Im Labyrinth der Unzucht

Shownotes

Ruinen auf Kreta lassen Archäologen rätseln: Handelt es sich dabei um das schreckliche Labyrinth, in dem einst unschuldige Jungfrauen und Jünglinge einem Ungeheuer namens Minotaurus zum Fraß vorgeworfen wurden? Wie entstand der Mythos über ein Mischwesen aus Stier und Mensch? Und wohin kommen wir, wenn wir dem Faden der Ariadne folgen?

Lauter Fragen, die Martin Herzog und Marko Rösseler in diesem Podcast über die Geschichte der Ausgrabungen von Knossos klären wollen. Mit Hilfe des Archäologie-Professors Diamantis Panagiotopoulos begeben sie sich in das Labyrinth aus bis heute ungeklärten Fragen rund um die größte archäologische Touristen-Attraktion auf Kreta.

Wichtige Links zu dieser Folge:

Zu Markos WDR-Zeitzeichen über den Beginn der Ausgrabungen in Knossos geht’s hier entlang.

Die offizielle Seite des griechischen Ministeriums für Bildung ist nicht üppig, findet ihr aber hier.

Und hier geht es zu einigen Bildern, die wir in dieser Folge beschreiben:

Linearschrift A sieht so aus.

Linearschrift B ist mittlerweile entziffert.

Kretische Hieroglyphen könnt ihr hier bewundern.

Wie so ein Stiersprung-Fresko aussieht, könnt ihr hier sehen.

Wenn ihr die barbusige Schlangen-Göttin sehen wollt, dann bitte hier entlang.

Und die Schönheit aus Paris, die eigentlich in Knossos zuhause ist, könnt ihr hier treffen.

Zwar nicht zum draufsetzen - aber zumindest zum draufgucken: Der so genannte Thron des Minos.

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Transkript anzeigen

Geschichtsmacher in Griechenland

00:00:00: Martin Poseidon sandte dem Minos einen sehr schönen Stier aus dem Meer, der ihn so entzückte, dass er ihn nicht opfern mochte, wie er es versprochen hatte, sondern an seiner Statt ein minderes Opfertier unterschob. Aus Rache dafür ließ der Gott Pasiphae, des Minos Gattin, von einer unnatürlichen Begierde zu dem Stier ergriffen werden.

00:00:23: Marko Es geht um Schmuddelkram.

00:00:25: Martin Scheint so.

00:00:26: Marko Zoophilie.

00:00:28: Martin Ach, du lieber Himmel.

00:00:29: Marko Sex mit Tieren. Herzlich willkommen bei...

00:00:31: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:48: Marko Es geht um Schmuddelkram, aber ich habe mir das natürlich genau überlegt, warum, Martin. Denn wir haben ja, wie du weißt, Post bekommen.

00:00:53: Martin Jawohl, so ist es. Vor einigen Tagen fand ich in meinem Briefkasten eine Postkarte...

00:01:00: Marko Ganz analog geschrieben...

00:01:01: Martin Ja, tatsächlich...

00:01:02: Marko Nicht elektronisch oder so, man muss es ja mal sagen, es ist eine Postkarte aus Papier.

00:01:07: Martin Genaul. Die fand ich vor meiner Haustür im Briefkasten. Und zwar nicht nur aus Papier, sondern auch noch handgeschrieben von James.

00:01:15: Marko James.

00:01:16: Martin Und James schrieb. Moin Marko und Moin Martin! Kommt wohl aus Norddeutschland der James, könnte ich mir vorstellen.

00:01:23: Marko Wahrscheinlich.

00:01:24: Martin Ich bin ein großer Fan eures Podcasts und kann stolz von mir behaupten, jede einzelne Folge gehört zu haben. Tatsächlich kannte ich das Zeitzeichen vorher gar nicht und habe euren Podcast nur zufällig gefunden. Gerade bin ich auf Klassenfahrt in Griechenland, würde mich also freuen, wenn ihr irgendwann mal etwas über griechische Geschichte macht. Auf viele weitere Geschichtsmacher-Folgen. James

00:01:47: Marko Tja, das hat mir gleich das Herz gebrochen, muss ich sagen.

00:01:50: Martin Das ist schön. Nein, ich finde das auch total klasse. Ich habe gehört, dass das mittlerweile bei den jungen Leuten - muss man ja so in unserem Alter sagen - die jungen Leute das heute so machen, dass man... Email schreiben kann ja jeder. WhatsApp schreiben kann auch jeder, macht auch jeder. Aber tatsächlich in einen Laden zu gehen, eine Postkarte kaufen und sich hinzusetzen und dann ein paar nette Zeilen an so zwei alte Säcke zu schreiben wie wir es sind, das ist schon eine Sache. Aber ich habe gehört tatsächlich, das macht man heute wieder so, dass man das als Ausdruck der Wertschätzung.

00:02:22: Marko Ich fand es auf jeden Fall super. Es hat mich an meine eigene Jugend erinnert. Wir waren ja so die Generation Interrail. Man kaufte sich ein Bahn-Ticket für einen Monat und konnte das nutzen. Und ich bin meinem Kumpel Stefan bin ich damals nach Griechenland gefahren und da war ich so 17, 18 Jahre alt und ich habe mich so ein bisschen daran erinnert gefühlt. Und ich finde es toll, dass der so eine Postkarte schreibt und sich offenbar für Geschichte interessiert.

00:02:43: Martin Ja, also muss man vielleicht auch noch dazu sagen Auf der Vorderseite der Postkarte ist der Gott Ares abgebildet. Unten stehen noch mal drauf - zur Sicherheit - Greek Gods, also griechische Götter. Ares ist.... ähm

00:02:55: Marko Der Gott des Krieges.

00:02:57: Martin Er hat einen Schild und einen Helm und einen Speer.

00:03:00: Marko Und dann habe ich mir natürlich überlegt: Also wenn der James uns schon schreibt und er wünscht sich was aus der griechischen Geschichte. Also ich meine...

00:03:08: Martin Dann machen wir das....

00:03:09: Marko Ja, dann machen wir das einfach. Da habe ich mir so überlegt. Ich meine, wir machen es jetzt schon seit einer gewissen Zeit Zeitzeichen und natürlich sind da auch griechische Themen mal immer wieder dabei gewesen. Dann hab ich überlegt, okay, er hat jetzt diesen Kriegsgott geschickt, Ares. Kann man was über irgendeinen Krieg machen? Würde dir da was einfallen vielleicht?

00:03:28: Martin Krieg? Also wenn ich ganz ehrlich bin, fällt mir da genau einer ein: der Trojanische Krieg vielleicht.

00:03:36: Marko Die Mutter aller Kriege, muss man ja sagen.

00:03:39: Martin Der Kriegslisten...

00:03:40: Marko Der Kriegslisten - und die älteste, das älteste Stückchen europäischer Literatur. Was Älteres gibt das nicht. Aber ich habe mir mal dann überlegt, das macht jeder.

00:03:49: Martin Und wir machen ja nicht das, was jeder.

00:03:51: Marko Naja, das kommst du dann natürlich ganz schnell auf Schliemann und das Ausbuddeln von Troja.

00:03:56: Martin Das hast du aber auch schon gemacht. Das habe ich auch gehört von dir, dass du darüber auch Zeitzeichen gemacht hast.

00:03:59: Marko Ja, ich hab´s schon mehrfach gemacht und ich bin es auch ein bisschen leid. Und ich habe mir gedacht, jeder Podcast, der irgendwie Geschichte macht, macht irgendwann mal Troja und das Ausbuddeln von Troja. Da hab ich gesagt, das machen wir jetzt nicht. Das macht jeder. Also wenn ihr da draußen oder wenn der James sich das wünscht, dann machen wir das natürlich auch, dann machen wir auch mal Troja. Aber ich hab dann überlegt, wo könnte man denn sonst noch hingehen? Und dann bin ich über ein anderes Thema gestolpert, was ich schon mal fürs Zeitzeichen gemacht habe und habe mir überlegt, nachdem unsere vorige Folge "Hure Babylon" hieß, ja, Sex sells, dachte ich, weil die ist unglaublich geklickt worden. Wahrscheinlich, weil da Hure stand. Und dann habe ich mir gedacht: Komm, du musst ein bisschen was mit Schmuddelkram liefern.

00:04:38: Martin Deswegen der Anfang mit dem Minotaurus.

00:04:39: Marko Ja, ja, also es geht um eine Frau, die sich tatsächlich in ein Kuhkostüm zwängt, um sich von einem Stier begatten zu lassen. Es geht um ein Monster, das sie dann auf die Welt bringt. Es geht um einen Helden, der sich nur mithilfe einer anderen Frau durch ein Labyrinth hindurch suchen muss, um dort dieses Monster zu töten.

00:05:02: Martin Ich ahne was.

00:05:03: Marko Und du ahnst jetzt schon, wo es hingeht?

00:05:06: Martin Na also: Die Frau und das Labyrinth. Da gehe ich mal von aus, dass das der Faden der Ariadne sein wird...

00:05:12: Marko Ja, ja, das ist der Faden. Und? Und wo? Wo spielt das? Auf welche Insel verschlägt es uns da? Auf welche griechische Insel?

00:05:20: Martin Na ja, so viele gibt es da ja nicht. Haha. Ich nehme mal an, Santorini wird es nicht sein? Keine Ahnung. Also nehmen wir mal die größte Kreta.

00:05:29: Marko Ja, richtig. Und da gibt es ein Labyrinth. Das Labyrinth von Knossos.

00:05:33: Martin Das Labyrinth von Knossos.

00:05:35: Marko Und ich war leider noch nie auf Kreta. Aber ich habe schon mal ein Zeitzeichen gemacht über die Entdeckung des Palastes von Knossos und die Ausgrabungen. Und da dachte ich mir, das machen wir für den James heute. Wir graben heute Knossos aus. Ich dachte, es ist eine lohnende Aufgabe.

00:05:52: Martin Eine labyrinthische Podcastfolge sozusagen.

00:05:55: Marko So ist es. So ist es. Und ich meine, ich habe damals schon, als ich damals durch Griechenland gereist bin, schon davon geträumt, dass ich irgendwann mal Zeitzeichen machen darf. Und ich habe immer geglaubt, wenn man da so Themen macht, so was wie Griechenland, da muss man ja da hinfahren. Ist ja klar, ne.

