Radio DDR präsentiert: Die Schlagerrevue

Shownotes

1953 startet der Rundfunk der DDR die Schlagerrevue - jeden Montag zur besten Sendezeit um 20:05h präsentierte Heinz Quermann das Beste aus der Ost-Schlagerwelt. Bis zur Wende wurde die Sendung über 1700 Mal ausgestrahlt - die längste existierende Hitparade der Welt.

Der in Ostdeutschland aufgewachsene Thomas Klug erklärt seinen beiden Wessi-Kollegen Martin Herzog und Marko Rösseler unter vielen weiteren Dingen, warum der DDR-Schlager oft schöngeistiger daherkam als sein West-Pendant, wie sich Rio auf Berlin reimt, warum es als Schlagersänger wichtig war, das ABC der Spielerlaubnis zu beherrschen.

Und - Achtung - am Ende des Podcasts werdet ihr Zeugen eines Spuks!

Wichtige Links:

Thomas Klugs WDR-Zeitzeichen über den Start der DDR Schlagerrevue findest Du hier.

Hier noch die im Podcast angesprochenen DDR-Schlager zum Nachhören:

Günter Geißler - Was willst Du denn in Rio? (ab ca. 7:55 Minuten)

Nina Hagen - du hast den Farbfilm vergessen (ab ca. 18 Minuten und noch einmal ab 58:10 Minuten)

Veronika Fischer - Dass ich eine Schneeflocke wär (ab ca. 20:30 Minuten)

Frank Schöbel - Wir brauchen keine Lügen mehr (ab ca. 24:30 Minuten)

Gerd Christian - Sag ihr auch (ab ca. 28:20 Minuten)

Sommerlied (Text Heinz Kahlau / Musik: Bayon) (ab ca. 42:11 Minuten)

Wolfgang Lippert - Erna kommt (ab ca. 46:45 Minuten)

Silly - Der letzte Kunde (ab ca. 47:10)

Karussell - als ich fortging(ab ca. 47:25 Minuten)

Puhdys - Geh zu ihr und lass Deinen Drachen steigen (ab ca. 47:45 Minuten)

Regine Dobberschütz - Solo Sunny (ab ca. 49:45 Minuten)

Karat - Jede neue Stunde (ab ca. 59:40 Minuten)

Karat - Der Blaue Planet (ab ca. 60:10 Minuten)

Jürgen Hart - Sing mei Sachse, sing! (ab ca: 60:50)

Jürgen Hart - Was wird sein (ab ca. 63:00)

Darüber hinaus finden die folgenen Westdeutschen Schlager Erwähnung:

Peter Maffay: Und es war Sommer.

Roland Kaiser: Santa Maria.

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Transkript anzeigen

00:00:03: Intro Radio DDR Schlagerrevue Radio DDR bringt für Sie.

00:00:07: Marko Ja, was bringt es denn? Was bringt es ein, Martin?

00:00:09: Martin Einen Strauß bunter Melodien?

00:00:12: Marko Nein.

00:00:12: Martin Ja, Marko, hast du die Tanzschuhe schon geschnürt?

00:00:15: Martin Die Lackschuhe sind poliert.

00:00:16: Martin Und zwar für...

00:00:17: Intro Radio DDR Schlagerrevue Die Schlagerrevue.

00:00:20: Martin Und weil wir hier nicht allein auf dem Tanzparkett sein wollen, haben wir uns natürlich unseren Mann für alles DDR-mäßige eingeladen.

00:00:27: Marko Unseren Tanzmeister aus dem Osten - Thomas Klug...

00:00:30: Thomas Hallo Martin, Hallo Marko - "Tanzmeister" hat mich noch niemand genannt. Schön.

00:00:34: Martin Gefällt dir aber, oder?

00:00:36: Thomas Ich fühle mich geschmeichelt und völlig verkannt. Aber gut.

00:00:40: Marko Also, eins, zwei, Wiegeschritt und willkommen bei.

00:00:43: Intro Geschichtsmacher Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:59: Marko Herzlich willkommen bei dieser Geschichtsmacher-Folge, wo wir uns ganz auf den Rhythmus der DDR einstellen werden. Und Thomas, Du wirst uns dabei helfen.

