Der ewige Kampf gegen "König Krebs"
Shownotes
"Stahl, Strahl und Gift" lautet die heilige Dreifaltigkeit der modernen Krebsbekämpfung. Doch seit einigen Jahren ist von einem Game Changer die Rede: Im Juni 2016 erscheint ein Artikel in der Fachzeitschrift „Nature“. Darin wird über einen Impfstoff gegen Krebs berichtet – basierend auf mRNA-Technologie. Die kennen wir als Impfstoff gegen Corona. Wie lange wir noch auf den Krebs-Impfstoff warten müssen, erklärt in diesem Podcast Kerstin Hilt ihren beiden Kollegen Martin Herzog und Marko Rösseler.
Als Kerstin zu ihrem WDR-Zeitzeichen über einen Impfstoff gegen Krebs zu recherchieren beginnt, da führt sie ihr erster Weg nach Mainz, wo die Entwicklerinnen und Entwickler des mRNA-Impfstoffes sitzen. Sie traf sich aber auch mit einem Krebs-Patienten, der auf die neuen Möglichkeiten hofft. Und sie begab sich mit Hilfe eines Buches tief hinein in die Wissenschafts- und Kulturgeschichte der Krebs-Erkrankung und -Bekämpfung: Siddhartha Mukherjee liefert mit "Der König aller Krankheiten" ein Sachbuch-Meisterwerk zum Thema.
Wichtige Links zur Geschichte der Krebsforschung:
Das Zeitzeichen von Kerstin Hilt zum mRNA-Impfstoff gegen Krebs
Homepage des Autors Siddhartha Mukherjee
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Transkript anzeigen
Die Geschichtsmacher 2021 - mRNA (Kerstin Hilt).mp3
00:00:08: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.
00:00:25: Marko Willkommen bei die Geschichtsmacher.
00:00:28: Martin Alle 14 Tage ein Podcast, eine Stunde lang Geschichte von den Autorinnen und Autoren des Zeitzeichen.
00:00:36: Marko Wer die Sendung Zeitzeichen nicht kennt, die läuft jeden Tag im Westdeutschen Rundfunk und ist immer eine Viertelstunde lang. Und wir, die Autorinnen und Autoren des Zeitzeichen, wollen ein bisschen länger drüber reden, weil manche Themen einfach wichtig sind, weil manche Themen einfach mehr hergeben. Und darum machen wir hier diesen Podcast.
00:00:54: Martin Ja, und man muss aber dazu sagen: Wir arbeiten eben üblicherweise als Autoren für den WDR, aber dies ist keine WDR Produktion, sondern wir machen das quasi...
00:01:03: Marko ...im Hinterstübchen.
00:01:05: Martin aus freien Stücken.
00:01:06: Marko ...mit zusammengebastelt der Technik und wir laden die Leute ein. Und heute haben wir die Kerstin hier,
00:01:11: Martin die Kerstin Hilt, jawoll. In Berlin.
00:01:14: Marko Hallo Berlin. Also man muss sagen...
00:01:16: Kerstin Hallo Köln, im Hinterstübchen!
00:01:18: Marko Das Zeitzeichen erinnert immer an runde Ereignisse aus der Geschichte. Das kann zwei Millionen Jahre sein, das kann auch 50.000 Jahre oder nur 100 Jahre sein, aber heute sind es nur fünf.
00:01:27: Martin Und in Dimensionen der Geschichte ist das jetzt nicht wirklich lange her. Warum fünf Jahre? Kerstin, du hast dich mit dem Thema beschäftigt. Worum geht es und was ist da vor fünf Jahren passiert?
00:01:37: Kerstin Ja, vor fünf Jahren, am 2. Juni 2016. Das war der Stichtag, der der Aufhänger war für dieses Zeitzeichen. Da ist in einer renommierten Fachzeitschrift, die Nature heißt, eine naturwissenschaftliche Zeitschrift, ist ein Fachartikel erschienen. Das hört sich jetzt extrem unsexy an.
00:01:57: Martin Sehr spannend.
00:01:58: Kerstin Genau. Aber es ging darin um eine mögliche Impfung gegen Krebs. Und zwar - und jetzt werden bei allen von uns die Glocken klingeln - auf Basis der sogenannten mRNA Technologie. Ich muss nach Wochen der Recherche immer noch aufpassen, dass ich diese Buchstabenfolge nicht durcheinander bringe. Ich habe einmal beim Interviewpartner tatsächlich rMNA- Technology gesagt und habe selber gehört, wie das Fett aus dem Näpfchen ganz hoch gespritzt ist.
00:02:21: Marko Aber genau so lange du nicht LMAA-Technik sagst, ist alles gut. Also man muss natürlich sagen, wir kennen diese Technik mittlerweile alle, weil wir Corona haben und über diese Technik auch ein Impfstoff entwickelt wurde. Daher kennen wir sie.
00:02:36: Kerstin Genau.
00:02:37: Marko Aber damals, vor fünf Jahren, ging es um Krebs.
00:02:39: Kerstin Da ging es um Krebs. Und ein ganz großer und wichtiger Teil der Wahrheit ist, dass wir diese Impfstoffe auf mRNA überhaupt nicht hätten, wenn diese Mainzer Forschungsgruppe, die für diese Publikation auch verantwortlich war, wenn die nicht seit mindestens zwei Jahrzehnten schon diesen Pfad, diese Spur verfolgt hätte, die wurden damals belächelt dafür, dass die das versucht haben. Aber wenn die nicht da dran geblieben wären und geforscht hätten, zu dieser Technologie geguckt hätten, ob man da gegen Krebs impfen kann, dann wären die jetzt, zum Beginn dieser Pandemie, überhaupt nicht an dem Punkt gewesen, tatsächlich einen Impfstoff gegen Corona zu entwickeln. Also das war im Prinzip ein riesengroßer Glücksfall. Allein das hat mich schon sehr stutzig gemacht oder sehr gespannt gemacht bei diesem Thema. Und Martin, du sagtest ja fünf Jahre, was hat das mit Geschichte zu tun? Der Krebs an sich hat natürlich eine riesen lange Geschichte. Das ist eine Geschichte des Leidens, Krebs als die Geißel der Menschheit. Da fragt man sich natürlich: Seit wann gibt es das? Hat man schon immer gewusst, dass es Krebs ist? Wie hat man das früher therapiert? Davon würde ich euch auch sehr gerne was erzählen. Und natürlich vor allem die Frage: Gibt es da jetzt Hoffnung auf Heilung mit dieser neuen Technologie? Ist die jetzt der Durchbruch? Die wird ja in jeder Hinsicht gefeiert als das große neue Ding in der Medizin. Das würde ich euch gerne erzählen heute.
00:03:57: Martin Über all das wollen wir gleich sprechen, jetzt im Laufe dieses Podcasts. Was mich jetzt zunächst mal interessieren würde: Das eine ist Krebs, das ist ein Tumor. Soweit jedenfalls das Allgemeinwissen, über das ich verfüge. Und auf der anderen Seite haben wir Corona. Das ist ein Virus. Das eine hat für mich gar nichts mit dem anderen zu tun. Also wie hängt das zusammen?
00:04:20: Kerstin Na ja, also mRNA ist im Prinzip nur eine träger Substanz. Das ist die messenger Ribonucleic acid - die Boten-Ribo-Nukleinsäure -das ist etwas, was wir in unseren Körper bringen und die unserem Körper im Prinzip eine Information überbringt. Ein Botenstoff, der unseren Körperzellen etwas beibringt. Und ob der jetzt unserem Körper beibringt Guck mal her, so sieht dieser Virus aus, den du bekämpfen sollst. Oder Guck mal her, so sieht diese Tumorzellen aus, die du bekämpfen sollst. Das ist eigentlich gar nicht so der große Unterschied. Also die große Herausforderung bei dieser Forschungsarbeit war im Prinzip erst mal diese mRNA Technologie an sich zum Laufen zu bringen. Wie schleuse ich das ein in einen Körper, wie bleibt diese Substanz erst mal im Körper so bestehen, dass sie ihren Job machen kann und so. Also das waren da die Klippen. Aber die Hoffnung ist, dass man mithilfe dieser Technologie dem Körper ganz viel beibringen kann. Also das. Man impfen kann, das man ihm aber vielleicht auch beibringen kann, bestimmte Zellen oder bestimmtes Gewebe neu entstehen zu lassen, also zum Beispiel bei Herzpatienten, die einen Bypass brauchen, weil bestehende sHerzgefäße irgendwie zugewuchert sind, dass man dem Herzen beibringt: Jetzt lass da bitte mal ein paar neue Zellen wachsen, die dann neue Gefäße entstehen lassen. Also letztlich ist diese mRNA-Technologie ein Boten-Technologie, die an ganz vielen Stellen ganz unterschiedliches bewirken kann.
