Der Traum von Timbuktu (Teil I)

Shownotes

Mansa Musa, der Herrscher über das riesige Mali-Reich, gilt bis heute als der reichste Mann der Weltgeschichte. Als im 14. Jahrhundert die Europäer erstmals von ihm und seiner Hauptstadt Timbuktu erfahren, entflammt in ihnen die Gier nach unermesslichen Schätzen.

Mit Gold gepflastert sollen die Straßen Timbuktus sein. Doch bis der erste Europäer es tatsächlich schafft, einen Fuß auf die goldenen Straßen der Stadt am Rand der Wüste zu setzen, vergehen Jahrhunderte. Martin Herzog erzählt seinem Kollegen Marko Rösseler vom Traum von Timbuktu. Als Experte mit von der Partie ist Frank T. Kryza - Buchautor und Afrika-Kenner.

Wichtige Links: Hier geht es zu Martins WDR-Zeitzeichen über die Reise nach Timbuktu.

Die von Martin zitierte Seite Celebrity Net Worth findet ihr hier.

Buchtipp: Frank T. Kryza: The Race for Timbuktu. In Search of Africas City of Gold. Ecco 2006

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Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher - Der Traum von Timbuktu, Teil 1

00:00:00: O-Ton Countdown Ten, nine, ignition sequence start, six, five, four, three, two, one, zero - all engine running. Lift off...

00:00:15: Marko Huh, es geht los. Wohin geht heute die Reise, Martin? Zum Mond! Wir sind in Apollo elf und werden den Mond erobern. Ist es so?

00:00:22: Martin Anno 69? Ja, könnte man denken. Fast. Fast. Es geht zu einem Ort, der ja noch viel weiter weg ist als der Mond für uns. Zumindest für die Europäer des 17., 18., 19. Jahrhunderts. Es geht nach Timbuktu - ein verborgener, mythischer Ort in Afrika von sagenhaftem Reichtum. So haben es die Europäer jedenfalls damals gehört. Und da wollten sie dann natürlich auch alle hin, die Forscher, die Geographen, die Abenteurer, die Glücksritter. Aber es hat lange gedauert und es gab viele Fehlschläge. Bis dann irgendwann ein Schotte es schließlich geschafft hat, zu dieser sagenhaften, sagenhaft reichen Handelsmetropole zu gelangen.

00:01:01: Marko So machen wir uns diesmal auf die Suche nach Timbuktu. Herzlich willkommen bei...

00:01:05: Intro Die Geschichtsmacher. Von den Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:22: Marko Herzlich willkommen bei den Geschichtsmachern heute. Und wieder einmal begeben wir uns auf eine Reise, auf eine Reise ins tiefste Afrika. Aber vielleicht sollten wir auch mal erklären, wer wir eigentlich sind und was wir machen, Martin.

00:01:35: Martin Ja, wir sind die Geschichtsmacher. Wir hörten es gerade und wir sind Autoren - beide - des Zeitzeichens.

00:01:43: Marko Eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks, muss man sagen.

00:01:45: Martin Mit der wir aber jetzt hier so direkt erst mal nichts zu tun haben.

00:01:49: Marko Außer, dass wir da gelegentlich für die arbeiten, aber dieser Podcast entsteht aus privater Initiative und dementsprechend auch unabhängig vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das machen wir hier privat.

00:01:59: Martin Und da machen wir das, was wir wollen. Und in dem Fall eine Folge über Timbuktu.

00:02:05: Marko Weil du mal ein Zeitzeichen über Timbuktu gemacht hast.

00:02:08: Martin So sieht es aus. Ja, genau. Vor sechs Jahren ist das, glaube ich, irgendwann gewesen. Und zwar über einen Schotten, der als erster Europäer im 19. Jahrhundert nach Timbuktu gelangt ist. Und ich hatte den Namen vorher nie gehört.

00:02:22: Marko Timbuktu?

00:02:23: Martin Ne, Timbuktu hab ich schon vorher gehört, hab aber den Namen dieses Schotten, ein gewisser Alexander Gordon Lang. Ich weiß nicht, ob dir das was sagt.

00:02:33: Marko Nein.

00:02:33: Martin Also ich hatte noch nie was von dem gehört. Und dann hab ich gedacht: Ist interessant. Und Timbuktu klingt ja auch irgendwie lustig. Machen wir was drüber.

00:02:41: Marko Timbuktu ist immer so, ja ein Sehnsuchtsort, der klingt exotisch. Also ich hab auch eine innige Beziehung zu Timbuktu, musst du wissen.

00:02:49: Martin Ach ja?

00:02:50: Marko Und zwar ist mein Sohn ein begnadeter Fußballer. Das war er schon mit drei Jahren. Dann hat er mich schon ausgedribbelt.

00:02:57: Martin Das ist ja auch nicht weiter schwer.

00:02:58: Marko Das ist nicht weiter schwer. Ich gebe es zu. Auf jeden Fall haben mein Sohn Lorenz und ich immer Fußball gespielt oder ab und zu Fußball gespielt. Und weil er mich dann schnell besiegt hat, haben wir es dann später gelassen. Aber man musste immer sagen: Wer ist man eigentlich? Er dann immer so: Ich bin Dortmund oder so, und dann habe ich immer gesagt: Ich bin Timbuktu.

00:03:14: Martin Ach...

00:03:14: Marko Ja, hab ich immer gesagt, weil das klingt so nach Exotik, das klingt nach geheimnisvoll. Und da war ich der erste FC Timbuktu. Und er war halt dann Dortmund - aber Timbuktu hat immer verloren.

00:03:26: Martin Aber Timbuktu - da hast du natürlich recht, dieses Geheimnisvolle und dieses Mythische, das ist natürlich auch genau das, was ja vor allen Dingen die Europäer fasziniert hat 500 Jahre lang hat man nicht so richtig gewusst: Wo ist das? Irgendwo in Afrika. Ja. Es spielte so in der gleichen Liga wie, na fast wie Atlantis. Nicht ganz so mythisch, wie Eldorado, so ein bisschen: Eldorado, die goldene Stadt. Und von Timbuktu hieß es eben auch, es hat diesen unermesslichen Reichtum und das Gold liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße in dieser Stadt. Und da hat man ja nicht nur dran geglaubt, sondern man wusste - und das ist der Vorzug von Timbuktu gegenüber El Dorado und Atlantis - man wusste, das gibt es. Also es ist ja ein deutlich Vorzug, kann man so sagen.

00:04:13: Marko Timbuktu gibt es bis heute, wo liegt es ungefähr?

00:04:16: Martin Timbuktu liegt am südlichen Rand der Sahara, in der Sahelzone, am Rand der Sahelzone.

00:04:23: Marko Eine Region, die nicht gerade durch Reichtum hervorsticht.

