Warum erschoss sich Marga von Etzdorf?

Shownotes

Berühmt wurde sie 1931 durch ihren Solo-Flug nach Tokio mit ihrem kleinen Flugzeug "Kiek in die Welt". Aber sie hat ihr junges Leben ganz der Fliegerei geopfert - und sich am Ende eine Kugel in den Kopf geschossen. Mit nur 25 Jahren starb die Flug-Pionierin Marga von Etzdorf 1933 in Aleppo. Der Grund für ihre Selbsttötung wurde lange geheim gehalten.

Maren Gottschalk ist zu Gast bei Martin Herzog und Marko Rösseler. Sie hat über Marga von Etzdorf ein WDR-Zeitzeichen gemacht und hat sich deshalb auf die Spuren der Flug-Pionierin begeben. Marga von Etzdorf war die erste Frau, die auf Linienflügen der Luft Hansa (ja, die schrieb sich damals noch in zwei Worten) als Co-Pilotin fliegen durfte. Aber das reichte ihr nicht. Sie perfektionierte den Looping und das "Auf dem Kopf"-Fliegen. Auch das war ihr nicht genug. Sie wollte hoch - aber vor allem weit hinaus, so weit wie zuvor noch keine andere Frau per Flugzeug. Ihre kleine zweisitzige Junkers A50 ließ sie knallgelb anstreichen und taufte sie auf den Namen "Kiek in die Welt". Zusammen mit ihr gelang der Flug von Berlin nach Tokio. Leider nicht mehr zurück - und weil sie während ihrer zahlreichen Rekord-Strecken-Abenteuer mehrere Flieger verschlissen hat, genoss sie bald den zweifelhaften Ruf der "Pechmarie" und Bruchpilotin. Aber war das der Grund, weshalb sie sich nach einer eher harmlosen Bruchlandung in Aleppo selbst tötete?

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Wichtige Links zu dieser Folge:

Als Expertinnen in dieser Folge kommen zu Wort:

Evelyn Crellin vom National Air and Space Museum in Washington - bitte hier entlang.

Heike Käferle, Präsidentin der Vereinigung Deutscher Pilotinnen e.V. - zu deren Homepage geht es hier entlang.

Zum Zeitzeichen von Maren Gottschalk: "Todestag der Flugpionierin Marga von Etzdorf - 28. Mai 1933" bitte hier entlang.

Und wenn ihr wissen wollt, was Maren Gottschalk noch so treibt - hier geht es zu ihrem Internet-Auftritt.

Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher: Flug-Pionierin Marga von Etzdorf

00:00:03: Martin Ach, herrlich, dieses Gefühl in den Wolken über allem zu schweben. Super!

00:00:09: Marko Und ein wunderbarer Ausblick. Wir sind auf dem Weg. Wohin?

00:00:12: Martin Nach Tokio geht es heute.

00:00:14: Marko Und Gott sei Dank: Wir würden uns ja verfliegen in dieser kleinen Kiste. Wir haben eine Begleiterin dabei. Hallo, Maren.

00:00:21: Maren Ich bin nicht die Stewardess, will ich gleich mal sagen. Es gibt keine Getränke.

00:00:25: Marko Du bist Pilotin.

00:00:26: Martin Dafür ist die Kiste auch viel zu klein, in der wir hier herumfliegen.

00:00:30: Marko Aber heute geht es um Frauen, die fliegen. Herzlich willkommen bei...

00:00:33: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:50: Martin Heute geht es in luftige Höhen, aber vorher müssen wir erst noch mal zurück aufs Wasser. Da war man nämlich das letzte Mal unterwegs. Und der Herr Rösseler muss Abbitte leisten.

00:00:58: Marko Ich werde es nie wieder falsch sagen. Ich sage: Mary Celeste.

00:01:05: Martin So ist nämlich richtig.

00:01:08: Marko Mary Celeste.

00:01:08: Martijn Nochmal.

00:01:08: Marko Celeste. Genauso wie man auch nicht Cessna sagt, sondern Cessna.

00:01:14: Martin So sieht es aus. Jawoll! Darauf allerdings hat uns ein aufmerksamer Hörer hingewiesen, und zwar völlig zu Recht. Und deswegen wollen wir jetzt und für alle Zeiten bekennen: Wir werden in jeder Folge, die wir über dieses Geisterschiff noch einmal machen werden, werden wir es das auf jeden Fall richtig aussprechen.

00:01:32: Marko Also vielen Dank für diesen Hinweis. Wir freuen uns auch, wenn wir Fehler machen, wenn ihr uns schreibt, denn das ist wichtig.

00:01:38: Martin Genau. Schreiben, Kommentare hinterlassen und vor allen Dingen auch Bewertungen hinterlassen auf den Plattformen, auf denen ihr unterwegs seid: Bei Spotify oder bei Google oder wo auch immer ihr den Podcast abruft: Die Geschichtsmacher - hinterlasst uns bitte Sternchen, wenn euch dieser Podcast gefällt. Das hilft dann nämlich dem Algorithmus weiter, das anderen Leuten auch vorzuschlagen. Und dann haben wir mehr Zuhörer und wir können noch viele weitere Folgen von diesem Podcast produzieren.

00:02:02: Marko Wir wollen, dass unsere Hörerzahlen richtig abheben. Und wenn wir beim Abheben sind, dann gucke ich meine sehr verehrte Kollegin waren Gottschalk an. Maren: Du bist zuständig wenn das Zeitzeichen abheben soll. Immer dann, wenn Frauen fliegen, steigst du mit ins Cockpit.

00:02:22: Maren Wenn nicht der Martin Herzog da schon sitzt, weil der ja eigentlich die meisten Flug-Themen abgreift.

00:02:28: Marko Warum? Ja, warum ist das so? Bei den letzten beiden Folgen hat er gesagt: Ja, der Marko hat sich da wieder gemeldet, weil der segelt ja auch. Ja, stimmt, es ist mein Hobby. Und er - er fliegt.

00:02:39: Maren Und der Martin fliegt. Ich fliege nicht.

00:02:40: Marko Er macht Segelflug.

00:02:41: Martin Im Segelflieger bin ich unterwegs. Also nicht mit Motor wie jetzt am Anfang, sondern lautlos. Und wir sagen immer: Wir haben keinen Motor vorne dran. Und weil kein Motor vorne dran ist und kein Propeller, da kann auch nichts kaputt gehen. Und deswegen ist das mit dem Segelfliegen eine viel sicherere Sache.

00:02:56: Maren Hahaha, kann ich da nur sagen. Ich lebe nämlich neben so einem Flughafen und bei mir ist tatsächlich schon ein Segelflieger aufs Haus gekracht und ich war da mit meinem Sohn. Und wir hatten gerade einen Schreibtisch aufgestellt von Ikea, vier Beine rein geschraubt und eine Tischplatte.

00:03:14: Marko Kann man nicht so viel verkehrt machen.

00:03:15: Maren Nee. Wir gingen die Treppe runter, es kracht unheimlich laut und ich sage zum Felix: Scheiß Ikea, gerade zusammengebaut, schon kaputt. Aber es war tatsächlich nicht der Schreibtisch. Das war ein Segelflieger, der sich verschätzt hatte oder Pech hatte - Unfall - ich will ja gar nicht jemanden. Also, es ist jedenfalls passiert.

00:03:35: Martin Unglaublich. Der ist ins Dach rein oder aufs Dach drauf...

00:03:37: Maren In das Dach rein - mit dem Flügel in das Dach rein, aber nicht sehr tief, aber dann runtergerutscht. Deswegen war das auch ein sehr lautes, ein sehr langes Geräusch. Und als wir dann aus dem Haus kamen, war er eben gerade dabei auszusteigen aus seiner Maschine, die die Flügel so hochgeklappt hatte, zwischen Garage und Haus.

00:03:53: Martin Dem ist nichts passiert?

00:03:54: Maren Dem ist nichts passiert, der ist einfach ausgestiegen. Er hatte sich schon erschreckt. Natürlich. Und er musste auch abends gleich wieder fliegen, hat mir der Flughafen erzählt. Damit - wie bei Pferden - wenn man runterfällt, muss man gleich wieder rauf.

00:04:05: Martin Genau, ja.

00:04:06: Maren Damit sich da keine Phobie entwickelt oder so was. Das war eine ziemlich aufregende Sache. Also seitdem kennen mich alle Leute in der Siedlung. Und ihr seid doch die, wo der Segelflieger reingekracht ist.

00:04:16: Martin Et hett nochma jot jejange. Ach, du lieber Himmel.

00:04:19: Marko Und seitdem machst du alle Flugthemen, die der Kollege Herzog nicht kriegt.

00:04:23: Maren Nein, ich wähle mir die schon mit spitzen Fingern aus - nur die, auf die ich Lust habe. Und auf dieses Thema hatte ich wirklich richtig Lust. Das fand ich sehr spannend.

00:04:29: Marko Wir haben es noch gar nicht verraten. Es geht um eine Frau, die fliegt.

00:04:32: Maren Genau - Marga von Etzdorf, eine Flug-Pionierin. Eine wirklich sehr, sehr spannende Frau. Und wenn wir jetzt einsteigen gleich, dann würde ich mal sagen, das was wirklich irre ist an dieser Geschichte, ist ja das Ende. Und das würde ich mal gerne als erstes erzählen.

00:04:47: Marko Wir fangen am Ende an.

00:04:49: Maren Ja, wir fangen am Ende an, aber wir verraten noch nicht alles. Aber wir fangen mal so ein bisschen kurz vor dem Ende vielleicht an. Marga von Etzdorf hat sich nämlich mit 25 Jahren umgebracht. Nach einer Bruchlandung oder einer kleinen Bruchlandung, einem kleinen Unfall in Aleppo. 1933.

00:05:02: Martin Aleppo - Syrien?

00:05:05: Maren Genau - stand unter französischem Mandat damals. Sie war auf dem Weg nach Australien. Natürlich kann man da nicht durchfliegen, da muss man schon auch von Berlin aus ein paar Stopps machen. Und in Aleppo hat sie einen Anfängerfehler gemacht. Sie ist mit dem Wind gelandet, statt gegen den Wind. Sie hat wohl das Lande-Kreuz nicht richtig gesehen. Es war Wüstensand unterwegs, sie hat sich irgendwie vertan und sie musste die Maschine dann sehr schnell auf den Boden drücken, weil die Landebahn dann schon fast zu Ende war. Und dabei ist sie in einen Graben gerutscht. Die Maschine war beschädigt, aber nicht sehr, aber doch so, dass sie nicht direkt weiterfliegen konnte. Das war klar. Die französischen Soldaten haben sie natürlich sofort da unterstützt. Haben den Schaden begutachtet. Haben sie mitgenommen in das Flughafengebäude. Sie war schon ein bisschen fertig und hat noch einen Kaffee gekriegt, eine Zigarette geraucht, wollte dann eine halbe Stunde ruhen, hat sich in ein Zimmer zurückgezogen und 23 Minuten nach ihrer Landung sozusagen hat sie sich erschossen.