00:05:50: Marko Das klingt ja wie so ein Wundermittel!
00:05:53: Kerstin Das klingt total abgefahren. Ich habe mir in der Tat da auch während der Recherche öfter mal die Augen gerieben. Ja, ein bisschen wie Science Fiction.
00:06:00: Marko Ein hoch wissenschaftliches Thema, muss man ja sagen. mRNA - sowas versteht ja der normale Laie so erst mal gar nicht. Wie bist du rangegangen?
00:06:07: Kerstin Ja, mich hat vor allem in der Tat die Perspektive des Patienten interessiert. Wie ist das, wenn man auf einmal mit so einer Diagnose konfrontiert ist? Inwiefern ändert das in dem Moment dein ganzes Leben? Worauf hofft man da? Wie geht man dann weiter vor? Wie macht man sich auf die Suche nach einer Therapie? Und vor allem: Inwiefern könnte so eine Impfung dann tatsächlich für diesen Menschen der Game Changer sein? Man muss der Ehrlichkeit halber sagen Diese Impfung ist bis jetzt nur in der Testung gewesen. Das ist jetzt noch nichts, was marktreif ist. Das wird noch drei, vier Jahre dauern. Aber ich habe in der Tat einen Patienten kennengelernt, der übrigens auch vom Fach ist. Alexander Fahrid heißt er, der ist Arzt, Internist. Der hat auch sich selber so ein bisschen auf Therapie Suche gemacht. Der hat die ganz starke Hoffnung, dass es, wenn es diese Impfung mal geben könnte, ihn das wirklich endgültig heilen würde. Also der hat ein ganz vitales Interesse daran, dass diese Impfung irgendwann mal tatsächlich auf den Markt kommt, dass er einer der ersten sein könnte, der dann von ihr profitieren kann. Und ich war ganz froh, dass ich den gefunden habe, weil ich durch den glaube ich wirklich auch verstanden habe, wie lebensverändernd so eine Diagnose ist und wie zentral dann auf einmal das ist, was diese Forscher da arbeiten.
00:07:27: Speaker 4 Ich hatte das Gefühl so meine Angst war bestätigt. Ich war gar nicht überrascht oder geschockt. Ich war im ersten Moment so, ich habe es doch gewusst. So war das, was mir im Kopf durchgegangen, nichts anderes. Meine Frau hat auf mich gewartet im Auto und ich ging raus. Und ich habe ihr gesagt Ja, ich habe tatsächlich Krebs, wie ich dachte. Also das war so, alles andere war erst mal kam später. Also mit dem Arzt habe ich nur sachliche Fragen gestellt: Wie sieht es aus? Was denken Sie, wann muss ich operiert werden? Kennen Sie einen guten Chirurgen? Wie sieht es aus danach werde ich jetzt wieder arbeiten können? Wie wird mein Leben danach aussehen? Auch wenn ich das ein bisschen geahnt habe: Aber in dem Moment war ich wirklich nur Patient und alles, was ich gelernt habe, konnte ich einfach in dem Moment nicht mehr für mich selbst gebrauchen. Und natürlich, als ich nach Hause kam und ich saß dann mit meiner Frau, habe ich dann angefangen zu weinen. Sie auch. Das waren Momente, die ich nicht vergessen werde, war sehr emotional. Und ja, immer im Hinterkopf: Wir schaffen das, wir werden alles machen, was zu machen ist und ein paar Stunden später habe ich dann angefangen schon zu recherchieren.
00:08:49: Kerstin Das war ein Tumor im Dickdarm, was der Alexander Fahrid da hatte und er hat das schon so ein bisschen geahnt. Der war vorher im Urlaub gewesen, hatte, obwohl er eigentlich ganz viel Entspannung hatte, gar keinen Stress, hatte der wahnsinnige Verdauungsprobleme gehabt und hat, weil er ja auch selber Arzt ist, einfach so ein bisschen gedacht: Naja, also eine Lebensmittel Unverträglichkeit oder so hat er eigentlich nicht und im Kopf ist schon so durchgegangen und meinte Ja, wird vielleicht Krebs sein. Und genauso war es dann auch tatsächlich. Er hatte dann Dickdarm Krebs.
00:09:19: Marko So eine Nachricht kriegen wahrscheinlich weltweit täglich hunderttausende von Menschen.
00:09:24: Kerstin Ja genau. Jeder dritte Europäer entwickelt im Laufe seines Lebens Krebs und in Deutschland sind das fast 400000 Menschen jährlich, die diese Diagnose bekommen.
00:09:35: Martin Krebs ja, ja, weiß man schon. Irgendwie eine Krankheit Tumor. Aber was ist denn Krebs jetzt eigentlich?
00:09:41: Kerstin Das ist im Prinzip Leben, das wie falsch programmiert ist. So also Leben ist biologisch gesprochen Zellteilung. Unsere Zellen teilen sich, so wächst unser Körper, so kann er neues Gewebe aufbauen, so kann er Wunden heilen, sich anpassen an veränderte Lebensumstände. Und Krebszellen, die tun all das, aber die tun das unkontrolliert. Und warum unkontrolliert? Weil sich bei denen bestimmte Gene verändert haben. Krebszellen tragen also gewissermaßen falsche Erbinformation in sich. Und diese Erbinformation, die flüstern denen ständig ein, Teile dich, wachse, egal was da kommt. Ignoriere alle Signale aus deiner Umgebung, die dich hemmen wollen, stoppen wollen. Wachse weiter. Und diese Signale, die den Krebszellen sagen würden Stopp, die könnten zum Beispiel von unserem Immunsystem kommen. Das ist ja dafür da, dass wir gesund bleiben. Und Krebszellen, die tricksen sozusagen unser Immunsystem aus. Also die wuchern einfach wild und bösartig weiter.
00:10:38: Marko Du hast dich auch mit der Geschichte dieser Krankheit beschäftigt, hast ein Buch dabei: "Der König aller Krankheiten".
00:10:44: Kerstin Ja, das ist ganz spannend, weil buchstäblich jeder, mit dem ich im Laufe dieser Recherche gesprochen habe, die hartgesottensten Mediziner, Naturwissenschaftler, Krebsforschungszentrum Heidelberg und so weiter. Die haben mir davon erzählt, so ein bisschen von diesem Buch - lesen Sie mal! Also durchaus auch immer so im Ton der Ehrfurcht. Das ist ein 600 Seiten Wälzer von einem Onkologen aus New York. Siddhartha Mukherjee heißt er, indisch-stämmig. Also ist eigentlich ein Mann aus der Praxis, kein Sachbuchautor, der sich immer abends, wenn er aus der Klinik kam, hingesetzt hat und die Kulturgeschichte des Krebses recherchiert hat. Also der hat sich wirklich die Mühe gemacht, sich da in die Archive zu verbeißen, dann auch die Geschichte der Therapieformen zu recherchieren. Und das Tolle an dem Buch ist Das liest sich mit einer ungeheuren erzählerischen Wucht, liest sich bisweilen wie ein Krimi, auch einer sehr kraftvollen Sprache. Sehr beängstigend auch manchmal. Vor allem weht durch diese ganzen Seiten einfach ein unglaublicher Respekt vor seinem Gegner, vor dem Krebs. Vielleicht wollt ihr einfach mal - Marko, willst du mal vorlesen aus dem Buch?
00:11:52: Marko Krebszellen leben auf Kosten unseres Lebens. Krebszellen können schneller wachsen und sind anpassungsfähiger als gesunde Zellen. Sie sind eine perfektere Version unserer selbst. Das klingt gruselig,
00:12:06: Kerstin Hört sich beängstigend an, genau. Krebszellen sind verdammt clevere Kerlchen. Die können bestehende Blutgefäße zum Beispiel anzapfen. Die können sich unsterblich machen. Also auch das wie aus dem Science Fiction-Roman. Sie können Metastasen in die entlegensten Gegenden unseres Körpers schicken, können Tochter-Geschwülste bilden. Und all das, weil ganz am Anfang dieser Karriere dieser Krebszelle ein Gen mutiert ist und genau das, schreibt Mukherjee, das gilt es zu verhindern in der Krebstherapie.