00:06:12: Martin Dann irgendwann kam da der Realitätscheck.

00:06:14: Marko Ja, ja, ja.

00:06:14: Martin Und ja, es ist leider nicht so. Also ich hab ja auch was über die Mondlandungen gemacht, öfters mal, aber auch da sind mir die Dienstreisen bisher regelmäßig versagt worden.

00:06:24: Marko Es ist eine Sauerei. Aber um allen Leuten da draußen mal zu erklären, dass wir nicht die Rundfunkgebühren verschleudern, wenn wir fürs Zeitzeichen unterwegs sind, habe ich mir gedacht, da muss man einfach mal sagen. Na ja, also man darf da nicht immer selber hinfahren, das ist zu weit und zu teuer. Aber man muss sich halt jemanden suchen, der daher kommt. Und dann macht man da hin in der Regel eine Schalte. Und das klingt dann so.

00:06:45: Marko Wir sind noch etwas zu früh. Oder sind Sie schon bereit?

00:06:48: Diamantis Panagiotopoulos Ich bin eigentlich bereit.

00:06:50: Marko Oh, das klingt doch super. Und der Kollege hinter der Scheibe, sitzt da jemand?

00:06:55: Diamantis Panagiotopoulos Ja, sitzt auch da.

00:06:57: Marko Super. Dann fangen wir doch erst mal ganz einfach an, dann kann Herr Kollege vielleicht noch ein bisschen pegeln oder so was: Wenn ich Sie richtig ausspreche, wie tue ich es - Ihren Namen und Zunahmen?

00:07:08: Diamantis Panagiotopoulos Also Diamantis Panagiotopoulos.

00:07:11: Marko Und man erkennt unschwer - Sie sind Grieche.

00:07:15: Diamantis Panagiotopoulos Ja, das stimmt.

00:07:17: Marko Sie sind aber nicht auf Kreta geboren?

00:07:19: Diamantis Panagiotopoulos Also, ich bin nicht auf Kreta geboren. Ich bin in Athen geboren. Und ich kam zum ersten Mal nach Kreta mit einer Exkursion der Universität Athen als ich 18 war. Und seitdem arbeite ich auf Kreta, zunächst mal als Student und dann als Archäologe.

00:07:40: Marko Und als Archäologe gibt es natürlich eine Menge zu tun auf Kreta. Das berühmteste auf Kreta, wo jeder Touri hinfährt, ist natürlich der Palast von Knossos. Schon mal gehört?

00:07:51: Martin Ja, gehört ja, aber Details sind mir unbekannt.

00:07:54: Marko Okay. Also, wenn du dir vorstellst. Kreta, hier eine längliche Insel...

00:07:58: Martin Lang von Ost nach West.

00:08:00: Marko Lang von Ost nach West. Dann gehst du einfach an die Nordküste. Und bei Heraklion - da oben liegt Knossos relativ dicht an der Küste.

00:08:07: Martin Ziemlich in der Mitte, aber an der nördlichen Küste.

00:08:09: Marko Genau so ist es. Es ist, glaube ich, in Griechenland eins der wirklich wichtigsten Touri Dinge überhaupt. Ich meine, wenn du schon mal in Griechenland warst, wirst du feststellen, dass diese ganzen archäologischen Stätten total überfüllt sind. Da kommen tausende von Bussen an.

00:08:25: Martin Also ich bin nur selten in Griechenland gewesen, eigentlich nur zweimal, einmal auf Santorini und einmal in Athen. Aber da ist natürlich oben die Akropolis gerammelt voll von morgens bis abends, wenn der Laden aufmacht, bis der letzte da rausgeschoben wird. Da schiebt sich alles - klar.

00:08:38: Marko Genau. Und im Sommer kriegen die Leute irgendwie einen Hitzekoller, weil weil sie alle reihenweise umkippen. Und so ähnlich ist das, glaube ich, auch in Knossos. Bis zu 1 Million Besucher hat Knossos im Jahr.

00:08:50: Diamantis Panagiotopoulos Knossos so ist eine der meistbesuchten archäologischen Stätten in Griechenland zurzeit. Ich glaube, es steht an zweiter Stelle nach der Akropolis. Der Besucher kommt in ein großes archäologisches Gelände und sieht zunächst ein riesiges Gebäude, das ziemlich gut erhalten ist, mit 2 bis 4 Stockwerken und ist natürlich beeindruckt. Was er nicht merkt ist, dass der größte Teil dieses riesigen Komplexes ein modernes Gebäude ist. Das Ergebnis von extensiven Restaurierungsarbeiten der Archäologen, die bereits vor etwa 100 Jahren abgeschlossen waren.

00:09:35: Martin So, und das ist ein Palast, der vermutlich dann ziemlich alt ist.

00:09:40: Marko Ja, der ist sehr alt. Wie alt genau, da kommen wir später zu. Aber man muss ja sagen, es wird da schon seit mittlerweile rund etwa 150 Jahren gebuddelt und er ist immer noch nicht ganz ausgegraben, das muss man dazu sagen.

00:09:54: Martin Ach so - warum nicht?

00:09:56: Marko Kostet Geld.

00:09:59: Martin Das nehme ich mal an.

00:10:01: Marko Wenn man es ordentlich machen will, kostet Geld. Aber man muss sagen, der Hauptteil ist wohl schon ergraben. Aber es gibt noch Teile, die noch unter der Erde liegen. Wenn wir eben über Schliemann gesprochen haben: Bei uns ist immer so im Kopf Schliemann, der super Archäologe. Immerhin hat der Mann ja Troja gefunden und Mykene. Und man muss aber sagen: Schliemann war erst mal vor allem eins: ein ziemlich reicher Typ. Der hat sich ja sein Geld verdient im Krimkrieg. Er war ein typischer Kriegsgewinnler und hatte viel Geld und konnte also solche Grabungen finanzieren. Und wenn du eben schon fragst, warum nicht? Warum ist das nicht ausgegraben? Ja, es ist teuer. Es war damals schon teuer, Dinge auszugraben und es ist heute auch teuer, Dinge auszugraben. Schliemann war aber auch kein, na ja, ich sag mal begnadeter Archäologe, sondern Schliemann war vor allem ja so eine Art Abenteurer. Ich meine, er hat sich diese Träume erfüllt und hat Troja und Mykene gesucht, hat dann mit vielen, vielen Arbeitern da tausende Tonnen von Erde bewegt und ausgegraben. Und Schliemann wollte auch Knossos ausgraben, denn die Ruinen von Knossos lagen eigentlich immer schon an der Erdoberfläche.

00:11:09: Martin Das heißt - man wusste...

00:11:09: Marko Man konnte immer schon sehen, dass da... da ist was, da ist was. Und weil er, man muss ja sagen, immer ein Typ war, der auch mit Massenmedien umgehen konnte. Also Schliemann hatte echt so einen richtigen Draht dazu, Dinge zu verkaufen. Der konnte also dieses Troja hat er verkauft - es war ja eine Sensation, aber er hat es auch zu einer Sensation gemacht. Und Mykene hat er genauso verkauft. Und dann war er mit einer viel, viel jüngeren Frau zusammen. Die hat er ja dann mit dem Goldschmuck, den er gefunden hat, behangen.

00:11:37: Martin Da gibt es Fotos.

00:11:38: Marko Da gibt es Fotos von. Naja, das war eine junge Griechin, die hat er geheiratet. Der Typ war in der Midlife Crisis also. Und er hat die voll ausgelebt. Und eigentlich wäre für den auch Knossos super gewesen, denn um Knossos ranken sich - genau wie um die Schlacht von Troja, den Krieg von Troja und um Mykene - ja, wirkliche Legenden. Und das hat sogar etwas damit zu tun, ja wie unser Kontinent gegründet wurde.

00:12:03: Martin Europa?

00:12:03: Marko Europa. Du weißt, wer Europa ist in der griechischen Mythologie?

00:12:10: Martin Das ist... also sie ist immer abgebildet, reitend auf dem Rücken eines Stieres, ne.

00:12:14: Marko Wer ist der Stier?

00:12:16: Martin Zeus, dann.

00:12:17: Marko Zeus ist der Stier, genau. Also Europa. Die schöne Europa sitzt am Strand. Und Zeus findet die wirklich gut. Und...

00:12:27: Martin Also Europa ist ein Menschenkind?

00:12:28: Marko Ja, eine Frau. Ja, ja, natürlich. Und Zeus findet sie wirklich gut und ist aber verheiratet. Und damit seine Frau - Hera ist die Frau von Zeus auf dem Olymp - damit die es nicht mitbekommt, verwandelt er sich in einen Stier, geht an diesen Strand und tändelt irgendwie mit dieser Europa an, die ist so dusselig und setzt sich oben auf seinen Rücken. Und dann entführt er sie. Und wohin entführt er sie? Nach Kreta.

00:12:57: Martin Also, der Strand war nicht auf Kreta?

00:12:59: Marko Ne, ne, der muss irgendwo da. Irgendwie. Keine Ahnung. Phönizien. Wo liegt denn Phönizien? Sie ist eine phönizische Königstochter. Phönizien liegt - ja, wo heute, Syrien, Israel, in der Levante, sagt man immer so.

00:13:11: Martin Ja, ja.

00:13:11: Marko Da muss Europa wohl her kommen. Und dann schwimmt er mit ihr rüber nach Kreta und macht ihr drei Kinder. Eins dieser drei Kinder ist Minos. Minos wird König auf Kreta, aber er wird auch nur König, weil er sich gegen seine beiden Brüder durchsetzen kann. Damit er sich durchsetzen kann, braucht er die Hilfe eines Gottes. Dieser Gott ist Poseidon, der hilft ihm dabei. Mit dem muss aber einen Deal abschließen. Und der Deal geht folgendermaßen: Wenn ich dir helfe, dass du König wirst gegen deine beiden Brüder, dann musst du das erste, was aus dem Meer steigt, mir opfern. Sagt der Minos: Ja, mach ich. Dann kommt aus dem Meer ein wunderschöner Stier. Muss gut gebaut sein, sehr guter Stier, ein weißer Stier. Minos denkt sich so, jetzt muss ich den eigentlich opfern. Der wäre aber ganz prima für meine Stierherde hier. Ich betupp den Poseidon. Ich nehme einen anderen Stier aus meiner Herde und opfer den.

