Das Rätsel des Geisterschiffs - Teil 2

Shownotes

1872 wird das völlig seetüchtige Schiff Mary Celeste geborgen, auf offener See im Nordatlantik, in der Nähe der Azoren - doch von der zehnköpfigen Mannschaft fehlt jede Spur! Wurde der Zweimast-Segler Opfer von Riesenkraken, Außerirdischen oder fand ein schauriger Amoklauf auf den Planken der Mary Celeste statt? An Bord befanden sich außer der Besatzung auch die Frau von Kapitän Briggs und seine kleine Tochter. Blutspuren scheinen Schlimmstes zu beweisen.

Wer bis zum Ende dieses Podcasts über die Geschichte des Geisterschiffes dranbleibt, der kann einen Preis gewinnen! Als Belohnung lockt das neueste Buch des Seefahrt-Experten Eigel Wiese zum Thema: "Mary Celeste - Ein Schiff auf ewiger Reise". Martin Herzog und Marko Rösseler freuen sich auf Eure Zuschriften! (Einsendeschluss: 10.11.2023)

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Wichtige Links: Zum WDR-Zeitzeichen "04.12.1872 - Geisterschiff Mary Celeste entdeckt" von Marko Rösseler geht es hier entlang. Eigel Wiese - den Experten im Podcast, der auch schon im Zeitzeichen zu Wort kommt, hat natürlich auch eine eigene Homepage.

Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher: Mary Celeste, Teil 2

00:00:00: Martin Auszug aus einem britischen Zeitungsbericht.

00:00:03: Marko Ein Mann steht am Steuer, er ist allein an Deck. Plötzlich steigt ein riesenhafter Oktopus aus der Tiefe auf, und einen seiner furchtbaren Arme erhebend, umfängt er den Steuermann. Seine Schreie lassen jedermann an Deck eilen, einen nach dem anderen ergreifen die schlängelnden, sich krümmenden Arme. Dann sinkt das Ungeheuer langsam in die Tiefe zurück.

00:00:29: Intro Herzlich willkommen bei die Geschichtsmacher.

00:00:36: Intro Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:48: Martin Seeungeheuer, Seemannsgarn. Das ist das Material, aus dem die Geschichtsmacher heute zusammengesetzt sind.

00:00:56: Marko Es geht um ein maritimes Rätsel, nämlich darum: Wie konnte es geschehen, dass zehn Mann verschwinden, und zwar spurlos von dem Schiff Mary Celeste, was im Dezember 1872 gesichtet und gefunden worden ist und wo dann versucht worden ist, dieses Schiff an Land zu bringen. Bis dahin haben wir die Geschichte beim letzten Mal erzählt. Die Mannschaft der DEI GRATIA hat sich sozusagen gezweiteilt - eine Hälfte fährt die DEI GRATIA nach Gibraltar, die andere Hälfte versucht die Mary Celeste an Land zu bringen oder in den sicheren Hafen zu bringen.

00:01:33: Martin Das ist eine spannende und ziemlich geheimnisvolle Geschichte. Du hast da mal irgendwann vor vielen Jahren ein Zeitzeichen zu gemacht, Marko.

00:01:43: Marko Ja, es ist fünf Jahre her. Ich hab noch mal nachgeguckt, in der Tat oder sechs - sechs Jahre ist es fast her. Aber ja, es ist natürlich ein spannender Fall. Ich erinnere mich an das Zeitzeichen noch sehr gut, weil wir die Musik damals live eingespielt haben.

00:01:56: Martin Mit dem Schiffer-Klavier oder was.

00:01:58: Marko Ne, mit einem Harmonium. Weil ein Harmonium befindet sich ja an Bord des Schiffes - Elisabeth, die Frau des Kapitäns hat ja ein Harmonium mitgenommen und damals habe ich den gesamten Soundtrack zum Zeitzeichen mir einspielen lassen auf einem Harmonium, was sehr lustig war.

00:02:14: Martin Die Geschichte selber ist aber eher dramatisch.

00:02:16: Marko Tragisch geradezu.

00:02:17: Marko ja, genau. Und das letzte Mal haben wir aufgehört mit einem Brief, den die Frau des Kapitäns, die sich mit an Bord befunden hat, an ihre Mutter geschrieben hat.

00:02:29: Marko Schwiegermutter.

00:02:29: Martin Oder an ihre Schwiegermutter geschrieben hat. Und das war das letzte Lebenszeichen. Wie viel Zeit liegt dazwischen - zwischen diesem Brief und dem Auffinden dieser Marie Celeste?

00:02:41: Marko Ungefähr seit dem Auslaufen der Mary Celeste bis zur ersten Sichtung durch die DEI GRATIA, die fand statt am 4. Dezember - ist ungefähr ein Monat vergangen, nicht ganz, aber es gibt ja noch das Logbuch und der letzte Eintrag auf der Tafel, die benutzt wird, um es fein säuberlich vorher aufzuschreiben, um es dann ins Logbuch einzutragen, der datiert auf den 25. November und am 4. Dezember wird das Schiff von der DEI GRATIA gesichtet und die beschließen: Okay, wir schleppen das nicht ab, sondern wir teilen uns auf - halbe halbe, nicht ganz. Drei Leute gehen von der die Grazia rüber, auf die Mary Celeste und versuchen das Ding nach Gibraltar zu segeln.

00:03:24: Martin Wo sie aber nie ankommt, wie wir beim letzten Mal schon gelernt haben.

00:03:27: Martin Wo man lange auf sie wartet. Aber in der Tat, mit etwas Verspätung - kommt sie an. Die Mary Celeste wird es irgendwann durch die drei mutigen Matrosen von der DEI GRATIA schaffen und dort sind sie jetzt im Hafen von Gibraltar und denken sich: Na ja, gut, also die Mannschaft existiert ja offenbar nicht mehr, die ist ja nicht mehr da. Sie haben jetzt einen riesengroßen Bergelohn verdient, denn so ein Schiff ist ja eine ganze Menge Geld wert. Und die Ladung - Industrie Alkohol - ist auch eine ganze Menge Geld wert. Und zu Recht erwarten Sie sich einen Bergelohn. Aber statt einem Bergelohn werden sie erst mal verdächtigt, nämlich des Mordes. Wie diese Verdächtigungen aufgekommen sind, wie die Untersuchungen rund um dieses Geisterschiff verlaufen sind, das hat Eigel Wiese untersucht. Er ist Buchautor und vor allem spezialisiert auf maritime Themen. Seefahrt, Meer, Matrosen. Das ist seine Welt. Er hat mittlerweile sogar zwei Bücher über die Mary Celeste geschrieben und hat gesagt: Ja, eigentlich lag es vor allem an einem Mann, der es nicht verknusen konnte, dass sie DEI GRATIA schuldlos und die Mannschaft der DEI GRATIA heroisch dieses Schiff gerettet hat, sondern die er mit - ja Verdächtigungen überhäuft hat.