00:06:04: Marko Weiß man warum? Weil...

00:06:05: Martihn Die Landung kann es ja nicht gewesen sein.

00:06:06: Marko Die Bruchlandung hat sie ja nun überlebt...

00:06:09: Maren Wir verraten auch am Ende warum. Aber man hat lange gerätselt, warum. Und die erste Theorie war die, dass man sagte: Ja, die Margot von Etzdorf, die hat tatsächlich öfters Bruchlandungen gemacht. Die galt sogar schon als Pechmarie, so ein bisschen in der Fliegerinnen-Szene. Und sie hat sich so geschämt, dass sie jetzt schon wieder mit ihrer Maschine einen Schaden hatte und das reparieren lassen muss, dass sie sich aus dieser Scham erschossen hat, das hat man sehr lange geglaubt.

00:06:35: Martin Aber so war es nicht.

00:06:36: Maren Aber so war es nicht. Aber das verraten wir erst am Ende.

00:06:38: Marko Wenn ihr bis zum Ende dranbleibt und diesem Podcast gut folgt, so könnt ihr auch diesmal wieder etwas...

00:06:44: Martin Gewinnen. Jawoll. Und was? Du hast uns was mitgebracht, was wir verlosen können.

00:06:50: Maren Genau. Ich habe ein Buch mitgebracht. "Halbschatten" von Uwe Timm - ist ein Roman über Marga von Etzdorf. Ein sehr tolles Buch. Das gibt es nicht mehr. Das musste ich auch antiquarisch kaufen. Deswegen ist es gebraucht sozusagen - nicht nigelnagelneu.

00:07:03: Martin Aber du willst dich davon trennen?

00:07:06: Maren Ich werde mir das vom Herzen reißen, ja, mein Exemplar. Ich habe tatsächlich an einer Stelle auch was unterstrichen, ganz am Anfang, später nicht mehr, weil ich es dann einfach schnell lesen wollte. Und ich würde es mir jetzt wirklich vom Herzen reißen, wenn es jemand gerne haben möchte, ja.

00:07:16: Martin Also gut, zuhören bis zum Ende, dann stellen wir eine Frage und wer gut zugehört hat, der hat die Möglichkeit, dieses nicht mehr im Buchhandel erhältliche Buch über das Leben, diesen Roman über das Leben von Marga von Etzdorf zu gewinnen. In welcher Zeit, das haben wir noch gar nicht gesagt, bewegen wir uns denn eigentlich? Du hast gesagt Flug-Pionierin. Also es muss irgendwann in der Anfangszeit der Fliegerei gewesen sein.

00:07:40: Maren 1907 ist sie geboren, 1933 ist sie gestorben. Und ich denke, wir sollten als erstes Evelyn Crellin hören, eine Luftfahrt-Historikerin, die sich mit Marga von Etzdorf sehr intensiv beschäftigt hat und die auch diese ganze rätselhafte Geschichte am Ende aufgedeckt hat.

00:07:56: Evelyn Crellin Ich bin Luftfahrt Historikerin mit besonderem Interesse an den menschlichen Aspekten dieser eigentlich so technischen Geschichte. Und das hat mich also auch zu der Beschäftigung mit den deutschen Sport-Fliegerinnen der Zwischenkriegsjahre geführt. Wenn man die zeitgenössischen Artikel liest aus den späten 20er, frühen 30er Jahren und vor allem auch Margas Autobiographie, dann versteht man sehr schnell, wie leidenschaftlich sie geflogen ist und wie erstaunlich ihre gerade sieben Jahre umfassende Karriere war. Allein schon der Fakt, dass es ihr gelungen ist, also als einzige Frau jemals überhaupt zu dieser Zeit eine Anstellung als zweiter Führer, also als Copilotin bei der Luft Hansa, zu erreichen, das war sensationell.

00:08:42: Marko Wir befinden uns in den 20er Jahren. Dass Kerle fliegen, daran hat man sich schon gewöhnt. Der Erste Weltkrieg wurde auch schon als Luftkrieg geführt. Aber Frauen in der Luft waren damals Exoten, Exotinnen?

00:08:55: Maren Ja, genau. Das war sehr ungewöhnlich. Und Marga von Etzdorf war auch tatsächlich eine sehr ungewöhnliche Frau, die auf ungewöhnlichem Weg auch zum Fliegen gekommen ist. Vielleicht mal kurz erzählen: 1907 in Spandau geboren. Sie hat mit vier Jahren ihre Eltern verloren und ist dann mit ihrer Schwester zusammen zu den Großeltern gezogen auf ein Gut in der Niederlausitz. Und die hatten noch ein Stadthaus in Berlin. Der Großvater war General von Etzdorf, also hieß eigentlich Wolff und hat sich dann später von Etzdorf, genannt.

00:09:24: Marko Wohlhabender Haushalt, so klingt das zumindest.

00:09:26: Martin Großbürgerlich.

00:09:27: Maren Genau. Und sie hat immer erzählt, sie ist sehr wild aufgewachsen, sehr sportlich - ist geritten, hat Hockey gespielt, gefochten und wusste dann nicht so richtig, was sie machen sollte eigentlich als sie dann erwachsen wurde. Und die Großmutter hat sie dann in so eine Haushalts- Schule geschickt, da hat sie sich dann selbst draus entlassen. Das hat ihr nicht gefallen. Und dann hat ihr ein Bekannter erzählt, er hätte einen Rundflug gewonnen über Berlin und da wollte der aber eigentlich nicht antreten, hatte keine Lust dazu. Und dann hat sie gesagt: Dann schenk mir doch diesen Gutschein, dann möchte ich das gerne machen. Und dieser Flug war dann tatsächlich der Moment für Marga Etzdorf, dass sie sagte: Ich will Pilotin werden.

00:10:03: Marko Da war sie gefixt.

00:10:04: Maren Da war sie mit 19 Jahren absolut sicher, dass das ihr Ding ist. Ihre Großeltern waren absolut dagegen, entsetzt, schockiert, haben es ihr dann aber doch erlaubt. Und dann hat sie eben in vier Monaten diese erste Ausbildung gemacht und eine A2 Flug-Lizenz gemacht. Die zweite Frau nach dem ersten Weltkrieg, die diese Lizenz hatte, mit der sie noch keine Passagiere befördern durfte. Aber den Flugschein hat sie dann auch gemacht, musste dann allerdings ganz alleine für die Prüfung lernen, weil sie in der deutschen Verkehrs-Flieger-Schule als Frau gar nicht unterrichtet werden durfte.

00:10:35: Marko Aber es geht sehr schnell. Drei Monate und ich darf fliegen.

00:10:38: Maren Vier Monate.

00:10:39: Marko Da macht man heute den Autoführerschein, ne...

00:10:42: Maren Absolut.

00:10:42: Martin Ach, das geht heute auch in einer entsprechenden Geschwindigkeit. Muss man halt dann dafür bezahlen und fleißig fliegen. Und ich glaube fleißig ist sie dann auch wahrscheinlich gewesen in ihrer Fliegerei. Aber ich meine alleine lernen. Es gibt bei der Fliegerei - ich weiß nicht wie umfangreich das damals war - auch eine Menge Theorie auch zu lernen. Wie funktioniert das mit dem Fliegen, die Technik, die Navigation, Meteorologie, all solche Sachen und das dann alles für sich selber auch noch zu lernen, ohne da die Möglichkeit zu haben, am Unterricht teilzunehmen, das ist schon ein Ding.

00:11:09: Maren Ja, das hat mir geholfen. Frauen durften da nicht lernen, durften nicht in den Unterricht. Und sie hat dann alleine vor fünf Prüfern drei Stunden lang ihre Prüfung abgelegt und mit Bravour bestanden und hat sich dann beworben bei der Luft Hansa als Copilotin. Und da gab es auch noch keine Copilotin bei der Lufthansa, Also Pilotin sowieso nicht. Aber es gab auch keine Copilotin. Und da hat sie dann selber in ihrer Autobiografie erzählt, da bis jetzt bei der Luft Hansa, das ist ja auch in zwei Worten Luft Hansa....

00:11:43: Marko Die Luft Hansa.

00:11:44: Maren Genau - noch niemals eine Frau als Flugzeugführerin eingestellt worden war, begegnete ich zunächst etwas erstaunten Gesichtern bei den Herren, denen ich meine Bitte vortrug. Aber als zweiter Führer konnte ja selbst eine Frau kein Unheil anrichten. Dieser Überlegung verschloss man sich nicht, und ich bekam die Erlaubnis.

00:12:00: Martin Ist ja irre. Sie hat das in ihrer Biographie geschrieben oder Autobiografie und ja offensichtlich auch eine Menge Humor gehabt.

00:12:09: Maren Den muss man, glaube ich, auch haben, wenn man in der Branche als Frau damals unterwegs war.

00:12:14: Martin Wenn man auf dieses Foto von ihr guckt: Es ist es eine junge, schlanke, sehr gut aussehende Frau. Die sieht aus wie man mit so einem Flieger zusammen. Das ist ja quasi wie ein Symbol, kein Sexsymbol, sondern so die aufgeklärte, starke Frau mit einem Lächeln eben so einem Flugzeug - hat was, sage ich mal.

00:12:35: Maren Ja, das wurde ja später noch viel mehr. Diese Fliegerinnen, die hatten ja so einen richtigen Glamour-Status. Also das kommt vielleicht noch ein bisschen später, den hat sie sicherlich noch nicht ausgepackt, als sie Copilotin bei der Luft Hansa sein wollte.

00:12:47: Marko Aber man kann es verstehen.

00:12:48: Maren Aber ja, da muss man ein bisschen draufgängerisch sein. Schon, auf jeden Fall, sehr selbstbewusst, mutig. Sie hat auch erzählt, dass so Maschine ist sie geflogen, Junkers F 13, da waren vier Passagiere in der Kabine. Sie saß vorne mit dem Piloten frei, oben offen. Und wenn die Passagiere sich hinterher bedankt haben für den Flug, das machte man da noch persönlich bei dem Piloten und beim Copiloten, bei den Herren für diesen tollen Flug, dann hat sie immer gesagt, dann hat sie mit so einer tiefen Stimme - und die war ja auch so vermummt mit Kappe und Brille - ja, ja, und sich so bedankt oder nur so geräuspert, damit man nicht merkt, dass sie eine Frau ist.