00:12:36: Marko Ich zitiere mal hier weiter Du hast hier noch mehr angestrichen, was ich vorlesen soll. Das Geheimnis beim Kampf gegen Krebs besteht also darin, dass wir dahinter kommen, wie sich diese Mutationen in den dafür anfälligen Zellen verhindern lassen oder Mittel und Wege finden, die mutierten Zellen zu eliminieren, ohne das normale Wachstum dabei zu beeinträchtigen. Die Kürze dieser Aussage steht in krassem Gegensatz zur Monumentalität der Aufgabe. Bösartiges Wachstum und gesundes Wachstum sind genetisch so eng verwandt, dass ihre Entflechtung einer der größten wissenschaftlichen Herausforderungen der Menschheit sein könnte. Wow, wow! Ja, da ist sicher was dran. Ich habe gelesen, jedes Jahr sterben weltweit 10 Millionen Menschen an Krebs. Wenn man es mal mit Corona vergleicht. Wisst ihr wie viele da sind bis jetzt? Bis jetzt auch ein paar Millionen. Also 3 4? Wie viel? 4 Millionen?
00:13:31: Marko 4 Millionen? Bis jetzt sind es 4 Millionen Menschen, die an Corona verstorben sind. Aber 10 Millionen sterben jedes Jahr an Krebs. m
00:13:38: Kerstin Wie er schreibt eine der größten wissenschaftlichen Herausforderungen der Menschheit. Und ich hatte das Glück, im Zuge dieser Recherche auch einen Forscher kennenzulernen, der sich genau dieser Herausforderung widmet, der von Anfang an dabei war in dieser Mainzer Forschungsgruppe, die diese mRNA-Technologie entwickelt hat. Sebastian Kreiter heißt der, und ich habe mich natürlich gefragt: Was treibt den denn eigentlich an, sich dieser Herausforderung zu stellen? Und das Spannende ist: In dieser Forschungsgruppe sind ganz viele, die aus der Klinik kommen, also die tatsächlich, was jetzt nicht so normal ist für Forscher, die auch eine Weile in der Klinik gearbeitet haben. Also Sebastian Kreiter, der Forscher, hat paar Jahre lang Tag für Tag an so einem Krankenbett gestanden und die Erfahrungen, die er gemacht hat, die haben ihnen dann im Prinzip in die Forschung getrieben. So hat er mir das erzählt.
00:14:29: Kreiter Das ist absolut eine der Erfahrungen, die man ja macht in der Onkologie. Wir haben viel Knochenmarktransplantation gemacht, wir haben viele, aber auch Patientinnen und Patienten mit soliden Tumoren behandelt. Und das ist natürlich schwer dann auch, wenn man sozusagen kämpft für diese Patienten und Patientinnen. Und sie kommen dann wieder und irgendwann weiß man Okay, ich kann diesen Menschen jetzt zwar noch begleiten, aber ich habe kein Werkzeug mehr in der Hand, mit dem ich ihm Aussicht auf Heilung geben kann. Wenn man so ein bisschen in den historischen Kontext setzt, war das eine Zeit, in der an sich noch niemand wirklich daran geglaubt hat, dass die Immuntherapie tatsächlich erfolgreich sein kann, in der es schon auch so ein bisschen als Sisyphusarbeit angesehen wurde und andere therapeutische Modalitäten eher favorisiert wurden im Endeffekt. Es gab einfach eben auch durchaus ernst zu nehmende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die gesagt haben: Das wird nicht funktionieren. Also es wird nicht funktionieren, das Immunsystem tatsächlich in die Lage zu versetzen, Tumore wirklich substanziell zu attackieren im Endeffekt.
00:15:40: Marko Das ist jetzt so 20 25 Jahre her, dass die angefangen haben zu forschen.
00:15:44: Kerstin Genau.
00:15:44: Marko Und da war das, was völlig Neues und keiner hat denen offenbar geglaubt. Was hat man denn vorher über Krebs gewusst? Also ehrlich gesagt, ich weiß nicht mal, warum das Ding Krebs heißt.
00:15:55: Kerstin Ja, wir denken ja alle an dieses Tier, wenn wir an Krebs denken. Und tatsächlich kommt das auch daher. Dieser Name also schon die alten Griechen hatten diese Doppelbedeutung: Karkinos - das kann einerseits das Tier sein, der Krebs oder eben ein Geschwür. Und das hängt ganz einfach zusammen, dass man da ganz banal eine gewisse visuelle Ähnlichkeit gesehen hat. Also der Arzt und Anatom Galenus - zweites Jahrhundert nach Christus hat der gelebt - der hat einen Tumor beschrieben an einer weiblichen Brust und den hat er genau so beschrieben, wie ein Krebs eben aussieht. Also wer von euch möchte, kann da gerne mal vorlesen, was der Gusalenus dazu gesagt hat.
00:16:34: Martin Soll ich mal den alten Galenus machen, ja? Also was haben wir da? Moment. Galen schrieb: Da sahen wir Tumoren, die der Gestalt eines Krebses sehr ähnlich waren. So wie die Beine des Tieres an beiden Seiten des Körpers liegen, so verlassen die Venen den Tumor, der seiner Form nach dem Krebskörper gleicht.
00:16:55: Marko Ein bisschen gruselig.
00:16:56: Martin Ein bisschen ja, aber Krebs kann man sich so vorstellen: Adern, die da so rauskommen und die wie Krebsbeine aussehen.
00:17:02: Marko Meine Tochter hatte meine Ratte, die hatte Krebs. Da war dieser Tumor auch so außen. Es war sehr ekelhaft. Am Ende war die Ratte kleiner als der Tumor. Was mich schon so ein bisschen fragt Tiere kriegen offenbar auch Krebs, weil die Ratte meiner Tochter ist dann später auch dran gestorben. Sie musste eingeschläfert werden. Kriegt jedes Lebewesen Krebs?
00:17:19: Kerstin Also Säugetiere, ganz ganz sicher auch andere Tiere können Tumore haben. Ist natürlich immer die Frage: Gutartig oder bösartig? Das war auch im Prinzip das rauszukriegen, dass es Tumore gibt, die bösartig sind, weil Mutationen, weil Krebs und Tumore sind, die gutartig sind, weil einfach eine Gewebe Veränderung. Das war auch etwas, was man erst mal rausfinden musste, dass es diesen Unterschied gibt. Also ich zum Beispiel, wenn wir jetzt hier schon unsere Krankengeschichten auf den Tisch packen. Ich hatte mal, ich hatte mal eine Kieferhöhlen Zyste, das war einfach so eine Ansammlung in der Kiefer Höhle wie so eine Gewebesschleim Veränderungen, das passiert einfach. Da hat der Körper Lust irgendwie mal so was zu produzieren. Das könnte dann vielleicht irgendwann mal bösartig werden. Oder jeder kennt Leberflecken, die nicht bösartig sind, aber das werden könnten, das macht man dann weg. Also das ist immer so gibt es natürlich auch diese Unterscheidung sozusagen. Aber man muss definitiv davon ausgehen, dass es Krebs eigentlich schon immer gegeben hat. Das ist nur insofern eine Zivilisationskrankheit, als es tendenziell mehr ältere Menschen betrifft. Aber gab es schon immer. Man hat sogar Dinosaurier Skelette ausgebuddelt, von denen man Rückschlüsse ziehen kann, dass da irgendwo ein Tumor in der Nähe des Skeletts gesessen haben muss. Und es gibt Urmenschen-Funde, da kann man auch Rückschlüsse ziehen. Und altes Ägypten mit den Mumien, da hat man dann tatsächlich ein bisschen genauer hingucken können. Da hat man an manchen weiblichen Mumien Gebärmutterhalskrebs festgestellt und diese Unterscheidung zwischen gutartig und bösartig, die geht dann auf Hippokrates zurück. 400 v. Chr. da hat man dann das schon gekannt.
00:18:57: Martin Also das heißt, man hat das damals auch schon als Krebs bezeichnet, also genau den alten Griechen, wie wir das eben so ein bisschen ausgeführt haben. Aber vorher war das auch schon als genau diese Krankheit bekannt.
00:19:09: Kerstin Also ich glaube Galenus hat das aufgeschrieben. Das ist die erste schriftliche Überlieferung, die quasi diesen Namen erklärt. Aber ja, das war schon vorher bekannt, wurde auch so genannt.
00:19:18: Marko Genau so, wenn man was kennt. Man weiß, der Mensch versucht ja immer, sich irgendwie zu helfen. Gab es dann schon frühe Therapiemöglichkeiten, also gab es Ansätze, die kann man das jetzt bekämpfen, wenn es da ist?
00:19:30: Kerstin Ja, unbedingt. Also da reden auch alle Krebsforscher kommen dann immer mit dieser heiligen Trias, die sich quasi dann über die Geschichte der Krebstherapie hin entwickelt.
00:19:40: Marko Heilige Trias:
00:19:41: Kerstin Die hört sich auch extrem martialisch an: Stahl, Strahl und Gift bis heute, also bis zum Aufkommen der Immuntherapie. Ist das tatsächlich so das Mittel, die Mittel der Wahl gewesen...