00:04:41: Eigel Wiese Das lag aber auch in der Persönlichkeit von Staatsanwalt Solly-Flood begründet, der britischer Staatsanwalt in Gibraltar war, ist ja Kronkolonie bis heute. Und der Mann war so ein Verschwörungstheoretiker. Er mutmaßte Mord an Bord und Totschlag.

00:05:04: Martin Also da geht es jetzt rund. Das heißt, erst kommt die Mary Celeste ist in Gibraltar an, es ist auch klar, dass das drei Matrosen von dem anderen Schiff sind.

00:05:12: Marko Ja.

00:05:12: Martin Und jetzt gibt es da einen Staatsanwalt, der sagt: Haha, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Das war quasi ein Piraten-Akt und ihr habt die alle umgebracht, um das Schiff und die Ladung für euch zu reklamieren.

00:05:29: Marko Na ja, es ist ja klar, wenn ein Schiff treibend auf hoher See gefunden wird ohne Mannschaft, dass es da irgendeine Untersuchung geben würde. Das war schon klar, dass es auch die geben würde. Da wurde natürlich der Staatsanwalt eingeschaltet und der musste diese Untersuchung leiten. Nun konnte niemand ahnen, dass Solly-Flood jemand war, der offenbar unter einem gewissen - na ja - Reputationsdruck stand. Der wollte jetzt mal ordentlich hier sein und hat dieses Schiff von rechts nach links krempelt, weil er den düsteren Verdacht hatte: Ja, warum sollen da zehn Leute spurlos verschwinden? Wie geht denn das? Das könnte doch einfach sein, dass diese Leute von der DEI GRATIA die umgebracht haben, damit die sich jetzt hier den Bergelohn einkassieren können. Der schreibt mehrere Berichte, und das ist der erste.

00:06:12: Martin liest Solly-Flood Der erste Offizier, der DEI GRATIA und zwei Matrosen, die das verlassene Schiff betraten, gaben eine derart merkwürdige Interpretation vom guten Zustand der Mary Celeste, dass eine Inspektion angeordnet wurde. Diese fand in meinem Beisein am 23. Dezember 1872 durch den Taucher Ricardo Portunato, den Chefinspektor John Austin und den Ersten Sekretär des britischen Vice-Admirality Court, T. J. Vecchio, statt. Die Inspektion führte zu folgendem Ergebnis: Erstens - Das Schiff war stabil und kräftig und in seetüchtigem Zustand. Zweitens - Es war gut mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgt. Drittens - Es war nicht unter übermäßig schlechten Witterungsbedingungen gelaufen. Viertens - Es gab keinerlei Anzeichen eines Brandes oder einer Explosions- oder Brandgefahr. Fünftens - Es wurden keine Spuren gefunden, aufgrund derer man auf die Ursache der Aufgabe hätte schließen können.

00:07:10: Marko Aber er findet etwas. Und von diesem Etwas schreibt er etwas später.

00:07:17: Martin liest Solly-Flood Es wurde jedoch ein Säbel gefunden, der mir Blutflecken aufzuweisen schien, die abgewischt worden waren, bevor er in seine Scheide zurückgesteckt worden war. Meine Meinung hierüber wird von den anderen geteilt.

00:07:31: Martin So: ein offensichtlich blutbeschmierter Säbel.

00:07:35: Marko Und dann wird das Schiff noch mal untersucht und es wird natürlich auch ein Blutfleck an Deck gefunden. Und dann wird noch mal genauer hingeguckt und dann stellt man fest: Ahh, im Rumpf sind zwei dicke, fette Risse, warum auch immer. Niemand weiß, wo die herkommen, aber es wird festgestellt okay, die waren jetzt nicht substanzgefährdend, das Schiff hätte wunderbar so weiter segeln können, aber diese Risse sind offenbar neu.

00:08:01: Martin Okay, Risse unter der Wasserlinie?

00:08:04: Marko Ne, oberhalb der Wasserlinie. Man geht auch erst mal davon aus, dass es sich wahrscheinlich irgendwie um Wellenschlag handelt, der da irgendwie das Holz beschädigt hat. Aber man kann sie sich nicht so richtig erklären. Das ist sozusagen die Gesamt-Gemengelage. Und das erste, was also passiert, die Blutflecken werden untersucht. Und dann stellt sich ganz schnell raus Ja, ist gar kein Blut, ist Rost.

00:08:26: Martin Na, OK.

00:08:28: Marko Aber natürlich sind mittlerweile die Zeitungen drauf gekommen und stürzen sich jetzt auf diesen mysteriösen Fall. Und es wird ausgeschmückt ohne Ende. Da wird erzählt, dass der dampfende Kaffee noch auf dem Herd gestanden hätte, als das Schiff gefunden worden ist. Das stimmt nicht. Es wird erzählt, dass Nähgarn und Nähmaschinen-Öl auf dem Tisch gestanden hätten, zum Beweis sozusagen, dass die See komplett spiegelglatt war. Das stimmt auch nicht.

00:08:54: Martin Es war ein Sturm, kurz vorher, bevor sie gefunden wurde...

00:08:57: Marko Es war durchaus ordentlicher Wellengang und auch ein Sturm nicht aber, aber so, dass es schon ordentlich gewellt hat und es wird auch ein bisschen gerappelt haben, aber nicht substanzgefährdend für das Schiff. Es wird erzählt, dass die Schiffskatze noch an Bord gewesen sei, war sie aber auch nicht. Und es wird erzählt, dass auf dem Herd sogar noch das Essen gestanden hätte und hätte vor sich hin köchelt. Auch das stimmt nicht. Es überschlagen sich aber in den nächsten Wochen wirklich die Spekulationen: Was ist denn mit diesem Schiff passiert?

00:09:25: Martin Da kommt der Kraken ins Spiel vom Anfang.