00:14:13: Martin Das ist die Geschichte vom Anfang.

00:14:14: Marko Das ist die Geschichte vom Anfang. So, und jetzt kommt die Rache des Poseidon. Poseidon sagt: Okay, wenn du mich so mies linken willst, glaubst wohl, ich merke es nicht - ich hab's gemerkt. Als Rache wird jetzt deine Frau diesen Stier unbeschreiblich sexuell anziehend finden. Und so ist es.

00:14:35: Martin Sag mal, Marko, bei der Auswahl der Geschichte hast du schon überlegt, dass wir nicht genau wissen, wie alt James ist? Dass das hier jugendfrei ist, was wir hier treiben...

00:14:46: Marko Das war mein Hund...

00:14:46: Martin Der fühlt sich da jetzt auch gerade angesprochen, ja, offensichtlich.

00:14:49: Marko Watson, hey. Der träumt. Der träumt, warte mal, ich weck den mal gerade. Watson, ist gut - hey. Haste geträumt. Komm. Haste gejagt hier.

00:15:07: Martin Okay, nachdem die hiesige Tierwelt auch wieder beruhigt ist...

00:15:11: Marko Die hiesige Tierwelt ist beruhigt. Genau. Also na ja, also es gehört zur Allgemeinbildung, glaube ich. Also man muss die Leute auch nicht vor Schmuddelkram schützen. Es ist einfach so. Es wird ja noch doller.

00:15:24: Martin Okay.

00:15:24: Marko Diese Frau von dem Minos, die ist jetzt so in diesen Stier vernarrt, dass sie sich Sex mit ihm wünscht. Klar. Und es gibt einen genialen Konstrukteur auf der Insel. Der könnte dir auch etwas sagen, denn du bist ja schließlich Flieger.

00:15:40: Martin Aha, Daidalos...

00:15:42: Marko Daidalos, der berühmteste Erfinder der Antike. Der bastelt immer allen möglichen Kram.

00:15:48: Martin Also er hat nicht nur sich Federn mit Wachs an den Armen befestigt...

00:15:52: Marko Der hat auch andere Dinge gebaut. Der war sozusagen auf Kreta bei König Minos und hat ihm sozusagen diverseste Dinge gebastelt. Zu einigen dieser Dinge kommen wir jetzt. Aber erst mal jetzt beauftragt die Frau von Minos ihn und sagt: Also ich würde ganz gerne mit diesem Stier Sex haben. Gibt es da Möglichkeiten? Und dann denkt er so drüber nach und baut ihr ein Holzgerüst, über das er eine Kuhhaut stülpt. Und in dieses Holzgerüst steigt jetzt die Frau des Minos rein und der Stier begattet dieses Holzgerüst und innen drin sitzt die Frau und wird begattet. Eine Konstruktion, die sich nur griechische Mythologie-Schreiber ausdenken können. Also ein griechischer Mythos. Das Dumme ist natürlich, sie wird schwanger.

00:16:40: Martin Klar.

00:16:41: Marko Und sie gebärt den Minotaurus.

00:16:43: Martin Und der ist jetzt...

00:16:44: Marko Und der ist ein Mischwesen aus Stier und Mensch, ein Stierkopf mit einem Menschenkörper.

00:16:51: Martin Also Mino - Minos und Taurus - der Stier?

00:16:54: Marko Der Stier des Minos. König Minos. Jetzt weiß der Minos nicht so genau, was er mit dem Vieh anstellen soll, mit dieser Bestie. Und beauftragt Daidalos, ein Labyrinth zu bauen, damit er den Minotaurus da reinstecken kann und dass er da nicht rausfindet.

00:17:09: Martin Aber so grundsätzlich, damit dass seine Frau sich von einem Stier begatten lässt, hat der keine Probleme?

00:17:15: Marko Da ist jetzt nichts überliefert. Ich weiß es nicht, ob es da einen Ehekrach gab?

00:17:19: Martin Ich meine, da könnte ich mir vorstellen, dass das vielleicht...

00:17:21: Marko Aber man muss ja sagen, die Frau kann ja nichts dafür. Die ist ja verhext worden vom Poseidon. Also ich meine, das ist ja so, ich meine, das ist ja das --- es war, es war Rache der Götter. Ich meine, letztendlich...

00:17:31: Martin So, also jetzt steht er jedenfalls da, mit diesem halb Stier, halb Mensch da...

00:17:33: Marko So, genau.

00:17:33: Martin Und will den jetzt irgendwo sachgemäß unterbringen.

00:17:39: Marko Also mit der Tierhaltung hatten es die noch nicht so und sie haben ihn also in ein dunkles, großes Labyrinth gesteckt. Dieses große, dunkle Labyrinth ist das sogenannte Labyrinth von Knossos oder das Labyrinth des Minos, das Minotaurus-Labyrinth. In diesem Labyrinth haust jetzt dieses Monstrum. Und da der König Minos Krieg mit Athen führt und die Athener blöderweise verlieren, sind sie jetzt tributpflichtig. Die Athener müssen jedes Jahr sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen nach Kreta schicken, und die werden dann in das Labyrinth hinein und dann werden sie da vom Minotaurus gefressen.

00:18:14: Martin Auch nicht nett.

00:18:15: Marko Nett. Das ist die Geschichte. Das ist die Geschichte des Labyrinths von Knossos, des Labyrinths des König Minos. So. Und jetzt gibt es da einen riesengroßen Gebäudekomplex auf Kreta bei Knossos. Und was man so erkennen kann, ist, dass das ein ziemlich kleinteiliges Etwas ist. Und das, was jetzt naheliegt, ist: Ja, könnte das...

00:18:39: Martin Das Labyrinth, könnte das das Labyrinth sein. .

00:18:40: Marko Könnte das das berühmte Labyrinth sein? Und darüber machen sich Archäologen und Abenteurer am Ende des 19. Jahrhunderts schwer Gedanken.

00:18:51: Diamantis Panagiotopoulos Wir haben ein einen riesigen Gebäudekomplex, der tatsächlich wie ein Labyrinth aussieht. Natürlich: Die Verbindung mit dem legendären Labyrinth ist unvermeidlich. Die große Frage für die Archäologen ist, wie so ein Mythos entstehen kann, weil wir überzeugt sind, dass fast jede mythische Erzählung einen historischen Hintergrund haben muss. Und die echte Herausforderung für uns ist, herauszufinden, welche archäologische oder historische Tatsachen zu einem solchen Mythos führen können.

00:19:31: Martin Also das war zu einem Zeitpunkt, wo man das überlegt hat, wo der Schliemann schon Troja gefunden hatte. Okay, also das heißt: Er ist ja, wenn ich das richtig verstanden habe, jemand gewesen, der erst ausgelacht worden ist, weil er gesagt hat: Ja, wenn Homer in seinen Schriften sagt, da soll es sein, dann gucken wir doch mal da nach. Und dafür ist er ausgelacht worden. Und dann lag es da tatsächlich. Also...

00:19:51: Marko Na ja, so geht immer die Schliemann Geschichte.

00:19:53: Martin So geht die Schliemann-Geschichte. Ist das falsch...

00:19:55: Marko Es ist wie immer, wie alle diese Schliemann Geschichten, so halb wahr. Also Schliemann hat Troja nicht entdeckt, das ist schon mal das erste. Also es gab viele Menschen, die vorher schon gesagt haben, das liegt in der heutigen Türkei, die gesagt haben: Ja, genau da liegt es. Und er hat einfach das Geld und konnte es ausgraben. Also es ist schon so, dass er natürlich mit seinem Homer unterm Ärmchen irgendwie da durch die Gegend gezogen ist. Das stimmt alles. Aber es gab auch andere Menschen, die gesagt haben, da könnte es oder müsste es liegen. So. Nun ist aber die Geschichte für Schliemann wieder mal völlig klar. Wir haben also einen Mythos, wir haben einen riesigen Gebäudekomplex. Also nächste Superschlagzeile, die ich jetzt produziere, ist: Ich finde das Labyrinth des Minotaurus. Er bemüht sich auch. Er bemüht sich sehr. Er nimmt sein ganzes Geld und bietet an, den Bauern, denen da die Grundstücke gehören, die denen abzukaufen. Aber das Ganze, muss man sagen, scheitert. Diese Grundstücksverhandlungen mit Schliemann führen ins Nichts. Die wollen ihn da über den Tisch ziehen. Sie wissen ja mittlerweile, bei dem ist was zu holen.

00:20:54: Martin Der hat Asche...

00:20:54: Marko Außerdem ist damals Kreta noch unter türkischer Militärverwaltung. Auch die türkische Militärverwaltung hat da so ein bisschen was dagegen und man wird sich nicht einig und...

00:21:05: Martin Jetzt muss ich noch mal nachfragen. Das heißt, da, wo man den Palast vermutet hat, wo auch offensichtlich schon so ein paar Ruinen an die Oberfläche drängten, das war was? Weideland für Schafe oder was?

00:21:18: Marko Da standen Olivenbäume.

00:21:18: Martin Oliven.

00:21:19: Marko Olivenbäume und da war wohl auch so externe Weidewirtschaft. Das haben die da wohl getrieben. Und dann waren diese Ruinen und ja klar kommt da dann dieser reiche Europäer mit seinen Millionen an und dann wurde gepokert. Aber auf jeden Fall, er hat den Kürzeren gezogen. Das war 1889 und ein Jahr später ist Schliemann gestorben. Und viele Leute sagen - eigentlich besser so!

00:21:46: Diamantis Panagiotopoulos Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass das ein Glücksfall für die Archäologie war, weil Schliemann kein Archäologe war, so dass die Archäologie das Glück hatte, dass Evans der erste war, der Knossos ausgraben durfte.

00:22:02: Marko Jetzt ist der Name gefallen Arthur Evans, ein Brite. Genau dem ist es gelungen, nach Schliemann sozusagen die örtlichen Bauern zu überzeugen, Grund herzugeben, damit er da graben darf.

00:22:15: Martin Und der wusste im Gegensatz zu Schliemann, was er tat, offenbar?

