch von ihm persönlich teilweise sogar erschossen. Also das war schon ein ja ein Regiment, was sehr menschenverachtend war, auch schon unterwegs, aber er hat sich da offenbar so viel Respekt verschafft, dass niemand wirklich da gemeutert hat.

00:22:59: Marko Wie muss ich mir das vorstellen? Kommt der mit unendlich viel Geld und zahlt die Menschen oder wie macht er das?

00:23:06: Thomas Er hatte auf jeden Fall, ich weiß nicht, ob das schon Geld war, er hatte auf jeden Fall Dinge, die für die Leute attraktiv waren vor Ort. Also das heißt, es werden dann Waren gewesen sein aus Europa, die für die Menschen da vor Ort sehr attraktiv waren. Und sie haben dann auch gesagt: Okay, dann gehe ich halt mit dir los. Denen war ja, glaube ich, auch nicht klar, wie lange das dauert und auf was sie sich da einlassen. Ich denke mal, das werden sie nicht sich nicht haben vorstellen können.

00:23:34: Martin Also Stanley zieht jetzt los mit diesem Tross. 140 Mann, US-Flagge im Gepäck, die Nilpferd Peitsche, und ist auf der Suche nach Livingstone.

00:23:46: Thomas Ja, also das war ein langer Marsch. Ich glaube, die waren über ein Jahr unterwegs. Und es gibt da auch zwischen der Küste und diesem sehr fruchtbaren Seegebiet wirklich auch eine sehr unwirtliche Gegend, durch diese da mussten, also bestimmt an die 1000 Kilometer fast, die auch sehr entbehrungsreich waren. Und es gab aber wohl dann eben auch Gerüchte und vor allem die, sagen wir mal, die Nachrichten-Überbringer in der Zeit waren offenbar vor allem arabische Sklavenhändler, die auch unterwegs waren und die dann auch immer wieder Nachrichten transportiert haben. Und die werden auch da wohl einen Tipp bekommen haben von Sklavenhändlern da in der und der Gegend, da muss doch dieser Weiße sein. Oder da haben wir was gehört. Und dann hatten sie irgendwann eine Richtung und es verdichtete sich dann immer mehr, dass diese andere Weiße da irgendwo sein musste.

00:24:36: Thomas Dann, das nicht ganz klar - entweder am 28. Oktober oder am 10. November, das ist umstritten in der Geschichtsforschung 1871, das ist jedenfalls klar, kommt es dann zu diesem Treffen in Ujiji, das ist ein Ort am Tanganjika See, im heutigen Tansania, am Ufer dieses Sees. Und da kommt es dann zu diesem Treffen. Also Stanley marschierte ein mit seinen über 100 Mann und stößt da auf einen anderen Weißen, der da offenbar schon länger lebt und von den Einheimischen schon akzeptiert ist.

00:25:09: Marko Und dann kommt es wieder zu einem bekannten Satz, der auch immer wieder gerne zitiert wird.

00:25:14: Thomas Richtig, auch den hat sich offenbar Stanley lange vorbereitet,

00:25:19: Martin der da lautet: Dr. Livingstone I presume. Also Dr. Livingston, nehme ich wohl an.

00:25:27: Thomas Genau - und das ist das andere geflügelte Wort in diesem Zusammenhang. Neben "What about Livingstone" ist dieser Satz von Stanley, der weltberühmt geworden ist und Geschichte geschrieben hat, der war eben, wie gesagt, wahrscheinlich vorbereitet und sollte eben cool sein. Und der hat dann auch in seinen Artikeln natürlich die entscheidende Rolle gespielt. Dieser Satz, das war bestimmt auch in vielen Artikeln, die dann erschienen sind über dieses Treffen die Überschrift.

00:25:51: Marko Was soll das ausdrücken? Das ist so dieses distinguierte: Guck mal hier, jetzt sind wir Mitteleuropäer in der Wildnis...

00:25:57: Thomas ...und wir behalten trotzdem unsere Manieren und unsere Zivilisation. Er wusste natürlich genau, es konnte nur Livingstone sein. Aber er spricht natürlich trotzdem diesen Satz.

00:26:07: Thomas Ja, es hat auch was Lächerliches heutzutage, wenn man drauf guckt, oder? Klar.