00:09:27: Marko Da kommt der Kraken ins Spiel. Und Eigel Wise, der sich mit diesem Fall als Autor beschäftigt hat, der recherchiert hat zu diesem Fall, musste sich natürlich auch mit der Riesen-Kraken Theorie beschäftigen.

00:09:38: Eigel Wiese Es könnten Riesen-Kraken gewesen sein, die die Leute einen nach dem anderen von Bord geholt haben. Es könnten Piraten gewesen sein. Es könnte ein Amoklauf unter der Mannschaft gewesen sein, weil dieses Schiff Alkohol geladen hatte. Das war aber Industrie-Alkohol also wie man heute sagt vergällt, wie bei Brenn-Spiritus und Ähnlichem. Und so tauchten also ein Gerücht nach dem anderen auf. Bin selber auf Segelschiffen gefahren, da ich kein Beruf Seemann bin. Aber so wie ich Seeleute kennengelernt habe im Laufe meines Reporter-Lebens als Schifffahrts-Spezialist, sind das keine Verhaltensweisen von Seeleuten. Die kämpfen auch um ihr Schiff, die kämpfen auch um ihr Leben. Also das konnte alles nicht sein.

00:10:28: Marko Eigel Wiese hat also alle diese komischen Thesen, die damals schon auftauchten, alle mal überprüft und geguckt: Ja ist das denn jetzt irgendwie, ist es ja in irgendeiner Weise möglich, ist es nicht möglich? Und ist gibt unendlich viele Theorien plötzlich: Es ist von Außerirdischen die Rede.

00:10:44: Martin Damals schon!

00:10:47: Marko Damals schon. Das Bermudadreieck, obwohl es nun wirklich sehr, sehr weit weg ist vom Unglücksort ...

00:10:53: Martin Ja, ja.

00:10:53: Marko ... wird auch schon herangezogen unter dem Motto: Da könnten im Bermudadreieck irgendwelche seltsamen Dinge passiert sein. Es ist die Rede von einer unbekannten Krankheit, die an Bord ausgebrochen sein könnte. Es ist von einer Lebensmittelvergiftung die Rede, aber man hat ja festgestellt, sowohl die Nahrung an Bord als auch das Wasser waren einwandfrei. Dann gab es im November 1872 offenbar ein seltsames Himmels-Phänomen. Es gab so eine Art Meteoriten-Schauer. Und man hat irgendwie geglaubt. Ja, vielleicht hat das was damit zu tun. Vielleicht sind die Meteoriten ja rechts und links von diesem Schiff eingeschlagen und vielleicht sind da irgendwelche Dämpfe freigesetzt worden. Und die haben die...

00:11:34: Martin Die sind alle dann bescheuert geworden und sind alle dann irgendwie benebelt geworden von den Dämpfen und sind ins Wasser gesprungen oder so? Ich meine, das passt ja alles nicht, weil es ist ja keiner mehr an Bord gewesen, die sind ja alle einfach verschwunden. Waren ja weg.

00:11:46: Marko Sie waren weg. Was wäre denn noch möglich? Piraten wurden ja auch erwähnt. Nun muss man sagen, Piraten gibt es natürlich bis heute. Aber schon damals war eigentlich in dieser Gegend vor der Küste Europas Piraterie nahezu ausgerottet, war viel zu befahren da die Gegend. Klar gab es auch damals noch Piraten, teilweise sogar noch im Mittelmeerraum, aber da nun mal gerade nicht. Und vor allem - was ja etwas seltsam ist - es waren sämtliche Wertgegenstände noch an Bord. Wenn es Piraten gewesen wären, hätten die ja wahrscheinlich nicht nur die Mannschaft entführt, sondern die hätten wahrscheinlich auch die Wertgegenstände mitgenommen. Das kann es auch nicht sein. Und das British Journal of Astrologie schreibt in einem Leserbrief von seltsamen Sternenkonstellationen demnach.

00:12:28: Martin Die Menschen auf dem Schiff einer unheilvollen Konjunktion von geistigen und kosmischen Kräften, die das Weltall regieren, entmaterialisiert worden.

00:12:39: Marko Tja, so was kann natürlich auch passieren.

00:12:41: Martin Man weiß es nicht. Klar entmaterialisiert. Schwupps, weg sind sie.

00:12:45: Marko Ja wie so eine Art Wurmloch, Zeitloch, wo man so reinfällt.

00:12:48: Martin Okay, das sind jetzt teilweise haarsträubende Theorien, die da aufgestellt worden sind. Gibt es denn auch irgendetwas Plausibles, Nachvollziehbares, irgendetwas, wo man sagen kann Ja, das ist das Wahrscheinliche.

00:13:01: Marko Also der Staatsanwalt, Solly-Flood, glaubt in der Tat an die Version eines Amoklaufs unter der Mannschaft und setzt das in Zusammenhang mit dem Alkohol, der transportiert worden ist. Ist zwar Industrie-Alkohol, aber auch der kann ja reinhauen. Wie dem auch immer sei.

00:13:18: Martin Mit Verlaub, aber das ist doch auch Unsinn, weil Amoklauf, das heißt da einer tickert aus oder zwei und die laufen dann irgendwie über Deck und bringen einen nach dem anderen um und springen dann anschließend selber irgendwie über Bord oder was? Bringen um, schmeißen die Leute über Bord und springen dann hinterher? Oder wie muss man sich das vorstellen?

00:13:36: Marko Also er glaubt, dass die Familie Briggs, also Tochter, Mutter und Vater, der Kapitän, von der Mannschaft gemeuchelt worden seien. Sein Bericht dazu lautet folgendermaßen:

00:13:47: Martin liest Solly-Flood Mein Ziel ist es, das Handelsministerium zu veranlassen, geeignete Schritte zu unternehmen, um Kapitän Briggs, seine Frau, seine Tochter und die Besatzung der Mary Celeste aufzuspüren. Ich glaube, dass die Besatzung ein Alkohol-Fass aufgebrochen und dann im Vollrausch Kapitän Briggs, seine Frau, seine Tochter und den Ersten Offizier Richardson getötet hat. Anschließend haben die Männer dann den Schiffsbug beschädigt, um damit glauben zu machen, die Mary Celeste sei auf ein Riff gelaufen oder habe einen Zusammenstoß erlitten. So sollte dem Kapitän eines vorüberkommenden Schiffes vorgetäuscht werden, es lohne sich nicht, die Brigg einzubringen. Ich glaube, dass die Besatzung der Mary Celeste zwischen dem 25. November und dem 5. Dezember gemeutert hat und dann an Bord irgendeines Schiffes nach Amerika oder Westindien entkommen ist.

