"Wenn es nicht unmöglich ist..." - Kindertransporte durchs Dritte Reich, Teil 2

Shownotes

1939 gelingt es dem jungen Banker Nicholas Winton, 669 Jungen und Mädchen aus der Tschechoslowakei quer durch Nazi-Deutschland bis nach England zu bringen. Ein nächster Zug voller Kinder steht abfahrbereit im Prager Bahnhof - doch dann überfallen die Deutschen Polen und der Zweite Weltkrieg beginnt.

Martin Herzog erzählt im zweiten Teil dieser Podcast-Folge über diese ungewöhnliche Rettungsaktion von den furchtbaren Schicksalen der jüdischen Familien, von der Ermordung der Eltern, wie die Kinder trotzdem überlebten und warum es nicht gelang, noch mehr Kinder nach England zu holen. Und ihr erfahrt, wie Nicholas Winton sehr spät in seinem Leben plötzlich zum Vater tausender Kinder wurde.

Wichtige Links zu dieser Folge: Martin hat ein WDR-Zeitzeichen über diese Kindertransporte gemacht: 01.07.2015 - Todestag von Sir Nicholas Winton

Ende März 2024 kommt ein Spielfilm über das Leben von Nicholas Winton in die Kinos - mit Hollywoodstar Antony Hopkins als alter Nicholas Winton und Helena Bonham Carter als seine Mutter. Hier gibt es schon einmal den Trailer: One Life

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Die Geschichtsmacher - Kindertransporte, Teil 2

00:00:03: O-Ton Englische Wochenschau (Englisch): Two hundred boys and girls wave a greeting to England, land of the free. They are between the ages of five and 17. The advance guard of the first five thousand Jewish and non Aryan Child refugees from Germany (…) the youngsters tug in as if they hadn't a care in the world. What a blessing to be young! 

00:00:16: Martin So hörte sich das an in der Wochenschau 1938: 200 Jungen und Mädchen zwischen fünf und 17 Jahren, die vom europäischen Kontinent nach England kommen, die Vorhut von 5000 jüdischen und nichtjüdischen Flüchtlingskindern aus Deutschland. Am Ende würden es dann 10.000...

00:00:32: Marko So sagt es die Wochenschau damals in England. Tausende jüdische Kinder aus Deutschland kommen in den Wochen und Monaten vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in England an, geschickt von ihren Eltern, die selbst nicht ausreisen können. Die meisten von ihnen kommen per Zug. Das sind die sogenannten Kindertransporte.

00:00:51: Martin Und die kommen größtenteils aus dem deutschen Reichsgebiet. Aber nicht alle acht von diesen Zügen kommen aus der Tschechoslowakei, aus Prag, wo viele jüdische Familien gestrandet sind nach der Besetzung des Sudetenlandes durch deutsche Truppen 1938 - acht Züge auf Initiative eines Privatmannes Nicholas Winton. 669 Kinder verdanken ihm ihr Leben.

00:01:18: Willkommen bei....

00:01:18: Intro Die Geschichtsmacher. Von den Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:35: Marko Herzlich willkommen zur zweiten Folge über die Kindertransporte. Ein Thema, über das Martin damals ein Zeizeichen geschrieben hat.

00:01:45: Martin Ich bin vor einigen Jahren in Großbritannien tatsächlich mal über dieses Thema gestolpert und fand das sehr, sehr spannend. Und als ich dann vor vier Jahren die Gelegenheit bekommen habe, darüber ein Zeitzeichen zu machen, habe ich natürlich sofort zugegriffen.

00:01:57: Marko Wir müssen noch mal erklären, wer wir eigentlich sind. Also das Zeitzeichen ist eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks, die jeden Tag in einer Viertelstunde an historische Ereignisse erinnert. Und wir haben uns irgendwann mal gedacht: Mein Gott, das macht so viel Arbeit, diese Dinge zu recherchieren und daran zu arbeiten, sodass wir und unsere Kollegen ja doch diese eigentlich viel zu viele Arbeit auch mal ordentlich verwenden könnten. Und zwar vielleicht in einer Art Podcast. Und so sind wir entstanden: Die Geschichtsmacher. Wir müssen aber an dieser Stelle noch einmal sagen: Wir sind nicht, wir sind nicht.

00:02:32: Martin Drei Mal unterstrichen.

00:02:32: Marko Wir sind nicht der öffentlich rechtliche Rundfunk. Was wir hier treiben, ist privat und unser eigenes Vergnügen. Und...

00:02:39: Martin Wir wollen einfach die Geschichten, die wir in oft mühsamer Kleinarbeit und lang und tief recherchiert haben, ausführlich einmal erzählen, weil wir glauben, dass sie sie wert sind zu erzählen. So wie eben auch in diesem Fall. Und das tun wir jetzt.

00:02:54: Marko Genau. Also zurück zu den Kindertransporten. Was wir in der vorigen Folge erfahren haben, ist, dass nachdem Hitler in das Großdeutsche Reich seine Heimat Österreich integriert hat, anschließend das Sudetenland besetzt hat und man im Münchner Abkommen sich mit den Briten darauf geeinigt hat: Ja, okay, jetzt ist der Hunger Adolf Hitlers nach Land gestillt. Alle hoffen, es bleibt Frieden. Aber in diesem Zuge sind viele Menschen nach Prag geflohen. Vor allem jüdische Menschen sind nach Prag geflohen, wo ein Riesenchaos herrscht und wo irgendwann ein Mann ankommt, der Nicholas Winton heißt und der es sich jetzt zur Aufgabe gemacht hat zu versuchen, zumindest die Kinder, die dort in Prag gestrandet sind, in Sicherheit zu bringen. Nach England.

00:03:45: Martin Genau. Nicholas Winton, ein junger Banker, ein Broker, ein Wertpapierhändler aus London. Und der wurde damals von einem Freund nach Prag gerufen, um da diesen gestrandeten Familien zu helfen. Und ja, Kinder zunächst per Flugzeug, aber dann vor allen Dingen per Zug aus der Tschechoslowakei raus zu helfen, und zwar nach England, nach London.

00:04:10: Marko Du hast dann dich auf die Suche damals gemacht nach Zeitzeugen, also nach Leuten, die mit diesen Transporten noch irgendetwas zu tun hatten. Du hast zwei...

00:04:19: Martin Richtig...

00:04:19: Marko Zwei Zeitzeugen gefunden, zwei damals Kinder, die dann aber als alte Menschen dir gegenüber saßen und die du dann interviewen konntest.

00:04:28: Martin Ja, das war damals zu coroner Zeit, deswegen haben die mir nur entfernt gegenüber gesessen. Also wir mussten das dann per WhatsApp-Aufzeichnung machen, aber ich habe beide kennenlernen dürfen. Beides sehr eindrucksvolle Zeitzeugen. Das war einmal Milena Grenfell-Baines, ehemals Milena Fleischmann, die 1939 mit dem letzten dieser Transporte nach England gekommen ist, nach Großbritannien. Wenn ihr ihre Geschichte hören wollt, wie das zugegangen ist, vielleicht auch noch mal hier der Hinweis: Wir haben in den Episoden-Beschreibungen einen Link, da könnte die erste Episode auch noch mal anhören. Das lohnt sich auf jeden Fall. Und am Ende dieses ersten Teils haben wir auch noch von Hans Heinrich Feige gehört, der ursprünglich aus Dresden stammt und der als 7-Jähriger zusammen mit seinem Bruder nach England gekommen ist.

00:05:19: Marko Der jetzt aber oder damals schon ganz anders hieß, wieder der ist dann John...

00:05:23: Martin Fieldsend.

00:05:24: Marko John Fieldsend...