00:04:26: Martin Nein, nein. Und heute auch tatsächlich sehr arm ist. Also Timbuktu liegt im heutigen Mali in Westafrika, und zwar zwölf Kilometer nördlich des Flusses Niger. Und der ist eben auch sehr wichtig für unsere Geschichte.

00:04:42: Marko Heute, glaube ich, eine Region, die auch sehr instabil ist. Es gibt ja sogar eine Mission der Bundeswehr, die in Mali stattfindet.

00:04:50: Martin Stattgefunden hat.

00:04:52: Marko Stattgefunden hat. Ja, ja, genau.

00:04:53: Martin Ja, also es ist ein Bürgerkriegsland. Schon länger, aber seit 2012 gibt es eben intensive Konflikte zwischen der Regierung Malis und bewaffneten Tuareg, also diesen Nomadenstämmen aus dieser Region. Dann kommen noch islamistische Milizen dazu und eine ganze Reihe von internationalen Akteuren, unter anderem die russische Söldnerarmee Wagner ist da unten aktiv und bis vor kurzem eben auch Franzosen und die Bundeswehr mit 300 Soldaten. Das war eine EU Ausbildungsmission. Die sind aber dann 2022 abgezogen, nachdem die Regierung nicht wirklich freundlich gebeten hatte, dass man diese Mission dann bitte beenden möchte und dass sie dort unerwünscht sind. Und Timbuktu spielt in diesem Konflikt auch seit 2012 eine Rolle. Das ist zunächst eingenommen worden von den Tuareg und dann von den Islamisten-Milizen, die gehören zu Al Qaida, und dann sind sie schließlich von französischen und malischen Truppen wieder zurückerobert worden. Und jetzt, seit vergangenem Jahr, wird Timbuktu wieder von Islamisten belagert, ist also eine umkämpfte Stadt.

00:06:02: Marko Was ich von Timbuktu weiß, ist, dass es dort die sagenhaften Bibliotheken von Timbuktu gab. Und ich weiß, dass es heute - das weiß ich eigentlich nur durch Tagesschau-Bilder - furchtbar aussieht. Dass man eigentlich immer, wenn ich Timbuktu im Fernsehen sehe, denke: Wie konntest du eigentlich der erste FC Timbuktu sein? Es sieht nicht so aus, als wäre es attraktiv, dahin zu reisen.

00:06:24: Martin Nein, also das ist auch nicht - momentan sowieso nicht - empfehlenswert. Es ist aber auch nicht wirklich eine Reise wert. Selbst wenn da mal kein Krieg ist, muss man ganz klar sagen. Und auch heute ist es nicht ganz einfach, nach Timbuktu zu kommen überhaupt. Also es gibt da einen kleinen Flughafen, der wird ab und an angeflogen von Malis Hauptstadt aus Bamako. Da gibt es ein paar Flüge hin, aber es gibt keine echte Straße, die ganzjährig befahrbar wäre. Also da gibt es eben Pisten hin und die sind ein Großteil des Jahres versandet. Also mindestens braucht man da einen Landrover, um dorthin zu kommen.

00:06:59: Marko Und das ist jetzt Schleichwerbung. Man kann auch eine G-Klasse von Mercedes nehmen.

00:07:02: Martin Oder einen Toyota-Landcruiser - natürlich. Sicher, sicher, sie wissen, was ich meine. Man braucht einen Geländewagen. Allradantrieb.

00:07:09: Marko Wir haben leider noch keinen Werbepartner. Wir würden. Wir würden das vielleicht ja machen. Aber solange.

00:07:15: Martin Doch gerne.

00:07:15: Marko Solange müssen wir uns natürlich die Schleichwerbung hier verkneifen. Wenn ihr uns aber ein Angebot macht, wozu wir nicht nein sagen können, dann, ne...

00:07:23: Martin Auch Land Rover. Ja.

00:07:25: Marko Psst. So weiter.

00:07:26: Martin Also man braucht ein geländegängiges Fahrzeug, um es mal ganz neutral zu formulieren oder eben ein geländegängigen Tier. Also da wäre dann vorzugsweise der Kamelrücken zu erwähnen, der also tatsächlich eben auch noch für Transporte da in der Region eingesetzt wird.

00:07:42: Marko Ich war mal in Marokko. Und in Marokko gibt es am Rand der Wüste ein Schild. Und an diesem Schild war ich und da steht drauf: Noch 52 Tage bis Timbuktu. Also ich war damals sehr versucht, aber so lange hatte ich keinen Urlaub.

00:07:56: Martin Hast dich nicht eines Wüstenschiffs bemächtigt und bist da runter geritten? 52 Tage ist auch lang.

00:08:00: Marko Ist sehr lang.

00:08:01: Martin Durch die Wüste.

00:08:01: Marko Es ist ja lang, es.

00:08:02: Marko Ist sehr lang. Ich habe im Zuge dieses Urlaubs einen Tag mal auf einem Kamel gesessen, weil ich dachte, das müsste ich auch mal gemacht haben.

00:08:07: Martin Es reichte dann auch?

00:08:08: Marko Ich bin seekrank geworden.

00:08:10: Martin Ja, Wüstenschiff halt.

00:08:12: Marko Es schaukelt.

00:08:12: Martin Ja, ja, ja.

00:08:14: Marko Ich hab vor das Kamel gekotzt, Aber lassen wir das. Gut.

00:08:17: Martin Also, das ist die zweite Möglichkeit oder die dritte Möglichkeit, nach Timbuktu zu kommen, auf Kamelrücken. Oder eben zu Fuß oder mit kleinen Booten dann über den Niger. Da kann man dann auch - das müssen dann flache Boote sein, weil der Niger den meisten Teil des Jahres wenig Wasser führt. Also es ist auch heute noch sehr schwer da hinzukommen und es ist eine Stadt, die ja letztendlich völlig verfallen ist. Es gibt ungefähr 55.000 Einwohner, das ist ein Bruchteil dessen.

00:08:46: Marko Das ist ja witzig.

00:08:47: Martin Ja, natürlich. Ja, ja, ja. Und das ist ein Bruchteil dessen, was diese Stadt mal gehabt haben muss. Also mehrere 100.000 hat sie wohl auf jeden Fall mal Einwohner gehabt. Schätzungen gehen bis zu einer halben Million zu seinen Hochzeiten vor 500 Jahren. Die Stadt ist komplett verarmt und die Einwohner sind größtenteils arbeitslos und es hat keine große Bedeutung mehr wirtschaftlich - von der Pracht früherer Zeiten, die Bibliotheken oder irgendwelche Paläste oder so was, das gibt es überhaupt nicht mehr. Insgesamt ist die Innenstadt, die historische Innenstadt, in einem erbärmlichen Zustand und eigentlich noch ärmlicher, als das in der Region sowieso schon üblich ist. Also Timbuktu ist heute sicherlich keine Reise mehr wert.

00:09:33: Marko Die Frage ist, warum war es mal eine Reise wert? Was war an Timbuktu vor uch weiß nicht wie vielen Jahren so interessant und was war daran so wichtig?