00:14:38: Marko So - das glaubt der Staatsanwalt, und es geht jetzt erst mal darum: Ja, wer kriegt denn jetzt eigentlich den Bergelohn? Beweisen läßt sich im Moment erst einmal gar nichts. Und das ist genau die Schwierigkeit. Nochmals wird das gesamte Schiff untersucht. Es stellt sich raus, es fehlen einige Dinge. Es fehlt der Sextant, es fehlt der Schiffs-Chronometer und eigentlich müsste das Schiff ein Beiboot haben. Das ist auch nicht mehr da.

00:15:05: Martin Ah, okay. Das klingt jetzt ja mal handfest wenigstens so mal zur Abwechslung. Nochmal einen Schritt zurück vielleicht. Die Besatzung der DEI GRATIA stand ja unter dem Verdacht, dass sie diejenigen gewesen wären, die die Mannschaft ermordet hat, inklusive Kapitän, Frau und Kind. Sind die jetzt komplett entlastet oder wie sieht das aus?

00:15:26: Marko Na ja, also im Moment ist das alles noch völlig, völlig, völlig unklar. Vor allem, weil die Presse auch sich nicht so richtig entscheiden kann, auf welche Seite sie sich schlagen soll. Es ist sogar so, dass die sich in Theorien wirklich überbieten. Das geht so weit, dass sie Schriftsteller engagieren, um mögliche Enden dieser Geschichte und Auflösungen sozusagen mal frei zu erfinden.

00:15:49: Martin Lustiges Spekulieren und Raten.

00:15:51: Marko Ja, und so kursieren dann immer mehr Geschichten rund um die letzten Tage der Mary Celeste, die alle völlig unterschiedlich ausfallen. Also das geht bis hin zu, dass die Frauenkleider, die da gefunden werden, noch mal in einem ganz anderen Zusammenhang mit diesem Kapitän auftauchen, der Kapitän Briggs unterstellt wird, dass er seltsam-perverse Anwandlungen hat und nachts irgendwie zum Mörder wird und die eigene Mannschaft umbringt nebst der Familie und in Frauenkleidern hinterher ins Wasser springt. All solche Geschichten kursieren. So richtig, ja, was die Wahrheit ist? Keine Ahnung. Niemand weiß es. Im nächsten Schritt muss man aber ja mal wirklich überlegen: Was bedeutet es, wenn der Sextant und Schiffs-Chronometer weg sind? Also ein Schiffs-Chronometer, die Uhr, die die genaue Uhrzeit dir sagt, in Verbindung mit dem Sextanten. Damit kannst du eine Position bestimmen. Also, wenn man ein Schiff verlassen würde und würde in das Beiboot, was ja nun auch nicht mehr da ist, steigen...

00:16:46: Martin Das macht ja alles Sinn.

00:16:47: Marko ...dann würde man die wahrscheinlich mitnehmen, einfach mal um zu wissen, wo man eigentlich so ist. Und wenn das Beiboot fehlt, ist es ja auch relativ logisch, dass die Mannschaft eventuell das Schiff verlassen hat. Nur die Frage ist, warum sollte die Mannschaft das Schiff verlassen?

00:17:02: Martin Ja, Schiff war ja offensichtlich in bestem Zustand, wie der Staatsanwalt das beschrieben hat, da passt ja alles und Wetterbedingungen waren auch nicht so, dass man da jetzt nur irgendwie hätte das Schiff verlassen müssen. Es war ja auch... macht man ja auch nicht, wie wir gelernt haben.

00:17:17: Marko ...in der ersten Folge. Wie heißt der erste und wichtigste Satz, den jeder Matrose verinnerlichen muss?

00:17:22: Martin Ja, ich bin kein Matrose, aber ich habe es mir gemerkt. Verlasse nie dein Schiff, es sei denn, es verlässt dich.

00:17:28: Marko So, und die Mary Celeste war alles andere als davor, dass es die Mannschaft verlässt. Es war ja hoch schwimm-fähig und alles war sicher. Welche Gründe könnte es denn für eine Mannschaft geben, ein Schiff zu verlassen, was komplett schwimmtauglich ist?

00:17:41: Martin Gute Frage, frage ich dich. Ich habe keine Ahnung. Außer Angst vor Gespenstern.

00:17:47: Marko Angst!

00:17:47: Martin Angst?

00:17:51: Marko Ja. Aber vor was? Vor was könnte eine Mannschaft auf einem Schiff Angst gehabt haben? So große Angst, dass sie das sichere Schiff verlässt, um zu sagen: Nee, hier bleibe ich nicht. Ich steig ins Beiboot. Wobei man sagen muss So ein Beiboot ist ein unsicheres Gefährt. Das ist. Wir sind auf dem Nordatlantik. Das ist schon, da geht es rauf und runter. Da gibt es ordentliche Wellen und ein Beiboot mit zehn Mann Besatzung, das ist schon ziemlich am Rand der Kapazität dessen, was es überhaupt tragen kann. Ja.

00:18:21: Martin Also hat es doch gespuckt an Bord?

00:18:26: Marko Glaubst Du?

00:18:31: Martin Ich hab keine Ahnung. Ja, also ich meine, es fällt mir wirklich schwer zu überlegen, mir da ein Reim drauf zu machen und mit irgendetwas aufzukommen, wo ich sagen würde: Okay, das ist ein Grund, um so ein halbwegs sicheres Boot zu verlassen und in so eine Nussschale dann umzusteigen. Also mir fällt da ehrlich gesagt nichts ein.

00:18:50: Marko In der Tat, es fällt allen erst einmal gar nichts ein. Aber die Zeitungsschreiber, die bekommen natürlich immer mehr Ideen.

00:18:56: Marko Und plötzlich tauchen sogar Zeugen auf, die auf der Mary Celeste mitgesegelt sein wollen. Und einer dieser Zeugen erklärt in seinem Bericht, das Boot sei von Afrikanern gekapert worden.