00:01:09: Thomas Ich versuche es zumindest.

00:01:10: Marko Du hast ein Zeitzeichen gemacht. Zum Thema?

00:01:12: Thomas Zum Thema - zur längsten Hitparade, ich glaube sogar der Welt: Die Schlagerrevue. Die begann 1953 und hat sich bis zum Ende der DDR durchgezogen. Montag für Montag um 20:05 kam auf Radio DDR die Schlagerrevue, deshalb bin ich jetzt auch ein bisschen aufgeregt, weil nach diesem bombastischen Intro selber aufzutauchen, das ist schon was Besonderes, glaub ich.

00:01:36: Marko Du hast es verdient, finde ich.

00:01:38: Thomas Das weiß ich nicht.

00:01:38: Marko Man muss vielleicht für alle, die unseren Podcast nicht kennen, erklären: Das Zeitzeichen ist eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks. Wir aber machen diesen Podcast privat mit Autoren und Autorinnen des Zeitzeichens, die über ihre Recherche, über ihr Zeitzeichen ein bisschen länger erzählen können. Und der Thomas kann wunderbar über die alten Zeiten in der DDR erzählen, denn er hat sie selber miterlebt.

00:01:59: Martin Ja, und auch die Schlagerrevue, das heißt, du hast sie auch regelmäßig gehört, hören müssen oder hören dürfen?

00:02:05: Thomas Natürlich nicht. Aber es gibt so Jugendsünden oder Kindersünden, da hat man ab und zu mal reingehört. Aber die Sendung kam das erste Mal 1953, da war an mich noch gar nicht zu denken. Und deswegen hat die es ja auch auf über 1000 Ausgaben gebracht. 1300 - irgendwie so was. Da wurden immer neue Schlager vorgestellt, dann durfte man Postkarten schreiben und die Gewinner waren dann in der nächsten Sendung wieder dabei.

00:02:30: Martin Also im Westen gab es für uns ja die ZDF Hitparade. Das war so mehr oder weniger das Gegenstück im DDR Radio.

00:02:37: Marko Mit Dieter Thomas Heck, der immer sehr schnell sprechen konnte und dann immer den Abspann verlas. Also wie lief das denn ab? Ging das nach den Verkaufszahlen dann in der DDR, weil internationale Verkaufszahlen dann hatte man ja. Habt ihr so was gehabt? Ich habe keine Ahnung.

00:02:51: Thomas Ich glaube nicht mal, dass Verkaufszahlen da so bekannt waren. Das spielte überhaupt keine Rolle. Das wäre ja Kommerz gewesen. Und wir waren ja der Sozialismus und da geht es ja um Kunst und Kultur und höhere Werte.

00:03:01: Marko Ja, das finde ich gut.

00:03:02: Marko Aber das heißt, die Hörer haben dann angerufen oder eine Postkarte geschrieben und gesagt: Das Lied finde ich toll, spielt das doch mal.

00:03:11: Thomas Ne. Es wurden immer Titel vorgestellt. Das Wertungssystem hat sich ein paar Mal verändert und ich habe das auch nie begriffen. Da gab es Block A, Block B, Block C. Das ist, glaube ich, auch gar nicht so wichtig gewesen. Ich erinnere mich nur, bei der Recherche habe ich ja nun einige Sendung noch mal gehört und da gab es auch eine Ausgabe, wo der Moderator, Heinz Quermann erzählt hat, dass es da Betrugsversuche gegeben hat, weil irgendjemand aus einer bestimmten Gegend zu viele Postkarten für einen Lieblingskünstler geschickt hat. Und die wurden da aus der Wertung rausgenommen. Also das war eine hochkomplexe Angelegenheit.

00:03:46: Marko Also es hat jemand offenbar eine Vorauswahl getroffen, das muss ja dann eine Art Redakteur gewesen sein, der dann gesagt hat, das sind jetzt kulturell so wertvolle Lieder, dass man sie bei uns spielen kann. Und war die Grundvoraussetzung, dass die Künstler aus dem Osten kommen?