00:19:54: Martin Also das heißt: Stahl - rausschneiden? Messer
00:19:57: Kerstin Genau. Wir können es ja jetzt mal der Reihe nach durchgehen. Und witzigerweise auch unser Patient, der Alexander Farid, der hat das so der Reihe nach durchexerziert. Bei ihm war auch das erste Mittel der Wahl der Stahl. Stahl von Skalpell. Das erste, was man gemacht hat, war eben diesen Dickdarm Tumor erst mal rausschneiden. Also damit ist ganz banal operatives Entfernen gemeint und das war tatsächlich das erste, was man versucht hat. Gibt es auch schon Zeugnisse aus dem alten Ägypten, wobei man da diese Tumore, wenn sie oberflächlich waren, eher ausgebrannt hat. Also Klassiker ist immer die weibliche Brust, da kann man das gut tasten, kann man das gut sehen. Und da hat man "Kauterisieier" - "Kauterisierien" heißt ausbrennen. Also da hat man das so mit Feuer, mit Hitze weg gebrannt.
00:20:43: Martin Also martialische Methode, ein glühender Stahl und dann ausgebrannt. Und ich nehme mal an ohne Betäubung.
00:20:50: Kerstin Na ja, klar, genau. Und da musste man hart im Nehmen sein. Ich glaube, das ist auch eine ganz spannende Geschichte wieder, wie männliche Ärzte sich weiblichen Körpern angenommen haben. Da hat natürlich bei dieser Frage schneiden wir an der weiblichen Brust rum hat natürlich auch der Mythos der Amazone immer eine Rolle gespielt. Amazonen sind ja die, die sich eine Brust wegnehmen, um da ordentlich den Bogen für die Pfeile spannen zu können.
00:21:16: Martin Aber das ist doch tatsächlich ein Mythos gewesen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, oder hat das einen historischen Hintergrund gehabt?
00:21:23: Kerstin Also auf jeden Fall spukt das glaube ich sehr in den Köpfen rum, bei den Byzantinern. Da wurde dann die heilige Agathe immer als Schutzheilige der Krebskranken angerufen. Und warum auch? Die heilige Agathe hatte nämlich keine Brüste mehr. Die wurde von einem heidnischen Statthalter, den sie nicht heiraten wollte, gefoltert, indem er ihr die Brüste abgeschnitten hat. Und die wurde dann tatsächlich zu einer Schutzheiligen der krebskranken Frauen, an die man sich gewandt hat, wenn man Krebs hatte. Und das ist ganz interessant, weil in dieser Zeit in Byzanz die Anrufung von Heiligen in der Krebstherapie so zu einem ganz, ganz probaten Mittel der Wahl geworden ist, was auch so ein bisschen zeigt, wie hilflos man da letztlich war. Also man konnte sich in der Tat ganz, ganz lange, wenn man eben auch dieses Konzept einer Zelle, die da wuchert, unkontrolliert wuchert. Das kannte man natürlich nicht. Die Zellular-Pathologie hat ja erst Rudolf Virchow im 19. Jahrhundert begründet. Also man tappte wirklich komplett im Dunkeln, was da im Körper passiert, wenn da so ein Krebs wuchert.
00:22:25: Marko Aber das ist ja teilweise noch bis heute so. Also ich habe eine gute Freundin durch Krebs verloren und das war eigentlich eine sehr wissenschaftliche Frau, die war selber Ärztin und die ist dann trotzdem ins Sauerland gefahren, weil es da eine Höhle gab oder so ein Stollen. Da konnte man sich reinsetzen und da hat sie sozusagen gehofft, dass die Strahlung in dem Stollen irgendwas mit ihrem Brustkrebs bewirkt. Also offenbar sind wir Menschen, was Krebs angeht und vor allem was die Hoffnung angeht, dass das geheilt werden soll. Gar nicht so anders als vielleicht die Byzantiner.
00:22:54: Martin Na ja, wobei deine Freundin natürlich Strahlung. Das ist ja im Prinzip der zweite Punkt, auf den wir dann wahrscheinlich gleich kommen werden.
00:23:01: Marko Aber ich glaube, die meinen andere Strahlen.
00:23:03: Martin Das waren das waren so heilige Strahlen.
00:23:05: Marko Also das war eher etwas Esoterisches, in der Tat. Und sie hat es einfach ausprobiert. Geholfen hat es nicht. Sie ist gestorben, aber wir sind beim nächsten, beim Strahl. In der Tat, ja.
00:23:14: Kerstin Aber ich glaube, ich finde das spannend, Marko, glaube ich, das wahnsinnig Unheimliche am Krebs ist, dass da etwas mitten in dir drin ist, über das du überhaupt gar keine Macht hast. Das hat mir auch mein Patient in der Tat so erzählt. Es bemächtigt sich deiner etwas und du bist wahnsinnig enttäuscht, dass dein Körper dich auf diese Weise im Stich lässt. Ich denke, das ist eine Erfahrung, wo es dann auch nicht weiter verwunderlich ist, wenn man in eine Höhle im Sauerland fährt. Also es ist einfach glaube ich, eine ganz fundamentale Ohnmachts-Erfahrungen, die man da in jeder Krankengeschichte durchmacht.
00:23:48: Martin Gab es denn Erklärungen? Wenn es denn diesen zellularen Ansatz, den gab es erst im 19. Jahrhundert mit dem berühmten Virchow, den hat mir letztens auch schon mal, und wie hat man sich das denn früher erklärt? Wo kam es denn her? War das eine Geißel Gottes oder was? Was war der Grund?
00:24:04: Kerstin Na ja, ganz lange bevor Rudolf Virchow die Zellular-Pathologie begründet hat. Ist ja über Jahrhunderte. Im Prinzip war die sogenannte Säfte Lehre der große Erklärungsansatz: Homoral-Pathologie, wenn ihr den Fachbegriff hören wollt. Da ging man davon aus, es gibt vier Körpersäfte: schwarze Galle, gelbe Galle, Blut und Schleim und Krankheiten entstehen, wenn diese vier Säfte aus dem Gleichgewicht geraten sind. Also so grob hat man sich das auch erklärt, dass da irgendwie was nicht mehr im Gleichgewicht sein muss. Und dann gab es immer Möglichkeit des Aderlass oder was auch immer. Es gab da so mehr oder minder kuriose Möglichkeiten, da dann einzugreifen. Aber klar, das hat nicht viel geholfen, aber es hat dann so mit der Zeit, so 16. Jahrhundert fing das an, hat man tatsächlich so quasi erfahrungs- wissenschaftlich versucht mal rauszukriegen, welche Leute kriegen denn eher Krebs als andere? Und da ist man zumindest auf die bis heute ja vollkommen gängige und auch richtige Erklärung gekommen, dass es gewisse krebserregende Substanzen geben könnte. Das wissen wir ja heute alle. Man sollte sich jetzt nicht so wahnsinnig UV-Strahlung aussetzen oder sich lieber eincremen, dass man keinen Hautkrebs kriegt. Wir alle kennen Asbest. Also es gibt ganz offensichtlich Substanzen, die Krebs befördern. Und da hat man zum Beispiel schon im 16. Jahrhundert - Paracelsus war das - ist auf eine Substanz namens Realgar gestoßen. Der hat nämlich gemerkt, dass viele Bergarbeiter, die das abgebaut haben, das ist ein Mineral, dann Lungenkrebs bekommen haben. Und warum waren die scharf auf dieses Realgar? Daraus wurden Farbpigmente gemacht, das berümte Rausch-Rot, das ist eher so ein Orange-Rot, das zum Beispiel Tizian verwendet hat. Das ist krebserregend. Wenn man das heute haben will, gibt es immer noch Leute, die historische Gemälde restaurieren. Die dürfen das benutzen, aber nur unter höchsten Sicherheitsauflagen. Und im 18. Jahrhundert hat dann zum Beispiel ein englischer Arzt herausgefunden, dass viele Schornsteinfeger, die wirklich richtig in die Schornsteine rein steigen und so, dass die auch oft Krebs entwickeln, wenn auch mit fünf bis zehn bis zwanzig Jahren Verspätung. Aber das hat der erstmals beschrieben im 18. Jahrhundert in der Abhandlung, dass es ganz viele Schornsteinfeger gibt, die an Krebs leiden. Und da kam dann so dieser Gedanke auf Okay, es gibt ganz offensichtlich Substanzen, die sind nicht so wahnsinnig glücklich, wenn man Krebs vermeiden will in seinem Leben.