00:19:09: Martin liest Conan Doyle Seit dem Tag, an dem ich in den Schoss meiner Familie zurückgekehrt bin, habe ich nur sehr wenig über meine Erlebnisse gesprochen, weil ich schon von dem Unglauben bei den englischen Behörden in Gibraltar schmerzlich berührt wurde. Ich habe versucht, meinen Beitrag zur Sache der Gerechtigkeit zu leisten, doch keiner hat mir geglaubt. Sogar meine eigenen Verwandten haben mit einem nachsichtigen Lächeln der Erzählung meiner Abenteuer gelauscht. Ich wollte eigentlich, dass alles in Vergessenheit gerät, doch mein Sohn hat mich dazu überredet, diesen Bericht zu veröffentlichen. Ich habe die Geschehnisse geschildert, wie sie abgelaufen sind, ohne mich um die öffentliche Meinung zu kümmern. Meine Gesundheit ist angeschlagen und ich verspüre das Bedürfnis, mit meinem Gewissen Frieden zu schließen, um endlich innere Ruhe zu finden. Nehmen Sie nun eine Landkarte von Afrika zur Hand. Ein wenig nördlich von Kap Blanco befindet sich das Reich von Septimus Goring. Vielleicht ist er noch am Leben, beschützt von dem ohrenförmigen Stein, den er mir im Tausch gegen meine Freiheit abverlangt hat. Eine Freiheit, die seine Autorität und sein Prestige stärken sollte. Doch nur wenige Meilen entfernt ruhen im Meer die entseelten Körper Hartons, Highsons und der weißen Matrosen, die an Bord der Mary Celeste ermordet worden sind.

00:20:30: Marko Also, es ist eine ziemlich krude Geschichte: Afrikaner planen eine Verschwörung, kapern das Schiff, manipulieren den Kompass und es geht an die afrikanische Küste. Und nur der Erzähler kommt davon, weil er nämlich einen seltsamen Talisman hat, nämlich dieses komische steinerne Tor aus Kristall. Und das Ganze tarnt sich so ein bisschen, als wäre es der wirkliche Erlebnisbericht eines Menschen, der Habakuk Jeffson genannt wird. Ja, und tatsächlich, der Staatsanwalt Solly-Flood glaubt diesen Bericht und sagt: So, ja, das ist eine Riesensauerei. Das haben Afrikaner so, die wollten da so einen afrikanischen seltsamen Staat gründen.

00:21:07: Martin Das Reich von Septimus Goring - nie gehört.

00:21:08: Marko Das gibt es ja auch nicht. Und weißt du, wer diesen Bericht geschrieben hat? Ein gewisser Sir Arthur Conan Doyle.

00:21:16: Martin Ach ja? Das ist ja nicht zu fassen. Aber der hat das geschrieben als - ich sag mal inkognito, als Reportage oder...

00:21:25: Marko Der hat das geschrieben, weil viele Zeitungen, weil viele Zeitungen dazu aufgerufen haben: Hey, findet mal eine Lösung für diesen seltsamen Fall. Und dann hat er sich eine Geschichte aus der Nase gezogen und hat die aufgeschrieben. Und weil er ein guter Schreiberling ist, ist die in mehreren Zeitungen abgedruckt worden. Und der Staatsanwalt von Gibraltar hat gesagt: Guck mal da, da! So genau so könnte es gewesen sein. Es war natürlich totaler Blödsinn, es gab keine afrikanische Verschwörung...

00:21:48: Martin Also ich sag mal: Sherlock Holmes ist auch besser, was er da geschrieben hat.

00:21:52: Marko Liest sich auch alles besser. Ist auch gut, dass er dann solche Detektiv-Romane geschrieben hat. Wie dem auch immer sei. Man kann so ein bisschen spüren auf jeden Fall, dass die Leute ja nach irgendeiner Erklärung gegiert haben. Was kann denn da passiert sein? Was tatsächlich passiert dann ist - natürlich die Frage: Okay, was kriegt jetzt diese Mannschaft, die das Schiff gerettet hat? Und dann gibt es eine Verhandlung. Und dann kommen auch die Mit-Eigner. Also man muss ja sagen, 1/3 der Mary Celeste gehörte dem Kapitän, aber es gab natürlich auch weitere Eigner. Und einer dieser Eigner heißt Captain James Winchester. Der ist Mit-Eigner und er wird per Telegramm einmal quer über den Atlantik informiert: Pass mal auf, dein Schiff ist hier sichergestellt worden. Wenn du da irgendwie mal mitverhandeln willst, dann mach dich mal auf den Weg nach Gibraltar. Immerhin gibt es ja Telegrafie mittlerweile. Also das ist ja schon - das erste Kabel war 1858, glaube ich, über den Atlantik. So, und dann macht er sich tatsächlich auf den Weg und ist dann im Januar 1873 selbst in Gibraltar und hat auch als erster in der Tat eine Idee, was passiert sein könnte. Und im Prinzip ist es das, was du am Anfang gesagt hast. Warum verlassen die das Schiff? Sie müssen vor irgendetwas Angst gehabt haben. Und dieser Kapitän, James Winchester, hat die Idee: Na ja, schauen wir uns doch mal genau die Ladung an! Wir haben Alkohol. Der schaut auch zum Ersten Mal: Sind diese Fässer eigentlich noch alle richtig versiegelt? Das sind sie. Aber in neun von diesen 1700 Fässern fehlt ein bisschen. Das heißt, durch die Wand des Fasses muss ein bisschen was durchgesickert sein von diesem Alkohol.

00:23:36: Eigel Wiese Die Lösung des Rätsels hat schon Kapitän Winchester gehabt, einer der mit Eigner des Schiffes und selber erfahrener Schiffsführer. Der hatte gesagt Alkohol kann verpuffen, der kann also sozusagen unterschwellig explodieren. Und für ihn war das alles klar. Das war eine Verpuffung von Alkohol, Englisch Deflagration. Also er war eigentlich sich ganz sicher, was dort passiert sein könnte. Eine Verpuffung geht in der Tat sehr schnell. Das ist richtig. Aber es hinterlässt keine Spuren. Was mir auch nie jemand geglaubt hat. Ich habe damals das große Glück gehabt, dass ich mal zur Schule gegangen bin, mit meinem Schulfreund Rüdiger Terhöven. Damals waren also große Physik- und Chemie-Experten bei uns in der Schule. Und ich habe ihn dann angerufen, habe gesagt: Du, ich habe da einen Verdacht. Ist das möglich? Das sagt er, ja klar. Das war ihm, der mittlerweile Chemieingenieur bei einem Hamburger Chemieunternehmen war, also völlig geläufiger Vorgang.