00:13:26: Marko Also sie hat sich wirklich versteckt als Frau.

00:13:29: Maren Ja, genau.

00:13:30: Marko Also es war nicht so dieses irgendwie: Ich bin eine Frau, ich will das trotzdem. Sondern ich bin eine Frau. Ich schummel mich irgendwie durch, dass ich als Kerl gelte.

00:13:37: Maren Ne, das würde ich nicht sagen. Schon: Ich bin eine Frau. Und ich will das trotzdem. Aber ich bin stolz, wenn die mich loben. Und ich muss jetzt aber nicht schon gleich sagen: Hahaha, ich bin übrigens eine Frau gewesen. Also der Schritt der kommt erst später, sondern sie hat dann sozusagen noch gedacht: Guck an, die loben mich und wissen gar nicht, wer ich eigentlich bin.

00:13:57: Martin Aber wie muss man sich das vorstellen? Sie ist Copilotin gewesen in dieser Junkers F 13, das ist auch so ein so ein Wellblech-Flieger, wie man die später... viele kennen vielleicht die Ju 52, die alte Tante Ju, die hier auch vor ein paar Jahren noch immer über Köln gekreist ist.

00:14:11: Marko Die ist aber relativ groß, da passen ja mehr als vier Leute rein.

00:14:14: Martin Ja, ja, genau, das war auch eine drei-motorige, und das war eine ein-motorige Maschine. Aber in diesem lustigen Wellblech-Design, was man so kennt. Und da saßen die eben vorne im Freien und dann ist die auch so richtig im Linien-Betrieb geflogen? Also wo hin, wo von wo nach wo ist man so geflogen?

00:14:28: Maren Die sind geflogen von Berlin nach Breslau und von Berlin nach Stuttgart und nach Basel. Das waren die Strecken, die Marga von Etzdorf mitgeflogen ist oder als Copilotin begleitet hat. Sie hat dann noch eine Ausbildung als Kunst-Fliegerin gemacht.

00:14:41: Marko Hat ihr nicht gereicht.

00:14:42: Maren Hat ihr nicht gericht als Copilotin, genau. Dann war sie Kunstfliegerin und da waren ihre Spezialitäten Loopings und Rückenflug. Und bei ihrem ersten Rückenflug, da hat sie doch echtes Muffensausen gekriegt, weil sie merkte, sie hatte sich nicht gut genug angeschnallt, nicht fest genug angeschnallt und rutschte dann in den Gurten etwas nach unten. Die Gurte rutschten runter auf ihre Unterarme, sozusagen.

00:15:03: Martin Und das Herz in die Hose wahrscheinlich.

00:15:04: Maren Das Herz in die Hose, wahrscheinlich. Und dann ist man ja auch nicht mehr so wahnsinnig beweglich mit den Armen. Und da hat sie mal so richtig Schiss gekriegt. Aber sie konnte die Situation retten. Segelflug-Ausbildung hat sie dann auch noch gemacht. Marga von Etzdorf hat das dann auch beschrieben in ihrer Autobiografie. "Und dann kam der große Augenblick, der erste Allein-Flug. Ich glaube, dass es wirklich im Leben eines Fliegers kaum einen größeren und spannenderen Moment gibt. Wenn man dann wirklich so weit ist und plötzlich allein in der Maschine sitzt, einsam sich selbst zwischen Himmel und Erde überlassen, dann ist das doch ein etwas seltsames Gefühl." Und wie sich das anfühlt, habe ich dann Heike Käferle gefragt. Das ist die Vorsitzende der Vereinigung Deutscher Pilotinnen, also heute, und die hat mir das auch beschrieben.

00:15:48: Heike Käferle Ich denke, das kann jede Pilotin und jeder Pilot. Das ist einfach schon alleine gelassen zu werden, ohne dass einer neben einem sitzt und notfalls noch eingreifen kann. Das ist schon also sehr beeindruckend. Und das erlebt man ja dann irgendwann mal, man nennt es ja freifliegen. Und das kommt dann nach einer gewissen Anzahl von Flugstunden und das vergisst man nicht.

00:16:13: Marko Da kann der Martin auch was zu sagen.

00:16:14: Martin Ja, ja, das ist schon richtig, das vergisst man nicht.

00:16:16: Maren Erster Alleinflug - weißt du noch, wie das war.

00:16:18: Martin Ja, natürlich. Ich war 15 Jahre alt. Segelfliegen kann man sehr früh anfangen mit 14, manchmal sogar mit 13, mit einer Ausnahmegenehmigung. Und wenn man dann so eine ganze Reihe von Starts am Doppel-Steuer, wie das so heißt, gemacht hat, also mit Fluglehrer hintendrin, dann darf man irgendwann auch, wenn sich die Fluglehrer, die man so hat, einig sind und sagen: Okay, der Junge kann das oder das Mädel, dann darf man zum ersten Mal alleine fliegen. Und das ist also noch weit, bevor man den Pilotenschein bekommt. Also das steht am Anfang, relativ am Anfang der Ausbildung. Dann darf man schon alleine fliegen und so ein Flugzeug selber steuern. Und ich kann mich gut daran erinnern. Ich war 15 Jahre alt und es war am Ende eines Flugtages. Das macht man so, wenn der Wind nachgelassen hat und alles ruhig ist und nicht mehr so viel Betrieb am Flugplatz. Dann darf dann der Held oder die Heldin dann auch mal ihren ersten Allein-Flug machen. Und das ist nicht nur einer, sondern drei. Man muss auch drei Starts machen beim Segelflug.

00:17:06: Maren Am selben Tag?

00:17:06: Martin Am selben Tag - hintereinander weg. Und kann ich mich noch sehr gut dran erinnern, weil den dritten Start, da... Ich habe angefangen zu pfeifen und habe angefangen zu singen, als ich da alleine in der Luft war und ich habe sogar noch so ein bisschen Thermik, Abend-Thermik gefunden und konnte mich so ein bisschen halten, so 25 Minuten, 30 Minuten. Die haben unten gedacht, der Junge kommt gar nicht mehr runter. Und dann bin ich aber dann doch irgendwann natürlich gelandet. Ist auch alles gut gegangen. Und im Segelflug hat man da noch die Tradition gehabt, dass man erstens mit einem Distel-Strauß begrüßt wird. Der wird einem dann kräftig in die Hand gedrückt, damit man dann in der Hand das Gefühl für das Steuern des Flugzeuges kriegt, für den Steuerknüppel. Und anschließend wurde man über die Tragfläche gelegt und ordentlich vertrimmt. Da wurde der Hosenboden langgezogen, und dann kriegte man Haue - von jedem einen Schlag auf den Hintern - damit man da auch das Gefühl im Hintern bekommt für die Thermik. Das muss man nämlich spüren im Hintern. So war damals die Regel. Ich glaube, heute macht man das nicht mehr. Das ist komplett abgeschafft. Ja, das, das, das gibt es glaube ich seit einigen Jahren nicht mehr. Damals war das noch rauhe Sitte. Ja, aber man war natürlich stolz, dass man es geschafft hat. Ich war war mega stolz.

00:18:17: Maren Männerbünde kann ich da nur sagen.

00:18:19: Martin Die Mädels wurden auch über die Tragflächen gelegt.

00:18:23: Marko Martin war in einem SM-Club, der SM-Club Märzbrück.

00:18:27: Martin Der SM Flieger-Club war das. Ja, genau.

00:18:28: Marko Ich weiß, ich weiß, ich habe keine Ahnung. Aber machen heute eigentlich Frauen auch genauso oft den Flugschein wie wie das die Kerle machen?

00:18:35: Martin Ich kann es bei den Motor-Fliegern nicht sagen. Ich glaube da ist die, die der Anteil, ist der Anteil höher...

00:18:40: Marko Ist immer noch eine Männerdomäne.

00:18:41: Martin Es ist eine Männerdomäne. Es fangen relativ viele Mädels an, es fangen gleich viele Mädels an, die Ausbildung im Alter von 14, 15 Jahren. Aber es springen dann im Laufe der Zeit halt leider, leider sehr viele ab und dann bleiben am Ende vielleicht 10 %, 15 % übrig oder so was. Es ist viel zu wenig.

00:18:58: Maren Aber diese Vereinigung der Pilotinnen. Die kümmern sich auch darum um den Nachwuchs. Sie wollen wirklich Frauen dazu ermutigen, doch auch das Fliegen zu lernen. Frau Käferle hatte mich auch am Ende unseres Interviews gefragt: Wann fliegen Sie, Frau Gottschalk? Da konnte ich ja noch keinen keinen Zeitpunkt nennen. Also ich weiß noch nicht so richtig. Ich bin ja mehr so ein Erden Wesen, nicht so ein Luft-Wesen. Ich bin ja mehr die Tänzerin.

00:19:19: Marko Vielleicht zurück in die 20er Jahre...

00:19:19: Maren Gehen wir mal wieder zurück zu Marga von Etzdorf, genau...

00:19:23: Marko In die Zeit, als es noch, noch weniger Frauen gab, die abgehoben sind.

00:19:25: Maren ...noch weniger, genau. Und ihr hat das alles nicht mehr gereicht. Das Segelfliegen, diese Copiloten, der Job, das Kunstfliegen, sie wollte Langstreckenflüge machen. Aber erst mal brauchte sie eine eigene Maschine. 1930 hat sie dann mit dem Vermögen, was sie von ihren Eltern geerbt hatte und Unterstützung der Großeltern immerhin, sich also ihre erste Maschine gekauft. Junkers A 50 C junior.

00:19:51: Marko Das sagt uns mal nix.

00:19:51: Maren Die haben wir hier auch. Ich habe euch die hier mal mitgebracht. Die sieht wirklich echt schön aus.

00:19:55: Martin Schönes Flugzeug.

00:19:57: Maren Auch diese Wellblech-Struktur und die hat sie knallgelb spritzen lassen und ihr den Namen "Kiek in die Welt" gegeben.

00:20:05: Martin "Kiek in die Welt"...

00:20:06: Marko "Kiek in die Welt" - das beschreibt ja schon den Zweck dieses Dings. Sie will sich die Welt angucken von oben.

00:20:12: Maren Genau.

00:20:12: Marko Wenn man sich dieses Flugzeug anguckt, das hier steht wahrscheinlich in München, sieht so aus, als wäre das in München. Ist das...

00:20:19: Martin Wahrscheinlich, Deutsches Museum, kann gut sein.