00:05:26: Martin Genau aus Hans Heinrich wurde John und aus Feige wurde Fieldsend.

00:05:30: Marko Weil seine Eltern Fieldsend hießen? Oder hat er sich das ausgedacht?

00:05:34: Martin Nö, das sind seine Pflegeeltern gewesen.

00:05:37: Marko Die hießen Fieldsend?

00:05:40: Martin Genau, richtig, so. Und das muss man sich natürlich vorstellen, für einen 7-jährigen ist das natürlich eine Riesen Umstellung. Man muss sich klar machen, das ging alles relativ schnell. Der Vater von Hans Heinrich hatte ihn und seinen Bruder vorher gesagt: Jungs, ihr macht eine lange Reise in ein fremdes Land. Und da spricht man auch nicht unsere Sprache, nicht Deutsch, sondern Englisch. Und dann hat er ihnen einen englischen Satz beigebracht, nämlich: I can´t speak English. Das war alles, was Sie auf Englisch sagen konnten. Und dann sind Sie von ihren Eltern in den Zug gesetzt worden Richtung London. Und dann saßen sie in abgedunkelten Abteilen, allein, ohne Eltern, Köfferchen in der Hand, Schild mit Namen um den Hals, mit 200 anderen Kindern, denen es genauso geht, die auch auf dem Weg waren in ein unbekanntes Land. Aber Hans hat wohl nicht viel mit Ihnen geredet. Das hat er mir erzählt. Er war wohl zu traumatisiert, sagt er. Die Ankunft in London hat er dann so beschrieben.

00:06:42: O-Ton John Fieldsend (Englisch): There were about 200 other kids on the train. But I really don't remember interacting with them all that much. I must have done. But I think I was probably a bit too traumatized, actually, to remember too much of the detail.  At Liverpool Street Station, there were 200 plus of us kids and English people moving around amongst us. We couldn't communicate. We haven't got the language. But they were going around looking. We had our names around our neck on the label and they were looking for the kid we would look to take away. And the lady took my brother and me and took us out into London. And that was scary. Double decker buses. (…) And then we went up to Sheffield in Yorkshire, where my foster parents lived and went into the house. And although it was summer, there was a coal fire in an open fireplace. I'd never seen an open fire in a fireplace before. We'd only had combustion stoves and I thought the house was on fire. (…) And I was shown by bed. And there were these things, sheets and blankets, and I didn't know which layer to get into because I only ever had a continental quilt. So amongst all the troubles, my first memories of England are double decker buses, coal fires at an open fireplace and sheets and blankets. How strange is that?

00:08:15: Martin John Fieldsend erzählt, dass, als sie ankamen am Bahnhof Liverpool Street Station, da viele Kinder und Engländer waren - Erwachsene. Und sie konnten sich natürlich nicht verständigen, weil sie ja kein Englisch sprachen. Aber die Leute suchten nach den Namen, die auf dem Etikett standen, was sie um den Hals trugen, und eine Frau nahm seinen Bruder und ihn mit und brachte sie nach London. Und da, sagt John Fieldsend, das war für ihn richtig beängstigend, diese Doppeldeckerbusse. Er hatte noch nie so was Hohes gesehen und hat gedacht: Die müssen doch eigentlich umfallen. Und dann fuhren sie nach Sheffield, Yorkshire, das ist ein in Mittelengland, zum Haus der Pflegeeltern. Und obwohl es Sommer war, gab es Kohlefeuer in einem offenen Kamin. So etwas hatte er noch nie gesehen. Der kannte nur so Boller-Öfen und dachte, das Haus würde brennen. Und dann war es Zeit, ins Bett zu gehen. Und sein Bett hatte keine Bettdecke, kein Plumeau, wie man so sagt, hier im Rheinland, sondern so komische Laken, mehrere Laken übereinander. Das kannte er also alles nicht. Und er sagt: In all dem Stress und all dieser seltsamen Situation sind seine ersten Erinnerungen an England: Doppeldeckerbusse, offene Kamine und komische Laken.

00:09:25: Marko Das ist natürlich schon schräg, weil das Leid, was er da eigentlich ertragen hat, ist natürlich ein riesengroßes. Und dann fällt einem so etwas zuerst ein. Der hat immer noch einen deutschen Akzent.

00:09:37: Martin Ist mir auch aufgefallen.

00:09:38: Marko Das ist ja eigentlich erstaunlich.

00:09:40: Martin Wir reden von 1939.

00:09:42: Marko Da war der sieben.

00:09:43: Martin Da war er sieben und interviewt habe ich ihn 2020, also Jahrzehnte danach hat er immer noch einen sehr klaren deutschen Akzent.

00:09:52: Marko Und das berührt mich sehr, der ich ja auch immer so, der ich auch immer klinge wie die Nazis in amerikanischen Filmen, wenn ich Englisch rede. Ja gut.

00:10:01: Martin Ja und wie das halt so ist: Sein Bruder, Hans Heinrichs Bruder Arthur, der wurde in einer anderen Pflegefamilie in Sheffield untergebracht, zum Glück nicht weit entfernt. Also der Punkt ist: 1939 - kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges - sie waren erst mal in Sicherheit. Und da waren natürlich die Eltern von Hans Heinrich Feige und seinem Bruder natürlich sehr dankbar dafür. Nicholas Winton, der diese Transporte, diese Kindertransporte organisiert hat, hat auch viele Dankesbriefe von seinen Eltern bekommen. Und wenn man die liest, dann sieht man, was da für eine Mischung aus Dankbarkeit und Sorge die Eltern natürlich umgetrieben hat, wenn es darum ging: Was ist denn aus meinen Kindern jetzt geworden? Ich habe dazu einen Brief mitgebracht von einer Dame - Lieselotte Simon Strauß - und die schreibt aus Prag im August 1939. Marko, wenn du mal lesen möchtest.

00:10:53: Marko Also, da ist das Kind gerade mal ein paar Wochen, Monate weg, ne.

00:11:00: Martin Ja.

00:11:00: Marko liest Brief Sehr geehrter Herr Winton! Gestatten Sie, dass ich Ihnen heute für Ihre Liebenswürdigkeit danke, mit der Sie sich der Sache meines Sohnes Ilja so rasch angenommen haben. Sie haben damit eine ungeheuer drückende Sorge von mir genommen. Darf ich mich bei dieser Gelegenheit bei Ihnen erkundigen, wohin mein Sohn kommen wird? Er ist ja noch so klein und hilflos, dass ich mich im Grunde furchtbar schwer von ihm trenne. Es wäre mir also eine große Beruhigung, vorher zu wissen, wohin er kommen wird. Wäre es möglich, dass ich die Adresse von Ihnen bekäme?

00:11:34: Martin Das ist wohl so gewesen, dass die Adressen dann auch tatsächlich den Weg auch wieder gefunden haben zu den Eltern der Kinder und dass es da auch einen Austausch gab. Und auch Hans Heinrich Feige hatte wohl Briefkontakt mit seinen Eltern.

00:11:50: Marko Nun muss man ja immer noch sagen, wenn sie Mitte August schreibt: Der Krieg ist immer noch nicht ausgebrochen. Deutschland hat Polen noch nicht überfallen. Im Moment könnte man noch glauben, wir leben mitten im Frieden. Die Appeasementpolitik hat funktioniert.

00:12:04: Martin Naja, also Mitten im Frieden? Weiß ich nicht. Also es ist schon so, dass die Zeichen deutlich auf Krieg stehen und zwei Wochen später wird ja dann der Krieg auch tatsächlich ausbrechen.