00:09:42: Martin Ja, also es ist wie oft bei Handelspunkten, Handelsorten ist es eine Frage der geografischen Lage. Und das ist auch eben bei Timbuktu der Fall gewesen. Timbuktu ist grundsätzlich erst mal eine Wüstenstadt, aber eben am südlichen Rand der Sahara, aber an der Grenze zum Wasser, sozusagen gebaut, zum südlichen tropischen Teil Afrikas mit seinen Regenwäldern. Also der Spruch ist: Timbuktu ist der Ort, wo das Kamel auf das Kanu trifft. Also da hat man dann eben umgeladen, hat Waren entladen vom Kamel aufs Boot, vom Boot aufs Kamel. Und das war dann eben der Grund, weswegen Timbuktu eine solche Bedeutung bekommen hat.

00:10:29: Marko Mit was wurde denn da gehandelt? Was wurde da sozusagen vom Kamelrücken aus Kanu oder umgekehrt umgeladen? Was war da so attraktiv.

00:10:37: Martin Im Prinzip alles Mögliche, aber vor allen Dingen drei Dinge. Das eine war Salz erstaunlicherweise, sehr wertvoll zum Zeitpunkt... Das, was bei uns das Mittelalter war. Das zweite war Gold, und zwar aus den Minen Westafrikas. Man schätzt, dass circa 2/3 allen weltweit produzierten Goldes damals aus dieser Region kam. Es gab eben Minen da in der Gegend, wo Gold geschürft wurde. Und damit ist das dritte Handelsgut quasi auch schon gesetzt. Denn was brauche ich, um Gold zu schürfen? Vor allen Dingen?

00:11:15: Marko Menschen.

00:11:16: Martin Billige Arbeitskräfte, auf Deutsch gesagt: Sklaven. Also ich muss Leute haben, die das Zeug aus der Erde holen. Und das ist das Interessante. Vielleicht erinnerst du dich noch, wir haben ja vor einigen Monaten eine Reihe gemacht über die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Und da haben wir darüber gesprochen, dass die Sklaven in Amerika dann eben aus Afrika rüber geschifft worden sind. Und wir haben uns gefragt: Wie war denn das eigentlich mit dem inner-afrikanischen Sklavenhandel? Gab es so was? Gab es so was im großen Stil? Und die Antwort ist sehr eindeutig: Oh ja, das gab es. Also die Schätzungen lauten, dass zwischen dem siebten und Ende des 19. Jahrhunderts zwischen neun und 13 Millionen Sklaven aus Zentralafrika durch die Sahara nach Norden gebracht worden sind. Und eine erkleckliche Zahl von diesen 9 bis 13 Millionen sind wohl durch Timbuktu geschleust worden. Das war ein Hauptumschlagplatz eben auch für Sklaven und...

00:12:15: Marko Also Salz-, Gold-, Menschenhandel.

00:12:16: Martin Ja - und daneben dann natürlich andere Sachen wie Elfenbein auch natürlich sehr wertvoll und sehr nachgefragt. Vor allen Dingen eben auch in Europa. Gewürze, Parfüm, Edelsteine, Tierfelle. Das waren so die Haupthandelsgüter.

00:12:32: Marko Bedeutet der Name Timbuktu eigentlich irgendetwas?

00:12:37: Martin Das ist möglich. Also da gibt es mehrere Theorien.

00:12:40: Marko So wie Eldorado...

00:12:40: Martin Eldorado ist...

00:12:42: Marko Goldene Stadt.

00:12:43: Martin Goldene Stadt. So. Aber nein. Timbuktu hat nichts mit Gold zu tun. Das ist ganz lustig. Also der Sage nach heißt es "Brunnen der Buktu". Also "Tim" - der Brunnen. "Buktu" ist ein Name.

00:12:55: Marko Wer ist das.

00:12:57: Martin "Buktu" ist der Name einer Sklavin, soll es gewesen sein. Und dieser Name wiederum bedeutet Frau mit einem großen Bauchnabel.

00:13:06: Marko Ja.

00:13:06: Martin Also da kannst du dir jetzt was reindenken. Ich hab keine Ahnung, was es bedeuten soll, aber es gibt eben auch andere Herleitungen, wie der weit entfernte Brunnen oder Ort in den Dünen. Das kann Timbuktu eben auch heißen, aber man weiß es nicht so ganz genau.

00:13:20: Marko Man sagt ja heute noch zu Dingen manchmal, dass sie der Nabel der Welt sind. Vielleicht ist das ja sozusagen... könnte doch, könnte doch sein.

00:13:26: Martin Könnte sein.

00:13:27: Marko Timbuktu ist sozusagen der weibliche Bauchnabel, ja der Nabel der Welt.

00:13:31: Martin Der afrikanischen Welt zumindest.

00:13:33: Marko Vielleicht. Wir wissen es nicht.

00:13:34: Martin Genau. Ja.

00:13:36: Marko Also Timbuktu ist offenbar ja schon eine alte Stadt. Weiß man, wie lange es diese Stadt schon gibt?

00:13:42: Martin Ja. Man vermutet, dass Timbuktu irgendwann im zwölfte Jahrhundert gegründet worden ist, und zwar als Siedlung oder so eine Art zeitweise Lager der Tuareg, dieses Nomadenvolkes, die ja eben nicht sesshaft sind. Aber die hatten dann immer so saisonale Lager. Und man vermutet, dass Timbuktu eines dieser Lager gewesen ist von einem Tuaregvolk. Und in den folgenden 100 Jahren, also im 13. Jahrhundert, entwickelte es sich dann zu einem beliebten Handelsposten für eben arabische Händler aus dem Norden und den sagenhaften Ruf von Timbuktu, den hat aber Mansa Musa begründet.

00:14:23: Marko Wer ist Mansa Musa?

00:14:23: Martin Und zwar im 14. Jahrhundert - ja, über den unterhalten wir uns jetzt. Ich habe hier mal eine alte Quelle mitgebracht. Vielleicht magst du mal lesen.

00:14:32: Marko Ich, ich ich bin also jetzt Mansa Musa?

00:14:33: Martin Nein, das ist eine Quelle, die über Manar Musa berichtet.

00:14:36: Marko Okay.

00:14:36: Marko liest die Quelle zu Mansa Musa Er war ein junger, dunkelhäutiger Mann, angenehm von Gesicht und wohl gestaltet. Er zeigte sich inmitten seiner Soldaten, prunkvoll gekleidet und zu Pferd. Sein Gefolge bestand aus mehr als 10.000 seiner Untertanen. Er brachte ob ihrer Schönheit und ihrer Pracht bemerkenswerte Präsente und Geschenke. Es wird berichtet, die Ausdehnung seines Reiches sei drei Jahre zu Fuß, und er habe unter seiner Hand 14 Untergebene, Könige wie Gouverneure.