00:24:45: Martin Also das heißt, da hat es - also das wäre die Theorie - da hat es ein paar Fässer gegeben, die nicht ganz dicht waren, da ist da Alkohol entweder raus verdunstet oder ausgetreten und dann verdunstet, und dann hat es in irgendeiner Form da eine Verpuffung gegeben. Und das hat die Besatzung dermaßen in Angst und Schrecken versetzt, dass sie das Schiff verlassen haben, weil sie gedacht haben, uns fliegt der ganze Laden um die Ohren?

00:25:13: Marko Die Theorie wäre folgende: Wir haben einen relativ rauen Atlantik bis zu den Tagen, bis das Schiff die Azoren erreicht. Wenn man Alkohol geladen hat, dann wäre es zumindest ab und zu mal ganz schlau, den Laderaum zu lüften. Das wurde auch tatsächlich gemacht. Nur da hat man es nicht gemacht, weil es nämlich so stürmisch war. Die Theorie, was passiert sein könnte, ist, dass sie zuerst die hintere Lade-Luke geöffnet haben und dann stand sozusagen der Wind von hinten und hat einmal quer durch den Laderaum gepustet. Dadurch hat er alle Alkohol Dämpfe, die sich unten gesammelt haben, in den vorderen Bereich des Schiffes gedrückt. Dort wurde sozusagen die kritische Masse überschritten, dass das also auch Explosion-gefährlich ist. Die Alkohol-Konzentration wurde zu groß und dann braucht es wirklich nur noch einen ganz kleinen Funken oder Reibung. Und Reibung hat man ja auf dem Schiff ja eigentlich ständig. Durch die Bewegung des Schiffes, das da wie die Fässer ein bisschen miteinander reiben, dass ein bisschen Hitze entsteht. Und dann gäbe es ein Rums. Dieser Rums habe dazu geführt, dass auch die vordere Luke hoch gesprungen sei und geöffnet worden sei. Wir erinnern uns: Das Schiff, als es gefunden worden ist, waren beide Lade-Luken geöffnet, was sehr ungewöhnlich ist. Das macht man normalerweise nicht. Wenn es aber diese Verpuffung gab, so hat Eigl Wiese herausgefunden, der Mann, der sich über 100 Jahre später damit auseinandersetzen musste: Was passiert denn eigentlich? Warum konnten die denn Angst gehabt haben? Dann hat er festgestellt, dass diese Verpuffung in mehreren, also mit seinem Kumpel, mit dem er offenbar zur Schule gegangen ist und der sich in Physik und Chemie offenbar sehr gut auskennt, haben die festgestellt: Ja, eine solche Verpuffung passiert nicht einmal, sondern die passiert in Wellen. Das heißt, was passiert sein könnte, ist: Hintere Lade-Luke offen. Wind steht von hinten rein, verdichter die Alkoholdämpfe. Es kommt zu einer Verpuffung. Vorne fliegt die Luke schon mal hoch. Ein Feuer tritt oben einmal kurz raus, aber es hinterlässt kaum Spuren oder gar keine Spuren, weil das einfach ganz schnell geht und verpufft - so - und kurze Zeit später, 20 Sekunden später dasselbe Spiel noch mal und 20 Sekunden später dasselbe Spiel noch mal! Und wenn so etwas passiert, könnte man natürlich auf den Gedanken kommen: Um Himmels willen, was ist hier los? Wird uns gleich das ganze Schiff um die Ohren fliegen?

00:27:26: Eigel Wiese Man muss sich vorstellen, dass dort Luken-Deckel hoch geflogen sind als Folge der Verpuffung, dass Stichflamme aus diesen offenen Luken raus geschlagen sind. Und dass, nachdem die erste entzündbare Wolke in die Luft geflogen ist, sich die Situation einen Augenblick beruhigte, dann wieder neue Alkohol-Konzentrationen auftraten, es wieder verpuffte. Das heißt, die haben damit gerechnet, dass ihnen das Schiff innerhalb kürzester Zeit vollständig um die Ohren fliegt.

00:28:02: Marko Also ganz klar: Diese Explosion, die keine Explosion, sondern Verpuffungen waren, die keinerlei Spuren hinterlassen müssen, aber so imposant gewesen seien, dass die gesagt haben: Nee, das ist uns zu gefährlich, Wir gucken mal zumindest, dass wir ein bisschen Abstand vom Boot kriegen. Haben also alle das Schiff verlassen und haben sich sozusagen am Beiboot mit einer Schnur abgelassen, und zwar alle zusammen. Und dann konnte man ja sagen: Okay, warten wir mal ab, was mit dem Schiff passiert. Und wenn nichts passiert, kommen wir ja wieder rauf.

00:28:29: Martin Ja.

00:28:29: Marko Die Frage ist jetzt: Warum hat das Beiboot den Kontakt zum Schiff verloren? Tatsächlich haben die offenbar ja nicht alle Segel runtergenommen. Wir haben am Anfang ja ein Bild gehabt. Hier, so ist die Mary Celeste gefunden worden.

00:28:44: Martin Genau das Bild hatten wir - dieser Zweimaster mit noch so einem. Was sagtest du?

00:28:51: Marko Rah-Segel?

00:28:51: Martin Genau, das haben wir gelernt. Und vorne die zwei Klüver-Segel.

00:28:56: Marko Klüver-Segel, genau. Das heißt, damit macht das Schiff natürlich ordentlich Fahrt. Wenn du jetzt da ein Beiboot an einem Seil hinten dran ziehst, dann kann es natürlich passieren, dass das zu schnell fährt. Dann unterschneidet sozusagen das Beiboot, das fängt an zu eiern und dann könnte der Bug unter Wasser gezogen werden und dann kennterst, dass du mit dem Ding.

00:29:16: Martin Zu schnell heißt zu schnell für das, was so ein Beiboot eigentlich aushält...