00:12:13: Marko Ich frage deswegen, weil eigentlich das Großdeutsche Reich erlaubt es - darüber haben wir beim letzten Mal gesprochen - Juden durchaus auszureisen. Es ist nicht so, dass sie zurückgehalten werden. Es gibt ja auch noch nicht den Plan einer Massenvernichtung des jüdischen Volkes, sondern es gibt bis jetzt den Rassenhass der Nazis. Es gab die Reichspogromnacht, es gibt natürlich Judenverfolgung, aber es gibt noch nicht die Idee der Massenvernichtung. Durften die denn nicht einfach irgendwann mal hinterherreisen? Du hast beim letzten Mal gesagt, es ist ein Problem, weil die Einreisebestimmungen so schwer waren. Also die Briten wollten die eigentlich nicht im Land haben.

00:12:48: Martin Ja, so ist es. Also nicht nur die Briten, sondern es war generell sehr, sehr schwierig für jüdische Flüchtlinge, auch für politische Flüchtlinge natürlich, egal wer es gewesen ist, Aufnahmeländer zu finden, die gesagt haben: Ja, das ist in Ordnung, wir lassen euch rein. Unter welcher Überschrift jetzt egal - ob als Einwanderer, Wirtschaftsflüchtlinge, Asylsuchende, den Begriff gab es in der Form damals noch nicht. Egal wie, es gab nur wenige Länder, die überhaupt Leute reingelassen haben. Und Großbritannien gehörte auch nicht dazu, zu den Ländern, die gesagt haben, mit offenen Armen nehmen wir jetzt jüdische Familien auf. In Großbritannien war es so, dass da wirklich auch die Angst um Arbeitsplätze eine große Rolle spielte, nicht viel anders, als das heute der Fall ist. Und das galt offenbar, selbst wenn es sich eben um die Eltern von Kindern handelte, die bereits in Großbritannien waren, also die da in Pflegefamilien aufgenommen worden sind. Bis Ende 1938 sind im Vereinigten Königreich 30.000 Flüchtlinge insgesamt aufgenommen worden. Das sind 30.000. Immerhin. Aber es ist natürlich keine besonders große Zahl. Und wie sehr auch die Eltern versucht haben, zu ihren Kindern zu gelangen, das zeigt ein anderer Brief, den ich rausgesucht habe, von einem Herrn Arnold Stein, der im April 1939 von Prag aus schreibt:.

00:14:13: Marko liest Brief Sehr geehrter Herr Winton, vor allem möchte ich Ihnen meinen innigsten Dank aussprechen für die Unterbringung meiner kleinen Gerda. Es ist gewiss unbescheiden, wenn ich Sie weiter in Anspruch nehme, und ich möchte Ihre Güte nicht missbrauchen. Aber vielleicht ist es Ihnen möglich, uns mit Rat beizustehen. Ich will bemerken, dass wenn wir irgendwohin einreisen dürften, wir uns sicher selbst ernähren und erhalten werden können, da wir keine Arbeit scheuen.

00:14:44: Marko Also das scheint ja offenbar gerade in England das Problem zu sein. Es gibt keine Arbeit. Was man sich natürlich schon fragt ist: Die Pflegefamilien haben ja auch mit diesen Kindern, die müssen die ja versorgen und sie mussten dafür ja auch sogar eine Kaution stellen, wie wir in der letzten Folge erfahren haben. Wäre es nicht vielleicht sogar viel leichter gewesen, die Eltern auch mit rüber kommen zu lassen?

00:15:06: Wäre es vielleicht gewesen, war aber politisch nicht machbar offensichtlich. Also bei Kindern, da spielte dann eben dieser humanitäre Aspekt eine Rolle. Es gab eben auch schon lange Bemühungen für diesen Fall sich vorzubereiten. Auch da haben wir im ersten Teil darüber gesprochen, dass es bereits Vereine, Organisationen gab, die sich seit Anfang der dreißiger Jahre auf eine solche Situation eingestellt haben und versucht haben, dafür vorzubereiten, dass man im Zweifel dann wenigstens die Kinder ausreisen und dann nach England einreisen lassen kann. Aber das mit den Erwachsenen war offensichtlich ein politisch so großes Problem, dass man da einfach schlicht und ergreifend nicht weitergekommen ist. Also Familienzusammenführung war kein Thema damals.

00:15:52: Marko Immerhin hunderte Kinder werden in Sicherheit gebracht. Aber man muss natürlich sagen, du hast in der ersten Folge auch erzählt - und so war es ja auch im O Ton am Anfang von der Wochenschau: 5000 Kinder warten noch darauf, nach England zu kommen. Also es waren dann zu dem Zeitpunkt der Wochenschau 5000 Kinder. Am Ende waren es 10.000 Kinder, die gerettet worden sind durch diese Kindertransporte, die meisten aus dem Deutschen Reich und dann 669 Kinder, die von Nicolas Winton in acht Zügen dann von Prag aus nach Großbritannien gebracht worden sind. Und es hätten eigentlich noch viel mehr sein sollen, denn es waren weitere Züge geplant. Die Situation wurde aber immer schwieriger in Prag, weil sich die Schlinge in der Tschechoslowakei immer enger zugezogen hat. Im Frühjahr 1939 wurde die gesamte Tschechoslowakei dann - nicht nur das Sudetenland, sondern die gesamte Tschechoslowakei besetzt, auch Prag. Da waren dann eben die Deutschen auch in der Stadt selber. Und trotzdem gingen dann noch die Kindertransporte weiter. Aber im Sommer 1939 muss das Kinderkomitee in Prag dann die Arbeit einstellen, die dort die Transporte koordiniert haben, wo eben Nicholas Winton in London saß und geguckt hat: Wo kriege ich die ganzen Kinder unter? Acht Züge haben sie geschafft. Und der letzte Zug ging am 31. 07. 1939. Das war der, wo Milena Grenfell-Baines damals drin gesessen hat.

00:17:26: Marko Glück gehabt.

00:17:27: Martin Sie hatte mit ihrer Schwester zusammen Glück gehabt und saß in diesem letzten Zug drin. Und am gleichen Tag schreibt Nicholas Winton seinen Abschlussbericht über das letzte halbe Jahr. Und wenn man genau zuhört, dann merkt man, dass es da offensichtlich auch mit den englischen Behörden immer mal wieder geknirscht hat.

00:17:48: Marko liest Brief Bei meiner Rückkehr nach London fand ich niemanden, der willens war, Kinder aus der Tschechoslowakei herüber zu holen. Mit anderen Worten: Sechs Monate nach München.

00:17:58: Marko Er meint das Münchner Abkommen.

00:18:01: Marko liest Brief Sechs Monate nach München gab es kein Komitee, das sich für die Kinder aus der Tschechoslowakei in der Verantwortung sah. Man kann sich vorstellen, mit welch dringender Anzahl von Fällen wir konfrontiert waren. Aber wir waren schwer gehandicapt, nicht nur finanziell, sondern auch bei der Suche nach Bürgern für die Kinder. Wir haben schwer darunter gelitten, dass die Öffentlichkeit glaubte, wir seien reich. Mit dem Kollaps der Hilfsorganisationen in der Tschechoslowakei wird die Situation verzweifelt, zumal all jene mit ein bisschen Geld ihre Reserven aufbrauchen. Es sollte nicht vergessen werden, dass es unsere Organisation noch nicht gab, als die gesetzlichen Bestimmungen, Kinder in dieses Land zu bringen, noch relativ unkompliziert waren und dass wir die Kinder stets unter den neuen und immer schwierigeren Bestimmungen unterbringen mussten.

00:18:52: Martin Ja, also man merkt, die britischen Behörden haben auch nach und nach die Bedingungen immer schwieriger gemacht und die Daumenschrauben immer mehr angezogen und immer mehr verlangt an Unterlagen und letztendlich auch Steine in den Weg gelegt, was es immer schwieriger machte, dann noch Kinder nach Großbritannien zu bringen.