00:15:08: Martin Also offensichtlich ist es nicht nur ein König, sondern ein Über-König, der noch weitere Könige unter sich hat. Mansa Musa der erste, so heißt er vollständig, und der herrschte von Timbuktu aus über das sogenannte Mali Reich.

00:15:22: Marko Im 14. Jahrhundert befinden wir uns also...

00:15:23: Martin Wir befinden uns im 14. Jahrhundert.

00:15:26: Marko Also in Italien hat noch nicht mal die Renaissance begonnen. Bei uns in Deutschland sitzt man noch mitten im Mittelalter und die haben, Mansa Musa.

00:15:35: Martin Und der herrscht anscheinend über ein sehr großes Reich, das sogenannte Mali Reich. Das ist, was wir in der Quelle gehört haben: drei Jahre zu Fuß das zu durchqueren, das ist dann schon sehr lang. Also das ist ein wirklich großes Reich, was im Prinzip von der Westküste Afrikas in so einem Streifen bis fast an die Ostküste Afrikas reicht. Das muss ein riesen Gebiet gewesen sein.

00:15:54: Marko Also einmal quer durch den Kontinent durch?

00:15:56: Martin Genau. Ja. Und dieser Mansa Mousa stand im Ruf, besonders die Künste und Wissenschaften zu fördern und sich häufig mit Gelehrten zu unterhalten. Also, er soll Timbuktu wirklich zu einem intellektuellen Oberzentrum gemacht haben.

00:16:12: Marko Ich frage mal ganz blöd nach. Dieser Mansa Musa war wahrscheinlich Moslem?

00:16:16: Martin Ja, der Mansa Musa war Moslem und er wird auch - und das ist der Grund, weswegen wir überhaupt von ihm gehört haben - er wird auch irgendwann beschließen, die Hadsch zu machen, das heißt die Pilgerreise nach Mekka. Da kommen wir aber gleich zu. Also er war offensichtlich gebildet und auch den Wissenschaften zugetan und den Künsten, und er hatte vor allen Dingen auch das entsprechende Kleingeld, um diese Wissenschaften und Künste zu fördern. Und - jetzt kommts - er gilt als reichster Mann, der jemals gelebt hat.

00:16:50: Marko Nein.

00:16:50: Martin Doch.

00:16:51: Marko Reicher als Jeff Bezos?

00:16:53: Martin Reicher als Bill Gates, reicher als Elon Musk. Also, es gibt. muss man immer ein bisschen vorsichtig sein.

00:17:01: Marko Wie misst man das?

00:17:02: Martin Also es gibt einen US-Blog, der nennt sich Celebrity Net Worth, also der Wert von Berühmtheiten: Celebritynetworth.com. So. Und da haben sie irgendwie nachgerechnet, die haben die Top 25 der vermögensten Menschen aller Zeiten aufgestellt. Und das haben sie errechnet über eine spezielle Inflationsrate. Also die haben gesagt: Okay, 100 Millionen $ Vermögen im Jahr 1913, das entspricht ungefähr 2,3 Milliarden $ von heute. Also da haben Sie dann einen entsprechenden Prozentsatz, eine Inflation angesetzt und sind auf diesen Wert gekommen, um dann eben historische Figuren miteinander vergleichen zu können.

00:17:45: Marko Ist das denn seriös?

00:17:48: Martin Ja, das ist eine gute Frage. Das muss man natürlich immer so ein bisschen mit Vorsicht genießen. Aber es gibt natürlich einen, man muss irgendwie einen Umrechnungsfaktor sich überlegen, mit dem man dann versucht, historische Figuren miteinander zu vergleichen. Denn es ist ja klar: Jemand, der 100 Millionen $ im Jahr 1900 besessen hat oder eben im Jahr 1913, der ist viel, viel reicher als jemand, der 100 Millionen $ im Jahr 2024 besitzt.

00:18:18: Marko Aber das wird ja, es wird ja sehr schwierig, wenn ich sage, Mansa Musa gehört im Prinzip einmal ein Korridor quer durch Afrika. Also davon ist er König. Gehört ihm das? Ja, man weiß es nicht.

00:18:30: Martin Also man hat jedenfalls da Berechnungen angestellt. Also man wusste wohl ungefähr, wie viel Geld er hatte. Und...

00:18:37: Marko ...auf der hohen Kante sozusagen...

00:18:38: Martin ...auf der hohen Kante, ja. Und wenn man Mansa Musa eben heute nehmen würde, käme er auf einen Besitz in Höhe von 400 Milliarden US Dollar, also gut 300 Milliarden €. Auf Platz zwei in dieser Hitliste liegt dann die Familie Rothschild mit 350 Milliarden $ und auf Platz drei John D. Rockefeller mit 340 Milliarden $. Also ob das jetzt im einzelnen stimmt und auf welchem Platz der jetzt genau gelandet wäre, da kann man sicherlich drüber diskutieren. Klar ist aber, dass der Mann Geld hatte und vor allen Dingen hat er damit nicht hinterm Berg gehalten. Es gibt arabische Schriftrollen und die berichten eben von dieser Pilgerreise nach Mekka.

00:19:20: Marko Also Mansa Musa reist nach Mekka?

00:19:22: Martin Ja, und zwar im Jahr 1324 und dauerte dann bis 1325. Und 1324 ist er in Kairo aufgeschlagen. Aber natürlich nicht allein. So als König, da hat man so sein Gefolge mit dabei. Und zwar angeblich hat er dabei gehabt 8000 Soldaten und 12.000 Sklaven, gekleidet alle in Brokat und Seide. Dazu gab es noch Berater, Bedienstete, Sängerinnen, die für die Unterhaltung gesorgt haben. Und die halbe Verwandtschaft des Königs musste wohl offensichtlich auch mitreisen. Insgesamt ist er mit einem Tross von 60.000 Menschen unterwegs gewesen. Und damit schlägt er im Jahr 1324 in Kairo auf. Ein Bediensteter des ägyptischen Sultans hat kommentiert, dass dieser Konvoi in seinem Glanz mit der afrikanischen Sonne selbst wetteifere. Sehr poetisch.

00:20:18: Marko Das klingt alles so ein bisschen... Hast du jemals mittelhochdeutsche Epen gelesen? Ja, wo dann die Ritter ankommen mit so und so viel Gefolge und so und so viel Tonnen und so und so viele Helme und das glitzert alles in der Sonne, also ja, man es ja nicht.