00:26:11: Martin Na ja, aber das ist natürlich dieses Understatement, dieses typisch britische Understatement. Wir haben hier irgendwie alle Mühen auf uns genommen und sind hier mitten in der Wildnis und allen Beschwernisse entgegen gestellt. Und haben hier dann trotzdem eben diesen quasi unterkühlten Satz, den man dann ausspricht. Aber dieser Satz hat nehme ich doch an wahrscheinlich nicht sofort seinen Weg wieder zurück nach Europa gefunden, denn die mussten da ja erst mal wieder raus.

00:26:36: Thomas Ja, es war auch so, dass sie erst mal da geblieben sind noch eine Weile, also ein paar Monate sind sie noch zusammen auf Entdeckungstour gegangen, obwohl sie sehr unterschiedliche Haltungen hatten zu Afrika scheinen sie sich offenbar jedenfalls so gut verstanden zu haben, es gibt ja dann nur die Berichte von Stanley darüber, dass sie zusammen noch auf Entdeckungsreise gegangen sind mit dem Boot auf diesen Seen und haben versucht, eben da auch noch mal die Quelle des Nils zu finden. Sind da jetzt auch nicht fündig geworden, aber waren eben noch eine Reihe - also vier Monate etwa noch zusammen unterwegs. Und dann will Stanley aber dann natürlich nach Hause, um seine Sensation jetzt auch endlich anbringen zu können. Er hat genug an Material gesammelt. Er will auch Livingstone überreden mit ihm zu gehen, aber der sagt: Nein, ich will hier bleiben und meine Mission fortsetzen. Und zum Beispiel die Nil-Quellen sind noch nicht gefunden. Ich habe hier noch zu tun. Vielleicht hatte er sich inzwischen auch so an dieses Leben gewöhnt, dass er gar nicht mehr zurück wollte, weiß man nicht. Auf jeden Fall...

00:27:30: Marko Vielleicht wollte er gar nicht gefunden werden, schon im Vorfeld. War er da ganz zufrieden. Ich weiß es nicht.

00:27:36: Thomas Das weiß man nicht. Also man weiß, dass Livingstone Stanley wohl recht freundlich oder auch auch erfreut begrüßt hat und diesen Kontakt zurück in die Heimat wohl schon auch geschätzt hat. Er hat ihn mit Informationen versorgt und so weiter. Also er war jetzt nicht so, dass er sich da vor dem verstecken wollte oder so.

00:27:53: Marko Nein, aber es war auch jetzt nicht die große Befreiung unter dem Motto: Da kommt der Stanley und holt mich hier raus.

00:27:57: Thomas Nein, nein, so war das nicht, sondern es war einfach so. Ich vermute mal, dass das auch für Livingstone natürlich noch mal das Zeichen war: Er ist nicht vergessen. Er ist immer noch weltberühmt und das wird ihn auch bestärkt haben in seinen Entdeckungsreisen.

00:28:12: Martin Also Livingstone entscheidet sich: Ich bleib hier noch. Und Stanley geht zurück.

00:28:18: Thomas Richtig. Und dann liefert er eben die große Medien Sensation, die er liefern sollte. Und man kann auch sagen, das war so der Moment, in dem vielleicht dieses Afrika wirklich in den Fokus der damaligen Weltöffentlichkeit gerückt ist, weil es dann klar war: Ach so, oder ja, man kann Afrika tatsächlich sozusagen kontrollieren und beherrschen. Wenn es möglich ist, einen Verschwundenen nach vier Jahren wieder zu finden, dann muss Afrika irgendwie auch nicht so undurchdringlich und so gefährlich sein, dass das nicht möglich ist. Und das hat auch noch mal durchaus dazu beigetragen, auch weil es natürlich so ein Medien- Sensation war, den Blick auf Afrika zu richten und auch ein bisschen den Blick darauf zu richten: Wenn das so ist, dann wird es ja auch mal Zeit, dass wir Europäer in dem Fall diesen Kontinent mal näher in Augenschein nehmen und auch für uns in Besitz nehmen.

00:29:14: Martin So eine Art Startsignal, das da gegeben worden ist.