00:19:16: Marko Man muss dazu sagen - also darüber haben wir beim letzten Mal gesprochen: Es musste ja eine Kaution von 2500 Pfund nach heutiger Währung hinterlegt werden. Es musste dafür garantiert werden, dass dieses Kind dort wohnen kann, untergebracht werden kann und man bekam dafür kein Geld. Und teilweise haben die Menschen dann ihre eigenen Kinder zu den Großeltern gebracht. Das ist ja alles sehr beeindruckend. Das heißt, die Hilfe, die die Briten, die das gemacht haben, freiwillig auf sich genommen haben, ist ja schon unwahrscheinlich. Also das würde man ja heute kaum hinkriegen.

00:19:51: Martin Richtig. Und Sie haben eben dafür garantieren müssen, dass sie dem britischen Staat nicht auf der Tasche liegen. Aber offensichtlich hat der britische Staat es dann trotzdem geschafft, die Sache immer noch ein bisschen schwerer zu machen für Nicholas Winton und seinen Helfern. Das hat ihn aber nicht abgehalten, weiterzumachen. Und auch nach diesem Abschlussbericht, den wir da gerade gehört haben, hat er versucht, einen neunten Zug ja im wahrsten Sinne des Wortes auf die Schiene zu setzen. Und der sollte am 1. September Prag verlassen. Und das sollte der größte Kindertransport bis dahin werden, mit vielen 100 Kindern an Bord. Dieser Zug stand abfahrbereit in Prag. Aber an dem Tag, an just diesem Tag hat dann Deutschland Polen überfallen und das war der Beginn des Zweiten Weltkrieges.

00:20:41: Marko Dann ist der Zug nicht mehr abgefahren?

00:20:42: Martin Dann ist der Zug im Bahnhof von Prag stehen geblieben. Die Eltern und Kinder sind aus dem Zug, also der stand abfahrtbereit da, und die Eltern mussten ihre Kinder wieder aus dem Zug mitnehmen und wurden nach Hause geschickt. Das Schicksal dieser Familien, dieser Eltern und Kinder ist unbekannt.

00:21:03: Marko Nun sind 669 Kinder von Niklas Winden gerettet worden. Er selbst hätte noch viel lieber viel, viel mehr Kinder gerettet. Aber...

00:21:13: Martin Die Liste war 5000 Namen lang, die er mit nach London gebracht hatte aus Prag. Das heißt 669 Kinder gerettet. Toll. Aber er hat sich anschließend natürlich schon darüber Gedanken gemacht, dass eben fast 4500 Kinder er nicht retten konnte von dieser Liste.

00:21:32: Marko Und man muss sagen, Was aus denen geworden ist, das weiß wahrscheinlich kein Mensch. Und viele von ihnen werden sicher gestorben sein in den späteren Vernichtungslagern, die es natürlich damals noch nicht gab, aber die bald folgen werden.

00:21:43: Martin Ja.

00:21:43: Marko Was ist aus den Kindern geworden, die es dann nach England geschafft haben?

00:21:47: Martin Ja, als der Krieg dann begann, am 1. September 1939, war natürlich klar, dass diese Kinder erst mal bei den Pflegefamilien bleiben müssten. Da gab es kein Zurück und viele Kontakte zu den Eltern sind auch komplett abgerissen. Also vorher gab es dann noch Briefverkehr hin und her. Aber danach war im Prinzip nicht mehr daran zu denken. Die Kinder waren also in Großbritannien gestrandet und...

00:22:12: Marko Also mit Kriegseintritt von Deutschland funktioniert es auch mit der Post nicht mehr?

00:22:17: Martin Ja, es scheint da. Also John Fieldsend hatte wohl noch ab und an Kontakt, aber der riss dann irgendwann auch ab. Und dann war klar, die Kinder sind in Großbritannien und werden da erst mal auf absehbare Zeit bleiben. Und wie das dann so ist: Es sind Kinder. Sie waren noch nicht sehr alt. John Fieldsend sieben, Milena Grenfell-Baines neun. Dann geht das natürlich relativ schnell. Man wird eingeschult, es gibt Sprachunterricht, man lernt die fremde Sprache. Trotz des Traumas dieser Reise und der Trennung von den Eltern lebt man sich ein. Aus Hans Heinrich Feige wurde, wie schon gesagt, John Fieldsend. Der geht zur Schule. Die Pflegeeltern sorgen dafür, dass er ein anständiges Englisch lernt. Da wurde sehr darauf Wert gelegt, sagte er. Und irgendwann ist der Krieg zu Ende. Drei Jahre später hat er mehrere Fotoalben bekommen.

00:23:15: Marko Also 1948 muss das dann gewesen...

00:23:15: Martin 1948 hat er - es ist nicht ganz klar, wie Sie zu ihm gekommen sind. Jemand muss in Ihrem Haus gewesen sein, in der Tschechoslowakei und hat diese Alben wohl gefunden und dachte wohl: Für irgendjemanden wirds wohl wichtig sein und hat sie dem Roten Kreuz übergeben, dem Internationalen Roten Kreuz und gebeten, den Besitzer zu finden. Und tatsächlich hat das Rote Kreuz sie dann in Großbritannien ausfindig gemacht.

00:23:43: Marko Was ja erstaunlich ist: Man muss ja sagen das Rote Kreuz hat nach dem Zweiten Weltkrieg die Aufgabe übernommen, Familien wieder zusammenzuführen, Überlebende zu finden, nach Leuten zu suchen, die als vermisst gelten. Und da hat es dieses Fotoalbum tatsächlich irgendwie wieder zurück zu ihm geschafft.

00:24:00: Marko So erzählt er es.

00:24:01: O-Ton John Fieldsend (Englisch): After the war was over, my brother and I received two things, one from the International Red Cross, a big parcel and in it all our family photograph albums. Somebody had been in our house, found these albums, must have thought these are important to somebody, gave them to the International Red Cross and said: find the owner. And the International Red Cross traced my brother and me and I've got all my family photograph albums. But I also, my brother and I also received a letter. Again, how it got to us is a mystery, but it was a, a good bye letter of my parents. Detailing some of the things that had happened to other members of my family and saying they were about to be interned and this was goodbye.

00:24:48: Martin Außer den Familienalben, also diesen Fotoalben, erhielten Johns Bruder und er auch einen Brief. Wie genau er zu ihnen gelangte, ist ebenfalls ein Rätsel, genauso wie eben die Alben. Aber dieser Brief war ein Abschiedsbrief von seinen Eltern.

00:25:06: Marko liest Abschiedsbrief Liebe Jungs, wenn ihr diesen Brief erhaltet, wird der Krieg vorbei sein, denn unser freundlicher Bote wird ihn nicht früher abschicken können. Wir wollen uns von euch verabschieden, die ihr unser liebster Besitz auf der Welt wart und nur für kurze Zeit konnten wir euch behalten. Das Schicksal hat in den letzten Monaten immer wieder getroffen. Im Januar 1942 wurden die Weilers verschleppt. Wir wissen immer noch nicht, wohin und ob sie noch am Leben sind. Im Juni Großmutter Betty, im September Tante Marion, Onkel Willi und Pauli, im Oktober deine Steiner-Großeltern, im November deine 90-jährige Urgroßmutter und die Bärmanns. Im Dezember sind wir an der Reihe und damit ist die Zeit gekommen, uns wieder an euch zu wenden und euch zu bitten, gute Menschen zu werden und an die Jahre zu denken, die wir gemeinsam glücklich waren. Wir gehen ins Ungewisse. Kein Wort ist von denen zu hören, die bereits gegangen sind. Ihr habt ein Stück des Herzens eurer armen Eltern mitgenommen, als wir beschlossen, euch wegzugeben. Richte unseren Dank und unsere Dankbarkeit an alle, die gut zu euch sind.