00:20:32: Martin Ein bisschen Geduld, Herr Rösseler. Warten Sie mal einen Augenblick. So. Also angeblich waren am Ende dieses Trosses - also 60.000 Leute, die da mitgekommen sind - 80 Kamele waren dabei mit jeweils 300 Pfund puren Goldes beladen. Insgesamt sollen das 17 Tonnen gewesen sein Gold. Und der Punkt ist, weswegen es auch eine gewisse Glaubwürdigkeit hat. Also ich kenne das natürlich. Klar, diese Übertreibungen aus den alten Quellen, das ist mir schon bekannt. Aber es gibt eine gewisse Glaubwürdigkeit, auch unter Wirtschaftshistorikern wird das so gesehen. Der hat nämlich das Gold nicht nur mitgebracht, sondern er hat es auch ordentlich unter die Leute gebracht. Also so ein Tross von 60.000 Leuten muss auch ernährt werden und die waren aber auch ansonsten sehr freigiebig. Und der König selber auch. Er hat viel verschenkt, so als Gastgeschenk, hat er halt was mitgebracht, zum Beispiel für den Sultan von Kairo. Und da gibt es die Aussage eines Höflings dieses Sultans. Vielleicht liest du mal grad.

00:21:35: Marko liest ein Zitat des Höflings des Sultans in Kairo Leben in Großzügigkeit. Ein Mann von Klasse. Ein religiöser Geist. Als ich ging, ihn im Namen des Sultans Al Malik an Nasir zu treffen, empfing er mich auf vollendetste Art und behandelte mich mit der erlesensten Höflichkeit. Dann überreichte er für den Schatz des Sultans zahlreiche Ladungen rohen Goldes.

00:21:58: Martin Insgesamt 50.000 Gold-Dinare soll er dem Sultan als Mitbringsel überreicht haben. Kannste mal überlegen das nächste Mal, wenn du mich besuchen kommst, anstatt eine Pulle billigen Weines vielleicht ein paar Goldstücke mitbringen. Ich fände es schön. Mansa Musa hat, und das ist jetzt der Punkt, hat so viel verschenkt.

00:22:16: Marko Ich sag jetzt gar nichts.

00:22:16: Martin Lacht...

00:22:17: Marko Wir sitzen in meinem Wohnzimmer.

00:22:21: Martin Diesmal, ja, stimmt. Ich habe nix dabei gebracht.

00:22:26: Marko Doch, er hat ein Mikro mitgebracht, toll. Mein Mikro.

00:22:30: Martin Ja, hört man dich wenigstens. So, also jetzt. Jetzt aber zum springenden Punkt: Mansa Musa hat da so viel Gold gelassen, dass er eine Hyperinflation in Ägypten ausgelöst hat. Und die ist nachgewiesen. Der Wert des Ägyptischen Dinars ist anschließend auf Jahre ruiniert gewesen. Es gibt Berichte, die zwölf Jahre danach geschrieben worden sind, wo der Dinar, der Ägyptische Dinar immer noch nicht den Stand vor dem Besuch erreicht hat. Also was ich gelesen habe, ist es, dass es die einzige historisch dokumentierte Hyperinflation vor der Neuzeit gewesen ist. Also der hat da so viel Gold ins Volk gepumpt, dass er damit den Goldpreis zum Absturz gebracht hat.

00:23:08: Marko Wow.

00:23:08: Martin Ja, also ob der jetzt auf dieser Liste an Platz eins steht oder nicht.

00:23:14: Marko Geschenkt.

00:23:14: Martin Aber der hat, der hat auf jeden Fall da richtig was ausgelöst.

00:23:18: Marko Und man muss ja sagen: Also mir hat er nichts gesagt. Ich kannte den Namen Mansa Musa nicht.

00:23:24: Martin Ja, ich auch nicht. Siehst du.

00:23:26: Marko So, und das ist ja bei vielen Dingen, die Afrika betreffen so, letztendlich haben wir keine Ahnung. Wir haben unser eurozentrisches Weltbild und unsere Geschichte ist meistens europäisch geschrieben. Mansa Musa war das wahrscheinlich scheißegal. Der hat in Afrika gesessen und wir haben nie von ihm gehört.

00:23:43: Martin Ja, davon allerdings dann schon. Kairo war dann natürlich nah genug an Europa dran, dass die Nachrichten von diesem unermesslichen Reichtum, den dieser Mann repräsentiert hat, auch nach Europa gekommen sind. Und die haben dann Europa erreicht. Und das ist dann letztendlich die Grundlage für den Mythos um den Reichtum, diesen sagenhaften Reichtum der Stadt Timbuktu.

00:24:09: Marko Nun muss man natürlich sagen, wir sind ja dann im 14. Jahrhundert, da endet letztendlich in Ägypten das Weltbild der Europäer.

00:24:18: Martin Ja.

00:24:18: Marko Also so, so wahnsinnig viel weiter geht es ja gar nicht. Also die Römer sind bis da gekommen und ja, noch ein bisschen weiter in Richtung Sudan. Aber dann, dann hört für uns ja die Welt auf. Und genau da gibt es diesen großen Gürtel der Wüsten, da haben es die Europäer eigentlich nie drüber geschafft, ne. Da war immer Ende, das war da war selbst für die Römer Ende. Also, und jetzt kommt halt aus diesem Wüstenland so ein Mansa Musa, den kein Mensch kennt und überschüttet die mit Gold.

00:24:49: Martin Und dass das natürlich dann entsprechende Vorstellungen auslöst, Ideen, Träume, das ist dann relativ klar. Und was diese Träume vielleicht sogar auch noch mehr befeuert hat, ist, dass man danach dann wieder hunderte von Jahren nichts gehört hat aus diesem seltsamen, reichen Timbuktu.

00:25:07: Marko Also Mansa Musa kommt und macht sozusagen seine Reise nach Mekka und danach verschwindet er wieder nach Hause und das war's.

00:25:12: Martin Ja, und es scheint so gewesen zu sein, dass auch nach dem Tod von Mansa Musa dieses Reich, dieses große Mali Reich mehr oder weniger wieder in seine Einzelteile zerfallen ist. Was ganz genau dann passierte, ist nicht ganz klar. In Europa jedenfalls herrscht erst mal 200 Jahre Stille. Nichts aus Timbuktu. Und dann erscheinen [00:25:33]1526 [1.9s] ein Buch, das heißt La descriptione del Africa, zu Deutsch also die Beschreibung Afrikas von einem Leo Africanus. Das ist ein spanischer Maure gewesen, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts als Gesandter in Timbuktu war, im Auftrag eines Sultans aus Fez, also im heutigen Marokko gelegen. Und der war Gesandter in Timbuktu, ist später von christlichen Piraten gefangen genommen worden und dann Papst Leo X. vorgeführt worden, weil er so außergewöhnlich gelehrt war. Er hatte also offensichtlich eine Bildung, und das war was ganz Besonderes. Deswegen wurde er Papst Leo X. vorgeführt, und der hat ihn freigelassen, hat ihn persönlich getauft. Daher der Name Leo Africanus nach Papst Leo. Und dieser Papst Leo hat ihn beauftragt, ein Buch über seine Erfahrungen in Afrika zu schreiben. Und da hat er natürlich auch über Timbuktu geschrieben.