00:29:15: Thomas Genau da hat ja auch, um was es da eigentlich ging und was da passiert ist bei diesem Treffen symbolisch, dazu sollten wir auch wieder Boniface Mabanza hören, denke ich.

00:29:25: Boniface Mabanza Für Afrika bedeutet dieses Treffen zwischen Livingston und Stanley, dass ein Übergang stattfindet zwischen einer eher Entdecker-Phase, die sich darauf beschränkt zu kartographieren. Was gibt es hier zu beschreiben? Zu einer Phase, die beginnt schon zu kalkulieren, wie das, was da beschrieben wurde, gesehen wurde, nutzbar gemacht werden kann und gemacht werden muss für Europa. Insofern ist das für Afrika schon ein einschneidendes Ereignis, weil sozusagen zwei Phasen der Entdeckung und des Kolonialismus eine Verbindung finden, die Livingstones haben den Weg geebnet für die Stanleys und das koloniale Projekt setzt genau da an und erschließt sozusagen das Potenzial, was die Livingstones beschrieben haben.

00:30:26: Martin Also wir haben im Prinzip zwei Phasen und da wird die eine Phase durch die andere abgelöst. Also die Stanleys lösen die Livingstones ab, die jetzt eben da mit macht reinkommen und den Kontinent nicht nur entdecken für die Europäer sondern wirklich in Besitz nehmen.

00:30:42: Thomas Und Stanley ist quasi das Beispiel auch für diese Art von Eroberer. Er ist natürlich jetzt auch zum Superstar aufgestiegen durch diesen Erfolg, durch diesen Coup und geht jetzt immer wieder auf Afrika-Expeditionen, er hat jetzt da auch kein Problem mehr, da Finanziers zu finden. Er ist der erste, der auf einer zweiten, längeren Expedition in der Mitte Afrikas von Osten, also von Tansania oder Kenia bis zum Westen bis zur Kongo Mündung durchquert. Sehr abenteuerlich, auch eine sehr brutale Expedition, die er da gemacht hat. Und damit fällt er dann dem belgischen König Leopold II. auf, der ihn dann jetzt mit einer dritten Expedition betraut. Und da geht es dann wirklich darum, dieses gesamte Kongo-Gebiet, das riesige Kongo-Becken, also ein riesiges Regenwald- Gebiet, sehr fruchtbar für Leopold in Besitz zu nehmen. Das ist heute ungefähr die Demokratische Republik Kongo und auch noch ein paar Gebiete drumherum. Und das tut Stanley dann eben auch. Er macht das zum Teil auch wieder mit Gewalt. Er hat auch da wieder eine kleine Privatarmee dabei, aber auch zum Teil mit List, indem er den einheimischen Chiefs quasi ihr Land für irgendwelche Glasperlen und Ähnliches abkauft. Und auch sie letztlich im Unklaren darüber lässt, was in diesen Verträgen dann da so drinsteht. Zum Beispiel ist denen auch überhaupt nicht klar, dass sie nicht nur das Land quasi verkaufen, sondern eben auch die Arbeitskraft ihrer Menschen damit. Das ist dann quasi rechtlich damit abgesichert. Und damit beginnt eigentlich so das dunkelste Kapitel der Kolonialgeschichte, die ja sowieso schon dunkel ist. Aber das wird dann wirklich die ja die schlimmste Phase, eine echte Schreckensherrschaft.

00:32:23: Marko Es beginnt die Ausbeutung Afrikas. Was gibt es da, was die Europäer besonders interessiert?

00:32:31: Thomas Ja, da kann auch wieder Boniface Mobanza was zu erzählen.

00:32:34: Boniface Mabanza Der Kongo ist ein sehr gutes Beispiel für das koloniale Denken und für die Ausrichtung Afrikas auf die Interessen europäischer Nutznießer. In Europa findet die Industrialisierung statt und die Automobilindustrie entwickelt sich. Man braucht Kautschuk und der Kongo wird entdeckt als Raum, wo die Produktion stattfindet. Und dieser Produktion findet statt unter den schwersten Menschenrechtsverletzungen, die man sich vorstellen kann.