00:29:20: Marko An Geschwindigkeit aushält. Genau, klar. Und tatsächlich findet man, dass es vom Boot von Mary Celeste ein Seil gegeben haben muss, was ins Wasser geragt ist und was offenbar durchtrennt worden ist. Die Theorie ist: Die haben sich abgeseilt, die wollten der Explosionen entgehen, haben Angst gehabt irgendwie das fliegt uns gleich um die Ohren, haben sich eine ganze Weile hinterher ziehen lassen, haben dann festgestellt: Ach du Scheiße, wir kippen hier gleich um mit diesem Beiboot, das Ding unterschneidet, wir schneiden durch, wir kappen, weil sonst sind wir gleich verloren. Und das hat dann dazu geführt, dass sie verloren gegangen sind. Das Beiboot ist dann abgetrieben, die Mary Celeste ist weiter gesegelt und Adieu. Das war's.

00:30:01: Marko Ach du lieber Himmel, das ist das, was dein Gesprächspartner, der gute Herr Wiese. Als Theorie letztendlich aufgestellt hat, was ihm am plausibelsten schien und was nicht mit Außerirdischen und Kraken und Geistern und Gespenstern zu tun haben musste.

00:30:21: Marko Genau. Es sind zwei Schritte. Schritt Nummer eins ist: Was hat denen Angst gemacht? Aha, die Verpuffung. Und das zweite ist natürlich dann: Okay, sie mussten die Leine kappen zum Schiff, weil die Mary Celeste viel zu schnell weiterfuhr, das Beiboot zu kippen drohte. Na ja, und das dritte ist dann ja. Was ist das Schicksal eines Beibootes im Nordatlantik?

00:30:40: Eigel Wiese Nun muss man sagen, dieses Boot ist relativ klein und der Nordatlantik ist kein Gewässer, in dem man gern mit einem kleinen Boot unterwegs ist. Das heißt, dieses Boot kann ganz schnell voll geschlagen sein. Und die großen Strömungen von Wind und Wasser, die gehen aufs Festland zu, aufs afrikanische. Und das afrikanische Festland zu der Zeit war nicht so bewohnt wie heute, da waren nicht überall Hafenstädte, das war relativ menschenleer.

00:31:13: Martin Das heißt, die Vermutung wäre, dass sie es vielleicht sogar bis an die Küste geschafft haben?

00:31:17: Marko Unwahrscheinlich. Und wenn sie es bis an die Küste geschafft haben, haben Sie dann den Marsch durch diesen afrikanischen Kontinent in irgendeiner Weise überlebt, der damals noch nicht so wirklich besiedelt war? Also die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand dieses Unglück überlebt hat, ist geradezu gleich null. Aber damals hat diese Theorie der Verpuffung eigentlich so richtig keiner geglaubt. In der Tat blieb an der Mannschaft, der DEI GRAZIA immer dieser Verdacht kleben: Ihr könntet die doch umgebracht haben. Es gab dann einen Bergelohn. Dieser Bergelohn betrug lächerliche 8.300 $. Das klingt jetzt erst mal sehr wenig.

00:31:56: Martin Ich meine, ist das viel? Ist das wenig? Zu der damaligen Zeit?

00:31:58: Marko Man muss sagen, dass der Schiffsverkehr damals auf 5.700 $ geschätzt worden ist, der Wert der Ladung aber auf über 40.000 $. Und eigentlich wäre etwa die Hälfte als Bergelohn üblich gewesen. Also man hat sie mit ja nicht mal einem Viertel abgespeist.

00:32:16: Martin Was ja auch seltsam ist, man konnte ihnen das nicht nachweisen und dann kriegen sie aber den ihnen zustehenden Lohn nicht. Also das ist ja alles alles eigenartig. Aber es ist natürlich auch so, dass diese ganzen Theorien, die da ins Kraut geschossen sind, natürlich alle viel spannender sind als eine doofe Verpuffung, die da stattgefunden hat.

00:32:35: Marko So ist es. Und so gab es dann auch in der Tat bis in die dreißiger, 40er, 50er Jahre des 20. Jahrhunderts rein immer wieder neue Theorien: Was könnte denn eigentlich mit der Besatzung der Mary Celeste passiert sein. Mit der Verpuffung hat man auch dem Eigel Wiese nicht so richtig geglaubt, obwohl diese Theorie ja damals schon aufgekommen ist, durch diesen Mit-Eigner, diesen James Winchester, der auch schon gesagt hat: Alkohol kann verpuffen und das hinterlässt keine Spuren. Damals wurde dem schon nicht geglaubt. Eigel Wiese wurde auch nicht geglaubt. Aber was hat man gemacht? Die BBC hat eine Produktion gemacht und die hat den Schiffs Körper nachgebaut und hat da Industrie-Alkohol eingefüllt. Und die haben also versucht, Eigel Wieses These zu beweisen. Und es gelang. In der Tat, die Verpuffung hinterließ keinerlei Spuren. Und es ist genauso passiert, wie Eigel Wiese es vorhergesagt hat: In mehreren Wellen gab es also Explosionen, die ordentlich gerumst haben, wo auch Stichflammen aufgetreten sind und das auch noch in so Wellen. Und ja klar, wenn ich da auf dem Boot bin, dann denke ich, die nächste Welle da macht es Krawumms und da reißt es das Schiff auseinander. Insofern eine sehr, sehr logische Erklärung und vielleicht in der Tat die Erklärung, die dann tragfähig ist bis heute.

00:33:45: Martin Also damals ging es mit den Spekulationen drunter und drüber und nichts genaues wusste man nicht. Aber es gab ja noch dieses Unglücks Schiff, nämlich die Amazon und dann nämlich die Mary Celeste. Was ist denn aus der geworden?

00:33:59: Marko Die ist erst mal weitergefahren nach Genua, hat dann ihre Ladung ganz ordentlich gelöscht. Also den Industrie-Alkohol, der wurde ja schon dringend erwartet offenbar. Und dann wurde sie verkauft. Also der Eigner, der James Winchester, hat sich von dem Schiff getrennt.

00:34:14: Martin Ist wenig überraschend.

00:34:16: Marko Es wurde dann mehrfach eingesetzt, also auch noch im Transatlantik-Verkehr, aber es hat mehrfach den Eigner gewechselt, insgesamt in den nächsten zwölf Jahren 16 mal.

00:34:28: Martin Also es war und es blieb ein Unglück Schiff?