00:26:34: Marko liest Leo Africanus Im Zentrum der Stadt befindet sich ein Tempel sowie ein großer Palast, in dem der König lebt. Die Geschäfte der Handwerker, der Händler und vor allem der Baumwolltuch Weber sind sehr zahlreich. Auch aus Europa werden Stoffe nach Timbuktu importiert, die von Berberhändlern transportiert werden. Die Einwohner sind sehr reich, vor allem die Fremden, die sich im Lande niedergelassen haben, und zwar so reich, dass der derzeitige König zwei seiner Töchter mit zwei Brüdern verheiratet hat, die beide reiche Geschäftsleute sind. In Timbuktu gibt es viele Brunnen mit Süßwasser, und wenn der Niger Hochwasser führt, wird das Wasser über Kanäle in die Stadt geleitet. Getreide und Tiere sind im Überfluss vorhanden, sodass der Verbrauch von Milch und Butter beträchtlich ist. Der König besitzt einen reichen Schatz an Münzen und Goldbarren. Einer dieser Barren wiegt 970 Pfund. Der königliche Hof ist prächtig und sehr gut organisiert. Der König hat etwa 3000 Reiter und unendlich viele Fußsoldaten, die mit Bögen bewaffnet sind, mit denen sie vergiftete Pfeile verschießen. In Timbuktu gibt es zahlreiche Richter, Lehrer und Priester, die alle vom König ordnungsgemäß ernannt wurden. Er ehrt die Gelehrsamkeit sehr. Viele handgeschriebene Bücher, die aus Barbary. Barbary?

00:28:01: Martin Das ist das Berber-Reich. Das ist so dieser Streifen am nördlichen Rand Afrikas, ein paar 100 Kilometer breit. Fast die gesamte Nordküste umfasst das heute in Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen. Das ist das Berberreich Barbary.

00:28:18: Marko Zahlreiche handgeschriebene Bücher, die aus Barbary importiert wurden, werden ebenfalls verkauft. Mit diesem Handel wird mehr Profit gemacht als mit allen anderen Waren. Anstelle von Münzgeld werden reine Goldnuggets verwendet. Die Bürger haben viele Sklaven, sowohl Männer als auch Frauen zu Ihren Diensten. Ja.

00:28:39: Martin Ja, das ist der Bericht des Leo Africanus. Und was ist so dein Eindruck?

00:28:45: Marko Naja, der ist offenbar beeindruckt. Das kann man so sagen. Wobei, ich frage mich jetzt so: Er war ja offenbar mehrere Jahre oder mehrfach da. Dann hat es ihn irgendwie nach Spanien verschlagen und dann irgendwie zu dem Leo.

00:29:02: Martin Er ist verschleppt worden aus aus Afrika, aus Nordafrika, der war versklavt worden.

00:29:06: Marko Aber dann hat er letztendlich ja so eine Art Vergleich. Natürlich will er dem, wahrscheinlich will er dem Leo auch imponieren.

00:29:12: Martin Das könnte ich mir auch gut vorstellen. Also ich muss sagen, als ich das zum Ersten Mal gelesen habe. Ja klar. Also es wird nicht mit Geld sondern mit Gold-Nuggets bezahlt usw. Man merkt schon, da ist es sehr reich, aber.

00:29:24: Marko Fast rückständig, wurde im Wilden Westen auch Gold-Nuggets bezahlt. Also das ist ja völlig rückständig.

00:29:30: Martin Also ich fand es deutlich weniger beeindruckend als ich gedacht habe, wenn man so einen Bericht liest, weil ich erwartet habe, dass da eben von goldgepflasterten Straßen die Rede ist. Das scheint aber alles mehr der Imagination der Leute gewesen zu sein, die diesen Bericht gelesen haben, und der hat eine ziemlich große Verbreitung bekommen. Also er wurde an europäischen Höfen herumgereicht und vor allen Dingen dann noch mal ein halbes Jahrhundert später, als die englische Übersetzung rauskam, da waren vor allen Dingen die Engländer, und die mit ihnen verbündet waren, waren da völlig geflasht. Also das war eine Sensation dieser Bericht. Man war völlig fasziniert vom Reichtum Timbuktus. Und das ist so der Punkt, wo dieser Ort, von dem man da so mal gehört hat, zu so einer Art Sehnsuchtsort wird. Also gleichermaßen eine Idee wie ein geographischer Punkt, den man tatsächlich bereisen kann. Und das, was dahinter steht, ist offensichtlich das, dass man - die Berichte sind ja nicht so zahlreich und die Details sind auch nicht so groß - dass man sich dann da alles rein träumen kann, was man gerne möchte.

00:30:37: Marko Ein Utopia in Afrika.

00:30:38: Marko Ja, ein Un-Ort im wahrsten Sinne des Wortes. Und so können halt Päpste und Könige von ihrer Ausweitung von Macht träumen. Händler können von unvorstellbarem Reichtum träumen, die Gelehrten von den Bibliotheken, die es da geben sollen, Schriftrollen und einem riesigen Wissensschatz. Und die Abenteurer natürlich von Entdeckungen und und Ruhm, Nachruhm und Ehre. Und das Ganze wird dann untermauert von Berichten Anfang des 17. Jahrhunderts, als die Mauren Timbuktu einnehmen, also auch wieder dann Nordafrika. Die Mauren kommen da runter, nehmen Timbuktu ein.

00:31:13: Marko Die Mauren leben wo?

00:31:13: Martin Die Mauren in Nord-Nordafrika...

00:31:18: Marko Nordwestafrika.

00:31:19: Martin Marokko und Tunesien - da die Ecke. Die nehmen Timbuktu ein. Und dann schreiben englische Händler in Marokko nach Hause, also nach England, von riesigen Goldlieferungen aus Timbuktu. Einer von denen ist Jasper Thompson, der 1599 einen Brief aus Marrakesch schreibt.

00:31:39: Marko Wo kommt der her, der Jasper Thompson.

00:31:42: Martin Ein ngländer.

00:31:42: Marko Ein Engländer. Okay.

00:31:43: Marko liest Jasper Thompson Große Mengen von Pfeffer, Einhörnern, eine große Zahl von Eunuchen, Zwergen, männlichen und weiblichen Sklaven nebst 15 Jungfrauen. 30 Kamele, beladen mit Tibar, welches unbehandelt das Gold ist. Der hat auch Drogen genommen, glaube ich, ne.

00:32:01: Martin Ah ja. Also Tibar ist eben unraffiniertes. unverfeinertes Gold. Da sind halt alle möglichen Unreinheiten dann noch drin. Das ist so, wie es eben aus der Erde kommt. Das nennt man oder nannte man damals Tibar.

00:32:14: Marko Einhörner.