00:20:19: Maren Deutsches Museum

00:20:22: Marko Dann sieht das aus: Der Rumpf wie eine langgezogene, sehr elegant geformte Zigarre mit zwei Luken drin, wo man drin sitzt. Vorne ist ein kleine Scheibe, aber wirklich nur die Andeutung einer Scheibe, die an meinem Motorrad ist größer. Dann gibt es die Unterscheidung zwischen Hochdecker und...

00:20:37: Martin Tiefdecker.

00:20:39: Marko Tiefdecker: Das heißt die Flügel sind unterhalb des Rumpfes angebracht. Das Ganze sieht sehr archaisch, aber auch gleichzeitig sehr elegant aus, muss ich sagen, mit so einem Stern-Motor vorne und einem Fahrwerk, was man, glaub ich, nicht einziehen kann, sondern das ist offenbar fest montiert.

00:20:54: Martin Das gab es damals auch noch nicht so richtig. Einzieh-Fahrwerke sind erst später gekommen. Aber - kleine Anekdote am Rande: Genau dieses Flugzeug wird inzwischen wieder gebaut. Das ist also eine Konstruktion aus den 20er Jahren. Und seit 2021 gibt es das wieder. Wird nachgebaut und es fliegt auch wieder - natürlich mit eine moderneren Motor und modernere Instrumente. Aber im Prinzip ist es genau dieses Flugzeug, weil es auch einfach... Es ist einfach ein schönes Flugzeug, muss man sagen. Ist wirklich sehr schön.

00:21:19: Marko Aber wenn es regnet wird man nass.

00:21:21: Martin Ja.

00:21:21: Maren Ja, auf jeden Fall. Die Heike Käferle hat mir das auch sehr schön beschrieben, finde ich. Sie hat auch ein tolles Bild dafür gefunden. Ich finde, das sollten wir uns mal anhören.

00:21:28: Heike Käferle Also die meisten Flugzeuge damals waren offen. Also es sieht aus wie so eine kleine Rakete mit zwei Löchern drin. Sehr stromlinienförmig, Aber im Endeffekt ist es auch, wie ich sage jetzt mal ein Motorrad in der Luft, ja. Man ist da frei oben, ist im Endeffekt dem Wetter ausgesetzt, man ist auch der Sonne ausgesetzt. Es war ja ein Tiefdecker, es war ja kein Doppeldecker. Also da gab es überhaupt nichts was Schatten gespendet hat und da musste man sich dann auch gut schützen gegen die Sonne. Also Sonnencreme gab es auch nicht so. Konnte man sich dick irgendeine Fett-Creme aufs Gesicht schmieren, vielleicht noch ein bisschen Tücher draufkleben, damit das Gesicht nicht verbrennt.

00:22:12: Martin Ja, aber alles im Offenen, im Freien. Und das war kein Zufall. Also am Anfang ging es nicht anders, aber später war es dann tatsächlich so, dass man auch als es möglich war, dass man die Piloten in ein voll verglastes Cockpit gesetzt hätte, hat man es erst mal ne ganze Weile nicht gemacht, weil man gesagt hat: Nein, der Pilot, der muss den Elementen ausgesetzt werden, er muss die Elemente spüren und muss dann eben die Sonne und den Wind und den Regen auf der Haut spüren. Sonst kann er das Flugzeug nicht richtig fliegen. Das war so damals der Glaube. Und dann hat man irgendwann festgestellt, nö, es geht auch ohne. Aber als Marge von Etzodrf eben da auch bei der Luft Hansa und dann eben auch später mit dieser Junkers geflogen ist, da war eben noch alles offen.

00:22:54: Maren Ja, man sieht das auch auf den Fotos sehr cool, wie die da, diese Kappe, die sie da anhatte, diese ganz enge Flieger-Kappe, mephistophelisch sagte die Frau Crellin einmal, und dann diese Lederjacke oder dieser große Anzug, dieser Overall praktisch. Man musste sich dann ja auch schön warm anziehen da oben. Und Marga wollte jetzt auf jeden Fall was Neues machen. Sie wollte Langstreckenflüge unternehmen.

00:23:16: Marko Was heißt das denn? Langstreckenflüge unternehmen?

00:23:17: Maren Also Istanbul zum Beispiel von Berlin aus, ist ja schon eine ganze Ecke entfernt.

00:23:23: Marko Aber nicht mit Passagieren.

00:23:24: Maren Nein, nicht mit Passagieren. Sie wollte einfach da hinfliegen. Sie wollte einfach weite Flüge machen und damit konnte man Geld verdienen, denn man konnte Werbung damit machen für dieses Flugzeug oder auch für andere Firmen, die sagten: Ach, wir sponsern das und dann fliegt die da jetzt irgendwie hin.

00:23:42: Martin Das heißt, Junkers zum Beispiel hat gesagt: Prima, wenn du da mit unserem Flieger hin fliegst, dann unterstützen wir das, weil das dann zeigt, wie toll unser Flugzeug ist.

00:23:51: Maren Genau. Also man wollte zeigen, wie gut diese Maschinen sind, was die Maschinen leisten können. Und für die Pilotin war das natürlich immer so, diese Ambivalenz. Auf der einen Seite standen sie dafür, dass Fliegen so leicht ist, dass es sogar Frauen können, und auf der anderen Seite wollten sie dafür stehen, für dieses Abenteuer. Also das sieht man auch, die mussten ja auch ihre Maschinen reparieren unterwegs alleine. Also dass sie sozusagen so cool drauf waren, dass sie da diese verschiedenen Gefahren bestehen konnten. Und sie ist also nach Istanbul geflogen, hatte da mehrere Notlandung auch wegen Motor-Problemen und vor allem das Problem, dass ihre Benzin-Tanks zu klein waren und sie sehr oft tanken musste. Hatte da auch noch einen Begleiter dabei.

00:24:31: Martin Das wollte ich fragen, weil das das "Kiek in die Luft" so hieß er ja. "Kiek in die Luft" diese Junkers war so ein Zweisitziges Flugzeug.

00:24:38: Maren Da hatte sie einmal jemanden dabei und...

00:24:40: Martin War ein Techniker oder was?

00:24:41: Maren Das war ein Kollege, auch ein Sport-Flieger. Und dann wollte sie aber dann in den ersten Weiten Alleinflug machen. Da ist sie dann auch 1930 über Madrid nach Gran Canaria geflogen und da angekommen. Dann war das natürlich eine Riesensache. Man hat der Presse vorher Bescheid gesagt, die haben die da erwartet. Dann kommt da also diese deutsche Fliegerin auf dem Flughafen an, alle sind begeistert...

00:25:01: Marko Mit so einem schicken gelben Teil...

00:25:03: Maren Mit so einem super tollen Flugzeug. Eine junge, schöne Frau wird mit Blumen begrüßt. Alles ganz, ganz toll. Nur auf dem Rückflug gab es dann eben leider dort schon die erste kleine Bruchlandung. Sie kam in ein Gewitter, sie musste auf Sizilien zwischenlanden. Am nächsten Tag ist sie gestartet, hat dann eine Mauer gerammt und dann war die Maschine so kaputt "Kiek in die Welt", dass sie mit der Eisenbahn, also sowohl die Pilotin als auch die Maschine, mit Eisenbahn zurückkamen. Und das war natürlich sehr traurig.

00:25:32: Marko Das heißt, diese Langstreckenflüge sind nicht so, ich setz diesen, mein "Kiek in die Luft" und dann starte ich, weiß ich, in Berlin und dann lande ich in Istanbul, sondern ich muss über mehrere Zwischenstationen mehrfach zwischenlanden und dann irgendwie gucken, dass ich da hinkomme.

00:25:50: Maren Ich muss tanken, ich muss vielleicht auch was reparieren.

00:25:53: Martin Die Flugzeuge zu der Zeit, die waren schon relativ zuverlässig, aber natürlich auch noch nicht so wie das heute der Fall ist. Das war...

00:26:00: Marko Also wenn man nach Istanbul will, wie oft muss man da landen?

00:26:05: Martin Ja, offensichtlich. Du hast gerade gesagt, die Tanks waren zu klein, also wahrscheinlich alle drei-, vierhundert Kilometer Luftlinie. Da sind schon bis Istanbul, ich weiß nicht, wie viel 1000 Kilometer das sind, aber da muss man schon eine Menge Zwischenstopps einlegen.

00:26:18: Maren Und warum die überhaupt diese Fernflüge gemacht hat. Also dass das sozusagen ihr neues, auch finanzielles Lebensmodell war, sozusagen damit Geld zu verdienen, das erzählt Frau Crellin sehr schön, finde ich.

00:26:28: Heike Käferle Für Frauen dieser Ära waren Fernflüge nach zumeist exotischen Zielen die einzige Möglichkeit, fliegerischer Betätigung. Da sie ja von einer Anstellung in der kommerziellen Luftfahrt nahezu vollständig ausgeschlossen waren. Also ab und zu gab es mal einen Job als Vorführ-Mannequin, also als Fliegerin bei einem Flugzeughersteller, wo man dann interessierten Kunden die Leistungen des Flugzeugs zeigen konnte. Aber diese Jobs waren so rar und wenn man wirklich unabhängig fliegen konnte, dann waren diese Fernflüge die einzige Option. Und mit deren erfolgreicher Absolvierung konnte man das Talent nachweisen und man hatte damit dann auch die Möglichkeit, mit den Flugzeug-Firmen wie zum Beispiel Junkers oder Klemm zusammenzuarbeiten, die einem Flugzeuge zur Verfügung stellten, vielleicht auch logistische Hilfe. Man konnte Werbeverträge abschließen, wie zum Beispiel für Hautcremes oder Fotoapparate. Elly Beinhorn hat das zum Beispiel sehr viel gemacht, und es gab natürlich dadurch dann auch die Möglichkeit, die nächsten fliegerischen Projekte zu finanzieren.

00:27:39: Martin Elly Beinhorn. Auch so eine Fliegerin?

00:27:42: Maren Ja, die war tatsächlich genauso alt, wie Marga von Etzdorf, ist im selben Jahr geboren, wurde allerdings 100 Jahre alt, nicht nur 25. Und die beiden waren... Ja, die kannten sich natürlich gut, sie waren irgendwie Freundinnen aber auch Konkurrentinnen. Auf die Konkurrenz kommen wir gleich vielleicht noch mal zu sprechen. Elly Beinhorn hat auch spektakuläre Langstreckenflüge gemacht, hatte weniger Bruchlandungen, galt nicht als Pechmarie, hat also so ein bisschen ein glücklicheres Leben gehabt. Und ich fand das sehr interessant: Die beiden wollten sich auch treffen in Bangkok mal, was da nicht geklappt hat und haben dann später gemeinsam ein Interview gegeben im Radio, im Rauch-Salon der Bremen, des Ozeandampfers Bremen wurden sie dann befragt. Und das war so ganz spannend, das zu hören, wie die beiden unheimlich nett miteinander umgingen. Schon so: Ach Elly, ach Marga, schön dich zu sehen. Ich bin so froh. Und gleichzeitig ist aber unterschwellig auch doch immer diese Konkurrenzsituation da, so ja, dass die Marga dann, bevor die Elly kam, noch sagte: Ja, die Elly hat ja nach mir das Fliegen gelernt und war zwei Jahre nach mir in Afrika und so.