00:26:18: Martin Hans Heinrich Feige also John Fieldsend hat dann im Nachhinein herausgefunden, dass die Eltern 1943 nach Polen deportiert worden sind und danach verlieren sich die Spuren. Vermutlich sind sie in einem der Konzentrationslager auf polnischem Boden ermordet worden, also irgendwo in Majdanek, Auschwitz, Treblinka, Sobibor. Man weiß es nicht, aber zu diesem Zeitpunkt waren die Ereignisse für ihn schon so weit weg. Also das waren neun Jahre nach dem Kindertransport. Dass die Vergangenheit allmählich aus seinem Leben verschwunden ist, so hat er mir erzählt.

00:26:58: O-Ton John Fieldsend (Englisch): I think gradually the past faded from my life. I was with a very happy home and got on with life. And so I ju st accepted the past as far as I knew it. Well, I had a good education. I trained as an electrical engineer. I was an engineer in the Royal Air Force. Then I did some electrical research with the government, but with that research wasn't terribly happy. I was researching or designing missiles, which I didn't especially enjoy. And then I had what I normally call a distinct calling, I got involved very much with a church. And in the end, the calling was so strong that I went back - I left industry, I went back to university to study theology and I became an Anglican minister.

00:27:42: Martin Also, John Fieldsend erzählt, dass er ein sehr, sehr glückliches Zuhause hatte und gut mit dem Leben zurechtkam. Und er machte dann eine Ausbildung als Elektroingenieur erst mal, er war dann Ingenieur bei der Royal Air Force und danach hat er in einem Forschungsprojekt für die Regierung gearbeitet. Da war er aber nicht sonderlich glücklich. Das hatte wohl mit Raketentechnik zu tun und das war nicht so seine Sache. Und er hatte dann so etwas wohl wie ein Erweckungserlebnis. Eine starke religiöse Berufung, so hat er das bezeichnet. So dass er dann alles hinter sich gelassen hat und studiet hat, Theologie und dann anglikanischer Pfarrer wurde. Er hat dann 1961 geheiratet, drei Kinder bekommen und als anglikanischer Vikar in der Polizei-Seelsorge gearbeitet und mit jugendlichen Straftätern gearbeitet und nach seiner Pensionierung in Schulen dann über den Holocaust gesprochen. Also nach der Pensionierung erst hat er sich wirklich wieder seiner eigenen Vergangenheit und seiner Kindheit und den Erlebnissen da zugewandt.

00:28:46: Marko Was ist aus Niklas Winton geworden? Also der hat ja dann bis 1939, bis zu September 39 versucht, Kinder zu retten. Was hat er danach gemacht?

00:28:58: Martin Also er ist in seinen bürgerliches Leben letztendlich zurückgekehrt.

00:29:02: Marko Als Broker?

00:29:03: Martin Nein, er ist nach Kriegsausbruch, also ich weiß gar nicht, was er genau, was er während des Krieges gemacht hat. Er ist aber nie wieder in seinen alten Beruf als Wertpapierhändler zurückgegangen. Der hat - er war ja noch relativ jung, der war 30 im Jahr 1939, und er hat geheiratet, hat Kinder bekommen, zwei Jungs, eine Tochter - Barbara Winton. Mit der hat man im ersten Teil auch schon zu tun.

00:29:30: Marko Die hast du auch interviewt.

00:29:30: Martin Die habe ich auch interviewt. Und ich habe sie auch danach gefragt, ob sie überhaupt von den Kindertransporten wussten, ob ihr Vater davon erzählt hat, von dieser Geschichte. Das ist ja eine große Sache gewesen. Aber sagte sie mir: Ne, ihr Vater hat davon nicht besonders viel gesprochen.

00:29:49: O-Ton Barbara Winton (Englisch): It wasn't something my father spoke about a lot. But he would occasionally mention it, especially if he had visitors who he had some connexion to that time or had some interest in that kind of area. And probably in my mid 20s, so that would have been in the mid seventies, he was beginning to look for a home for the scrapbook that he was given at the end of his Kindertransport project of reports and letters and articles, things that a volunteer in his office put together for him as a memento. And he'd kept this scrapbook all these years. And at that point, he decided that maybe someone would find a use for it. (...) but it was something that we didn't really take a lot of notice of as information until much later.

00:30:33: Martin Also Barbara Winton erzählt, dass ihr Vater es wohl gelegentlich erwähnt hat, aber es kam eigentlich nur dann zur Sprache, wenn Besucher da waren, die er aus alten Zeiten noch kannte, eben von diesen Kindertransporten. Und wenn er mit denen zu tun hatte, dann war das ein Thema. Sonst eigentlich nicht. Mitte der 70er Jahre, also dann 30, ja fast 30 Jahre später begann er ein Zuhause zu suchen für sein Scrapbook, wie sie sagt. Das ist so ein Sammelalbum. Im Prinzip so ein, wie man das so hat, so ein Buch mit weißen Seiten, wo man dann alles Mögliche eingeklebt. Fotos, Briefe, Tickets.

00:31:10: Marko Das hat er geführt, oder?

00:31:12: Martin Nein, das hat er nicht geführt, das hat er geschenkt bekommen von einem seiner Mitarbeiter, von einem der Helfer aus der Organisation, die die Kindertransporte organisiert haben. Der hat alle möglichen Sachen gesammelt. Und das dann, als dieses Projekt 1939 dann zu Ende gehen musste, weil es nicht mehr möglich war, mehr Transporte zu organisieren, hat er eben dieses Sammelalbum zusammengestellt und Nicholas Winton gegeben. Und das hatte er dann und hat ein Zuhause dafür gesucht, weil er gedacht hat, irgendjemanden könnte das doch vielleicht interessieren. Und 1987 hat er dann Elizabeth Maxwell kennengelernt. Mitte der 70er Jahre hat er angefangen, jemanden zu suchen, und 1987 hat er dann jemanden kennengelernt.

00:31:57: Marko Er hat es nicht eilig damit gehabt offenbar...

00:31:59: Martin Ja, es war halt so eine Sache, wie das so ist. Das macht man dann mal beim Aufräumen findet man was und dann...

00:32:05: Marko Aber es ist ja erstaunlich. Er ist niemand, der sozusagen ein großes Aufhebens darüber macht, dass er 669 Kinder gerettet hat, sondern er: Hat er halt gemacht. Feierabend.

00:32:14: Martin Ja, das gehört, glaube ich, auch so ein bisschen zu diesem "Stiff upper lip", von der wir in der letzten Folge gesprochen haben. Also man macht die Dinge, die anstehen, die notwendig sind und ansonsten lebt man sein Leben weiter ...

00:32:28: Marko Man macht kein Aufhebens drum.

00:32:29: Martin Nein. Genau. Und das dauerte dann eben so bis 1987, als er eben Elizabeth Maxwell kennenlernt. Das ist eine Holocausthistorikerin gewesen, und die war verheiratet mit Robert Maxwell. Den kennt wiederum in Deutschland kein Mensch. Aber in England war er relativ bekannt. Das war ein Großverleger, hatte unter anderem das Revolverblatt Daily Mirror.

00:32:51: Marko OK.

00:32:51: Martin Das so eine... ich sag mal so: Dagegen ist die Bildzeitung relativ zahm und das war eines seiner Blätter. Dieser Robert Maxwell war selbst Tscheche, Jude und ist 1940 als 17-jähriger Flüchtling nach Großbritannien gekommen. Also der hatte da eben auch eine - wie soll ich sagen ...