00:33:09: Thomas Also das sah dann eben so aus, dass die Menschen da vor Ort eben eine bestimmte Menge Kautschuk abliefern mussten für Autoreifen vor allem. Und wenn sie das nicht taten, wurde ihnen zum Teil die Hände abgehackt, die Füße. Es gibt da ganz schreckliche Fotos, die auch bekannter geworden sind. Zum Beispiel, die wurden auch, viele wurden umgebracht, um die anderen in Angst und Schrecken zu versetzen. Und dieses System hat leider sehr gut funktioniert. Es gab wirklich Opferzahlen, ungefähr 50 prozent der Menschen im Kongo Becken sind in diesen 20 Jahren, die folgten, auf diese Inbesitznahme umgekommen. Man spricht also von acht bis zehn Millionen Menschen, die innerhalb einer Generation getötet wurden. Und ja, politisch oder wirtschaftlich bedeutete das, dass der Rest an Wirtschafts- und Sozialstrukturen, die es ja vorher in Afrika gab und die auch über viele Jahrhunderte vorher funktioniert hatten, also diese Wirtschafts- und Sozialstrukturen, die waren ja schon durch die Sklaverei stark geschwächt, sind dann aber endgültig zusammengebrochen. Also auch dieser innerafrikanische Handel, denen es vorgegeben hat. Und all diese Dinge sind komplett zusammengebrochen durch dieses Terrorregime. Und das war auch natürlich eine ganz zentrale Region in Afrika, quasi die Region in der Mitte und eine sehr große Region, die auch ökonomisch eine große Bedeutung hat.

00:34:29: Martin Dieser König Leopold gilt ja sozusagen als der Schlächter des Kongos. Ich glaube, er hatte damals auch schon einen entsprechenden Ruf. Aber das heißt ja, der ausführende Arm, das war Stanley.

00:34:43: Thomas Sagen wir, er war der, der das installiert hat. Der war dann nicht mehr der Statthalter vor Ort, der ist jetzt nicht 20 Jahre dort geblieben, sondern ist auch wieder weiter noch gereist. Aber er hat das quasi für ihn in Besitz genommen und dann kamen halt einzelne belgische Kolonialtruppen, die sich dann ihre Hilfstruppen vor Ort zusammengesucht haben. Und dann haben im Grunde diese Hilfstruppen vor Ort dieses Schreckensregime ausgeführt unter der Führung von belgischen Abenteurern, zum Teil auch belgischen Militärs.

00:35:13: Martin Also wir haben zwei Generationen. Das eine ist die Generation Livingston, die Missionare, die nach Afrika gegangen sind, um den Menschen die christlichen Werte und die westliche Zivilisation zu bringen. Und die werden jetzt abgelöst durch letztendlich Ausbeuter.

00:35:30: Thomas Ja, und sagen wir auch die Ideologie wird eine andere. Die Ideologie bis dahin war vielleicht die christliche Missionierung und wir bringen die Kultur und die Zivilisation. Und jetzt geht es um...

00:35:41: Marko Zum Wohle auch der Menschen. Das war die Idee...

00:35:42: Thomas Das war die Idee oder sagen wir die Rechtfertigung. Jetzt geht es doch über, das hat auch was zu tun mit der Phase des Frühkapitalismus, in eine Phase des doch mehr oder weniger offenen Sozialdarwinismus. Also der Kolonialismus braucht eigentlich gar nicht mehr diese zivilisatorische Rechtfertigung so wirklich, sondern im Grunde ist es ja dann auch diese Position: Wir sind die Überlegenen, auch rassisch Überlegenen und wir haben das Recht, diesen Kontinent zu unterwerfen. Und wir haben auch das Recht, uns die Rohstoffe da zu holen und die Arbeitskraft zu nutzen. Und es wird immer weniger durch diese Ideologie der Hilfe und des Zivilisations-Transfers oder so was noch bemäntelt, würde ich sagen.

00:36:25: Marko Und genau das passiert jetzt ja auch in den Folgejahren. Afrika wird zerteilt auf eine relativ willkürliche Art und Weise.

00:36:33: Thomas Genau das war die sogenannte Berliner Konferenz.