00:28:50: Marko Also es war Zickenkrieg.

00:28:53: Maren Ja...

00:28:53: Marko Zickenkrieg in der Luft...

00:28:54: Maren So ein bisschen sagen wir mal mit Samthandschuhen, ein bisschen diese, diese Konkurrenz auch ein bisschen ausgelebt.

00:28:58: Martin Warum? Weil die so auf Wettbewerb ausgerichtet waren von der Persönlichkeit. Oder weil das einfach Notwendigkeit war? Weil die sich um die Werbeverträge, Sponsorenverträge prügeln mussten.

00:29:09: Maren Das erzählt Frau Crellin eigentlich sehr, sehr gut. Ich glaube, das sollten wir sie erzählen lassen.

00:29:13: Evelyn Crellin Deutschland hatte in den Zwischenkriegsjahren zwar wirklich nur eine gute Handvoll von Frauen, die wirklich zu fernen Zielen aufbrechen wollten oder in der Tat aufgebrochen sind. Aber diese Fernziele, die waren natürlich in ihrer Auswahl begrenzt. Es gab nur immer jeweils eine Fliegerin, die die erste sein konnte bei der Umrundung von Afrika, oder die die erste war, die nach Australien oder Japan geflogen ist. Für die zweite war da wirklich nichts mehr zu gewinnen. Der Druck, ein interessantes Ziel zu finden, dann den Flug dorthin zu organisieren und zu finanzieren, mit allen aufwendigen Vorbereitungen, die dafür notwendig waren und dann das Ziel tatsächlich auch als erste zu erreichen. Also dieser Druck war immens. Und nicht zu vergessen: Es waren ja nicht nur deutsche Fliegerinnen, die zu diesen exotischen Zielen aufgebrochen sind. Es waren also auch Fliegerinnen aus anderen europäischen Ländern, vor allem aus Frankreich und England. Und damit war natürlich die Existenz als als Sportfliegerin, als Fernfliegerin wirklich daran gebunden, dass man nahezu sich tollkühn auf Wagnisse eingelassen hat.

00:30:28: Maren Dieses tollkühne Einlassen von Marga von Etzdorf. war dann der Flug nach Tokio.

00:30:33: Marko Das war ihr großes, großes Ding. Warum Tokio?

00:30:37: Maren Das weiß ich nicht, wie sie auf Tokio kam. Das war sehr weit weg. Sie war auch die erste Frau, die alleine nach Tokio geflogen ist. Es gab eine Engländerin, die hat das auch vorher schon vorgehabt, ist aber nicht alleine geflogen, hatte jemanden dabei. Und sie ist eben ganz alleine geflogen. 10.000 Kilometer in elf Tagen.

00:30:57: Marko Jetzt muss man sich ja eine Riesen-Logistik dahinter vorstellen. Wahrscheinlich braucht man Ersatzteile irgendwo, die schickt man wahrscheinlich schon mal vor. Man überlegt sich wahrscheinlich vorher, wo man zwischenlanden will.

00:31:07: Maren Ja, man braucht Karten, man brauch Geld natürlich. Dann muss man überall so Überflugs- Genehmigungen einholen erst mal. Man muss sich in diesen Ländern ankündigen, wo man landen will, damit die Bescheid wissen.

00:31:19: Martin Es gab ja auch keinen Funk, wo man mal eben anfragen kann.

00:31:23: Maren Man musste vorher wahrscheinlich vieles telegrafieren, wahrscheinlich auch noch mit Post verschicken. Also es dauerte Monate, so etwas vorzubereiten. Das war wirklich eine Riesensache. Ja und dann ist sie irgendwann losgeflogen und musste dann auch notlanden. Natürlich. Aber das war relativ häufig so...

00:31:36: Marko Daran scheint sie sich ja zu gewöhnen.

00:31:37: Martin Man erkennt ein Muster, ja.

00:31:39: Maren Das erzählt, das erzählt eigentlich die Heike Käferle ganz gut, was eigentlich das Problem war bei der Navigation damals.

00:31:45: Heike Käferle Im Wesentlichen hatte man den Kompass. Ja heutzutage hat man GPS, das heißt, man musste sich am Boden orientieren, also Erd-Navigation betreiben. Das ist nicht so ganz einfach. Wenn man das noch nie gemacht hat, stellt man sich das einfacher vor als es ist. Es ist natürlich einfach, irgendwelche Flüsse entlang zu fliegen. Nur wenn dann mal große Gebiete ohne besondere Merkmale sind, kann es dann schon mal ein bisschen schwierig werden. Und früher hat sich jeder Flieger bestimmt mindestens einmal im Leben verflogen, ne.

00:32:17: Maren Ja und sie landet dann in der kirgisischen Steppe und muss ihren Motor reparieren. Das schafft sie auch. Und dann erzählt sie später im Radio...

00:32:25: Martin Da ist sie dann auch ganz alleine unterwegs?

00:32:26: Maren Da ist sie ganz allein unterwegs.

00:32:27: Martin Komplett allein unterwegs. Das heißt, sie muss alle Reparaturen dann auch selber machen. Sie muss wissen, wie das Ding funktioniert.

00:32:32: Maren Sie muss wissen, wie das funktioniert. Genau.

00:32:36: Marko In der Kirgisischen Steppe gibt es ja wahrscheinlich auch keinen Junkers-Vertreter, der sagt, guten Tag!

00:32:39: Maren Ja, auf gar keinen Fall. Sehr viele Kirgisen, die ihr dabei zugeschaut haben, und das hat sie eben später dann im Radio - und dazu hat man das ja auch gemacht, um hinterher Vorträge zu halten, Radio-Vorträge oder Artikel zu schreiben oder eben Vorträge vor Menschen, um damit Geld zu verdienen. Da hat sie dann aus diesen ganzen eigentlich traurigen Notlandungen tolle Geschichten gemacht. Also gerade diese kirgisische Steppe, die dann erzählte, wie die Menschen da in Fellen gekleidet, breit-knochige Gesichter, so beschreibt sie das, da vor ihr standen und ihr zugeguckt haben. Und aber sehr freundlich waren und sie natürlich mit denen nicht reden konnte. Der Journalist aber fragt dann: Ja, aber hatten sie denn keine Angst vor diesen Menschen? Sie konnten ja mit denen nicht reden. Und dann sagte sie: Nein, reden konnten wir nicht. Aber die internationale Sprache der Zeichensprache, die konnten wir natürlich miteinander. Also das wird unheimlich aufgebauscht, und das ist so eine große Sache.

00:33:33: Marko Also man muss sich das mal vorstellen. Also in der Fliegerei ist es ja möglich, Riesen-Distanzen zu überbrücken. Man kommt irgendwo an und die Menschen sehen schon mal komplett anders aus. Und das stelle ich mir schon seltsam vor in der kirgisischen Steppe zu landen.

00:33:44: Maren Für beide Seiten.

00:33:45: Martin Ja, die hatten wahrscheinlich noch nie ein Flugzeug gesehen. Das ist zu der Zeit noch überhaupt nicht selbstverständlich.

00:33:50: Maren Genau, die haben ihr dann zugeguckt und dann gab es das große Problem wieder zu starten, weil sie eben erklärte, bei ihrer Maschine war das so: Eigentlich müsste einer vorne den Propeller andrehen sozusagen, und sie dann den Kontakt einschalten und dann sagt sie so: Sie musste das alleine machen und dann sagte der Journalist so zu ihr: Ja, da mussten sie sich ja eigentlich zerreißen. Und sie: Ja, das hätte ich gemusst. Aber da ich das nicht konnte, musste ich wie ein geölter Blitz zwischen Propeller und Kontakt einschalten, hin und her flitzen, bis es dann geklappt hat.

00:34:20: Marko Sie hätte ja auch einem Kirgisen in netter Zeichensprache mal erklären können.

00:34:24: Maren Ja, vielleicht, aber das hat sie nicht gemacht.

00:34:26: Marko Dann wäre der vielleicht geschreddert worden.

00:34:26: Martin Also so ein Propeller anreißen, das ist auch nicht ganz leicht. Erstens. Man muss also wissen wie das geht. Und vor allen Dingen muss man auch da eben sehr schnell sein, weil so ein Propeller dreht sich schnell und da gab es auch nicht nur einen Unfall. Das ist gar keine einfache Sache, weswegen man dann irgendwann halt auch eine Zündung entwickelt hat, wo man das vom Cockpit aus selber machen konnte. Mit einem Anlasser, wo es dann eben auch so ging. Natürlich. Ja.

00:34:49: Marko Okay, aber sie müssen doch richtig kurbeln...

00:34:51: Maren Genau. Aber das wusste sie aber natürlich auch. Wenn man alleine losfliegt, dann weiß man das ja auch, dass einem das wahrscheinlich mal blüht, dass man alleine starten muss. Das hat sie ja auch dann geschafft. Aber wie gesagt, das gehört alles dazu, dass man das erzählt und dass man sich da auch als Heldin zeigt. Und das ist dieser Glamour status, dieser Fliegerinnen auch, den die auch brauchen.

00:35:09: Marko Das ist der Vorläufer dieser Lichtbild-Vorträge aus den 50er und 60er Jahren...

00:35:13: Maren Absolut. Ja.

00:35:14: Martin Die es heute ja auch noch gibt.

00:35:16: Marko Ja, aber in den 50er, 60er Jahren konnten so, so Helden wie Rollo Gebhardt - Weltumsegle - der konnte damit Geld verdienen, dass er einen Lichtbild-Vortrag irgendwo hielt. Bei Seglern kenne ich mich besser aus als bei Fliegern. Wir sprachen drüber.

00:35:30: Maren Ist aber ein ähnliches Phänomen. Klar.

00:35:32: Marko Da hat der 3000 Leute in so eine Stadthalle rein gekriegt, und jeder hat dafür bezahlt. Und wahrscheinlich hat das damals auch so funktioniert.

00:35:38: Maren Die Marga von Etzdorf hat 200 Vorträge gehalten über ihre Tokio-Reise. Also ich meine, damit kann man dann schon auch ganz gut sein Auskommen erwirtschaften.