00:33:11: Marko Eine Geschichte...

00:33:12: Martin Eine Geschichte, die in die Richtung ging. Und seine Frau Elisabeth, die recherchierte zu der Zeit gerade ihre Familiengeschichte, als sie eben Nicholas Winton kennengelernt hat. Und als sie das Sammelalbum gesehen hat, da hat sie wohl sofort dessen Bedeutung erkannt, hat mir Barbara Winton erzählt.

00:33:30: O-Ton Barbara Winton (Englisch): And when she met my father and saw the scrapbook, she immediately understood its significance. And she also had the resources to do something about it. So her first response was to, you know, get her husband's newspaper to publish an article about it, but also brilliantly. She thought to write to all the addresses in the back of the scrapbook, in the list of the foster families to see if any of those families were still in those addresses. And she started getting responses. And so people began to find out. And this coincided with her passing the scrapbook onto the BBC and then deciding that they would do a slot on a big weekly programme called "That's Life", which was the kind of magazine type programme. It had lots of different sections. And my father was invited to go and watch this section that they were going to do about his story. And of course, he had no idea what they had in store for him.

00:34:24: Martin Die erste spontane Idee von Elizabeth Maxwell war wohl, die Zeitung ihres Mannes dazu zu bringen, einen Artikel zu veröffentlichen über die Geschichte von Nicholas Winton und die Kindertransporte. Und dann hat sie aber gesehen, dass im hinteren Teil dieses Sammelalbums eine Liste war, und zwar eine Liste mit den Namen von sämtlichen geretteten Kindern und den Namen von sämtlichen Pflegefamilien und zum großen Teil auch mit den Adressen. Und dann hatte sie die Idee, diese Pflegefamilien anzuschreiben und zu gucken, 30 Jahre später, vielleicht lebt da noch jemand von den Pflegefamilien. Vielleicht gibt es noch Kontakte zu den Kindern von damals. Und die hat sie angeschrieben und nach einer Weile hat sie tatsächlich auch Antworten bekommen. Und dann hat sie als zweites dieses Sammelalbum der BBC gegeben und die haben gesagt okay, daraus machen wir eine Geschichte und wir bringen das in die Sendung That's life. Das ist eine berühmte Sendung in der BBC, jede Woche. Und da wurde Ihr Vater in diese Sendung eingeladen, um eben im Publikum zu sitzen. Das wurde vor Publikum aufgezeichnet. Und natürlich hatte er keine Ahnung, was ihn da erwarten würde.

00:35:41: Marko Was hat ihn denn erwartet? Ja, ich habe eben gesagt, es gab diese Liste mit Kindern und mit Familien. Und eine davon war Milena Grenfell-Baines, ehemals Milena Fleischmann, die wir kennengelernt haben im ersten Teil. Die hatte nach dem Krieg eine Ausbildung gemacht als Krankenschwester, hat geheiratet und lebte ihr Leben. Und 1988 klingelte dann bei ihr das Telefon und am anderen Ende stellte sich eine Frau vor. Aber nicht irgendeine Frau.

00:36:14: O-Ton Milena Grenfell-Baines (Englisch): It was in nineteen eighty eight. And the telephone rang and this person, this woman said, this is Esther Rantzen. Now that's a very, very famous name. This woman had a regular television program every week. And I actually thought somebody was being funny, one of my friends. And my answer was: Oh yes, and this is the Queen of England. This woman said, no, no. Was your name Milena Fleischman, before you married? And I said, yes. And so she said, well, I have in my hand a scrapbook belonging to a man called Nicholas Winton. And he is the man who organised the trains because your name is on one of the lists when you came to England.

00:37:01: Martin Also, als sie in den Hörer abgehoben hat, sagte am anderen Ende eine Frau: Hier ist Esther Rantzen.

00:37:06: Marko Esther Rantzen! Nein, Esther Rantzen!

00:37:09: Martin Sagst du, habe ich gesagt. Aber wenn du diesen Namen gegenüber einem Engländer erwähnst, der, sagen wir mal, in den 80 er Jahren schon so groß war, dass er Fernsehen bewusst wahrgenommen hat, dann ist das ein Name gewesen, der sofort Klick gemacht hat.

00:37:22: Marko Also so ungefähr, als würde jemand sagen: Hallo, hier ist Günther Jauch.

00:37:25: Martin Ja. Oder 80er Jahre, sagen wir mal Frank Elstner. Oder Wim Thoelke, so, diese Größenordnung. Also Esther Rantzen, die hatte jede Woche eine Fernsehsendung in der BBC, nämlich "That's life". Das war in den 80er, 90er Jahren wirklich eine britische Institution. 15 bis 20 Millionen Zuschauer jede Woche, Zuschriften wirklich waschkörbeweise, 10 bis 15.000 Zuschriften jede Woche. Und als Milena Grenfell-Baines dann hörte, Esther Rantzon, da hat sie gedacht, da hat sich einer von ihren Freunden einen Scherz erlaubt. Und sie hat geantwortet: Ja, ja, klar, Esther Rantzen. Und hier ist die Königin von England. Und die Frau sagte dann: Nee, nee, nee, war ihr Name Milena Fleischmann, bevor sie geheiratet haben? Und ja, klar war's. Und sie sagte dann: Ich habe hier ein Sammelalbum, das einem Mann namens Nicholas Winton gehört. Und er ist eben der Mann, der die Züge organisiert hat. Und Ihr Name steht auf einer dieser Passagierlisten.

00:38:19: Marko Nun Esther Rantzen das wahrscheinlich nicht ganz uneigennützig gemacht, sondern sie wollte wahrscheinlich irgendwie daraus eine Show machen, oder? Irgendwie...

00:38:27: Martin Im wahrsten Sinne des Wortes.

00:38:29: Marko Das war wahrscheinlich Recherche.

00:38:31: Martin Genau. Sie hat angerufen, weil sie Milena Grenfell-Baines in die Sendung einladen wollte. Und das hat sie dann auch tatsächlich getan. Also sie ist eingeladen worden. Nicholas Winton ist natürlich eingeladen worden und in die erste Reihe gesetzt worden bei der Aufzeichnung dieses Programms.

00:38:50: Marko Aber man muss sagen, die kennen sich ja gar nicht.

00:38:52: Martin Nein, die haben sich 40 Jahre lang nicht gesehen bzw vielleicht sogar nie gesehen, wahrscheinlich eher nie gesehen. Und sie hatte nie diesen Namen vorher gehört - Nicholas Winton - woher auch? Und ja, sie saßen dann letztendlich in der ersten Reihe. Sie, sage ich, weil ihre Freundin, Vera Gissing. Auch noch eingeladen worden ist, die auch mit so einem Kindertransport nach Großbritannien gekommen ist. Und dann begann die Sendung und kurz vorher wurde halt ein älterer Herr zur Studio-Tür hereingeführt und eben zwischen sie in die erste Reihe gesetzt.

00:39:33: O-Ton Milena Grenfell-Baines  (unterschnitten mit der Show, Englisch): We sat on the front row. And then eventually this elderly gentleman came in and Esther Rantzsen introduced him and she had this book in her hand, she said, Now, Mr. Winton, this is the scrapbook which you have with the letters and photographs of the children and on your left is Vera Gissing. (BBC That‘s Life) Moderatorin: If you look at the very back of this scrap book. Fascinating things in it. All the letters, but in the back here is the list of all the children. This is Vera Dermont, now Vera Gissing, we did find her name on his list. Vera Gissing is with us here tonight. Hello, Vera. And I should tell you that you are actually sitting next to Nicholas Winton. (hello)... (Milena Grenfell-Baines): And then I was sitting on his right hand side and I had with me the permit, actually, that that was used when I was travelling. And he was so taken aback that he was sort of looking at this permit. (BBC That‘s Life) Milena: I wore this around my neck and this is the official pass that we were given to come to England. And I'm another of the children that you saved. (Applaus) (Milena Grenfell-Baines): There were there were six of us there that evening, all of us suddenly finding ourselves sitting next to the person who saves your life. It was surreal. Because it was after so many years. I mean, you can't I can't even describe it today how I felt. [00:09:44] He was very calm. He's never been a great emotional person. But when you see it, he wiped his eyes. I mean, he was completely overwhelmed. He had absolutely no idea.