00:36:36: Boniface Mabanza Die Berliner Konferenz wurde einberufen unter der Federführung von Bismarck, um die Konflikte rund um Handelsrouten im Kongo-Becken zu lösen. Aber das Hauptergebnis dieser Konferenz ist, das Afrika zwischen den Kolonialmächten aufgeteilt wird und die willkürlichen Grenzziehungen, viele sprechen auch von Berlinisierung des afrikanischen Kontinents, dieser Berlinisierung prägt den afrikanischen Kontinent heute noch.

00:37:08: Marko Berlinisierung - nach der deutschen Hauptstadt benannt. So ist es? So wird es auch in Afrika heute noch genannt?

00:37:16: Thomas Auf jeden Fall ist es ein Begriff. Ich weiß nicht, ob der jetzt im Sprachgebrauch bekannt ist, aber als wissenschaftlicher Begriff ist er wohl durchaus gängig.

00:37:25: Marko Es ist im Prinzip das, was wir auch heute noch sehen können, wenn wir uns eine politische Karte Afrikas angucken mit diesen elendig langen, geraden Grenzen, die sich an keiner Topografie orientieren, sondern die eigentlich einfach nur ein rausgeschnitten Stückchen Kuchen Afrika sind.

00:37:41: Thomas Genau, so war das. Es war auch so ein bisschen wie: Wir teilen uns den Kuchen auf. Das hat durchaus auch dieses Bild bedient. Und was heute ja hierzulande auch gar nicht mehr so richtig präsent ist, ist, dass Deutschland da durchaus auch eine wichtige Rolle spielt. Die Deutschen kamen zwar relativ spät, das ist richtig, aber sie bekommen dann doch noch relativ große Stücke vom Kuchen, also eben Deutsch-Südwestafrika, wie das damals hieß, das heutige Namibia und vor allem Deutsch-Ostafrika. Das war ein sehr großes Gebiet, auch ein sehr fruchtbares Gebiet, zum Teil mit eben auch heutiges Tansania unter anderem und auch mit eben diesem Ort Ujiji, in dem dieses historische Treffen stattgefunden hat. Und dann auch noch Togo, also ein Stückchen, ein kleines Stück von Westafrika. Und es war auch durchaus so, dass die Deutschen entgegen der Vorurteile, die sich sehr lange hierzulande gehalten haben, eben nicht etwa die besseren und menschenfreundlichen Kolonisatoren waren als die Engländer, Franzosen oder Belgier, sondern dass da eigentlich dieselbe Art der Ausbeutung und dieselbe Art von Rassismus auch herrschte. Also es gibt zum Beispiel gerade in Ostafrika eine Art deutschen Stanley, der hieß Karl Peters. Nach dem war noch bis in die 80er Jahre hier auch in Köln noch eine Straße benannt und auch in vielen anderen Städten in Deutschland. Und dieser Völkermord, Genozid an den Herero und Nama in Namibia, also Deutsch-Südwest, der ist heute ein bisschen bekannter. Also solche Verbrechen hat es eben genauso auch in der deutschen Kolonialzeit gegeben und vielleicht noch als letzten Bezug zu Deutschland: Man kann auch sagen, als dann die Deutschen den Ersten Weltkrieg verloren hatten und aus Afrika zurückkamen, viele Ex-Kolonialisten in den 1920er Jahren gehen dann zu den Freikorps und werden später auch Nazis und machen auch in der Nazizeit noch Karriere. Da gibt es enge Verbindungen.

00:39:28: Marko Also wenn du so einen Bogen schlägst von der Kolonialzeit rüber zu den Nazis, dann muss man ja sagen letztendlich: Also die Ausbeutung Afrikas hörte auch 1945 nicht auf. Und wenn wir heute auf Afrika gucken, dann - ja mit welcher Brille, das muss man sich vielleicht auch mal fragen. Das ist so ein bisschen heute... Heute wissen wir ja auch, wie es denn besser gehen könnte, ne. Also wir sind so ein bisschen die Livingsones heute wieder.