00:32:15: Martin Ich würde mal, also es steht es stand nicht dabei, was damit gemeint ist. Ich gehe mal davon aus, dass wahrscheinlich Nashörner - Nashorn-Hörner - gewesen sind. Elfenbein kannte man, glaube ich, also wusste man, dass das von Elefanten kommt. Also ich nehme mal an, Nashörner wird das gewesen sein. So, der Punkt bei der ganzen Sache ist, es gibt immer nur Berichte, Hörensagen. Oder man sieht, was eben da an Reichtum aus Timbuktu ankommt. Aber kein Europäer ist bis zu diesem Zeitpunkt je dahin gelangt. Oder wenn, dann haben Sie nicht darüber geschrieben oder sind nicht zurückgekommen. Wie auch immer, es gibt von Europäern keine Berichte aus Timbuktu.

00:32:57: Marko Das ist ja erstaunlich. Normalerweise würde man ja denken: Wenn es ein Zentrum ist, wo man hinreisen kann. Wenn man da Handel betreibt, dann kann man auch irgendwie dahin. Also ich denke mal, so ein Marco Polo, der hat sich halt auch gedacht irgendwie, wenn da aus China solche tollen Sachen kommen, dann muss man doch mal dahin reisen und ist nach China gekommen.

00:33:15: Martin Meine Überlegung ist, ich habe das nicht finden können, warum die Europäer da nicht hingekommen sind. Weil man könnte ja sagen, dann schließt man sich halt einer Karawane an und dann reist man da halt mit. Das scheint aber schwieriger gewesen zu sein als man sich das vorstellt, weil die einen nicht mitgenommen haben. Meine Vermutung wäre, dass man da vielleicht auch Angst vor Konkurrenz hat. Weil die kannten die Routen, die haben da die Geschäfte gemacht und warum sollten die da irgendein Europäer mitnehmen?

00:33:42: Marko Okay.

00:33:42: Martin So und das ist halt der Punkt. Für Europäer war Afrika eben der unbekannte Kontinent und noch unbekannter eigentlich als in der Antike. Die Römer haben wir eben schon erwähnt. Ich habe für das Zeitzeichen, was ich da mal vor ein paar Jahren gemacht habe, Frank T. Kryza interviewt. Der hat ein Buch geschrieben über die Reise nach Timbuktu oder vielmehr den Wettlauf nach Timbuktu, The Race for Timbuktu. Dieser Frank Kryzer ist Sohn eines US- Diplomaten, tunesischer Honorarkonsul, ist in Afrika viel rumgekommen und ist irgendwann eben auf dieses Thema Timbuktu gestoßen. Und der hat sich auch gewundert, wieso das so ist, dass da kein Europäer da gewesen ist und der sagt, es gab halt zu diesem Zeitpunkt 15., 16., 17. Jahrhundert, viele bunte, detailreiche Karten, da waren alle möglichen Details eingezeichnet. Das war alles sehr phantasievoll, aber kompletter Nonsens. Das war nicht akkurat.

00:34:48: Marko Das ist ja normal bei diesen alten Karten. Wenn man nicht wusste, was da liegt, dann hat man das weiß gelassen und hat da reingeschrieben, hier gibt es Löwen.

00:34:57: Martin Oder Drachen oder Monster.

00:34:59: Marko Ja, so was, natürlich.

00:35:00: Martin So und andersherum gab es sehr, sehr akkurate Karten, aber keine Details. Zumindest nicht aus dem Inneren Afrikas.

00:35:09: O-Ton Kryzer Englisch

00:36:43: Martin Ja, er sagt, was eben so erstaunlich ist an den Karten, die man so kennt aus dem 16., 17., 18. Jahrhundert ist, wie gut sie mit heutigen Satellitenbildern übereinstimmen. Und diese Karten stammen zum großen Teil aus dem 14. und 15. Jahrhundert von niederländischen Kartographen, und er selber hat diese Karten mal gesammelt. Das Erstaunliche an ihnen ist, sagt er, dass man da farbige, detaillierte Stiche des afrikanischen Kontinents sieht, bei dem jedes einzelne Detail der Küstenlinie korrekt ist. Was sie aber eben nicht kartieren konnten, war das Landesinnere, also alles, was mehr als 203 100 Meilen von der Küste entfernt ist und was man da eben dann gut sehen kann auf diesen Karten, ist, dass das Innere riesige Teile des afrikanischen Kontinents, einfach leer sind, weiß sind. Und da stand dann eben nicht Achtung, hier Löwen oder Achtung, hier Drachen, sondern da stand dann eben Königreich von Mansa Musa, dieser legendäre König, über den wir eben gesprochen haben. Und die Details der Küsten waren also entsprechend genau. Aber das Landesinnere war ja nicht ungenau, das war nicht vorhanden. Ich habe mal hier so eine Karte mitgebracht, in seinem Buch ist auch einer abgedruckt, kannst ja mal gucken. Also ich finde das auch schon sehr erstaunlich, wenn man das noch mal so im Detail sieht, wie wirklich sehr akkurat die Küstenlinie da nachgezeichnet ist. Und das sind dann ja zwei Zentimeter und dann ist Ende.

00:38:05: Marko Aber es verwundert eigentlich nicht. Die Karte, die du hier hast, ist von 1829. Und klar, die äußeren Linien Afrikas sind natürlich wichtig, die erreicht du ja per Schiff.

00:38:15: Martin Ja.

00:38:16: Marko Welches Transportmittel wäre geeignet gewesen, um quer durch Afrika zu gehen? Also wahrscheinlich ist der Niger ein Stückchen schiffbar und dann ist aber auch Feierabend.

00:38:25: Martin Ja, genau. Also ich sagte ja eben, am Anfang schon: Wenn du heute nach Timbuktu reisen willst über den Niger zum Beispiel, musst du flache Boote haben. Und da ist dann auch irgendwann Feierabend.

00:38:36: Marko Wie willst du als Europäer mit einem flachgehenden Boot dahin kommen? Du bist ja unterwegs wahrscheinlich mit irgendwie einem Boot, was einen erklecklichen Tiefgang hat, damit du überhaupt heil irgendwie an der afrikanischen Westküste ankommst. Und dann müsstest du ja sozusagen ein anderes Boot haben, müsstest umsetzt und dann da hoch. Und dann ist die Frage: Sind da dann Menschen, die dir freundlich gesonnen sind? Wobei natürlich diese Küste dort immer interessant war, das war ja Sklavenhandels-Küste. Spätestens seit dem Amerika-Dreieckshandel war das die Küste wo die Amerikaner ihre Sklaven herbekommen.

00:39:09: Martin Auch da wieder Sklaven, Elfenbein, Elfenbeinküste und Gold. Das waren da so die Handelsgüter, die man da zu finden hoffte. Ja.

00:39:19: Marko Weiß man denn eigentlich. Ich meine, das ist das. Das eine ist sozusagen die Fantasie der Menschen, die sich mit diesem Timbuktu auseinandersetzen, weil es mal diesen Mansa Musa gegeben hat, der zu einer Pilgerreise nach Mekka gemacht hat. Das andere wäre ja etwas, was wir vielleicht heute verifizieren könnten. Also heute wissen wir, wo Timbuktu liegt. Kann man sagen, die waren wirklich reich? Oder ist es in der Tat eher so ein europäischer Traum, so eine Art, na ja, Projektionsfläche für alle Wünsche und Hoffnungen?