00:35:47: Marko Und hat sie auch Fotos gezeigt oder... sie hat gesprochen...

00:35:50: Maren Sie hat erzählt davon, genau. Und sie ist dann wieder gestartet. Sie hat dann noch erzählt, dass Kirgisen alle auf ein Haus, auf das Dach gestiegen sind, um dabei zuzugucken. Und dass sie das ganz toll fand, dass das Haus nicht zusammengebrochen ist. Die fliegt also weiter. Und sie erzählt auch in ihrer Autobiografie, was sie gemacht hat, um diese Konzentration zu halten. Also zehn Tage lang zehn Stunden fliegen, da darf man ja nicht müde werden oder einschlafen oder sonst irgendwas. Sie hat gesungen, sie hat Gedichte gelesen, auswendig gelernt. Also so, also.

00:36:19: Marko Also zum Lesen kommt man dabei schon?

00:36:21: Maren Na ja, vielleicht mal so, also vielleicht mal so zwischendurch.

00:36:25: Martin Einen Roman glaube ich eher nicht, aber mal ein paar Zeilen...

00:36:26: Maren Aber mal ein paar Zeilen, um die dann zu memorieren, sozusagen, sich dann zu wiederholen. Dann muss sie ja zwischendurch auch mal wieder runter zum Tanken. Und dann hat sie es eben tatsächlich geschafft, genau dort in Tokio anzukommen, wo sie hinwollte. Und da schreibt sie dann auch sehr schön in ihrer Autobiographie: "Noch 100 Meter, dann sind wir aus den Wolken heraus. Und genau an der Stelle, an der ich heraus zu kommen hoffte. "Kiek in die Welt" bekommt Gas, brüllt wieder freudig und trägt mich schnell meinem heiß ersehnten Ziel entgegen. Am 29 August, 4:00 nachmittags, landen wir - Kiek in die Welt und ich in Tokio.

00:37:01: Martin Und da ist ja auch noch eine Menge Wasser dazwischen gewesen. Das ist ja nicht so, dass sie nur über Land geflogen ist. Und da darf der Motor dann eben nicht verrecken. Also das ist schon tatsächlich eine Leistung gewesen, muss man sagen.

00:37:10: Maren Genau. Und in Tokio an dem Rollfeld standen dann auch 1000 Menschen. Also mit japanischen und deutschen Fähnchen haben die da gewunken.

00:37:18: Martin Sie war angekündigt offensichtlich.

00:37:19: Maren Ja natürlich, die Presse hat das ja begleitet. Und das wurde ja auch dann wirklich so lanciert, dass da auch dann die Menschen waren. Und die deutsche Botschaft hat natürlich, der Botschafter war ja auch da. Und die haben auch dafür gesorgt, dass da wirklich viele Leute waren. Und dann gibt es tolle Fotos mit Blumen und ganz vielen Menschen. Und dann wurde sie eingeladen zu Empfängen und hat eine Verdienstmedaille bekommen vom kaiserlichen Aero Club Japans.

00:37:45: Martin Das ist ja so eine interessante Verquickung. Wir haben eben von Sponsoring und Werbeverträge gesprochen. Aber letztendlich ist sie natürlich dann auch eine Symbolfigur und eine Botschafterin dann auch für für Deutschland und für völkerverbindende Freundschaft und so weiter.

00:37:57: Maren Genau. Deswegen haben die das ja auch unterstützt. Genau. Sie ist eine deutsche Botschafterin, durch die Luft gekommen. Und es hat also einen wirklichen Riesenwirbel gegeben. Sie wurde dann rumgereicht von einem zum anderen. Man hat also viele glamouröse Sachen dort gemacht und sie hat auch ein paar Tage mal richtig Ferien gemacht, hat sie gesagt. Mal in der Sonne gelegen und einfach nichts getan und mal den Rest des Körpers bräunen können. Nicht nur das Gesicht.

00:38:23: Marko Es gibt, es gibt Fotos von ihr, da dachte ich erst, das wäre Dreck. Aber das ist wahrscheinlich ein total verbranntes Gesicht.

00:38:29: Maren Sonnenverbranntes Gesicht, ja.

00:38:31: Marko Du hast ja eben schon gesagt: Sonnencreme gab es nicht.

00:38:33: Maren Genau.

00:38:33: Marko Man schmiert sich dick mit Fett ein.

00:38:34: Maren Man schmiert irgendwas rein. Genau. Aber die Haut hat wirklich richtig gelitten. Das sieht man schon auch. Also die ist richtig sonnenverbrannt. Ja, aber es war auf jeden Fall der Höhepunkt ihrer Karriere. Und leider, auf dem Rückflug hat es wieder nicht so gut geklappt. Erst mal hatte sie Probleme: In China ist sie lange wegen kriegerischer Verwicklungen dort konnte sie gar nicht weiterfliegen, musste erst mal da ein paar Monate bleiben. In China, da gab es einen Mandschurei-Konflikt. Und dann ist sie über Bangkok abgestürzt aus 80 Metern Höhe. Und das war wirklich sehr dramatisch. Die Fotos - ich habe sie leider nicht gesehen, aber ich habe sie beschrieben bekommen - von diesem kleinen Blech Haufen dieses "Kiek in die Welt", da hat man sich wirklich gewundert, dass da irgendein Mensch noch lebend rausgekommen ist.

00:39:18: Martin Was war der Grund? Was ist passiert? Weiß man das.

00:39:20: Maren Es war kurz nach dem Start. Der Motor hat einfach versagt. Ist gestartet, der Motor - nix mehr - Zack, abgestürzt.

00:39:27: Marko Das Ende von Kiek in die Welt.

00:39:28: Maren Genau - Kiek in die Welt war komplett kaputt und sie hat gesagt, er war komplett. Sie nur zum Teil kaputt.

00:39:34: Marko Also man merkt das ja auch an den Zitaten. Sie vermenschlicht dieses Flugzeug ein bisschen. Ich und Kiek in die Welt sind wieder unterwegs. Wir haben es gerade geschafft, irgendwie. Und er heult noch mal lustig auf.

00:39:48: Maren Genau.

00:39:48: Marko Ich kann mir das auch vorstellen, dass man so eine Bindung...

00:39:49: Maren Natürlich...

00:39:49: Marko Jetzt ist Kiek in die Welt...

00:39:54: Maren Mein erstes Auto. Entschuldigung. Man hat natürlich eine Bindung auch an ein technisches Gerät, wenn man damit viel unterwegs ist.

00:40:02: Martin Was war ein erstes Auto.

00:40:03: Maren Ein Polo?

00:40:04: Martin Ein Polo.

00:40:04: Maren Ein gelber.

00:40:05: Martin Ein gelber? Guck mal, gelb auch.

00:40:09: Maren Ja, auf jeden Fall war das wirklich ziemlich dramatisch, weil sie war wirklich. Sie hat sich an den Wirbeln verletzt. Sie musste auch ein paar Monate noch liegen dann...

00:40:15: Marko Und dann in Bangkok.

00:40:17: Maren Sie haben genau noch gelegen und bis sie wieder nach Hause reisen konnte.

00:40:21: Marko Ärztliche Versorgung war da aber gegeben und alles gut...

00:40:23: Maren Alles gegeben und sie konnte danach ganz normal auch wieder weiterleben und war jetzt - sie musste eine Zeit lang noch Korsett tragen, das hat sie noch erzählt. Das fand sie natürlich nicht so schön.

00:40:34: Martin Und ist dann aber auf dem Landweg dann wieder nach Deutschland zurück gekommen.

00:40:37: Maren Ja, sie hat dann für die letzte Strecke hat sie sich noch eine Maschine geliehen, um doch...

00:40:41: Marko Um so zu tun als ob.

00:40:42: Maren Nein, das wussten die Leute natürlich schon. Und was sie da gemacht hat, das war vielleicht nicht ganz so glücklich. Sie hat sich einen Anzug aus Schlangenleder nähen lassen. Sie kam dann in Berlin an im Schlangenlederanzug.

00:40:54: Marko Es sind andere Zeiten. Ich meine, es ist. Wir sind ja auch noch jenseits von Pflugscham - ja.

00:41:01: Maren Aber die Menschen haben es damals tatsächlich auch in Deutschland als arrogant bezeichnet.

00:41:07: Marko Tatsächlich.

00:41:07: Maren Ja, das hat ihrem Image ein bisschen geschadet, dass sie da... sie hätte eher sozusagen demütig im Zug nach Hause kommen sollen. Aber das hat sie eben anders machen wollen. Und das hat man ihr dann doch durchaus vorgeworfen, dass sie da arrogant und so ein bisschen so aufgetreten ist. Na ja, auf jeden Fall war dann natürlich die Situation für sie sehr schwierig, wieder einen neuen Vertrag, einen neuen Sponsor, ein neues Flugzeug zu bekommen. Also das war schon eine richtige Krise nach dieser, dieser Rückkehr auf der einen Seite, dieser tolle Erfolg, die erste Frau allein nach Tokio und dann gleichzeitig haben die Leute überlegt, da geben wir jetzt noch mal eine Maschine?

00:41:47: Martin Weil sie auch so eine Pechmarie...

00:41:49: Maren Die ist dann schon wirklich Pechmarie. Das war dann schon ihr Spitzname.

00:41:52: Marko Wobei man ja sagen muss, es war ihr Flugzeug, sie hat es bezahlt. Wie sieht es denn um Ihre Finanzen aus? Sie kommt aus einem großbürgerlichen Haushalt. Sie hat ja offenbar auch dann geerbt.

00:42:03: Maren Aber sie hatte das Geld natürlich dann schon in ihre erste Maschine gesteckt, was sie geerbt hat.

00:42:06: Marko So teuer war "Kiek in die Welt"?

00:42:07: Ja, genau. Ja, ja. Also, ja, so mittelgroß war das Erbe, würde ich mal sagen. Je nachdem, wie man es betrachtet. Sie hatte dann, glaube ich, wirklich das Problem: Erstens, wie komme ich jetzt wieder auf die Erfolgsspur? Und auch, wie bekomme ich jetzt ein neues Flugzeug? Sie hatte kein Geld, um sich ein neues Flugzeug zu kaufen. Sie wollte schon einen Sponsor haben und sie hat dann wirklich sehr, sehr lange verhandeln müssen, um dann von der Firma Klemm ein Flugzeug zu bekommen. Das hatte dann ja schon eine kleine Kabine, da war nicht mehr ganz offen.

00:42:39: Marko Hast du ein Bild da?

00:42:40: Maren Ja, habe ich. Klemm. Das ist jetzt allerdings Elly Beinhorn hier in dem Klemm. Hier ist es.