00:26:18: Marko Von sozusagen dieser Ursachenforschung, also einer vagen Idee: Daran könnte das liegen, dass Menschen Krebs kriegen. Hat sich daraus auch eine neue Therapie entwickelt? Und wenn ja, wann? Weil einfach nur rausschneiden. Irgendwann stellt man fest: Das funktioniert gar nicht. Man hat diesen Tumor, den man sichtbar vor sich hat, den schneidet man raus. Aber der Krebs ist nicht weg. Das ist ja eigentlich das Erschreckende.
00:26:42: Kerstin Manchmal hat man Glück und der war wirklich so lokal begrenzt, dass man den erwischt mit dem Tumor. Aber oft hat der ja schon gestreut und war dann hast nicht erwischt.
00:26:49: Marko Genau so und dann, dann muss ich mir überlegen, dass. Rausschneiden vielleicht nicht das einzige Mittel der Wahl sein kann, um es zu bekämpfen. Und du hast eben gesagt Stahl, Strahl, Gift. Wir müssen mal zum Strahl kommen.
00:27:01: Kerstin Ja, das machen wir jetzt. Das gibt es ja auch heute noch. Bestrahlt werden. Röntgenstrahlung, radioaktive Strahlung. Damit will man die Zellteilung der Krebszellen stoppen. Und je lokal begrenzter das ist, umso schonender natürlich. Denn man kann sich vorstellen: Auch gesunde Zellen teilen sich ja, denen schadet man damit auch. Und das Problem ist außerdem: Diese Strahlung ist selbst wieder krebserregend. Also das Medikament, die Heilung, die macht letztlich wieder krank. Das kann man gut an Marie Curie sehen, die ja zur Radioaktivität geforscht hat und dann höchstwahrscheinlich muss man annehmen, auch daran gestorben ist. Und für die Krebstherapie war aber gerade Marie Curie sehr wichtig, als die in ihrem Radium Institut in Paris 1921 explizit auch eine Abteilung für Angewandte Medizin aufgemacht hat. Und in dieser Abteilung hat man dann erstmals auch so ein bisschen Grundlagenforschung betrieben, wie man mit der Bestrahlung in der Krebstherapie weiterkommt. Also das war dann tatsächlich so ein ganz großer Durchbruch, wie man überhaupt so sagen muss, dass eigentlich diese Jahrhundertwende 19. Jahrhundert, dass es da eigentlich so ziemlich losging, also da wurde das mit den Operationen auch immer ausgefuchster, wissen wir alle. Ignaz Semmelweis hat die Anti-Septik begründet. Also man konnte jetzt operieren, ohne dass das immer ganz schrecklich wurde und man da eigentlich, wenn man nicht richtig desinfiziert hat, alles nur schlimmer gemacht hat. Die Operationen wurden ausgefuchster. Man hatte jetzt auch dieses Mittel, das nicht nur des Stahls, sondern des Strahls.
00:28:27: Marko Aber was macht er? Was? Was macht der Strahl genau? Ich nehme eine radioaktive Quelle. Lenkt das auf einen Bereich, wo ich denke, da könnte der Tumor sitzen oder ich bestrahlt den ganzen Menschen. Was mache ich?
00:28:38: Kerstin Lokal begrenzt ist immer das Mittel der Wahl. Und dann kann man mit diesem Strahl die Teilung der Krebszellen stoppen. Man friert das also quasi ein und die sterben dann ab.
00:28:50: Martin Ja, das ist ja dann glaube ich ungefähr die Zeit gewesen, Aufkommen der Pharmakologie, wo dann auch das Gift, also der Dritte im Bunde dieser heiligen Trilogie aus Stahl, Strahl und Gift ins Spiel gekommen ist. Und das mit dem Gift ist wörtlich gemeint.
00:29:06: Kerstin Ja, ja, damit ist ganz banal die Chemotherapie gemeint. Da passiert eigentlich nichts weiter, als dass du deinen Körper vergiftest, um dadurch Krebszellen abzutöten. Kann man sich schon vorstellen, was das mit dem Rest des Körpers macht. Da trifft man natürlich nicht nur Krebszellen, sondern auch andere Körperzellen. Das ist eine gigantische Tortur, tatsächlich. Und auch das hat mir der Alexander Fahrid, der Patient, ganz eindrücklich geschildert, wie man sich da fühlt während so einer Chemotherapie,
00:29:37: Fahrrid Sobald das Medikament im Körper ist. Man merkt, wie es wirkt. Also alles wird still. Meine Energie, alles ist aus und ich liege im Bett. Ich habe wirklich keine Kraft, irgendwas zu machen. Ich guck nur auf die Decke und versuche einfach nicht daran zu denken. Ich will es jetzt nicht irgendwie so schlimm darstelle, weil danach bin ich sehr froh, dass ich das gemacht habe und durchgehalten. Das sah man auch, dass der Tumormarker komplett verschwunden war und so weiter und so fort. Aber wenn man mittendrin ist und diese Nebenwirkung erlebt, dann denkt man: Ich will das nicht mehr. Ich ich kann das nicht mehr.
00:30:17: Kerstin Es gab allerdings eine Sache in dieser Zeit, die ihn getröstet hat. Und zwar hat er tatsächlich den "König aller Krankheiten" nicht gelesen, dafür war er zu zu kaputt, aber er hat ihn als Hörbuch gehört. Auf Englisch, auf Deutsch gibt es nicht als Hörbuch. Und das hat ihn in der Tat getröstet, hat er mir erzählt,
00:30:35: Fahrrid Hat mir viel Kraft gegeben. Für mich war das persönlich so, dass wenn man über die Erkrankung viel versteht und die Geschichte weißt und weißt auch, dass es gut geht manchmal. Auch wenn es manchmal schlecht geht, dass man versteht es einfach mehr und man ist nicht alleine im Leiden. Das ist, was dieses Buch mir wirklich verschafft hat.
00:30:55: Marko Nun sind ja heute Chemotherapien furchtbar elaboriert zusammengestellte Therapien, wo man verschiedene Mittel kombiniert und auch guckt: Was könnte denn bei einem speziellen Krebs am besten helfen? Wie hat das denn angefangen? Also irgendwann muss mal jemand auf die Idee gekommen sein. Okay, schluckste mal das, dann geht es dir schlecht und vielleicht sogar noch schlechter als vorher. Aber im Endeffekt hilft das. Ist ja etwas, was sehr seltsam ist.
00:31:21: Kerstin Ja und witzigerweise da sind sich der Kampf gegen den Krebs und der Kampf im Krieg ganz nah. Also die Medizin hat sich da tatsächlich von den Schlachtfeldern dieses kriegerischen 20. Jahrhunderts inspirieren lassen. Nämlich erstes Mittel bei Chemotherapie war Senfgas.
00:31:39: Marko Das kennt man eigentlich nur aus Schützengräben. Senfgas war natürlich was ganz Scheußliches. Erster Weltkrieg.
00:31:43: Kerstin Exakt - Du bist genau auf der richtigen Fährte. Das hat man entdeckt im Ersten Weltkrieg. Wir Deutsche haben dieses zweifelhafte Privileg, können das für uns reklamieren. 1917 war, das haben die Deutschen erstmals eingesetzt. Man lag vor Ypern, erwartete den britischen Angriff. Deswegen nannte man Senfgas auch lange Yperit. Und wusste Da rollt jetzt was auf uns zu und hat vorher dem Gegner nochmal ordentlich dezimieren wollen. Also hat dieses Senfgas rausgeholt, die Briten damit beschossen. Die Folgen waren furchtbar. Senfgas entstellt dich entweder - du hast dann so Versätzjungen auf der Haut wie so Blattern, Warzen oder es tötet dich direkt.
00:32:21: Martin Und das hat man nun eingesetzt, diese Senfgas, wo die Leute entstellt und ja, verreckt sind, schlicht und ergreifend, um daraus eine Chemotherapie zu entwickeln. Wie kommt man dazu?
00:32:33: Kerstin Ja, man hat da was ganz Interessantes entdeckt, erkannt im Labor, nämlich dass Senfgas ganz clever ist oder besser gesagt Derivate des Senfgas: Die hemmen nämlich die Zellteilung, wissen wir ja: Krebszellen teilen sich schneller als andere. Und die hemmen das umso effektiver, je schneller sich die Zellen teilen. Da kommen wir jetzt Richtung Krebs. Krebszellen teilen sich schneller als normale, weswegen eben diese Senfgas-Derivate besonders gut Krebszellen abgetötet haben. Und da sind wir dann jetzt auch gleich bei einer ganz klassischen Nebenwirkung der Chemotherapie oder vieler Chemotherapien, haben wir wahrscheinlich alle schon mal von gehört oder manche vielleicht auch leidvoll erfahren: Dir fallen bei einer Chemotherapie relativ oft die Haare aus und das liegt auch daran, dass Haar-Zellen sich eben vergleichsweise schnell teilen und viele Chemotherapien eben genau da ansetzen, die schießen gegen Zellen, die sich überdurchschnittlich schnell teilen. Das sind Krebszellen, das sind aber auch eben zum Beispiel Haar-Zellen oder nachwachsende Fingernägel oder so, ne.