00:34:31: Marko Es war und es blieb ein Unglücks-Schiff. Der letzte Frachtbrief, wo drinsteht, was sie transportiert hat, das war Flaschenbier in Kisten und wertvolle Bestecke. Der Bestimmungshafen war Port au Prince in Haiti, Dominikanische Republik, und das Ding war hoch versichert, sehr hoch versichert - mit über 30.000 $. Und dann ist das Schiff auf ein Riff gefahren und es ist dort gesunken. Und dann kam ein Versicherungsagent und wollte wissen, ob das denn auch stimmt mit der Ladung. Und dann stellte sich raus nee, da war nicht mal Flaschenbier drauf. Da war dreckiges Wasser in Dosen, nein - in Flaschen, in Flaschen, das schon. Und von den wertvollen Bestecken wurde auch nichts gefunden.

00:35:18: Martin Ja wie das jetzt wieder passieren konnte?

00:35:20: Marko Und das war klar, es handelt sich um einen Versicherungsbetrug. So hat dann der letzte Eigner sein gesamtes Vermögen verloren und starb dann einsam und verbittert. Ja, man hat dann lange die Mary Celeste vergessen. Bis heute wird übrigens das Wrack gesucht. Es ist nicht wieder aufgetaucht.

00:35:39: Martin Das heißt, man hat. Aber man wusste, dass da nur Wasser drauf war. Und. Man hat es nicht gefunden und hat gesehen: Aha, da ist jetzt nur...

00:35:50: Marko Es scheinen ein paar Kisten von der Mary Celeste angespült worden zu sein. Und so ist das dann wohl aufgeflogen, dass es sich um einen Versicherungsbetrug handelte.

00:35:58: Martin Aber das Schiff hat man nie wiedergesehen.

00:36:00: Marko Das Schiff hat man bis heute nicht wieder gefunden. Es wurde mal vermutet, dass das Wrack der Mary Celeste gefunden worden ist. Ja, aber es war leider nur eine Vermutung.

00:36:11: Eigel Wiese Man hat dann zwischendurch mal geglaubt, man hätte das Wrack gefunden, aber dann festgestellt, aufgrund von dendrochronologischen Untersuchungen, dass das nicht das Holz der Mary Celeste gewesen sein kann, also das Wrack - bis heute nicht aufgefunden.

00:36:28: Marko Nun muss man ja auch sagen, dass die Mary Celeste ihr ganzes Schiffs-Leben lang wirklich nur Unglück gebracht hat. Also ich möchte sie gar nicht finden.

00:36:36: Martin Vielleicht ist besser, wenn es irgendwo auf dem Grund des Meeres bleibt. Aber deinen Gesprächspartner Eigel Wiese hat dieses Thema nicht losgelassen. Du hast berichtet, dass er mittlerweile sogar ein zweites Buch geschrieben hat über das Thema.

00:36:47: Marko Ja, er hat ein zweites Buch geschrieben und hat sich noch tiefer in die Geschichte dieses Schiffes hineingearbeitet. In der Tat ist es ihm gelungen - ich hatte ja mal in der ersten Folge erzählt, wer die Besatzungsmitglieder sind. Darunter waren ja auch vier Deutsche. Und ihm ist es gelungen, einen der Nachkommen auch noch dieser deutschen Besatzungsmitglieder zu finden. Und er hatte wohl auch noch ein paar Dokumente von seinem Urururgroßvater, der da wohl offenbar auf der Mary Celeste verschwunden ist, muss man ja sagen. Und das alles findet sich in seinem neuen Buch. Und dieses neue Buch von Eigel Wiese über das Unglücks-Schiff Mary Celeste, das Geisterschiff Mary Celeste, das könnt ihr da draußen gewinnen.

00:37:29: Martin Und dafür müsst ihr was tun.

00:37:31: Marko Ich würde sagen, eine Frage beantworten.

00:37:34: Martin Das ist gut.

00:37:35: Marko Und wenn ihr beide Folgen über das Geisterschiff aufmerksam gehört habt, dann wird es euch ganz leicht fallen, diese Frage zu beantworten.

00:37:44: Martin Nämlich? Wie alt war der Kapitän, Kapitän Briggs, als er seine letzte Fahrt auf der Mary Celeste antrat, bis er dann verschwunden war. Und wie war sein Kosename?

00:37:56: Marko Wie hat ihn seine Frau genannt?

00:37:59: Martin Ja, wenn ihr das wisst. Und das ist nicht schwer zu erraten. Wenn ihr die Folgen gehört habt, dann schreibt uns am besten an: Kontakt@diegeschichtsmacher.de.

00:38:11: Marko Zu gewinnen gibt es das Buch von Eigel Wiese: Mary Celeste - Ein Schiff auf ewiger Reise. Darin die neuesten Ergebnisse rund um dieses Schiffsunglück.

00:38:21: Marko Von deinem Gesprächspartner Eigel Wiese. Und wir machen jetzt die große Kiste mit Seemannsgarn wieder zu.

00:38:29: Marko Und wenn es euch gefallen hat, dann sagt es allen, die ihr kennt. Sagt es Matrosen, sagt es Kapitänen, sagt es Meuterern, sagt es Riesenkraken.

00:38:38: Martin Diesseits und jenseits des Atlantiks. Und wenn es euch nicht gefallen hat.

00:38:43: Marko Dann sagt uns, aber bitte auch nur uns unter.

00:38:46: Martin www.diegeschichtsmacher.de - da findet ihr alles, was es zu wissen gibt zu den Geschichtsmachern und auch alle weiteren Folgen. Mittlerweile über, ich glaub 30, 35. Eine Menge zu hören gibt es da. Und wenn euch gefällt, was ihr hört, dann seid doch so gut: Auf den Plattformen, wo ihr diese Folgen hört. Hinterlasst ein paar Sternchen, Herzchen, Anker, was auch immer es da so an Symbolen gibt und vielleicht auch noch einen Kommentar. Das würde uns sehr freuen und uns auch sehr weiterhelfen.

00:39:21: Marko In diesem Sinne: Ahoi!

00:39:23: Martin Jo woll du. Jo, du. Ne, was sagt man denn da so?

00:39:27: Marko Und immer eine handbreit Wasser unterm Kiel!

00:39:30: Martin Und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel.

00:39:33: Marko Genau.

00:39:33: Martin Ahoi.

Kommentare (1)

Neugierige

Episoden Geisterschiff Es hat mir sehr gut gefallen, dass alle Möglichkeiten abgewogen wurden und dann die wahrscheinlichste erläutert wurde! Vielen Dank dafür …

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