00:42:46: Marko Die Konkurrentin.

00:42:47: Maren Die Konkurrentin, ja.

00:42:47: Marko Die flog auch in einer Klemm?

00:42:49: Maren Genau.

00:42:49: Marko Das ist aber schon. Das sieht aber schon voluminös und groß aus.

00:42:53: Maren Sieht schon anders aus als "Kiek in die Welt".

00:42:55: Martin Das ist, glaube ich, auch ein Viersitzer, wenn ich das richtig sehe.

00:42:58: Maren Aber da ist sie auch alleine. Sie hat sich dann überlegt. Sie wollte dann gerne wieder einen spektakulären Flug machen, wollte eigentlich nach Kapstadt und hat dann aber erfahren, dass Elly Beinhorn da hin fliegt. Und dann war das eben vom Tisch. Das konnte sie dann nicht machen. Dann hat sie sich überlegt, sie fliegt nach Australien. Ja, und das sollte ihr nächster großer Coup werden. Ja, und dann ist sie eben in Aleppo gestrandet, bei der ersten Zwischenlandung und hat sich dort erschossen. Und jetzt kommen wir noch mal auf den Punkt: Warum hat sie sich das Leben genommen? Sicherlich war die Scham darüber, dass sie wieder ihr Flugzeug beschädigt hat - wobei, das konnte man reparieren, das war kein richtiger fertiger Bruch - die war sicherlich da. Aber es gab eben noch einen ganz dramatischen anderen Grund. Und den hat Evelyn Crellin dann entdeckt, indem sie in den Archiven vom Auswärtigen Amt noch mal recherchiert hat und einen Brief gefunden hat. Marga von Etzdorf hatte in ihrem Flugzeug erstens diese automatische Maschinenpistole der Marke Schmeisser, mit der sie sich erschossen hat. Die hätte sie schon mal gar nicht dabei haben dürfen.

00:44:03: Marko Weil sie keinen Waffenschein hat?

00:44:03: Maren Nein, man durfte nach dem Versailler Vertrag ins Ausland nicht mit so einer Waffe fliegen. Also da hätte sie eine Genehmigung für haben müssen.

00:44:11: Marko Weil es eine militärische Maschinenpistole ist.

00:44:11: Maren Genau.

00:44:11: Martin Warum hatte sie überhaupt eine Waffe dabei?

00:44:16: Maren Ja, das ist ja die große Frage, die wir jetzt aufdecken. Sie hatte Munition dabei, Sie hatte einen Waffen-Katalog dabei. Sie hatte Preislisten dabei, sie hatte eine Kamera und Filmrollen dabei. Und jetzt diesen ganz, ganz verräterischen Brief von Ernst Heymann, der für die Rüstungsfirma Haenel gearbeitet hat und den du jetzt bitte mal vorliest.

00:44:37: Marko Berlin Reichs-Luftfahrt-Ministerium - 26 Mai 1933. Sehr verehrtes gnädiges Fräulein Etzdorf! Wie versprochen übermittle ich Ihnen hiermit eine Maschinenpistole Schmeisser Modell 28, zwei Kaliber neun Millimeter mit einem Magazin zu 32 Schuss und 100 Patronen. Ich füge gern einen deutschen Katalog nebst Gebrauchsanweisung sowie zwei englische Kataloge bei. Außerdem englische Preislisten in dreifacher Ausfertigung. So sehr ich hoffe, dass Sie die Waffe für Ihren persönlichen Gebrauch nicht benötigen, so sehr würde ich mich freuen, wenn sich irgendwo auf Ihrem Flug die Möglichkeit ergeben würde, Geschäfte mit dieser Waffe einzuleiten. Es ist ganz selbstverständlich, dass Sie an solchen Geschäften beteiligt sind. Ich verbleibe in der Hoffnung, gelegentlich von Ihnen zu hören, mit vielen Grüßen und aufrichtigem Glück ab. Ihr ganz ergebener...

00:45:35: Maren Ernst Heilmann, ja.

00:45:36: Martin Ernst Heilmann.

00:45:38: Marko Eine Waffen-Händlerin.

00:45:39: Maren Ja, das ist wirklich die traurige Wahrheit. Dass Marga von Etzdorf sich erhofft hat, eben mit diesem Flug auch Waffengeschäfte einzufädeln. Dafür hat man sie wahrscheinlich auch vorher schon bezahlt oder unterstützt oder auf jeden Fall ihr ja die Unterstützung in Aussicht gestellt, dass sie daran mitverdienen würde.

00:45:57: Na ja, in dem Brief steht ja auch schon "wie besprochen" - das heißt, es gab offenbar ja schon Treffen vorher, wo da irgendwie was klar gezurrt wurde.

00:46:06: Maren Und da war natürlich klar, dass in dem Moment, wo das in die Hände der französischen Soldaten fallen würde, und das ist jetzt etwas, was wir nicht genau wissen, aber sie haben es wahrscheinlich schon gesehen. Die haben vielleicht in der Maschine schon die Kataloge gesehen. Ihre Waffe, mit der Sie sich erschossen hat, haben Sie wahrscheinlich nicht gesehen, denn die hätten Sie ihr wahrscheinlich abgenommen. Die muss sie ja irgendwie versteckt haben. Aber es war auf jeden Fall klar für Marga von Etzdorf: Wenn das rauskommt, dann gibt es richtig Ärger. Dann gibt es auch diplomatische Verwicklungen zwischen Deutschland und Frankreich. Dann komme ich vielleicht sogar ins Gefängnis. Auf jeden Fall werde ich nie wieder als Pilotin tolle Flüge machen können.

00:46:47: Martin Um das noch mal klar zu sagen. Also das war nicht einfach ein unappetitliches Geschäftsfeld, sondern es war für Deutsche verboten, Waffen zu handeln, mit Waffen zu handeln.

00:46:58: Martin Nach Versailler Vertrag - genau, ja. Und das war wohl für sie der Moment, wo ihr klar wurde, dass sie da mit ihrer ganzen Karriere eigentlich so geschadet hat, dass sie da vielleicht keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat als sich zu erschießen. Die Evelyn Crellin habe ich dann gefragt, wie das war, als sie diesen sensationellen Fund gemacht hat.

00:47:17: Evelyn Crellin Als ich dann in den Akten von Marga von Etzdorf den detailreichen und auch sehr blutig beschreibenden Bericht des deutschen Sonderbeauftragten zum Tod Margas fand, da war das für mich durchaus nicht eine Sensation. Es war eher so, dass ich also erschüttert gewesen bin, weil dieser Bericht so sehr dramatisch deutlich machte, was ich vorher schon dachte verstanden zu haben, nämlich wie verzweifelt Fliegerinnen wie Marga um die Finanzierung ihrer Flügel gerungen haben müssen, welche gewaltigen Risiken sie auf sich genommen haben, um erfolgreich zu sein. Und für Marga war das natürlich nach den zwei vorausgegangenen Bruchlandung besonders schwierig.

00:48:01: Maren Ja, und der Rest der Geschichte ist dann auch noch sehr unschön. Die Diplomaten der Franzosen, der Deutschen haben miteinander verhandelt, dass es Stillschweigen gibt. Es hieß dann, im Auswärtigen Amt gibt es eine Notiz, da steht drauf: "Dem Andenken der Fliegerin wird am besten gedient werden, wenn die Erörterung über ihren tragischen Tod nicht wieder aufgenommen werden." Also man sagte: Da wollen wir jetzt mal einen Deckel drüber. Interessanterweise ist das noch ein bisschen bis heute so, also die, die die haben auch nicht reagiert auf Evelyn Crellins Forschungen, da hält man sich ganz bedeckt. Es steht zwar jetzt inzwischen auch bei Wikipedia, ist diese Information jetzt so langsam durchgedrungen, aber richtig viel gemacht wird dazu nicht.

00:48:41: Marko Aber es scheint ja da auch einen sehr detaillierten Todes-Bericht zu geben, wo beschrieben wird, wie sie sich das Leben genommen hat offenbar.

00:48:47: Maren Genau. Genau. Ja.

00:48:49: Marko Also das ist jetzt etwas, was uns jetzt hier nicht vorliegt, dass wir nicht vorher lesen können. Aber das heißt, es gibt wohl eine Art Akte, die umfangreicher über ihr Ende irgendwie informiert.

00:48:59: Maren Genau, es gab einen Sonderbeauftragten, der von Deutschland nach Aleppo geflogen ist und der hat sich dann da informiert, sich alles angeguckt. Und dann haben sie eben vereinbart, dass da jetzt gar nicht weiter dem nachgegangen wird, sondern die offizielle Erklärung ist eben Selbstmord wegen dieser Bruchlandung und dass sie das eben nicht verkraftet hat, dass sie schon wieder ihr Flugzeug verloren hat.

00:49:17: Marko Was ja seltsam ist. Als Franzose hätte man jetzt gedacht, da könnte man ja wahrscheinlich auch diplomatisches Kapital daraus schlagen. Die deutsche Heldin in Anführungsstrichen. Wir schreiben das.

00:49:27: Maren 1933.

00:49:28: Marko 33 - Wenn eine deutsche Heldin sich als üble Waffenschmugglerin outet und in Aleppo leider Bruchlandung machen muss.

00:49:38: Maren Was da genau hinter den Kulissen besprochen worden ist oder ob da Gelder geflossen sind, das weiß man natürlich nicht bis heute. Aber die haben es auf jeden Fall miteinander so ge. verkungelt, dass es richtig unter der Decke gehalten wurde.

00:49:51: Martin Und zwar nicht deswegen, weil Marga von Etzdorf so eine großartige Pilotin war, die in der Öffentlichkeit Nationalsymbol und so weiter war, sondern weil man diese Verwicklung....

00:50:00: Maren Man wollte diese Verwicklung nicht - genau - die wollte man vermeiden. Und das gab dann die Möglichkeit, den Nazis diese Heldin jetzt mal schön für sich zu vereinnahmen. Die haben dann die Leiche nach Berlin geholt und haben sie im Berliner Dom aufgebahrt. Und das sind auch ganz schreckliche Fotos mit SS und SA Ehrenwachen, die da rechts und links daneben standen tagelang, und haben dann eine Pressemitteilung - möchtest du die noch mal vorlesen, Martin?

00:50:29: Martin Die deutsche Luftfahrt hat mit ihrem Ableben einen großen Verlust erlitten. Sie war eine unserer tüchtigsten und besten Fliegerinnen. Trauernd steht das deutsche Volk an der Bahre dieses willensstarken, anspruchslosen, bescheidenen, liebenswerten Menschen. Über allem stand ihr ein Leitstern: Der Welt da draußen Respekt beizubringen vor Deutschland. Wir schreiben wann im Jahre 1933 - nach der Machtübernahme?