00:22:20: Marko Na ja, also er war von, sagen wir mal, der ganzen Genese her ein ganz anderer Typ als Schliemann. Schliemann war ja so eine Art Self-made-Millionär, der mit seinem Handel im Krimkrieg irgendwie das viele Geld gekriegt hat. Das war bei Evans anders. 1851 ist der geboren und schon der Vater war Hobbyarchäologe, muss man sagen. Aber im Gegensatz zu ihm hat der sich einen Job gesucht, wo man Geld verdienen kann, der hatte nämlich Papiermühlen, der Vater, und so es in der Papierindustrie zu relativ großem Reichtum gebracht. Dann hat sich der Evans, der Arthur Evans, dann mit einer Frau verheiratet, die auch noch die Tochter eines berühmten Historikers war, und ist dann selber Museumsdirektor geworden. Also der konnte Zeit seines Lebens eigentlich schöngeistig leben, weil einfach Vater schon genug Patte angeschafft hat, musste man ja sagen, und er hatte das nicht mehr nötig. Also hat er einen ganz anderen Lebensweg gehabt als der Schliemann. Er war dann am Oxforder Ashmolean Museum, da war er Museumsdirektor, der Arthur Evans. Und ich habe mir das mal angeguckt im Netz. Dieses Ashmolean Museum ist eigentlich ein Sammelsurium. Also da hast du griechische Texttafeln. Die Totenmaske von Oliver Cromwell ist da ausgestellt, Zeichnungen von Michelangelo und Leonardo da Vinci, aber auch von Caspar David Friedrich. Also irgendwie ist es so ein...

00:23:36: Martin Einmal quer durch den Gemüsegarten...

00:23:38: Marko Einmal quer durch den Gemüsegarten-Museum. So. Da ist Evans in den 1880er Jahren Museumsdirektor. Und wie kommt er jetzt nach Kreta? Also diesem Museum, diesem Museum wird etwas zugeschickt, nämlich ein Siegelring. Das ist 1889. Und dieser Evans ist immer interessiert gewesen an Schriftzeichen. Jetzt guckt er sich diesen Siegelring an und erkennt darauf eine Schrift. Diese Schrift weiß er nicht zu deuten. Dann fragt er rundherum bei seinen archäologischen Kollegen und anderen Museumsdirektoren: Was kann das denn sein? Eine rätselhafte Schrift. Aber keiner konnte es lesen und keiner konnte es irgendwie so richtig zuordnen. Und dann begibt er sich auf die Reise nach Griechenland.

00:24:19: Martin Das heißt, er hatte die Vermutung, dass das griechische Schriftzeichen sind. Oder er wusste, dass das griechische Schriftzeichen sind.

00:24:26: Marko Er wusste, dass die Siegelringe in Griechenland gefunden worden waren.

00:24:28: Martin Gefunden - ok.

00:24:28: Marko Dass sie sehr alt sind, und er hatte gehört am Anfang, dass sie aus Sparta stammen sollen, also vom Peloponnes. Dann reist er da runter und kriegt aber in Athen noch mehr von diesen Dingern angeboten. Und dann sagt ihm der Händler, wo die herstammen, die stammen alle aus Kreta. Und so begibt sich dieser Arthur Evans in den 1890er Jahren erstmals nach Kreta, weil er nämlich diese Schrift auf diesen Siegelringen untersuchen will. Und tatsächlich findet der auch auf Kreta zahlreicher dieser Ringe, dann aber auch Täfelchen aus Ton mit verschiedenen Schriftzeichen. Und er sammelt die fleißig und fragt sich durch, ist bei Bauern, bei Ziegenhirten und in Dörfern. Unddann stellt er fest: Besonders viele junge, schwangere Frauen tragen solche Siegelsteine und Gemmen-Steine als Glücksbringer. Die werden auf Kreta Milchsteine genannt, weil sie der Schwangeren wohl genug Energie geben sollen dafür, dass sie ein Kind großzieht. Und jetzt findet er da verschiedene Schriftzeichen. Kannst du dir anschauen. Okay, das ist die, die kann er bald auch verschiedenen Zeiten zuordnen.

00:25:34: Martin Ach du lieber - das sieht aber nicht aus wie griechisch.

00:25:36: Marko Nein.

00:25:36: Martin Also fast eher wie wie Runen, würde ich sagen. Oder fast wie asiatische Schriftzeichen.

00:25:44: Marko Interessant, ne. Interessant. Und er unterscheidet jetzt drei Gruppen. Das ist die erste Gruppe.

00:25:50: Marko Die nennt er Linear A Linear - Linear, weil es so fein geliente Dinger sind.

00:25:57: Martin Die sind jetzt in dem Fall aber in einem Kreis angeordnet.

00:26:01: Marko In dem Fall sind sie in einem Kreis angeordnet.

00:26:02: Martin Das hat aber nichts zu sagen. Weiß man nicht.

00:26:05: Marko Wir wissen es nicht. Keine Ahnung. Dann findet er eine Gruppe, die ist so angeordnet - also so, wie man im Prinzip so Linien, wie wir das so kennen, übereinander, so dass von...

00:26:15: Martin Von rechts nach links oder links nach rechts, man weiß es nicht.

00:26:17: Marko Genau. Das nennt er linear B Und dann findet er noch eine dritte Schrift Gruppe, die nennt er linear C. Die sieht dann schon so...

00:26:25: Martin Ah ja, das ist so in Ton-Täfelchen eingedrückt. So ein bisschen Keilschrift-mäßig.

00:26:29: Marko Sieht so aus. Und dann findet er noch eine vierte - das sieht dann so aus. Also das sieht dann schon aus, eher wie, ja.

00:26:39: Martin Eher wie Hieroglyphen.

00:26:41: Marko Wie Hieroglyphen - und so nennt er das auch. Er nennt es auch kretische Hieroglyphe.

00:26:45: Martin Ah, so.

00:26:47: Marko Also du könntest auch schon Archäologe werden.

00:26:50: Martin Das sind die Minimal-Voraussetzungen - okay, das geht, das ist jetzt aber überschaubar.

00:26:56: Marko Also er versucht jetzt erst mal, ob er da irgendwie einen Schlauen reinkriegt. Kriegt er das irgendwie übersetzt? Kann er diese Schriftzeichen, kann er die entziffern? Um es kurz zu machen: Es gelingt ihm nicht. Er wird sich über Jahre bemühen, aber es wird ihm nicht gelingen. Aber er sucht sich immer weitere von diesen kleinen Schriftzeichen. Und so kommt er auch an dieses große Areal von Knossos, wo schon Schliemann stand und es kaufen wollte. Natürlich kannte Evans Schliemann, Schliemann war damals der Archäologie-Held, klar. Und natürlich wusste er auch, dass er sich dafür interessiert hat. Und er interessiert sich jetzt natürlich auch. Er hat ja, wie ich eben erzählt habe, einen sehr reichen Vater. Und anders als Schliemann schafft er es offenbar, sich irgendwie da mit den Bauern gut zu stellen und denen zumindest Teile des Areals abzukaufen. Und beschließt jetzt mit seinem vielen Geld, was er von seinem Vater geerbt hat, dort zu graben. Das ist sozusagen der Grabungsbeginn in Knossos. Man muss sich vorstellen, damals waren da viele unterwegs, es gab auch Franzosen, es gab Amerikaner, und alle wollten sich da irgendwie Grabungsrechte sichern. Das war so ein bisschen wie das Eldorado. Nachdem so Troja gefunden worden ist.

00:28:06: Martin Wollten sie alle rein, und...

00:28:08: Marko ...da war was losgetreten. So. Und alle wollten so diesen wissenschaftlichen Ruhm haben und jetzt die alten Kulturen entdecken. Und das kauft er jetzt mit seinem vielen Geld, dieses große Areal und beginnt da zu graben.

00:28:21: Martin Also wahrscheinlich nicht er allein, sondern der heuert sich dann entsprechende Leute an, die für ihn graben. Sind das Experten oder sind das Lokale, die er da irgendwie. Ja.

00:28:30: Marko Der holt sich Arbeiter, der holt sich Arbeite ran. Die sollen für ihn schuften. Die sollen für ihn schippen. Das ist deren Aufgabe. Man muss dazu sagen, auch die Griechen wollten da schon buddeln. Also es gab einen griechischen Geschäftsmann, dem müsste man eigentlich sogar sagen, dass der eigentlich Knossos entdeckt in Anführungsstrichen hat. Er hatte zumindest als erster die Idee, dort zu graben. Das war bereits 1878, da wollte der so einen Grabungsschnitt durch dieses Areal machen, um einfach mal zu gucken, was ist denn da eigentlich? Der hat das dann aber verboten bekommen, weil damals Kreta noch unter türkischer Verwaltung stand. Und für den hatte das damals, für diesen griechischen Geschäftsmann, hatte das damals auch eine nationale Frage. Da wurde sozusagen der Grund gelegt für ein griechisches Nationalbewusstsein und wir graben jetzt unsere Geschichte aus. Da hatten die Türken was dagegen, da haben sie ihm, die haben dem einfach die Grabungs-Lizenz entzogen. Na gut, aber jetzt sind wir ja im Jahre 1900, also 22 Jahre später und Evans beginnt dort auszugraben.

00:29:31: Marko Was mich mal interessieren würde. Du bist ja nun gelernter Archäologe. Das, was die da ausgegraben haben als Arbeiter und die Art und Weise, wie sie ausgegraben haben, würde es da einem da heute schütteln oder war das von der Vorgehensweise okay.

00:29:45: Marko Man muss sagen, die haben ja damals unter ganz anderen Gesichtspunkten gegraben. Heute würde man das so nicht mehr tun. Ganz klare Sache. Also, wenn man sich anguckt wie Schliemann, der immer so als der super Vorläufer und große Vorbild der Archäologie da vor...

00:30:01: Martin Du magst den Schliemann nicht...

00:30:02: Marko Nein, der ist ein Arsch. Das kann man so, glaube ich, zusammenfassen. Also ich, ich ich kann ihn nicht besonders gut leiden. Er ist einfach ein reicher Arsch, der lässt sich feiern und der nutzt die Erkenntnisse anderer Menschen, um sich darin zu sonnen und so zu tun, als wären es die eigenen. Der hatte halt Geld, der konnte sich das leisten. So. Der wollte das Troja des Trojanischen Krieges ausgraben und hat einmal das Troja des Trojanischen Krieges abgebuddelt, weil er dachte, das liegt da da drunter... Also der dachte, das liegt tiefer.