00:39:55: Thomas Ja auf jeden Fall sagen wir mal diese Haltung gegenüber Afrika ist immer noch, finde ich, in vielen Bereichen eine sehr paternalistische. Heute geht es eher darum, was ist gut für Afrika in einer anderen, in einer ökonomischen Sicht. Also das ist eben eher diese Frage: Marktöffnung, Liberalisierung, Privatisierung, Deregulierung, das sind eigentlich alles ökonomische Strategien, die die westlichen Länder in den 1980er und 90er Jahren Afrika quasi aufgedrückt haben. Mit ihrer Macht über die Schuldenproblematik, mit dem Internationalen Währungsfonds, mit der Weltbank etc.. Und das ist eine Politik, unter der Afrika heute noch leidet. Vielleicht muss man dazu eben noch mal diese Verbindung schaffen: Diese Exportorientierung, die damals entstanden ist in der kolonialen Ausbeutungs-Zeit um 1900, also diese reine Exportorientierung Afrikas auf Rohstoff-Export, vielleicht noch Nahrungsmittel-Exporte nach Europa und später jetzt in die ganze Welt, die ist heute noch existent und an der hat sich wenig geändert. Die afrikanische Wirtschaft ist immer noch sehr sehr stark auf exportorientiert und auf Rohstoff Lieferung.

00:41:12: Boniface Mabanza Was vor allem zu erwähnen ist, ist, dass durch Kolonialismus Strukturen der Wirtschaft entstanden sind, durch Plantagenarbeiter, durch mineralische Minen- Aktivitäten im Bergbau Sektor, die heute noch die kolonialisierten Länder in wirtschaftlichen Abhängigkeiten halten. Sie produzieren Rohstoffe - im Agrarbereich, im Bergbau-Sektor. Sie haben keine Macht darüber, Preise zum Beispiel mit zu bestimmen. Sie sind abhängig von Preisen, die woanders fixiert werden und sie werden in dieser Rolle gehalten. Und sie werden reduziert zu Absatzmärkten für Produkte, die woanders entstehen, sodass die Ökonomien außenorientiert bleiben. Und das ist heute noch der Fall in den meisten Ländern.

00:42:10: Thomas Ja, und das geht Hand in Hand mit der Politik, dass sagen wir mal hier die Industrieländer, zu denen inzwischen, inzwischen mischen in Afrika ja durchaus auch China und teilweise auch Indien und arabische Länder mit, aber dass diese Länder eben zusammenarbeiten sehr eng mit den afrikanischen Eliten, die ja oft auch korrupte Eliten sind. Das sind die Nachfolger der damaligen Statthalter der Kolonisatoren, also unserer in Anführungsstrichen Statthalter. Und das ist eben das Problem, dass es auch da eine Interessengemeinschaft gibt zwischen diesen Eliten und diesen meist korrupten Eliten und den Industrieländern, die in Afrika investieren wollen und die eben an günstigen Rohstoffen interessiert sind.

00:42:54: Marko Gibt es da wirklich so, ich sag mal genealogische Kontinuitäten? Das heißt, sind es wirklich die Söhne, wahrscheinlich weniger die Töchter, derjenigen, die damals wirklich als Statthalter eingesetzt worden sind? Ist es so?

00:43:07: Thomas Das kann man, glaube ich, nicht generell sagen? Wird es sicher geben. Also es gibt durchaus auch dann, sagen wir mal, eine einheimische Oberschicht, die sich auch über Generationen entwickelt hat. Also für ein paar Länder, Südafrika zum Beispiel, glaube ich, ist das schon so und kann ich aber jetzt nicht generell sagen, dass das überall so ist.

00:43:23: Martin Jetzt gibt es ja, so ist das jedenfalls mein Eindruck, so eine gewisse Entwicklung zumindest in Europa, dass es so ein Bewusstsein dafür gibt. Wir reden ja auch darüber. Ist das so, dass es da ein zunehmendes Bewusstsein gibt? Und ja, wie ist das dann in den Ländern und Teilen der Erde, die du eben erwähnt hast, die jetzt da eben auch ihre Interessen versuchen durchzusetzen? Gibt es da so etwas auch?

00:43:48: Thomas Ja, zumindest gibt es jetzt keine wirkliche Wende zum Besseren bisher. Also sagen wir, diese Strukturen sind eigentlich fest etabliert. Was man sagen kann ist, dass es wachsende Zivilgesellschaften gibt in Afrika. Vielleicht kann das eine Lösung sein...