00:33:33: Marko Jetzt haben wir sie alle durch Stahl, Strahl und Gift. Im Prinzip das, was bis heute bei einem Krebspatienten gemacht wird.
00:33:41: Kerstin Genau. Also den ersten Patienten mit einer Chemotherapie behandelt hat man 1942 in den USA. Und da hat man einen sehr, sehr aggressiven Tumor an einer Lymphdrainage zum Schrumpfen gebracht. Also bei einem Patienten, wo eigentlich klar war, da hilft sowieso nix mehr, der wird jetzt binnen Wochen, wenn nicht Tagen versterben. Der starb dann trotzdem, aber eben paar Monate später. Und das hat der Wissenschaft erst mal genügt, um zu sehen Okay, da haben wir was gefunden, da machen wir weiter.
00:34:09: Marko Ist im Prinzip ja heute auch noch so: letztendlich rechnet man immer in Überlebens-Intervallen. Wenn jemand einen Krebs 5 Jahre überlebt, dann hat das offenbar gut gewirkt. Genau. Wenn im 6. Jahr stirbt, dann fällt er leider aus der Statistik-
00:34:24: Kerstin Genau diese 5 Jahre sind wirklich so eine Wasserscheide. Aber es ist so ein bisschen eine Blackbox. Also du wirst nie wissen, ob du oder? Natürlich kannst du es wissen, in dem der Tumormarker im Blut bestimmst und so. Aber ob du wirklich alles erwischt hast und für wie lange, ob da nicht doch irgendwas schlummert? Das ist im Prinzip immer die große Frage und auch die große Angst, die da im Hintergrund lauert. Und da kommt dann wiederum die mRNA ins Spiel. Die soll nämlich, das ist die Idee tatsächlich da ein bisschen nachhaltiger wird.
00:34:54: Martin Und das aber erst seit 20 Jahren, hast du eben gesagt 20, 25 Jahre oder so, hat man da angefangen zu forschen. Es gab ja vorher schon alle möglichen Forschung, also Chemotherapie war klar, dass das den menschlichen Körper vergiftet und das auch, wenn man es noch so ausgefuchst und individualisiert macht, das natürlich trotzdem immer ein herber Ritt ist so eine Chemo. Also es wurde ja an allen möglichen geforscht. Und immer wieder - ich kenne diese Bild-Schlag:zeilen - hieß es: "Durchbruch gegen den Krebs". Jetzt aber haben wir es gefunden und wieder neue Therapie gegen Krebs. Und endgültig ist er besiegt und immer stimmt es nicht. Aber jetzt soll es stimmen?
00:35:32: Kerstin Ja, das ist jetzt natürlich nicht nur das Verdienst dieser Mainzer Forscher, die neben anderen an dieser mRNA-Geschichte forschen, sondern das ist schon auch so ein bisschen ein Paradigmenwechsel in der Krebsforschung als ganzer nämlich. Irgendwann in den letzten Jahrzehnten hat man angefangen, unser Immunsystem mit zu betrachten, das dafür in Haftung zu nehmen, dass Krebs entsteht, nämlich die Grundüberlegung dieses Ansatzes in der Krebsforschung, in der Krebstherapie ist: Wenn im Körper überhaupt Tumorzellen wuchern, dann hat ja eins versagt, nämlich unser Immunsystem. Das soll im Prinzip nichts anderes tun, als uns entweder Infektionskrankheiten vom Hals halten oder eben Tumorzellen vom Hals halten. Und warum es das nicht schafft? Das liegt eben daran, dass diese Tumorzellen in der Regel, haben wir schon gehört, verdammt clever sind. Die schalten die Strategien des Immunsystems aus, die segeln unter dem Radar des Immunsystems durch. Und da ist eben in den letzten zehn, 20, 30 Jahren sehr viel geforscht worden, wie man das Immunsystem wieder fit machen kann. Da gibt es neben der Idee einer Impfung auf mRNA-Basis, muss man ganz klar sagen, gibt es auch eine ganze Menge anderer Therapien, die jetzt in diese Richtung gehen. Und das hat wiederum auch den Mainzer Forschern wieder geholfen, die an dieser Impfung arbeiten, die ja letztlich auch an dem Punkt angreift, nämlich das Immunsystem fit zu machen.
00:36:50: Kreiter Und das war natürlich dann der Punkt, wo plötzlich die Wahrnehmung der Forschungs- Anstrengungen in Richtung einer Krebs Immuntherapie ganz anders war, weil man plötzlich gesehen hat das ist ja unglaublich. Ja, unser Immunsystem kann tatsächlich was ausrichten. Und das hat uns natürlich sehr, sehr motiviert damals.
00:37:08: Martin Also Sie haben weiter geforscht. Was genau passiert denn da? Was ist der Therapieansatz, den die da verfolgt haben?
00:37:14: Kerstin Ja, die Grundidee ist Ich will dich gegen Krebs impfen. Jetzt ist die Frage Was ist genau eine Impfung? Bei einer Impfung bringst du dem Körper was bei. Also das hier sind die Bösen, die Krankheitserreger. Aktuell jetzt bei der Corona Impfung. Lieber Körper, das hier ist ein Corona- Virus oder eben das hier ist eine Tumorzellen und die musst du finden, die musst du bitte unschädlich machen. Wie schon gehört, die Tumorzellen, die sind clever, die tarnen sich ganz gerne. Der Körper merkt gar nicht, dass er sie loswerden muss. Und wenn wir jetzt unsere Immunzellen so als Streifenpolizisten vorstellen, die patrouillieren die ganze Zeit in unserem Körper, die wollen die Bösen sozusagen finden. Die müssen erst mal wissen, wen sie suchen müssen. Die brauchen sozusagen wie so ein Fahndungsfoto, wie so eine Akte. Also muss eine gewisse Information:Das hier ist der Böse. So schaut er aus. Diese Information, die muss in den Körper kommen.
00:38:10: Martin Also im Prinzip wie bei einer Impfung soll das laufen. Impfung kennen wir jetzt seit langem, aber was ist da bei der mRNA denn da jetzt das Besondere?
00:38:20: Kerstin Die mRNA ist gewissermaßen der Bote, die dieses Fahndungsfoto dort im Körper hinbringt, wo es gebraucht wird. Als die ist Messenger Ribonucliec Acid - Messenger - Bote - das ist im Prinzip nur so eine Träger-Substanz, die dieses Fahndungsfoto überbringt und das Fahndungsfoto selbst, woraus besteht es? Das besteht quasi aus dem genetischen Bauplan der zu bekämpfenden Tumorzellen. Also dein Immunsystem weiß dann: So ist so eine Tumorzellen gebaut, die muss ich suchen. Und was das Spannende und dann auch noch mal das ganz Besondere an diesem Ansatz der Mainzer Forscher ist: Das kann durchaus ein total individueller Bauplan sein. Das ist auch so ein Ergebnis der Krebsforschung der letzten Jahrzehnte. Jeder Tumor ist anders. Die unterscheiden sich ganz erheblich. Und eine Idee, die diese Mainzer Herangehensweise auszeichnet, ist, dass die auch schon früh überlegt haben, wirklich maßgeschneiderte Impfungen gegen deinen ganz bestimmten Tumor zu machen. Also bei gewissen Krebsarten wird es auf jeden Fall auch eine one size fits all Lösung geben. Aber die Idee ist, dass man dann auch Impfungen ganz gezielt auf einen Tumor erstellt. Also jetzt nimm mal an, man hat dir deinen Tumor entfernt, man weiß nicht, ob der gestreut hat. Dann wird im Prinzip mit den Tumorzellen, die man bei dieser Operation gewonnen hat, aus diesen Zellen das Fahndungsfoto zusammengebastelt, das dann mittels mRNA in deinen Körper zu deinem Immunsystem geschickt hat. Und dank Corona ist ja jetzt zumindest das Herstellungsverfahren dieser mRNA-Technologie, wie man diesen Impfstoff fabriziert, der ist total standardisiert. Es gibt da jetzt wahnsinnig viele Kapazitäten und man müsste dann bei jeder Impfung nur noch dieses Fahndungsfoto neu erstellen und dann der mRNA mit auf den Weg geben.