00:30:27: Martin Okay, also das heißt, der hat einfach mal da eine Schicht einfach beiseite geschafft?

00:30:31: Marko Eine Schicht?Das waren mehrere Schichten. Also der Schatz des Priamos, dieser berühmte Goldschatz, den er da gefunden hat, der war rund 1000 Jahre älter als der Trojanische Krieg. Also das Troja des Trojanischen Krieges hat einfach weg gebuddelt und hat dann einen 1000 Jahre älteren Schatz hat er als den Schatz des Priamos ausgegraben. Die Maske des Agamemnon, die er in Mykene gefunden hat. Agamemnon, der Anführer der Griechen im Kampf um Troja. Die Maske des Agamemnon ist mindestens 500 Jahre älter als der Krieg um Troja. Also, das war aber egal. Er war also ein richtiger Schaumschläger. Also so einer war der Schliemann halt. Und der konnte es sich leisten und hatte viel Geld. So war es.

00:31:06: Martin Okay, aber der Herr Evans, der ja offensichtlich einen wissenschaftlichen Hintergrund hat, der hat da jetzt gegraben. Aber auch da würde man heute sagen, so würde man das nicht mehr machen.

00:31:17: Marko Also man muss sagen, das Areal rund um Knossos war über viele Jahrhunderte bewohnt. Also das beginnt schon in der Steinzeit. Dass da Menschen gesiedelt haben. Und es ging dann durch über die frühen Phasen der Besiedlung der Bronzezeit, wo dieser Palast des Minos zu datieren ist. Und das geht dann über die Zeit, wo dann die Festlandgriechen dort leben. Es geht über die Zeit, wo die Römer kommen. Die Byzantiner dort leben - all diese Schichten, die wurden einfach weggeräumt. So ist ja klar. Also der wollte natürlich an den Palast des Minos. Das ist ja das Interessante für ihn gewesen. Und dann interessieren ihn römische Reste nteressieren den einen Scheißdreck. Also vor diesem Dilemma würde man ja heute auch stehen. Nur würde man es wahrscheinlich, würde man sehr, sehr lange graben und man würde sehr genau dokumentieren, was was man da sozusagen gerade dabei ist zu zerstören. Denn jede Grabung ist natürlich eine Zerstörung. Also wenn ich etwas ausgrabe, muss ich alle Schichten, die da drüber liegen, zwangsläufig entfernen, zerstören. Also muss man das gut dokumentieren. Mit der Dokumentation. Na ja, gut, da würden wir heute anders mit umgehen. Wir haben aber heute andere Mittel, muss man auch sagen. Also wir haben heute andere Möglichkeiten, Dinge zu untersuchen... mittlerweile. Also wenn ich allein schon an die Zeit denke, wo ich Archäologie studiert habe und bis heute, da haben sich Quantensprünge getan. Also heute ist man in der Lage, metallurgische Untersuchungen zu machen und anhand der metallischen Isotope sagen: Das Metall stammt da und da und da und da und daher, das war damals noch undenkbar. Also als ich in den 1990 er Jahren da Archäologie gemacht habe, da haben wir vor allem anhand von Fibeln, zum Beispiel von so Gewandfibel und wie der Stil war, haben wir dann festgestellt, irgendwie ja, so konnte man also datieren oder mit. Heutzutage hat man chemische und physikalische Methoden, das ist alles viel mehr in eins gegangen und na gut, aber das ist ja nur der Fortschritt von 20 Jahren, wenn ich jetzt die 120 Jahre zurück springe. Der hatte noch nicht die Möglichkeiten, aber nach den Möglichkeiten, die er damals hatte, hat er das ganz ordentlich gemacht. Aber man muss sagen, er hat dieses Areal - und es geht da um etwa 22.000 Quadratmeter, also 2,2 Hektar. Das ist ziemlich viel.

00:33:34: Martin Rechne das mal in Badewannen um. Wie groß ist das ungefähr?

00:33:37: Marko Badewannen ist schwierig. Wir reden jetzt von Quadratmetern.

00:33:40: Martin Ja, ja, ist schon klar - also Fußballfelder. Was nimmt man da? Hessen als, nein, was wollen wir - das Saarland - das Saarland? Wie groß ist das Saarland? Oder?

00:33:46: Marko Nein, also 2,2 Hektar, das ist - weiß ich jetzt gar nicht. Also 100 mal 100 Meter ist ein Hektar. Zwei Hektar, etwas mehr als zwei Hektar gräbt er aus in sechs Jahren.

00:33:58: Martin Okay.

00:33:59: Marko Das ist relativ viel. Also da muss er schon rabiat zu Werke gehen. Geht auch gar nicht anders. Da ist er auch relativ rücksichtslos. Aber innerhalb von sechs Jahren gräbt er im Prinzip diesen gesamten Palast aus. Und am Anfang stößt er erst einmal auf ziemlich viele, sehr kleinteilige Räume. Die sind so kleine Räume, dass er sich echt wundert Was sind das für Räume?

00:34:25: Martin Also Besenkammer-Größe oder was....

00:34:28: Marko Ja, genau - und diese Größe hat ihn schwer verwundert.

00:34:30: Diamantis Panagiotopoulos Wir wissen nicht genau, warum die meisten Räume des Palastes so klein sind. Es ist ein Wirrwarr von hunderten von Räumen. Aber man darf nicht vergessen: Das, was wir sehen, sind in den meisten Fällen die Räume des Erdgeschosses. Das Obergeschoss oder die Obergeschosse haben sicherlich anders ausgesehen. Eine der ersten und eindrucksvollsten Funde aus dem Palast von Knossos waren Fresken, die man auch damals nicht richtig einordnen konnte. Als die Arbeiter zum Ersten Mal die Fragmente eines Freskos gefunden haben, das einen Gabenträger darstellte, dachten sie, dass sie das Bild eines byzantinischen Heiligen gefunden haben.

00:35:18: Marko Also, sie sind völlig verwirrt. Also Sie wissen nicht genau, in welcher Zeit sie sich gerade befinden und graben sich da durch. Wenn man diese Gabenträger sich heute anguckt, fragt man sich: Na ja, gut, wie kann man die eigentlich mit einem byzantinischen Heiligen verwechseln? Schwierig...

00:35:31: Martin Nee, da würde ich eher sagen, das geht wieder so Richtung Ägypten. Also so ein bisschen wie was man so als Wandbemalung kennt, so dieses sehr zweidimensionale, sehr, sehr platte und auch dann diese Körperhaltung. Walk like an Agyptian, hat man früher gesagt. So ein bisschen ist das da so, und die Gabenträgerinnen tragen dann ja eben griechische Vasen.

00:35:50: Marko Trägerinnen? Du hast jetzt darauf geschlossen, weil die lange Haare haben.

00:35:54: Martin In der Tat, ja.

00:35:56: Marko Haben die Brüste?

00:35:58: Martin Mal genau hingucken. Nö, sieht nicht danach aus.

00:36:01: Marko Das sind Kerle, die sind langhaarig.

00:36:03: Martin Ah gut.

00:36:03: Marko Der Grieche hat damals noch lange Haare.

00:36:06: Martin Verstehe. So. Ja, okay.

00:36:09: Marko Vielleicht sind sie auch divers. Ich weiß es nicht.

00:36:11: Martin Also auf jeden Fall. Gut. Also, es sind auf jeden Fall Gabenträger.

00:36:15: Marko Es sind Gabenträger. Also. Diese Fresken von Knossos werden bald sehr berühmt, denn man wird nicht nur diese Gabenträger finden, sondern man findet später auch ganz viele, ja, Fresken mit Stieren drauf.

00:36:32: Martin Ah, so.

00:36:35: Marko Jetzt denk mal an den Mythos. Und wenn du das da unten mal so ein bisschen beschreibst, das ist also so ein typisches Fresko aus Knossos.

00:36:42: Martin Ja, also da haben wir einen gut zu erkennenden Stier. Sehr lang, groß, großer großer Stier, dann links, also vor ihm und hinter ihm zwei Figuren. Jetzt wage ich mich nicht mehr zu sagen, ob das Männer oder Frauen sind, kann ich jetzt so nicht erkennen.

00:36:58: Marko Soll ich dir sagen, da haben sich die Archäologen auch lange darüber gestritten, ob das Männer oder Frauen sind.

00:37:03: Martin Okay, gut und? Und das ist dann allerdings sehr kurios auf dem Rücken dieses Stiers. Ja, muss man sagen, turnt jemand - auch nicht ganz klar, ob Männlein oder Weiblein. Also quasi so eine Art Handstand veranstaltet der oder die und zwar irgendwie mit dem Kopf nach hinten, also in Gesäß Richtung gestreckt. Na ja, wenn wir den Mythos wieder hervorkramen, dann könnte man natürlich auf die Idee kommen, dass das Europa sein könnte, die da auf dem Rücken des Stiers turnt.

00:37:33: Marko Na ja, das glaube ich nicht. Europa. Nein. Also, wenn du mir noch mal genauer das anguckst, da vorne ist offenbar ja einer, der packt den Stier.

00:37:42: Martin Ah, der packt den. Ahh...

00:37:44: Marko Der packt den bei den Hörnern. Der nächste macht sozusagen eine Art Handstand auf dem Rücken dieses Stiers. Und da hinten steht einer. Und als das könnte man jetzt so lesen wie so einen Comic.

00:37:56: Martin Wie ein Comic?

00:37:57: Marko Vorne packt er den Stier bei den Hörnern, springt los, macht einen Flickflack über den Stier und landet sozusagen wieder da.

00:38:04: Martin Ach, das ist derselbe, der...

00:38:06: Marko So könnte man lesen.

00:38:07: Martin In einem Bild, von links nach rechts über den Stier drüber turnt.

00:38:11: Marko So könnte man das lesen. Und so wird es eigentlich auch verstanden als eine Art Sprung über den Stier. Und in Knossos gibt es mehrere Motive, wo immer wieder Stiere eine Rolle spielen. Und auch dieser Stiersprung.