00:41:31: Martin Ja, also, zu sechst saßen sie da. Also sechs einstige Kinder von diesen Kindertransporten, die an diesem Abend da saßen, im Studio, und plötzlich alle neben der Person, die ihnen dann eben das Leben gerettet hat damals. Und Milena Greenfield-Baines sagt: Es war völlig surreal nach so vielen Jahren. Und selbst damals, als ich mit ihr gesprochen habe, konnte sie nicht wirklich beschreiben, wie sie sich gefühlt hat. Und Nicholas Winton war äußerlich relativ ruhig und gefasst schien er. Das hat aber wohl damit auch zu tun, dass er eben kein so wahnsinnig emotionaler Mensch war, der das alles zeigt. Aber man konnte sehen, sagt sie, wie er sich eine Träne aus dem Auge gewischt hat.

00:42:14: Marko Das muss ja ein - na ja, ich sag mal. Das, sagen wir mal, das ist ein Ereignis. Live, möglichst groß ausgeschlachtet.

00:42:27: Martin Ja, klar, natürlich. Also, das ist. Die BBC wusste schon, wie sie das anstellen musste. Das hat man natürlich so arrangiert, dass man da auch den größten emotionalen Effekt erzielen konnte damit. Da kann man sich jetzt natürlich überlegen, ob das eine gute Idee ist, Leute so relativ unvorbereitet da reinzuwerfen.

00:42:46: Marko Der war ja auch nicht mehr der Jüngste, der Mann .

00:42:48: Martin Ja von 1909 - 1988 war das. Das heißt, er war auch schon 79 Jahre alt zu dem Zeitpunkt also...

00:42:56: Marko Der hätte auch einen Herzklabaster kriegen können.

00:42:57: Martin Hat er aber offensichtlich nicht. Und diese Situation ist tatsächlich eine gewesen, die auch in die Fernsehgeschichte in Großbritannien eingegangen ist. So etwas hat tatsächlich eine unglaubliche Wirkung dann auch entfaltet.

00:43:12: Marko Das heißt, in England kennt diese Geschichte rund um die Kindertransporte allein schon wegen dieser Sendung so gut wie jeder?

00:43:20: Martin Ja, es gab diese eine Sendung, wo eben Milena Grenfell-Baines auch gewesen ist. Und am Ende dieser Sendung hat dann die Moderatorin Esther Rantzen die Zuschauer aufgerufen, falls jemand unter ihnen ist, der ebenfalls mit einem der Winton-Transporte aus Prag nach England gekommen ist, bitte melden. Also die haben da eine Fortsetzungsgeschichte draus gemacht und in der Woche drauf wurde Nicholas Winton dann natürlich noch mal eingeladen.

00:43:48: O-Ton Milena Grenfell-Baines (Englisch): Then she said, (...), those of you who also came on the Winton train, would you stand up? And there must have been about over 100 hundred people who by now had gathered. And he meets the children after 40 years. And eventually Vera discovered that she'd only be living 15 minutes away from him in the next because he lived in this small, small town in a nearby village. And all those years, she'd been searching for the person who had actually got her on that train.

00:44:19: Martin Also in der nächsten Sendung, hat dann Esther Rantzon die Moderatorin diejenigen gebeten, die ebenfalls mit dem Winton-Zug gekommen waren, aufzustehen. Und Milena Grenfell-Baines schätzte, dass es ungefähr 100 Leute waren, die sich dann um Nicholas Winton herum erhoben haben. Also das Ganze eben nach 40 Jahren. Und ihre Freundin Vera Gissing hat dann auch noch herausgefunden, dass sie keine 15 Minuten von ihm entfernt wohnte. Über Jahrzehnte schon. Und all die Jahre hatte sie schon nach der Person gesucht, die dafür gesorgt hatte, dass sie eben mit diesem Zug nach England kam und dadurch überlebt hat.

00:44:54: Marko Das heißt eigentlich über Nacht wurde dieser sehr, sehr bescheidene Mensch, der das Ganze eigentlich nie groß an die große Glocke hängen wollte, zu einer Berühmtheit in England, weil diese Sendung so populär war.

00:45:04: Martin Ja, also wir befinden uns Mitte der 80er Jahre. Es gab nur ein paar Fernsehprogramme. Internet gab es natürlich noch überhaupt nicht und solche Sendungen wie That´s Live waren einfach die Möglichkeit, Millionen von Zuschauern zu erreichen. Und am Tag danach, egal was in dieser Sendung verhandelt wurde, war das immer das Tagesgespräch. Also die Leute haben sich dann auch gegenseitig angerufen und gerade nach dieser Sendung: Hast du gehört, irgendwie diese Kinder - kennen wir da vielleicht auch jemanden? Und unter anderem einer der Zuschauer, die diese Sendung auch gesehen haben, war John Fieldsend. Der hat an dem Abend einfach ganz normal Fernsehen geguckt und hatte noch nie etwas von Nicholas Winton gehört. Keiner hatte gewusst, wer sie genau aus der Tschechoslowakei nach England gebracht hatte. Er und sein Bruder erinnerten sich an die Fahrt, aber niemand wusste, wer sie organisiert hatte. Und das war das erste Mal, dass er auch erfahren hat, wer denn sein eigentlicher Retter gewesen ist.

00:47:01: O-Ton John Fieldsend (Englisch): Up to now, I hadn't known anything about him at all. I hadn't really known - and in fact, none of us really knew - how we got from Czechoslovakia to England. We'd remember the journey, but we had no idea who organised it. And then on this television program called "That's Life", run by Esther Rantzen, we were introduced to this man, Nicholas Winton, who actually was the leader of the group that got us to England. And that was a total revelation. Absolutely new to us. I found out t hat we lived not far from him. And so my Elizabeth, my wife used to go there quite often and have coffee and talk with her and chat with him about her about life in general, how we got to England. But it was great to get to know him.

00:47:02: Martin Für ihn, sagt John Fieldsend, war das eine totale Offenbarung. Völlig neu. Und dann hat auch John Fieldsend herausgefunden, dass er nicht weit von ihm entfernt wohnte. Und so war er mit seiner Frau oft bei Nicholas Winton zum Kaffeetrinken. Und es hat sich da so eine Art Freundschaft draus entwickelt.

00:47:20: Marko Nicholas Winton scheint dann sehr, sehr viele Kinder gehabt zu haben, plötzlich.

00:47:23: Martin Ja, das waren sozusagen alle seine Kinder, drei eigene und viele von diesen Kindertransporten. Genau. Also es war letztendlich nach dieser Fernsehsendung oder diesen beiden Fernsehsendungen ist das Ganze explodiert. Da ist eine Welle der Sympathie über Winton hereingebrochen. Von der Queen ist er zum Ritter geschlagen worden, vom tschechischen Präsidenten Vaclav Havel mit dem Masaryk Orden behängt worden. Sogar ein Asteroid ist nach ihm benannt worden. Und es gibt Denkmale, zum Beispiel eins am Prager Bahnhof, wo er in Bronze gegossen dasteht mit einem der Kinder von den Kindertransporten. Also, wenn du da zum Bahnhof gehst, da steht er in Bronze.