00:40:07: Marko Also im Prinzip, also jetzt verstehe ich es auch mit Corona, da haben die den letztendlich so Coruna Viren gezeigt. Wir kennen die alle, die sehen immer so stachelig aus und sehen aus wie kleine Igelchen und haben gesagt Pass auf, hier - Igelchen - das frisst du.
00:40:18: Kerstin Das ist ja das schöne dran, oder? Es gibt ja auch immer jetzt so raunende Verschwörungstheoretiker, die sagen Ah ah, mRNA - das hat irgendwas mit Gentechnik zu tun und so. Ob das nicht in unserer Erbsubstanz irgendwie rum fuhrwerkt? Undist diese mRNA ist eine Substanz, die auch sehr schnell wieder zerfällt. Also wenn die ihren Job gemacht hat, dann ist sie auch ganz schnell wieder weg. Was auch ein ganz großer Vorteil dieser Technologie ist. Die wird jetzt nicht endlos in unserem Körper verbleiben und das ist auch ein ganz großer Vorteil. Es ist ja auch ganz viel bei Krebstherapien geforscht worden, ob man da sich an die DNA, also an unsere Erbsubstanz ran wagt. Und dadurch, dass die mRNA wirklich nur so ein Bote ist, nur so ein Träger Substanz ist, ist die da auch viel unschädliche sozusagen.
00:41:03: Marko Na ja, aber was man damit letztendlich machen kann, man kann da alles draufpacken. Letztendlich kann man dem Immunsystem sagen: Okay, jetzt jagst du mal diese Igelchen, die aussehen wie Corona-Viren, also die Corona-Viren. Oder man kann dem auch sagen Ja, jetzt jagst du mal den Tumor.
00:41:17: Kerstin Ja und man muss das.
00:41:19: Marko Man beim nächsten Mal könntest du sagen, jetzt sagst du mal eine ganz andere Grippe - das könnte man auch machen, das wäre egal?
00:41:25: Kerstin Ja, es klingt ja. Du musst ja nicht
00:41:28: Marko Das klingt nac- dem super Wundermittel. Also ich meine,
00:41:30: Kerstin es ist gigantisch. Das haben auch manche, allerdings eher immer nur so hinter vorgehaltener Hand in meiner Recherche gesagt. Aber das haben schon manche gesagt, das ist boah, also das ist so wie Semmelweis das mit der Hygiene uns erzählt hat, haben wir jetzt wieder wirklich so ein Epochen-Umbruch eventuell. Und das erstreckt sich auch gar nicht nur aufs Immunsystem. Also wie schon gesagt, du kannst eventuell, wenn es um so eine Impfung geht, guckst du dann, dass das im lympathischen System ankommt. Aber du kannst das auch in quasi in dein Herz injizieren und dem Herz den Zellen dort beibringen. Jetzt bau mir mal bitte solche neuen Herzkranzgefäße oder so. Also Science Fiction.
00:42:11: Martin In der Tat, wirklich klingt es wie Science Fiction, aber es scheint da ja dann doch wirkliche Unterschiede zu geben, denn die haben ja nur jahrelang an dieser Krebstherapie geforscht. Und es ist momentan - hast du am Anfang gesagt - immer noch in der Studien Phase in den Phasen drin. Beim Impfstoff Corona ging das ja ratzfatz, das ging ja innerhalb von wenigen Monaten. Also da scheint ja auch einfachere und weniger einfache Dinge zu geben.
00:42:33: Kerstin Ja, also so ein Coruna Virus ist, wenn man es mit einer Krebszelle vergleicht ist das pillepalle. Also die ist da ziemlich schlicht. Das ging dann in der Tat relativ schnell. Aber Sebastian Kreiter hat mir auch gesagt, der Mainzer Forscher. Das war auch ein bisschen ein Glücksfall, dass Corona jetzt kam. Also vor fünf Jahren wäre- n sie noch nicht so weit gewesen. Und der zweite Glücksfall war dann tatsächlich, dass diese Forschungsgruppe und dann auch die angegliederte Firma Biotech, die Gründer dieser Firma, Ugur Sahin und Özlem Türeci, dann auch in diesem Winter, Januar 2020, als die ersten Nachrichten da aus Wuhan kamen, dass die ganz schnell geschaltet haben und gesagt haben - wir haben ja alle, ich habe noch gedacht im Januar 2020: Ja, okay, China geht mich nicht viel an. Aber die haben gesagt - Okay, da rollt was auf uns zu, auf die ganze Welt, nicht nur auf China. Und ab da ging es los in dieser Firma. So hat mir das Sebastian Kreiter erzählt.
00:43:27: Kreiter Im Grunde Ende Januar, Anfang Februar letzten Jahres war klar, dass wir wirklich mit aller Macht unsere Ressourcen jetzt darauf werfen, wirklich an diesem Projekt zu arbeiten. Ich weiß noch, ich habe dann meinen Urlaub abgesagt und wir haben uns dann klar gemacht, was es jetzt gilt. Also dass es jetzt eben wirklich um jeden Tag geht, den wir irgendwie schneller sein können und dass es darum geht, jetzt einen absoluten Fokus auf diese Entwicklungsarbeit zu haben. Und das ist so etwas. Das ist dann sozusagen durch die ganze Firma diffundiert. Diese Umpolung und diese Fokussierung hat sozusagen alle Bereiche der Firma ergriffen. Und dann haben die Räder eben in einer Art und Weise ineinander gegriffen, auch wie man sich vielleicht hätte vorher nicht vorstellen können auch, muss man sagen.
00:44:19: Martin Das ist ein Riesenerfolg geworden, glaube ich, kann man sagen weltweit. Und jetzt feiert alle Welt mRNA und die Therapie. Richtig?
00:44:29: Kerstin Genau. Also der Ugur Sahin, der Biontec-Gründer, der geht davon aus, dass schon so in 15 Jahren ein Drittel aller Arzneimittel auf der mRNA-Technologie basieren werden. Und wie gesagt, da geht es nicht nur um Impfungen, wobei auch natürlich andere Impfungen im Gespräch sind, auch gegen AIDS, gegen Tuberkulose zum Beispiel, sondern auch eine ganze Menge anderer Medikamente, Autoimmunerkrankungen, Alzheimer. Immer eben mit diesem rinzip: Die mRNA als Träger Mittel, die kommt in deinen Körper und programmiert den quasi um.
00:45:03: Marko Wenn man jetzt so ein Wundermittel hat, wo man sagt: So boah, da kann ich ganz viele Sachen machen, dann ist es in der Medizin ja oft so - Ja, da wollen die Leute auch mit Geld machen. Ist ja völlig klar. Medizin ist ja etwas, wo jetzt nicht gerade wenig Geld verdient wird. Das heißt, die haben gerade alle auch Dollar-Sternchen in den Augen.
00:45:21: Kerstin Ja, du wirst lachen. Der Firmensitz von Biontech in Mainz, der liegt an der schönen Straße, an der Goldgrube.
00:45:29: Marko Ja, vielversprechend.
00:45:32: Martin Nomen est omen.
00:45:34: Marko Auf der anderen Seite muss man sagen: Gerade in der Krebstherapie sind diese Tests ja noch gar nicht abgeschlossen. Keines dieser Mittel ist für Krebs im Moment zugelassen. Und wann das jemals der Fall sein wird und ob das jemals der Fall sein wird, wissen wir auch noch nicht, oder?
00:45:48: Kerstin Die gehen schon davon aus, dass das innerhalb der nächsten zwei, drei, vier Jahre marktreif werden kann. Aber ich glaube, das Problem könnte was anderes sein. Nämlich natürlich wissen wir noch überhaupt nicht über die Langzeitwirkungen Bescheid so richtig. Also zum Ersten Mal getestet wurde das damals im Vorfeld dieser Nature Publikation. Da hat man das an Patienten mit schwarzem Hautkrebs erfolgreich getestet. Denen geht es heute auch gut. Hat bei vielen wirklich gut angeschlagen, aber man muss sich schon darüber im Klaren sein, und das haben mir auch Interviewpartner gesagt: Wenn man sich ans Immunsystem ran wagt, wagt man sich da an ein sehr fragiles System heran, das normalerweise ganz gut im Gleichgewicht ist, aber dass man auch so schnell anschubsen kann und aus dem Gleichgewicht bringen kann. Und es könnte durchaus sein, dass da mit einem Abstand vielleicht auch von ein, zwei, drei Jahrzehnten dann tatsächlich nach so einer Therapie vermehrt Autoimmunerkrankungen auftauchen. Also das weiß man alles noch nicht. Und da muss man sich auch darüber im Klaren sein, da kann in der Tat noch was nachkommt.
00:46:48: Martin Aber für unseren Patienten Alexander Fahrid, nehme ich mal an, ist das trotzdem eine große Hoffnung.