00:38:25: Diamantis Panagiotopoulos Der Minoische Stiersprung, eine Art Ritualspiel, das sein Zentrum in Knossos hatte, weil alle Darstellungen, die wir kennen, eine direkte oder indirekte Verbindung mit dem Palast von Knossos aufweisen. Es ist natürlich sehr schwierig für uns, den eigentlichen Charakter dieses Ritualspiels zu beleuchten. Was wir sehen, ist, dass wir sicherlich mit einem sehr gefährlichen Handlung zu tun haben, die man als moderne Mensch nicht so eindeutig einordnen kann, als Spiel, Ritual, Sport oder Zeremonie.

00:39:08: Martin Das ist ja mit Stieren offensichtlich im Mittelmeerraum dann eine beliebte, ja wie soll ich sagen, Freizeitbeschäftigung gewesen. Ich denke jetzt gerade. Spanien, Stierkämpfe, Pamplona, Stierrennen - also Männlichkeitsrituale. Mutprobe. Diese Geschichte.

00:39:25: Marko Na ja, jetzt denk noch mal an den Mythos, nicht wahr? Also, der Mythos von einem Monster. Was in einem Labyrinth, wir haben ein Labyrinth jetzt gefunden. Wir haben Stiere darin überall abgebildet. Damals, als Evans das ausgräbt, da geht die Fantasie natürlich durch Europa einmal hoch. Das ist die Sensation. Überall wird darüber geredet, dass auf Kreta jetzt dieses minoische Labyrinth ausgegraben worden ist. Und ruckzuck wird das richtig berühmt.

00:39:53: Martin Und es wird auch gar nicht in Frage gestellt, dass das ein Labyrinth tatsächlich ist. Also das können ja, hat er eben gesagt, das war die untere Etage. Obendrüber sah es sicherlich anders aus. Hätten ja auch einfach nur Stauräume sein können. Aber wenn man da dann noch die Fresken dazu findet, dann ist klar muss ein Labyrinth sein.

00:40:09: Marko Also es war eigentlich so richtig gar nichts klar. Am Anfang weiß der ja gar nichts darüber, was er ausgräbt, das muss man ja sagen. Also wenn am Anfang sogar Fresken für byzantinisch gehalten worden sind, ist klar, in welcher Verwirrung man sich befindet. Aber es wird dann halt ganz schnell auch die Presse hochgejazzt. Und dann geht es los. Dann berichtet überall in Europa die Welt davon, dass auf Kreta das berühmte Labyrinth gefunden worden ist. In Wahrheit ist man am Anfang gerade doch ziemlich ratlos. Aber Evans hat offenbar einigermaßen den richtigen Riecher, als es darum ging, dann diese Dinge einzuordnen.

00:40:43: Diamantis Panagiotopoulos Also zunächst mal hat man überhaupt keinen konkreten Eindruck, was man ausgräbt. Evans wusste nicht einmal, dass er den Palast einer bronzezeitlichen Kultur auf Kreta ausgrub. Er war auch nicht sicher über die Periode. Deswegen nannte er zunächst das, was er gefunden hat, als mykenisch, weil das sein einziger Referenzpunkt war, nämlich die Grabungen von Heinrich Schliemann an einigen wichtigen archäologischen Stätten in Griechenland und natürlich auch in Troja, so dass Evans kein anderes Vergleichsfeld hatte für das, was er entdeckte. Er hatte die ersten Funde mehr oder minder richtig datiert, und zwar in eine Vor Klasse Zeit. Und dann war er zunächst mal gezwungen, sie als mykenisch zu bezeichnen und erst später übernahm er einen Begriff, den er selber prägte, nämlich minoisch.

00:41:47: Marko Muss man vielleicht was zu erklären? Also Mykene hat damals Schliemann ausgegraben und galt so ziemlich als das älteste, was es auf europäischem Boden an Hochkultur gab. Also gigantische Stadtmauern, eine Stadtbefestigung, das Grab des Agamemnon. Eine Hochkultur - damals auch mit einem Goldfund. Da gibt es so eine Totenmaske. Er, Schliemann, hat gleich gesagt: Ja, das ist die Totenmaske des Agammemnon, als solche ist sie bis heute auch berühmt. Das nennt man die mykenische Kultur. Diese mykenische Kultur ist das älteste, was man kennt. Und Evans muss sich überlegen: Okay, was ist das denn jetzt da, was ich da finde? Also ist irgendwie was anderes als dieses Mykenische. Aber er hat das Gefühl, es ist gleich alt oder sogar älter. Und bis er auf den Trichter kommt, das als eine eigene Kultur zu bezeichnen, nennet er es immer mykenisch. Am Ende wird er wissen okay, ich nenne es jetzt minoisch nach diesem König Minos. Ob der jetzt eine Sagengestalt ist oder nicht, das wissen wir gar nicht. Aber er nennt es minoisch. Allmählich aber gelingt es ihm, nach einzelnen Schichten grabend, auch verschiedene Kulturstufen auch zu sortieren. Wie gelingt ihm das? Es gelingt ihm, weil er in diesen Schichten Dinge findet, die er datieren kann. Und zwar sind das Dinge, die über Handel nach Kreta gekommen sind. Man kennt sich mittlerweile ganz gut aus in der ägyptischen Geschichte. Mittlerweile kann man auch schon die Hieroglyphen lesen. Wir sind in einer Zeit, wo man das kann. Man kann also auch schon Königslisten erstellen. Also die ägyptische Geschichte ist gut durchdatiert. Wenn man jetzt Dinge findet, wo man relativ genau weiß, die stammen aus Ägypten, die stammen aus der und der Zeit und die befinden sich in einer gewissen Grabungsschicht von diesem Palast, dann kann man mithilfe dieser fremden Funde die eigentlich ja noch ununtersuchte minoische Kultur datieren.

00:43:46: Martin Aber dann immer nur frühestmöglich sozusagen. Also wenn man da irgendwas findet, dann kann es nicht älter sein als, weil ab dem Zeitpunkt oder später gab es diese Gegenstände, weil der König da regiert hat.

00:44:02: Marko Genau. Es muss später gewesen sein. Das nennt man einen Terminus Post - also einen Zeitpunkt ab dem etwas nur sein kann. Und so kann er bald eigentlich vier Perioden unterscheiden. Also erst mal kann er eine neolithische Epoche, also das ist noch vor der Bronzezeit kann er entscheiden. Und dann geht es los mit der Bronzezeit. Das ist die frühe minoische Zeit. Da sind wir so bei 2600 bis 1900 vor unserer Zeitrechnung. Eine mittel-minoische Zeit, das ist so 1900 bis 1600 vor unserer Zeitrechnung und eine spät-minoische Zeit. Da wird der Palast offenbar zerstört. Das ist so zwischen 1600 und 1450 vor Christus. Warum ist es ein Palast? Das weiß er ja auch am Anfang nicht. Er könnten ja sagen okay, es ist einfach irgendwie so ein Labyrinth, warum auch immer.

00:44:50: Martin Na ja, okay. Na gut. Aber zu der Zeit wurden große Bauten, also in der Regel hat man ja Hütten gebaut und große Bauten waren dann entweder sakral oder eben weltliche Macht. Also dazwischen gab es ja eigentlich wenig.

00:45:05: Marko Na ja, gut, aber wenn man nach Ägypten geht, da hast du Pyramiden. Also ich meine, eindrucksvoller kann man es kaum machen. Da geht es dann um eine Grabstätte.

00:45:12: Martin Ja, okay.

00:45:13: Marko Also da könntest du auch sagen sakral. In der Tat gab es noch in den 70er Jahren die Überlegung eines deutschen Archäologen, dass dieser Palast gar kein Palast sei, sondern eine Art Nekropole, also eine Art Riesen-Friedhofsareal, wo man in diesen Gängen unterschiedliche Grüfte sozusagen hatte.

00:45:29: Martin Also diese Kammern dann auch.

00:45:32: Marko Ja. Das war so eine Erklärung, das ist mittlerweile verworfen. Mittlerweile ist man sich sehr sicher, dass es sich um einen Palast handelt. Und auch Evans war sich schon relativ sicher, dass es sich um einen Palast handelt, denn er hat auch solche Räume hier gefunden. Schau.

00:45:45: Martin Ah ja, okay.

00:45:45: Marko Jetzt sagts du wahrscheinlich, boah, ist aber hübsch.

00:45:49: Martin Na ja, das musst du mir nicht sagen, dass ich das sagen soll. Es ist tatsächlich so, also, das ist ja ein relativ großer Raum. Ich würde mal schätzen. Weiß ich nicht. 20, 30 Quadratmeter groß, mit Säulen, schwarzen Säulen, oben Kapitellen. Rote Wände, die mich so von der Farbgebung so ein bisschen an ...

00:46:06: Marko Jetzt sag nicht Pompeji.

00:46:07: Martin An Pompeji... Ja, sicher. Das ist doch dieses Pompeji-Rot, dieses berühmte. Also es geht so ein bisschen in die Richtung. Und dann an den Wänden Fresken. Ja, eine Art Landschaft mit Bäumen und Sträuchern.

00:46:20: Marko Das ist wichtig. Guck mal, da gibt es Mobiliar.

00:46:22: Martin Ja, ja, ja. Moment. An den Wänden Fresken und mit Tierwelt auch sehr phantasievoll. Ich weiß nicht ganz genau, was das vorstellen soll, aber ja, im Raum dann ein in der Mitte eine große, also eine Art Schüssel aus Stein und rechts, ja, das ist ein Absatz. Das könnte aber auch, wenn du mich jetzt schon darauf hinstößt, kann das natürlich auch ein Thron sein.

00:46:42: Marko Es ist natürlich ein Thron, hat er gesagt. Natürlich. So wie Schliemann damals behauptete, dass er natürlich den Schatz des Agamemnon gefunden hat, ist das natürlich der Thron des Königs Minos. So wird das Ding bis heute genannt. Ein etwas, ich glaube auf den ersten Blick sehr unbequemes Sitzmöbel aus Stein.

00:47:00: Martin Darauf kam es ja nicht an, bei Thronen.

00:47:03: Marko Und man muss natürlich sagen, was du hier beschreibst, ist letztendlich ganz viel auch Rekonstruktion. Da kommen wir vielleicht später noch zu. In der Tat, wenn man heute durch Knossos läuft, dann glauben immer alle Leute, das wäre alles echt. Ein Großteil davon ist der Fantasie des Herrn Evans entsprungen. Aber, nun gut, das Rot wird er vorgefunden haben und den Thron hat er auch gefunden. Also dieser Thron wurde gefunden und seitdem ist eigentlich klar, das Ding ist ein Palast, so wird das auch genannt. Und man muss sich, um einfach mal so ein paar Eindrücke zu kriegen, was für wunderschöne Fresken sich da finden, habe ich mal so ein paar dir hier mitgebracht. Also es gibt wirklich tolle Sachen.