00:44:04: Boniface Mabanza Was geändert werden muss. Da sind die Macht- und Kräfteverhältnisse. Das ist das Entscheidende. Kräfte und Machtverhältnisse zu verändern, das ist eine Aufgabe, die eine Kooperation zwischen Nord und Süd verlangt, also progressive Kräfte im Norden, die daran arbeiten, dass die interventionistischen Tendenzen und Strukturen aus dem globalen Norden abgebaut werden. Und vor allem Kräfte im globalen Süden, die daran arbeiten, dass eine starke Allianz zwischen Eliten und Bevölkerung entstehen und die alle Handlungsspielräume nutzen, um die wahren Interessen der Menschen im globalen Süden zu verteidigen

00:44:48: Marko Und der Westen fördert es nicht.

00:44:50: Thomas Der Westen behauptet zwar, dass er diese Kräfte unterstützt, aber letztlich arbeitet auch er eher mit den korrupten Eliten zusammen, also den wirklichen Nachfolgern der Kolonisatoren, weil das natürlich sehr viel günstiger ist und weil die letztlich dann auch mal ganz einfach gesagt die Rohstoffe viel billiger zur Verfügung stellen als ein wirklich demokratisch regiertes Land, was auf die Bedürfnisse der Bevölkerung wirklich achten will und muss.

00:45:16: Marko Das heißt, wir sind viel mehr Stanleys als Livingstones heute.

00:45:20: Thomas Praktisch also in dem, wie wir uns geben, sind wir die Livingstone. Und wir reden ja immer von, gerade im Bereich von Afrika, unsere Politiker reden ja von Beziehungen auf Augenhöhe, das wird ja immer jetzt gerne als ein Schlüsselbegriff genommen. Aber unsere Politik ist eher Stanley, würde ich sagen.

00:45:37: Martin Was ist denn aus Livingstone geworden? Stanley ist ja dann eben zurückgegangen, als er sich getroffen hatten, und hat dann diese diversen Expeditionen noch unternommen und den Kongo unterworfen. Was ist aus Livingstone geworden?

00:45:51: Thomas Ja, Livingstone begibt sich dann wieder auf die Suche nach den Nilquellen, verirrt sich dann weiter südlich und stirbt etwa anderthalb Jahre nach diesem Treffen 1873 dann doch an Krankheiten, Malaria und Ruhr wohl, im heutigen Sambia. Und da ist dann auch tatsächlich sein Herz begraben. Der Rest seines Leichnams wurde dann mumifiziert und zwei seiner treuesten Begleiter haben diesen mumifizierten Leichnam dann tatsächlich noch über 1500 Kilometer zur Ostküste gebracht und ihnen dann einem englischen Schiff übergeben. Und diese Überreste sind dann in Westminster unter höchsten Ehren beigesetzt worden.

00:46:32: Marko Jetzt wünscht man natürlich diesem fiesen Stanley, dass er nach Möglichkeit auch ein fieses Ende genommen hat.

00:46:37: Thomas Das hat er, glaube ich, nicht. Er ist relativ alt geworden für die damalige Zeit, ist dann tatsächlich sogar wieder - er war ausgebürgert in die USA, wurde dann aber wieder durchaus in Ehren, weil er ja so viel als Entdecker erreicht hat, eingebürgert in seinem Heimatland England, was ihm auch ziemlich viel bedeutet hat. War dann sogar Unterhaus-Abgeordneter und hoch dekoriert und gegen Ende seines Lebens, vielleicht ist das eine kleine Gerechtigkeits-Wende, wurden dann diese Gräueltaten aus dem Kongo bekannt, die er am Anfang auch begangen hat oder für die er auch mitverantwortlich war. Und so ist er dann am 10. Mai 1904, als er in London starb nicht, wie er das eigentlich wünschte, auch in Westminster an der Seite Livingstones begraben worden, sondern wurde dann einfach relativ schnöde in einem letzten Wohnort Pirbright in Surrey, glaube ich, beigesetzt. Also er hat nicht ganz so de Ehren bekommen, die Livingstone bekommen hat und Livingstones Ruf ist ja auch bis heute quasi fast ungebrochen, während Stanley schon natürlich auch die dunklen Seiten eher repräsentiert, auch im öffentlichen Bewusstsein.

00:47:48: Marko Livingstone hat das ja alles gar nicht mehr mitbekommen, sozusagen. Die Folgen seiner Neugierde auf diesen Kontinent musste er nicht mehr erleben. Wie glaubst du, wird er drauf gucken?