00:48:10: Marko Der Oskar Schindler Großbritanniens.

00:48:12: Martin So wurde er häufig bezeichnet, und das ist ein Name, der ihm gar nicht behagte. Also Oskar Schindler ist ja so die Ikone des anständigen Menschens, der sich unter widrigen Umständen für andere Menschen einsetzt und, und und. Juden im Zweiten Weltkrieg...

00:48:31: Marko Spätestens seit Schindlers Liste, diesem Erfolgsfilm natürlich unsterblich geworden ist.

00:48:37: Martin So kann man sagen Ja, also er ist auch immer wieder als Oskar Schindler bezeichnet worden, als Oskar Schindler Großbritanniens bezeichnet worden. Und das fand er überhaupt nicht gut, sagt John Fieldsend, denn er war ein ganz ruhiger und sehr, sehr bescheidener Mensch.

00:49:18: O-Ton John Fieldsend (Englisch): He was a very quiet, humble man. He didn't really think that he'd done anything very courageous or they're different. He just said, you know, he had the opportunity and there here just stepped in and did what anybody could have done. And it's true that perhaps anybody could have done it, but he did it. And that's the difference.

00:49:18: Martin Nicolas Winton sagt John Fieldsend glaubte eben nicht, dass er etwas besonders Mutiges getan hätte oder irgendetwas Besonderes, sondern er sagte einfach. Er hatte die Gelegenheit und er hat getan, was jeder hätte tun können. Und John Fieldsend sagt: Klar stimmt, jeder hätte das tun können, was Nicholas Winton getan hat, aber er hat es getan. Und genau das ist der Unterschied.

00:49:45: Marko Der Unterschied, der am Ende 669 Kindern das Leben gerettet hat.

00:49:50: Martin Ja, 669 Kinder. Damals waren es 669 Kinder. Inzwischen sind es viel mehr. Du hast von den Kindern von Nicholas Winton gesprochen eben. So nennen sie sich auch die Winton Children. Nicholas Winton ist 2015 im zarten Alter von 106 Jahren gestorben, und die Zahl seiner Kinder zu dem Zeitpunkt ist quasi auf das Zehnfache angewachsen.

00:50:17: Marko Also Moment: Weil sich die Kinder, die er gerettet hat, wieder noch mal vermehrt haben.

00:50:23: Martin Ja klar, genau.

00:50:24: Marko So kamen halt wieder Kinder und die nennen sich bis heute alle die Winton-Kinder.

00:50:29: Martin So sieht es aus. Also vor vier Jahren, als ich dieses Zeitzeichen gemacht habe, gab es rund 7000 Menschen, die genau deswegen am Leben waren damals, weil Nicholas Winton und seine Helfer das getan haben, was sie eben getan haben. Noch mal Barbara Winton.

00:50:44: O-Ton Barbara Winton (Englisch): I think his legacy is he is dual, the first legacy is that there are about 7000 people alive in the world today because of what he and his fellow volunteers did. And the second thing is that it's a it's a story which demonstrates that if you see something that you think is wrong or that needs doing and there's nobody doing it. And you think it really needs to be done, then you can have a go. And you just don't know what you can achieve.

00:51:13: Martin Barbara Winton sagte mir: Das ist eine Geschichte, die zeigt, dass, wenn man etwas sieht, was man für falsch hält, oder etwas, das getan werden muss, und niemand anderes tut es. Und wenn man denkt, dass es wirklich getan werden muss, dann, sagt sie, dann versuch es einfach. Du weißt nicht, was du erreichen kannst, wenn du es nicht versuchst. Also das ist letztendlich die Botschaft, die seine Tochter gesehen hat, mit Blick auf das, was der Vater getan hat. Er hat nicht groß gefragt: Geht das? Kann man das überhaupt schaffen? Sondern er hat es gemacht und das ist im Prinzip auch sein Lebensmotto gewesen: If something is not impossible, than there must be a way to achieve it. Also wenn es nicht komplett unmöglich ist, dann muss es auch irgendwie einen Weg geben, dass man es macht.

00:52:01: Marko Das sollten wir uns vielleicht alle hinter die Ohren schreiben, die wir vielleicht heute wieder mit Leuten zu tun haben, die durch Krieg vertrieben sind, die durch Gewalt vertrieben worden sind aus ihrer Heimat. Und wenn eine Kanzlerin sagt: Wir schaffen das, dass man es ihr nicht nachträgt.

00:52:14: Martin Könnte man dann auch einfach mal sagen: Ja, wir schaffen das.

00:52:18: Marko Dieses Leben von Nicholas Winton klingt so, als wäre es eigentlich für ein Drehbuch geschrieben. Und du hast mir ja schon erzählt, es gibt jetzt einen Film tatsächlich auch.

00:52:28: Martin Ja, es ist nicht der erste Film, denn so eine Geschichte, wie du sagst, schreit natürlich danach, verfilmt zu werden. Das ist mittlerweile, ich glaube, der dritte oder vierte Film, der dazu gemacht wird. Das meiste waren aber vorher Fernsehproduktionen für den britischen Markt und das ist jetzt wirklich eine große Filmproduktion.

00:52:44: Marko Hollywood.

00:52:45: Martin Ja, nicht ganz Hollywood - ist in Großbritannien gedreht, aber immerhin mit einem Hollywoodstar, nämlich mit Anthony Hopkins. Und wenn ich mir die paar Ausschnitte angucke, die ich schon mal sehen konnte, dann spielt er seine Rolle auch wirklich hervorragend. Also er spielt diesen diesen wirklich sehr in sich gekehrten, ruhigen Nicholas Winton auch mit der entsprechenden Ruhe. Der macht da keinen Superstar draus, sondern er ist wirklich dieser bescheidene Mensch. Der Film nennt sich One Life und kommt jetzt die Tage in die Kinos.

00:53:16: Marko Ob was taugt, wissen wir nicht. Du kennst nur Ausschnitte.

00:53:19: Martin Ich kenne Ausschnitte, ich kenne den Trailer, den habe ich gesehen, den verlinken wir auch in natürlich in den Episoden Beschreibungen und von dem, was ich gesehen habe, würde ich mal denken: Das ist ein relativ konventionell gedrehter historischer Film, handwerklich gut gemacht mit einer Rahmenhandlung. Das ist eben Nicholas Winton, der beim Aufräumen dieses Sammelalbum wiederfindet und überlegt: Was mache ich denn jetzt damit? Und dann gibt es immer wieder Rückblicke, Rücksprünge in die Zeit der Kindertransporte. Und dann wird eben die Geschichte erzählt, wie Nicholas Winton vom Skifahren sozusagen nach Prag umgeleitet wurde, um dann diese Kindertransporte zu organisieren.

00:53:56: Marko Martin hat uns jetzt in zwei Folgen die Hintergründe, die historischen Hintergründe zu diesen Kindertransporten erzählt. Und wenn euch diese Sendung gefallen hat, dann...

00:54:07: Martin ...sagt es allen Freunden, Bekannten, Familienmitgliedern, Fernsehzuschauern.

00:54:12: Marko Und wenn sie euch nicht gefallen hat, dann sagt es doch bitte uns, aber wirklich nur uns. Unter www.diegeschichtsmacher.de Findet ihr alle Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten. Und vor allem findet ihr noch ganz viele weitere Folgen dieses Podcasts, der nicht vom Westdeutschen Rundfunk stammt, sondern den wir hier als Privatvergnügen betreiben.

00:54:33: Martin Und wir danken fürs Zuhören und freuen uns auf die nächste Folge wieder in 14 Tagen bis dahin. Vielen Dank und tschüss.

00:54:43: Marko Tschüss.

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