00:47:38: Martin Sehr schön. Türkis blaue Delfine sehe ich da auf dem ersten Bild und zahlreiche Fische im Hintergrund. Wirklich sehr hübsch. Auf dem zweiten Bild, jetzt trau ich mich schon gar nicht mehr zu sagen: Was sind denn das? Drei Damen?

00:47:52: Marko Was haben die denn?

00:47:53: Martin Na, die haben also vor allen Dingen lange schwarze Locken und, und große, ja, große Brustwarzen.

00:48:04: Marko Das sind Frauen, Martin.

00:48:05: Martin Okay, ja, dann sind es Frauen, wenn du das sagst.

00:48:08: Marko Das sind Frauen.

00:48:09: Martin Also keine ausgeprägten Brüste. Wenn ich das jetzt mal. Wir müssen es den Hörern ja auch beschreiben.

00:48:13: Marko Na ja, die haben schon Brüste. Das ist doch eindeutig. Also, wenn die keine Brüste haben.

00:48:20: Martin Ich glaube, wir müssen diese Bilder in den Shownotes verlinken, damit sich die Zuhörer da ein eigenes Bild von machen können.

00:48:26: Marko So und nun jetzt hier die die letzte Dame, das ist auch eine Dame...

00:48:29: Martin Scheint ja, das ist eindeutig.

00:48:32: Marko Toll sieht die aus - oder? Jetzt mal ehrlich...

00:48:32: Martin Große Augen, relativ große Nase, aber ja, eine hübsche Frau.

00:48:37: Marko Ja und ganz rote Lippen hat sie.

00:48:40: Martin Ja.

00:48:40: Marko Und sie wurde auch damals schon La Parisienne genannt, die Pariserin, weil sie aussah wie die damals modisch in Paris rumlaufenden Damen. Und so ging sie damals auch durch die Presse und wurde also überall gezeigt. Aber es ist natürlich eine Dame in Knossos, also diese sehr, sehr aufwendigen Wandmalereien, die lassen schon ahnen, dass es innerhalb dieses Palastes doch sehr herrschaftlich zuging.

00:49:04: Diamantis Panagiotopoulos Von den Funden, die man in Knossos gemacht hat, können wir mit Sicherheit sagen, dass das Leben im Palast sehr luxuriös war. Wir dürfen sogar von der Existenz eine höfischen Elite sprechen, eine höfische Elite, die den größten Teil des Tages innerhalb des Palastes verbrachte. Ein Palast, der als Gebäude scharf von der Außenwelt abgetrennt war. Innerhalb des Palastes gestalteten sich die inneren Fassaden sehr luxuriös, im Gegensatz zu den Außenfassaden des Palastes, so dass wir sagen können, dass der Palast, der in seinem Zentrum einen riesigen Innenhof hatte, das der Mittelpunkt des höfischen Lebens darstellte.

00:49:53: Marko Jetzt fragt man sich natürlich: Was sind das eigentlich für Leute, die da auf Kreta wohnen, vor 2600 Jahren, vor unserer Zeitrechnung, also von heute an gerechnet vor 4600 Jahren. Kommen wir zurück zu der Schrift. Wir können die bis heute nicht lesen. Also wir können nur eine dieser Schriften lesen: Linear B, die ist mittlerweile entziffert, und ist eine Frühform des Griechischen. Die ist entziffert. Jetzt könnte man denken: Na toll, wir können ja lesen, was die geschrieben haben. Ja, rate mal, was sie geschrieben haben?

00:50:26: Martin Einkaufslisten.

00:50:26: Marko Langweiligen Scheiß, genau.

00:50:30: Martin Administrativkram wahrscheinlich.

00:50:31: Marko Seitenweise Inventarlisten. So was. Also nichts, wo man jetzt sagen würde Boah, tolle Hochkultur oder so, ne, es ist eher was für die Verwaltung. Keine Gedichte, keine Lyrik. Gar nichts. Es sind Verwaltungszahlen offenbar. Linear A, diese sehr, sehr frühe Schrift, ist bis heute nicht entziffert worden.

00:50:53: Martin Und die Hieroglyphen.

00:50:55: Martin Auch nicht. Und das ist genau das Problem. Man hat es offenbar mit einer anderen Sprache zu tun als Griechisch.

00:51:02: Martin Ach.

00:51:02: Marko Und eine fremde Sprache, die nicht griechisch ist, von der wir auch nicht wissen, was für eine Sprache sie ist, die geschrieben ist in Zeichen, die wir auch nicht kennen, die zu entziffern, das dürfte wohl noch etwas dauern, wenn es überhaupt jemals möglich sein wird, das wage ich jetzt gar nicht zu beurteilen. Also wir haben es offenbar nicht mit Griechen zu tun, die da wohnen, und man nennt die in der Tat die Minoer. Nun: Wer sind die Minoer? Keine Ahnung, wer die Minor sind.

00:51:28: Diamantis Panagiotopoulos Es gibt verschiedene Theorien, dass sie entweder die Entwicklung einer indigenen Bevölkerung waren. Aber es gibt auch Vermutungen, dass der Beginn dessen, was wir als minoische Kultur bezeichnen, das Ergebnis einer Einwanderung war von Bevölkerungselementen, die aus anderen Regionen - entweder der Ägäis oder des östlichen Mittelmeers kamen.

00:51:56: Marko Also wir wissen nicht genau, woher sie stammen. Wir wissen auch nicht, wie sie genau gelebt haben. Wir wissen nur, dass sie einen sehr luxuriösen Palast hatten. Und je weniger man weiß, desto mehr sprießen natürlich so die Fantasien.

00:52:08: Martin Da ist Platz dafür, ja. Und man weiß auch nicht, ob das ein großes Reich war, ein kleines Reich, ob das ganz Kreta umfasste oder vielleicht noch mehr oder nur ein Teil der Insel. Alles unbekannt.

00:52:20: Martin Also was man sagen kann. Und das ist ganz erstaunlich: Es gibt mehrere minoische Ausgrabungsstellen auf Kreta. Das ist nicht Knossos die einzige. Was man sagen kann: Bei allen diesen Städten fehlt eine Befestigung. Sie haben keine Stadtmauern, die haben keine Befestigungsanlagen. Die können es sich offenbar leisten, ohne so etwas zu leben. Deshalb geht man davon aus, dass die Minoer eine Seemacht waren, die so dominant war, dass sie eigentlich es nicht nötig hatte, sich gegen irgendwas zu verteidigen, sondern die haben auf ihrer Insel gesessen und haben auch Handel getrieben. Man findet auch auf anderen griechischen Inseln Dinge, die von Kreta stammen aus der Zeit, das heißt, sie haben Handel getrieben, und die waren wohl offenbar so dominant, dass sie es sich leisten konnten, einfach ihre Stätten, wo sie wohnten, unverteidigt zu lassen. Das ist das Erste. Das zweite ist: Es wurde immer wieder spekuliert. Ja, was sind denn das eigentlich für Leute? Wie haben die gelebt? Und natürlich hat man dann auch die Kleinfunde sich betrachtet. Und gerade bei dieser Dame, die ich dir sehr ans Herz legen will, und wo das erste, was dir ins Gesicht springt...

00:53:30: Martin Okay. Also das ist dann wiederum eindeutig nicht nur am Kleid zu erkennen, sondern auch an den freiliegenden Brüsten in diesem Fall. Es ist ein sehr kurioses, ein sehr kurioses Outfit, wenn ich mal sagen darf. Ist das...

00:53:44: Marko ...eine Frau...

00:53:46: Martin eine Figurine...

00:53:48: Marko Die ist ungefähr so groß...

00:53:49: Martin Also 30 Zentimeter...

00:53:50: Marko Ja, vielleicht...

00:53:50: Martin OK.

00:53:53: Marko Es gibt mehrere davon, wahrscheinlich auch unterschiedlicher Größe, die sind aber nicht so riesig. Also es sind so Figuren, so Frauenfiguren, muss man sagen, die haben alle ihre Brüste frei liegen und zwar so richtig, dass man die richtig sehen kann.

00:54:04: Martin Ja, und das ist das Interessante, also die ist ansonsten eben nicht halbnackt, sondern ist komplett angezogen. Komplettes Kleid mit Ärmeln, langes Kleid bis zum Boden, sehr aufwendig offensichtlich mit diversen Mustern eingearbeitet. Ja und nur die Brüste liegen tatsächlich frei und in beiden Händen hält sie was - sind das Schlangen?

00:54:25: Marko Ja, man sagt, es wären Schlangen.

00:54:27: Martin Schlangen?

00:54:27: Marko Ja, okay. Was auf jeden Fall in der Tat ins Auge springt, ist, dass das Weibliche doch sehr, sagen wir mal, betont wird. Ja, so und das hat natürlich dazu geführt, dass viele Leute gesagt haben: Ja, die Minoer haben im Matriarchat gelebt, das war so eine Fantasie. Man weiß ja nicht...

00:54:44: Martin Damals auch schon, also als Evans das ausgegraben hat.

00:54:47: Marko Ja, ja, da kam das so langsam. Also. Also. Natürlich gab es da den König Minos. So. Aber schon Evans hat sich vorgestellt, dass vielleicht auf diesem Thron. Es gab da so Gedankenspiele, dass dieser Thron, der hatte so eine Sitzfläche, dass sie eigentlich viel besser auf einen Frauenhintern passen würde als auf einen Männerhintern. Also aber er hat es dann, weil er natürlich an seinem König Minos festhalten wollte, dann gesagt: Ja, es muss der Thron des König Minos sein. Aber es wurde damals schon spekuliert. Ja, also es gibt ja offenbar so viele sehr aufwendig gestaltete Frauenfiguren, die die Brüste so offen halten. Das muss eine Art Matriarchat gewesen sein da bei den Minoern. Nun muss man sagen, mittlerweile sind auch Männerfiguren gefunden worden. Die sind dann in der spät- minoischen Phase. Darunter ist ein sehr berühmter Kuros, also eine männliche Kriegerfigur. Der ist aber erst 1980er / 90er Jahre gefunden worden. Den gibt es also auch als Figur, deswegen...