00:46:54: Kerstin Für den könnte so eine Impfung tatsächlich ein Segen sein.
00:46:58: Marko Aber wann kriegt er sie?
00:46:59: Kerstin Das ist die Frage. Also im Moment geht man davon aus, dass es noch so zwei, drei, vier Jahre dauern könnte, bis diese Impfung oder manche dieser Impfung dann marktreif sind. Und ganz wichtig bevor wir jetzt hier große Heilsversprechen propagieren: Diese Impfung wird dann voraussichtlich auch nie das allein selig machende sein. Also wir werden weiterhin in der Krebstherapie so ein Therapie Mix immer haben, der ja auch letztlich bei Alexander Fahrid dann so war. Stahl - der hatte erst die OP, dann hatte er eine Chemotherapie. Diesen Mix wird es weiter geben, es sei denn in diesen Fällen wo man weiß, man hat einen genetisch bedingten Krebs. Also man weiß ganz genau, man hat Vorfahren, die hatten schon immer diese Art von Krebs. Da könnte es tatsächlich sein, dass man da sogar präventiv mal impft, was dann wirklich ein riesen Durchbruch wäre. Aber für den Alexander Fahrid, um noch mal zu sagen, wo der steht, der gilt erst mal als geheilt. Aber niemand kann ihm sagen, ob nicht noch irgendwo in seinem Körper diese fiesen kleinen Tumorzellen-Nester schlummern. Und da käme eben jetzt diese Impfung ins Spiel. Die könnte auch jetzt schon, wo er gar keine Symptome hat oder jetzt wo man denkt na ja, der ist erst mal geheilt. Die könnte jetzt schon sein Immunsystem darauf trainieren, falls solche Zellen wieder den Schlummer Status verlassen oder einfach noch da sind, die sofort zu erkennen und auf sie loszugehen und das eben dauerhaft, so wie eine Impfung im Idealfall dauerhaft ein Immunsystem dafür ertüchtigt. So könnte das diese Impfung für ihn auch leisten und das würde natürlich sein Lebensgefühl komplett ändern.
00:48:39: Kreiter Das wird bedeuten, dass sich in diese Zweifel nicht leben muss. Ich lebe jetzt im Zweifel. Ich weiß jetzt nicht, ob dieser Tumor wiederkommen kann oder nicht. Ich habe immer diese Angst. Jeder Kontrolle, jeder MRT-Termin gehe ich und mein Stress und mein Herzrasen. Also man ist so ein bisschen okay. Wird jetzt diesmal doch der Tumor-Marker, wird jetzt diesmal jetzt wieder was im Leber zu sehen. Aber wenn man weiß, es gibt eine wirklich spezifische Therapie, die ganz genau gegen meine Tumor-Art gerichtet und das Immunsystem, sag ich mal, auf Dauer überwacht, dass dieser Tumor nicht zurückkommen kann, das wird sehr viel Sicherheit geben. Da werde ich... Also das Leben wird ein bisschen anders sein. Diese Angst, diese Hintergrund-Angst, die ich glaube jeder Tumor Patient möglicherweise hat, das wird hoffentlich verschwinden.
00:49:39: Kerstin Ja, und dann wäre er in der Tat noch eine andere Sorge los, hat er mir erzählt. Dann könnte er nämlich auch seinem Umfeld mit breiter Brust sagen Ja, ich bin tatsächlich geheilt. Der hat nämlich nach unserem Interview ganz lange gezögert, ob er wirklich in unserem Zeitzeichen mit seinem vollen Namen auftauchen will. Ganz banal: er hat sich gefragt - naja, wer weiß, vielleicht will ich mich in einem halben Jahr anderswo bewerben. Dann hat irgendjemand meinen Namen da mal gehört und weiß jetzt: Okay, der Mann, der hatte Krebs. Der Krebs kann jederzeit wiederkommen. Will ich den denn wirlich einstellen?
00:50:13: Martin Aber er hat sich dann entschieden, doch den richtigen Namen zu nennen. Das ist sein Name, mit dem wir jetzt die ganze Zeit gearbeitet haben.
00:50:20: Kerstin Genau, der heißt Alexander Fahrid. Wir haben da nämlich dann noch lang drüber geredet und das hat mich dann auch total gefreut. Wir sind dann so verblieben, wir schlafen noch mal eine Nacht drüber, haben so ein bisschen das Für und Wider erwogen. Und er ist dann wirklich für sich selber zu dem Schluss gekommen: Wenn ich mich mit dieser Geschichte irgendwo verstecken muss, dann ist das auch nicht der richtige Ort, wo ich arbeiten will. Dann ist das nicht der richtige Job, das richtige Umfeld für mich. Und er hat mir auch jetzt noch mal geschrieben, dass er ganz glücklich ist, zu dieser Lösung für sich gekommen zu sein. Das ist da auch eine riesen Last von ihm abgefallen ist. Und dann habe ich ihn noch mal explizit gefragt Ja, wir wollen ja jetzt auch noch mal im Podcast drüber reden. Darf ich die Geschichte denn erzählen? Und dann hat er gemeint Unbedingt. Er will da auch in gewisser Weise Vorbild sein für andere Krebspatienten, die sich mit ähnlichen Gedanken tragen. Er meint es tut dir, tut einer Heilung einfach nur gut, wenn du da offensiv mit umgehst.
00:51:13: Marko Nun hat ihm ja auch ein Buch geholfen, das Buch, das du heute schon dreimal erwähnt hast.
00:51:18: Kerstin 600 Seiten dick - "Der König aller Krankheiten". Auf Englisch ist der Titel noch viel schöner. "The Emperor of All Maladies", genau Siddhartha Mukherjee - "Krebs -Eine Biografie" ist der Untertitel ...
00:51:32: Marko Und wie immer am Ende dieses Podcasts
00:51:34: Martin und wir sind jetzt am Ende des Podcast fast angelangt,
00:51:38: Marko wollen, möchten wir was verlosen...
00:51:38: Martin Jawoll! Und das ist in diesem Fall genau dieses Buch. "Der König aller Krankheiten."...
00:51:45: Marko Sie müssen keinen Krebs haben, um es zu mögen
00:51:48: Martin ...und um es zu lesen. Also du hast da so viel Werbung gemacht. Ich glaube, das muss ich mir auch mal auf den Nachttisch legen. Das ist zwar nichts, was einem ruhige Träume beschert, nehme ich mal an. Aber ich glaube, es ist sehr, sehr spannend. Also aus allen Einsendungen schreibt uns und wir werden unter den Einsendungen dann dieses Buch verlosen, damit dieses Thema auch weitergetragen wird. Ja und am Ende des Podcasts sind wir jetzt auch angelangt. Eine Stunde haben wir gesprochen über die noch recht junge Geschichte der mRNA Forschung und die Geschichte des Krebses. Noch einmal ganz herzlichen Dank an die Kollegin Kerstin Hild in Berlin, die sich jetzt in den vergangenen Minuten geoutet hat, möchte ich fast sagen als Fan von mRNA, Forschung und allem, was damit zusammenhängt. Du finde das schon toll.
00:52:37: Kerstin Ja, aber ich bin nur so ein halber Groupie, also die erste Impfdosis Corona da habe ich noch, weil es einfach schnell gehen musste, weil ich Kinder habe und die so keine Ahnung. Das ist immer so, wie Russisch Roulette angefühlt hat, die Kleine in die Kita zu bringen. Während dieser Zeit habe ich sofort, als ich Astra kriegen konnte, zugegriffen. Aber die zweite Dosis, die war dann tatsächlich Biontech mRNA. Und ja, jetzt mal gespannt, ob das tut, was es soll.
00:53:02: Marko Russisches Roulette geht ja auch mit Sputnik so was
00:53:06: Kerstin da hätte ich, da hätte ich glaube ich dann doch die Finger davon gelassen.
00:53:09: Marko Wer weiß, wer weiß. Wenn man es mixt vielleicht. Ist gut, wir wissen es doch nicht. Und.
00:53:14: Martin Und um das jetzt auch noch zu sagen Dieser Podcast ist nicht gesponsert von Biontech und auch nicht von Astra und auch nicht von Pfizer hier von allem und von völlig. Für uns ist das alles völlig wurscht. Hauptsache es macht gesund.
00:53:26: Marko Es euch gefallen hat. Dann sagt euren Freunden aber auch gerne uns.
00:53:31: Martin Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es bitte nur uns.
00:53:34: Marko Zum Beispiel unter www:diegeschichtsmacher. de
00:53:37: Martin Auf jeden Fall gibt es uns wieder in 14 Tagen und bis dahin
00:53:42: Marko sagen wir Tschüss. Tschüss.
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