00:39:46: Martin Ja, das ist eine gute Frage, die wir später noch mal behandeln werden, weil das Reich von Mansa Musa war halt auch zu dem Zeitpunkt her schon lange Geschichte. Und was davon -wir haben eben diese Berichte über seinen Besuch in Ägypten, in Kairo. Wir wissen, dass er da offensichtlich eine Hyperinflation ausgelöst hat mit seinem ganzen Reichtum. Also irgendwas scheint da substanziell schon gewesen zu sein. Aber wie das genau aussah und was davon genau stimmte, auch von den Bibliotheken. Alles sehr, sehr schwierig, aber wir kommen da später auch noch dazu. Jedenfalls, der Punkt war zu dem Zeitpunkt im 17. Jahrhundert, muss man klar sagen, das schreibt auch Frank Kryzer in seinem Buch, und das finde ich sehr bemerkenswert. Im 17. Jahrhundert war die Oberfläche des Mondes besser kartographiert als das Innere Afrikas.

00:40:39: Marko Na ja, das war halt gar nicht kartografie.

00:40:41: Martin Natürlich.

00:40:42: Marko Das Innere Afrikas?

00:40:44: Martin Ja. Nein, Nein. Nö, Genau. Aber den Mond, der nun wirklich 300.000 Kilometer entfernt ist, den hatte man besser im Griff, geografisch als das innere Afrika. Und Frank Kryzer sagt - und jetzt kommen wir zum zum Anfang unserer Folge zurück, Du erinnerst dich.

00:41:01: Marko Wir sind Richtung Mond gestartet.

00:41:03: Martin Genau. Und so wie die Mondlandung die Fantasie der Menschen im 20. Jahrhundert beflügelt hat, so sagt Frank Kryzer, so beflügelte Timbuktu die Fantasie der Menschen vor 200, 300 Jahren.

00:41:15: O-Ton Kryzer Englisch

00:42:28: Martin Also er zieht eben diese Analogie zwischen der ersten Mondlandung, an die er sich zumindest noch erinnern kann. Also er ist ein bisschen älteres Semester. Und er sagt: Damals gab es eben eine enorme Aufregung über den ersten Menschen auf dem Mond, und es war dasselbe Gefühl des Staunens und des Mysteriums wie eben über Timbuktu zu der damaligen Zeit. Und es kommt eben noch ein Aspekt dazu und das ist das Thema Gier. Denn die Straßen von Timbuktu waren gepflastert angeblich mit Pflastersteinen aus Edelmetall. Das sind dann so Dinge, die man sich offensichtlich dazu ausgedacht hat, weil der Bericht, den wir eben hatten, der war jetzt so blumig dann eben doch nicht. Also das gehörte dann dazu, dass man sich dann ausgedacht hat, wie es vielleicht in dieser Stadt aussieht.

00:43:17: Marko Und das liegt ja nun nahe, dass wir beide uns jetzt mal aufmachen nach Timbuktu, oder? Also ich meine, ich würde einfach sagen: Komm, dann mal los. Die Frage ist, was hindert denn die Leute da eigentlich da dran? Ist es dieser dieser Handel, der eigentlich dominiert wird durch diese Völker, die halt in der Sahara unterwegs sind? Ist es die Angst vor denen, dass sich das einfach keiner traut, da mit denen mitzureisen? Ist es die Wüste, die so abschreckend ist, weil man ja nicht weiß, wann endet die und wie kommt man da eigentlich durch? Was ist es?

00:43:45: Martin Na, ich glaube von allen ein bisschen. Es hat immer wieder Versuche gegeben, auch über die Jahrhunderte dann so ab dem 16. Jahrhundert nach Timbuktu zu kommen. Keiner hat es wirklich geschafft und das hat natürlich dann immer noch mehr diesen Mythos befeuert. Und es gab dann Zeitungsartikel zu diesem Thema. Es war auf Dinnerpartys in ganz Europa Gesprächsthema im 18. Jahrhundert und es bleibt dann eben auch nicht beim Smalltalk. Es gibt dann wirklich Bemühungen, dieses sagenhafte Timbuktu zu finden, aber so richtig Fahrt auf nimmt das erst Ende des 18. Jahrhunderts und der Startschuss zu diesem Rennen nach Timbuktu, zu diesem Wettlauf nach Timbuktu. Der fällt im Hinterzimmer einer Taverne in London. 1788 ist das gewesen.

00:44:36: Marko Kann man genau datieren.

00:44:37: Martin Das kann man sogar auf den Tag genau datieren. Der 9. Juni ist es gewesen.

00:44:42: Marko 1788...

00:44:42: Martin 1788. Es wird aber von diesem Zeitpunkt an noch weitere dreieinhalb Jahrzehnte dauern und eine ganze Reihe von Fehlschlägen, bis dieser Schotte - Alexander Gordon Lang - tatsächlich dann bis Timbuktu vorstoßen wird.

00:45:01: O-Ton Kryzer Englisch

00:45:39: Martin Also Alexander Gordon Lang war mit dem britischen Militär in Westafrika stationiert und der entschloss sich dann, dass er der richtige Mann sei, um der erste Europäer zu sein, der Timbuktu erreicht und nach Schottland zurückkehrt und ein Buch über seine Abenteuer schreibt. Er ist im Staatsauftrag tatsächlich gereist und wurde von der britischen Regierung jedenfalls zum Teil finanziert. Und er sah das so, sagt Frank Kryzer, wie Neil Armstrong es gesehen hat, als er in eine klapprige Weltraumrakete eingestiegen ist, um die Erde zu umkreisen und zum Mond zu fliegen, im offiziellen Auftrag seiner Nation und der Menschheit.

00:46:17: Marko Aber was geschah nun in dieser Pinte im Jahre 1788? Was ist da passiert? Warum war das der Startschuss?

00:46:24: Martin Das, erfahrt ihr in der zweiten Folge über das Rennen nach Timbuktu.

00:46:30: Martin Wenn euch dieser erste Teil der Reise in Richtung Timbuktu gefallen hat, dann sagt es bitte all euren Freunden, Kameltreibern...

00:46:39: Martin Abenteurern und.

00:46:41: Marko Nomaden.

00:46:42: Martin Malischen Königen auch. Und wenn euch diese Folge nicht gefallen hat, dann sagt es bitte uns, und zwar nur uns. Unter www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Informationen zu dieser Folge und vielen weiteren Folgen und natürlich alle Möglichkeiten, uns zu kontaktieren.

00:47:00: Marko Also auf nach Timbuktu in zwei Wochen - hathat...

00:47:02: Martin Bis dahin

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