00:55:40: Martin Ja, und bei den männlichen Figuren liegt dann aber nicht das Gemächt frei, oder?

00:55:44: Marko Ne, ne, das das nicht. Die tragen meist einen Lendenschurz oder so, die sind jetzt auch nicht so üppig bekleidet. Ganz anders als diese Dame hier, die ja wirklich sehr, sehr aufwendig bekleidet ist. Die Männer tragen meistens nur so eine Art Lendenschurz. Ja, also wir wissen nicht. Also offen gestanden, man kann da jetzt vieles reindeuten, aber so richtig wissen tun wir natürlich über die Minor dann nicht. Wir wissen nicht mal, warum sie irgendwann untergegangen sind. War das ein schleichender Prozess? Ging das sehr plötzlich? Also man hat es lange überlegt, ob das sozusagen: Es gab diesen großen Vulkanausbruch auf Santorini etwa 1600 vor unserer Zeitrechnung. Ob das vielleicht damit zusammenhängt? Aber das hat man eigentlich auch verworfen. So richtig weiß man es bis heute nicht.

00:56:24: Diamantis Panagiotopoulos Man kann nicht sagen, dass die Kultur so einfach verschwindet. Das, was verschwindet, ist das Leben der Elite. Es ist auch klar, dass auch nach der Zerstörung des letzten Palastes auf Kreta, des Palastes von Knossos das Leben der einfachen Bevölkerung weitergeht. Es ist auch klar, dass in den nächsten Jahrhunderten neue Bevölkerungselemente die Insel erreichen. Und das, was wir danach haben, ist eine Mischung von verschiedenen Kulturgruppen, die dann die Geschichte der Insel für die nächsten Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende prägen.

00:57:01: Marko Also erst mal kommen die Griechen, später kommen die Römer, dann kommen die Byzantiner. Es vermischt sich irgendwie alles und die Gegend von Knossos war die gesamte Zeit über besiedelt. Und heute kommen halt die Touristen. Und wenn die Touristen sich heute Knossos anschauen, dann glauben sie immer, dass da so tolle Gebäude und so tolle Räume sind, wie du sie da eben bewundert hast, wo der Thron drin stand. Das stimmt zu einem Großteil leider nicht. Evans hat es ausgegraben und er wusste, dass jetzt, ab dem Moment, wo es ausgegraben ist, die Witterung Einfluss darauf nehmen wird. Als auch die ersten Touristen kamen auch schon am Anfang des 20. Jahrhunderts.

00:57:38: Martin Ach so, hat man eine Bildungsreise nach Kreta gemacht.

00:57:40: Marko Hat man schon gemacht. Es gibt da gibt so Bilder, wo dann so englische, feine Damen da mit so einem Sonnenschirm durch die Gegend laufen und sich Knossos angucken. Und er hatte wohl schon geahnt, dass es da zu größeren Besuchermengen kommt und er hat dann zu einer drastischen Maßnahmen gegriffen. Und mein Experte, der Archäologe Diamantist Panagiotopoulos, will einfach mal klarstellen: Das, was ihr da heute euch anguckt in Knossos, das ist nicht das, was die Minoer gebaut haben.

00:58:07: Diamantis Panagiotopoulos Ich befürchte, dass die meisten Besucher nicht verstehen, dass das, was sie sehen, fast ausschließlich aus Beton besteht. Aber für die Archäologen ist es klar, wo die minoischen Ruinen enden und wo das rekonstruierte Gebäude beginnt. Evans war eine der ersten überhaupt in Griechenland, der Beton extensiv für die Konstruktion eines Gebäudes benutzte. Man kann auch sogar sagen, dass der rekonstruierte Palast von Knossos in den 1920er Jahren eines der modernsten Gebäude in Griechenland war, weil er fast ausschließlich aus Beton gebaut war.

00:58:50: Martin Beton? Wie war das? Kommt drauf an, was man daraus macht, ne.

00:58:54: Marko So ist es. Also man kann auch einen Palast von Knossos daraus machen. Und viele dieser Säulen zum Beispiel, die du da siehst, und viele dieser Räume sind auf das alte Labyrinth draufgesetzt worden, damit es nicht kaputt geht, damit die Witterung es nicht kaputt macht. Und das hat Evans sich ausgedacht und hat gedacht okay, ich baue da einfach was drüber, das - die heutigen Touristen finden super, weil sie denken, sie gucken sich den Palast von Knossos an, in Wahrheit gucken sie sich das Phantasialand des Herrn Evans an, aber der Archäologe selbst weiß schon noch ziemlich genau: Was ist eigentlich echt und was ist von Evans draufgesetzt worden.

00:59:25: Martin Kann man denn umgekehrt sagen, dass vielleicht die Tatsache, dass da eben in diesem Palast so viele kleine Räume waren und man sich da vorstellen könnte, dass das ein Labyrinth mal gewesen ist, dass da dann eben auch dieser Mythos herrührt, diese Geschichte quasi sich aus dieser faktischen, tatsächlich vorhandenen Quelle speist?

00:59:47: Marko Ja, eine gute Frage, Martin.

00:59:50: Martin Daher bin ich hier. Für gute Fragen.

00:59:51: Marko Ja, ja. Also, man muss ja sagen: Von wann stammt dieser Mythos? Schon Homer wusste offenbar davon. Und der hat so um 800 vor Christus gelebt.

01:00:00: Martin Ja, aber offensichtlich deutlich nach der minoischen Zeit.

01:00:03: Marko Also, da ist der Palast ja schon, nahe 800 Jahre kaputt, zerstört. Und in der Tat, deine Erklärung ist gar nicht so schlecht. Letztendlich muss man sagen, haben die Archäologen auch keine bessere.

01:00:15: Diamantis Panagiotopoulos Es gibt eine plausible Erklärung, wie so ein Mythos entstehen kann. Man kann sich leicht vorstellen, dass dieser riesige Gebäudekomplex nach seiner Zerstörung eine große und sehr gefährliche Ruine war. Eine Ruine, die man betreten konnte. Und es ist durchaus möglich, dass die Mutigen, die diese Ruine betreten haben, an einigen Mauern teilweise erhaltene Darstellungen vom minoischen Stiersprung gesehen haben. Und vielleicht diese Verbindung: Ein Mensch, ein Akrobat auf einem Stier war die Grundlage für die Entstehung des Mythos über ein Monster, der einen Stier mit einem Menschen kombiniert.

01:01:11: Marko Du warst schon sehr nahe dran, Martin.

01:01:14: Martin Also Ruinen von kleinen Kammern, die dann zu einem, ja zu einem Sexmythos umgearbeitet worden sind. So sind die alten Griechen offensichtlich - das ist ja ein Ding.

01:01:26: Marko Ja, verwundert dich das jetzt?

01:01:29: Martin Eigentlich nicht, weil bei diesen griechischen Mythen natürlich immer irgendwas mit Verführung und Sex und wer mit wem eine Rolle spielt. Das ist ja quasi die Soap Opera des Altertums, könnte man sagen.

01:01:40: Marko Der Minotaurus wurde, das wissen wir ja, dann in der mythologischen Sage auch umgebracht. Der fand ja dann auch ein Ende. Theseus hat ihn getötet.

01:01:47: Martin Theseus war das.

01:01:48: Marko Theseus ist dann sozusagen nach diesem alten Ritus, dass die Athener ja die Jünglinge und die Jungfrauen liefern mussten. Theseus ist ein ein athenischer Prinz, und der reist dann mit und lässt sich da mit zum Fraß vorwerfen, fängt aber vorher was mit der Tochter von Minos, dem König, an. Die heißt Ariadne, die hat den Faden und gibt ihm den Faden mit...

01:02:12: Martin Die hat gestrickt und hat da noch so ein Knäuel übrig gehabt...

01:02:15: Marko Die antike Strickmamsell, Ariadne, hat ihm den Faden mitgegeben, dann hat er das Ungeheuer umgebracht, ist am Faden wieder zurück, und hat dann mit Ariadne, wie wir ja wissen, die Insel verlassen. Ja. Übrigens auch dein Kumpel hier, dein Erfinder-Kumpel.

01:02:30: Martin Der Daidalos?

01:02:31: Marko Daidalus hat dann richtig Ärger gekriegt von Minos unter dem Motto: Hier, Dein Labyrinth taugt ja nix, da kann man ja raus entkommen. Dann war klar irgendwie Daidalos haut ab und dann hat er sich die Flügel gebastelt.

01:02:41: Martin Ach so! So kam das.

01:02:42: Martin So ist das nämlich gekommen....

01:02:43: Martin Und Daidalos ist entkommen und Ikarus, sein Sohn, ist gefallen.

01:02:44: Marko So ist es. Und Ariadne ist mit Theseus abgehauen, ist aber dann von Theseus echt schmählich auf Naxos zurückgelassen worden und saß dann wieder am Strand. Was die griechischen Damen ja offenbar gelegentlich taten. Und auch da hat sich wieder ein Gott erbarmt. In diesem Fall war es Dionysos.

01:03:06: Marko Aber das, so sagt man, glaube ich, ist eine andere Geschichte.

01:03:10: Marko Wenn euch diese Folge der Geschichtsmacher gefallen hat, dann...

01:03:14: Marko Sagt es allen Griechenlandfans, allen Fans der Antike und griechischer Mythen, den Freunden von Herrn Schliemann auch und auch seinen Feinden. Und wenn euch die Folge nicht gefallen.

01:03:27: Marko Dann schreibt einen Brief, es muss nicht auf Papier sein, aber wir würden uns auch über Papier-Briefe freuen. Aber wenn es klar Kritik ist, dann schmeißt ihn einfach in die Mitte des Labyrinths von Knossos und da lassen wir ihn einfach liegen.

01:03:40: Martin Uns gibt es wieder in 14 Tagen, dann mit was nicht Griechischem. Aber wir machen auch gerne wieder was Griechisches, wenn wir so schöne Postkarten bekommen wie von James, der uns da freundlich drum gebeten hat, dann machen wir das gerne.

01:03:55: Marko Tschüs.

01:03:56: Martin Tschüs.

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