00:50:55: Maren Mai, genau, Ende Mai oder Anfang Juni? Ich weiß nicht genau: 28. Mai war ja der Todestag. Und damit haben sie sie komplett vereinnahmt. Für den Helden-Mythos sozusagen diese Fliegerin.

00:51:08: Martin Respekt vor Deutschland. Also die Formulierung ist ja auch interessant.

00:51:11: Maren Ja, also schlimme Geschichte, finde ich. Wie sie dann benutzt wurde und das hätte ihr ja auch überhaupt gar nicht gefallen. Also mit den Nazis hatte sie eigentlich nix am Hut.

00:51:19: Marko Das wäre meine Frage gewesen: Wie waren denn die Verbindungen zum Nationalsozialismus während Ihres Lebens?

00:51:25: Maren Also eigentlich hat sie sich mit denen überhaupt nicht gut gestellt. Aber die Rüstungsfirma und der Herr Heilmann war tatsächlich auch NSDAP-Funktionär und insofern hatte sie da natürlich schon eine geschäftliche Anbindung gemacht. Aber sie hätte diese Art von Trauernd steht das deutsche Volk - also das hätte ihr nicht gefallen. Das war nicht ihre Art, sich selbst zu sehen.

00:51:48: Marko Blöde Frage, weil uns das nicht gefallen würde oder weil es wirklich Indizien dafür gibt, dass sie ganz anders gedacht hat.

00:51:54: Maren Ja, wenn man ihre Autobiographie liest, denke ich immer, die hat sie natürlich auch als junger Mensch, ich meine sie war 25...

00:52:00: Marko Klar...

00:52:00: Maren Aber sie war eher eine sportliche Heldin, würde ich mal sagen. Sie hat das geliebt, dieses Fliegen, Aber sie hat sich nicht gesehen als eine nationale, dieses Pathos der Nazis, das wäre nicht ihres gewesen. Sie wollte einfach fliegen. Sie wollte damit Geld verdienen. Sie wollte weit, sie wollte diese Langstreckenflüge machen.

00:52:19: Marko Und da war es ihr vielleicht auch egal, ob sie sich mit den Falschen einlässt, weil sie da ganz egoman...

00:52:22: Maren Genau das muss man so sagen.

00:52:24: Marko ganu egoman an sich und ihre Ziele gedacht hat.

00:52:27: Maren Genau. Moralisch ist das auf jeden Fall sehr zwiespältig... oder gar nicht zwiespältig. Moralisch ist das völlig daneben, was sie gemacht hat, um diesen Flug nach Australien zu finanzieren.

00:52:37: Marko Vielleicht verständlich, aber...

00:52:39: Maren Ja man kann Sachen manchmal verstehen, aber nicht entschuldigen.

00:52:42: Marko Auf jeden Fall wirft es einen Schatten auf Ihr Leben.

00:52:43: Maren Absolut. Ja, so muss man sagen. Genau, wirft ein Schatten auf ihr Leben. Aber der Schatten, den die Nazis dann noch daraus machen, finde ich, der gibt dem Ganzen noch mal so einen Dreh, der eigentlich nicht zu ihr gepasst hat. Und ich finde dann eigentlich zum Schluss vielleicht noch mal den Satz, den sie auf ihrem Grabstein stehen hat, Den hat sie sich selber ausgesucht.

00:53:03: Marko Ach mit 25. Wer sucht sich denn mit 25 einen Grabspruch aus?

00:53:08: Maren Ich weiß nicht, wann sie das wem gesagt hat. Jedenfalls wusste man: Das war der Spruch zu ihrem Geburtstag. Und der heißt: Der Flug ist das Leben wert.

00:53:18: Martin Das ist ja etwas, was Piloten und Pilotinnen auch sehr bewusst eingesetzt haben, weil es ist ja vielleicht auch deswegen der Grund, dass sie das schon im Alter von 25 Jahren wussten, was auf ihrem Grabstein stehen sollte, weil es schon immer noch so war. Es ist eben nicht fliegen wie heute gewesen, sondern es ist noch die Anfangszeit der Fliegerei gewesen immer noch. Die Flugzeuge waren einigermaßen sicher, aber so sicher waren sie dann auch nicht. Und die vielen Brüche, die sie da hingelegt hat, sprechen ja auch davon, dass das ganz schnell gehen konnte. Wie zum Beispiel eben in Bangkok, wo sie dann monatelang im Krankenhaus lag und ihr Kiek in die Luft nur noch ein Haufen Blech war.

00:53:55: Maren Ein sehr riskantes Leben auf jeden Fall. Das ist einem dann schon klar gewesen, dass man wirklich jederzeit sozusagen der Tod sehr nah dran war, wenn man so eine Karriere geführt hat.

00:54:07: Marko Ich habe den Namen Marga von Etzdorf bis heute erst mal nicht wahrgenommen. Ich kannte diese Frau nicht. Schön, dass du sie uns vorgestellt hast. Es gab aber ja schon sehr berühmte Fliegerinnen. Die Elly Beinhorn zum Beispiel ist sehr berühmt gewesen.

00:54:24: Maren Die hat auch 100 Jahre gelebt.

00:54:25: Marko Deren Name ist mir auch irgendwie schon mal geläufig. Das habe ich schon mal gehört. Die hat auch, glaube ich, viele Bücher geschrieben. Marga von Etzdorf ist so ein bisschen in Vergessenheit geraten.

00:54:34: Maren Auf jeden Fall, ja.

00:54:35: Marko Wegen ihres unrühmlichen Endes vielleicht?

00:54:37: Maren Naja, das kannte man ja so lange noch gar nicht, sondern eigentlich eher wegen dieser nur sieben Jahre Flug-Karriere, würde ich mal sagen. Weil sie einfach so eine kurze Zeit hatte, in der sie diese Flüge gemacht hat. Dann diesen spektakulären Tokio Flug. Das war schon was Besonderes. Darauf stößt man auch immer wieder, wenn man solche Chroniken durchliest, aber dann eben sehr früh gestorben. Dann mit dieser "Pechmarie", sage ich mal, mit dem Etikett ist es halt jemand, der dann nicht so lange in der Geschichte so lebendig im Bewusstsein der Menschen bleibt.

00:55:05: Martin Und dann gab es natürlich eben Leute wie Elly Beinhorn, die dann weiter geflogen sind und weiter Rekorde gemacht haben. Und da hat man sich dann wahrscheinlich mehr dran orientiert. Und ja, darüber ist dann wahrscheinlich Marga von Etzdorf in Vergessenheit geraten.

00:55:19: Marko Wer den Roman von Uwe Timm "Halbschatten" lesen möchte, der kann den jetzt gewinnen.

00:55:24: Martin Und der kann die Lebensgeschichte von Marga von Etzdorf dann in Romanform nachlesen. Das Buch gibt es nicht mehr zu kaufen, aber bei uns. Und zwar, wenn ihr eine Frage richtig beantwortet und dann das Glück habt, unter den vielen, vielen Einsendungen ausgelost zu werden.

00:55:41: Marko Um es noch mal ein bisschen attraktiv zu machen. Es ist die Arbeits-Grundlage unserer Kollegen Maren Gottschalk. Das heißt, sie hat da eigenhändig Notizen reingemacht. Steht aber ein falscher Name drin...

00:55:53: Maren Nein, ich habe es ja auch antiquarisch gekauft. Ich habe da vorne was unterstrichen.

00:56:01: Marko Es gibt Unterstreichungen - also später, wenn, wenn die Kollegin zu größerer Berühmtheit noch gekommen ist als sie eh schon ist...

00:56:06: Maren Ich kann auch meinen Namen noch reinschreiben, das geht auch...

00:56:08: Marko Dann wird dieses Buch natürlich unschätzbar wertvoll werden. Die Arbeitsgrundlage für das Zeitzeichen von Maren Gottschalk über diese junge Frau, die ihr Leben ließ für die Fliegerei.

00:56:19: Maren Jetzt muss du die Frage noch stellen.

00:56:21: Martin Genau. Was ist die Frage, die dazu beantwortet werden muss?

00:56:23: Marko Die stellst du jetzt.

00:56:24: Maren Okay. Wo ist Marga von Etzdorf notgelandet auf dem Weg nach Tokio?

00:56:30: Marko Also, wir freuen uns auf eure Post. Und zwar unter Kontakt@dieGeschichtsmacher.de - wenn ihr da hinschreibt, dann erreicht ihr uns und kriegt mit ein wenig Glück diesen wunderbaren Roman.

00:56:43: Marko Wenn euch diese Folge der Geschichtsmacher gefallen habt, dann sagt es allen Pilotinnen und Piloten.

00:56:49: Martin Bruchpiloten und Freunden der Fliegerei und der Lüfte in allen Dimensionen.

00:56:55: Marko Langstreckenfliegerinnen.

00:56:56: Martin Jawohl. Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es bitte uns...

00:57:01: Marko Aber bitte auch nur uns unter der eben schon genannten Kontaktadresse www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Möglichkeiten, um mit uns in Kontakt zu treten und wir freuen uns auf eure Post, auch auf kritische Anmerkungen. Fehler, die wir machen. Ich sage noch einmal Mary Celeste,.

00:57:20: Martin Jetzt ist aber genug mit der Selbstzüchtigung.

00:57:22: Marko Mary Celeste. Und ich sage noch einmal Dankeschön an Maren Gottschalk.

00:57:25: Maren Sehr gerne, hat Spaß gemacht mit euch.

00:57:26: Martin Prima. Dann hören wir uns bald zu einer neuen Folge. In 14 Tagen gibt es die Geschichtsmacher wieder und wir freuen uns auf euch und auf eure Post und vor allen Dingen auf eure Sternchen, die ihr hoffentlich uns vergebt. Sternchen und Blümchen und was man da so alles verteilen kann auf euren Internetplattformen, Podcatchern oder wie auch immer ihr uns hört. Tut uns den Gefallen, wir freuen uns.

00:57:54: Marko Tschüss oder wie sagt man unter Fliegern?

00:57:56: Martin Hals und Beinbruch.

00:57:59: Maren Ich dachte: Glück ab.

00:58:00: Martin Ja, das ist eine etwas ältere Variante. Heute eher Hals und Beinbruch.

00:58:05: Maren Also, ich sage Glück ab.

00:58:06: Martin Gut, dann Glück auf, Glück ab und...

00:58:09: Marko ...immer ein laues Lüftchen unterm Rumpf.

00:58:12: Martin Tschüss.

00:58:13: Marko Tschüss.

00:58:14: Maren Tschüss.

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