00:48:00: Thomas Ich vermute, er würde auch heute mit der Haltung auf Afrika gucken: Wir Europäer, wir wissen immer noch, was für euch Afrikaner besser ist. Also er wäre schon immer noch ein Afrika-freundlicher, aber dennoch sehr paternalistischer Mensch.

00:48:20: Martin Also auch nichts, was wir heute unterschreiben wollen würden.

00:48:24: Thomas Ich vermute es: Klar, wenn er, sagen wir mal seine Meinung geändert hätte und zu bestimmten Einsichten gekommen wäre - aber das ist natürlich eine völlig hypothetische Frage.

00:48:34: Marko Er taugt nicht als wirkliches Vorbild, das muss man sagen. Man muss schon kritisch draufgucken.

00:48:38: Thomas Ja, das ist ganz sicher so.

00:48:40: Marko Das hat ja oftmals so den Anschein: Jetzt liegt er in Westminster, hoch geehrt. ABBA singt "What about Livingstone?" Das hat so was lustig Leichtes. Aber eigentlich ist es das nicht wirklich.

00:48:51: Thomas Nein, er war tatsächlich der Wegbereiter der Kolonisierung und der Ausbeutung Afrikas, ober er es wollte oder nicht.

00:49:03: Martin Wir sind am Ende einer weiteren Stunde der Geschichtsmacher angelangt und haben hier über ein sehr ernstes Thema gesprochen: Livingstone und Stanley, die sich da in Afrika getroffen haben. Man denkt immer Abenteuerroman, aber so war es dann eben doch nicht, wie sich herausgestellt hat.

00:49:21: Marko Und wie immer am Ende von die Geschichtsmacher gibt es was zu gewinnen. Wer uns schreibt, ob es ihm gefallen oder nicht gefallen hat, der kriegt was. Und zwar der erste, der oder die uns schreibt...

00:49:30: Martin Und das ist was. Thomas, du hast es mitgebracht. Was würden wir unseren Hörern geben?

00:49:38: Thomas Ja, das ist ein Buch, das nennt sich Imagine Africa 2060. Und weil wir jetzt die ganze Zeit über die nicht so schöne Vergangenheit gesprochen haben, macht es vielleicht Sinn, auch mal so ein bisschen über eine hoffentlich bessere Zukunft zu sprechen. Das sind afrikanische Autorinnen und Autoren, die sich Gedanken gemacht haben, wie Afrika im Jahr 2060 aussieht, also 100 Jahre nach der Unabhängigkeit. Und das ist ein Projekt von den Stimmen Afrikas. Also es gibt hier in Köln Menschen, die ein afrikanisches Literaturfestival jedes Jahr organisieren und die auch immer übers Jahr Menschen aus Afrika, also Schriftstellerinnen, Schriftsteller einladen. Und einige von denen haben sie eben gebeten, für dieses Buch eine Kurzgeschichte zu schreiben. Und dabei sind sehr, sehr unterschiedliche und sehr spannende und sehr kreative Sachen rausgekommen. Das ist eine Mischung aus positiven Utopien und negativen Dystopien und irgendwas dazwischen. Und es ist sehr spannend zu lesen, sehr fremd auf eine Art, aber eben auch sehr originell und ermöglicht mal einen ganz anderen Blick auf Afrika.

00:50:45: Marko Wir haben in die Vergangenheit geguckt, mit dem Buch gucken wir in die Zukunft. Das waren die Geschichtsmacher heute mit Thomas Pfaff,

00:50:53: Martin ...dem wir ganz herzlich danken für den Besuch.

00:50:56: Thomas Ja, es hat mir Spaß gemacht. Danke für die Einladung.

00:50:58: Martin Wir sagen Herzlichen Dank fürs Zuhören. Wenn's euch gefallen hat, dann sagt es bitte euren Freunden und Bekannten.

00:51:06: Marko Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt bitte nur uns.

00:51:11: Martin Wir bedanken uns ganz herzlich noch mal bei Thomas Pfaff und wünschen alles Gute.

00:51:15: Martin / Marko Tschüss! Tschüss! Tschüss! Tschüss. Tschüss!

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.