00:04:00: Thomas Ja, unbedingt. Es gab noch eine andere Sendung, da hat man bisschen internationaler geguckt, das war die musikalische Luftfracht, auch eine Radiosendung.

00:04:09: Martin Musikalische Luftfracht?

00:04:11: Thomas Ja, musikalische Luftfracht, mit Peter Niedziella

00:04:15: Martin Sehr schön.

00:04:16: Marko Wir wissen viel zu wenig über die DDR, Martin. Wir wissen viel zu wenig. Wir wissen nicht, was die geguckt haben, wir wissen nicht, was sie gehört haben. Wir sind echt ignorant im Westen groß geworden.

00:04:25: Martin Das muss man sagen, ja.

00:04:25: Marko Is so, is so.

00:04:26: Thomas Deswegen treffen wir uns ja heute und korrigieren das.

00:04:29: Martin So sieht es aus.

00:04:30: Marko Also jeden Montag, 20:05h, hat ein gewisser Heinz Quermann diese Sendung ab 1953 präsentiert.

00:04:38: Thomas Ganz genau.

00:04:39: Marko Was war das für ein Typ?

00:04:40: Thomas Das war ein gelernter Bäcker aus Hannover. Bei Becker fällt mir immer Heino ein. Der war ja, glaube ich, auch gelernter Bäcker.

00:04:46: Marko Der war der singende Bäckermeister im Westen.

00:04:48: Thomas Ja, und Heinz Quermann hat nicht gesungen. Aber es war so eine Art - Oh Gott, jetzt gibt es bestimmt Prügel - Dieter Bohlen der DDR, kann man das sagen?

00:04:58: Martin Bestimmt kann man das sagen. Ich finde, das klingt schön, gefällt mir.

00:05:01: Marko Ich weiß nicht, ob Dieter Bohlen 1953 überhaupt schon geboren ist, wahrscheinlich ist er später geboren,.

00:05:04: Martin Da gehe ich mal von aus.

00:05:04: Marko Trotzdem - ihr ward uns da vielleicht was voraus.

00:05:08: Thomas Er war der Talente-Vater, der hat immer junge Talente entdeckt. Er hat dann auch eine Fernsehsendung in den 60er Jahren gehabt, die hieß "Herzklopfen kostenlos" und hat dann noch die Sendung "Zwischen Frühstück und Gänsebraten" erfunden, die dann einmal im Jahr kam, zu Weihnachten. Das war dann immer so Highlights im DDR-Fernsehen und eben diese Schlagerrevue. Und er hat dann immer versucht, neue Leute zu entdecken und zu fördern. Also DSDS auf DDR-Level - und doch irgendwie ganz anders.

00:05:38: Martin Der Bäckermeister aus Hannover, offensichtlich ist das Bäckerhandwerk prädestinierend für eine Karriere in der Schlagerwelt, ob Ost oder West. Und der Herr Quermann ist dann 1953 zum Rundfunk gegangen und hat gesagt, ich hätte da eine Idee, nenne ich Schlagerrevue. Oder wie ist das gewesen?

00:05:55: Thomas So ist es gewesen. Wir haben da einen O-Ton, da erzählt er das selber.

00:05:59: O-Ton Heinz Quermann Damals hieß es ja Schlager-Lotterie, weil es wirklich ein Lotteriespiel war, einen guten DDR Schlager zu finden. Das hat sich ja dann im Laufe der 33 Jahre, die wir das ja nun machen, wirklich geändert, erfreulicherweise und positiv geändert. Ich rannte damals, ich war ja in Leipzig im Funkhaus, immer mit der Idee: Wir müssen eine Hitparade machen, die sollte ursprünglich mal heißen Schlager-Derby, aber das haben wir dann nicht gemacht. Derby ist ja auch ein reines Glücksspiel und wir wollten das also ein bisschen anders machen.

00:06:27: Marko Sie wollten es ein bisschen anders machen. Wie denn ganz anders?

00:06:31: Thomas Na eben, dass man nicht nach Verkaufszahlen geht, sondern nach Publikumsgeschmack und dann auch ein bisschen die sozialistische Schlagerkultur etabliert.

00:06:41: Marko Derby wäre ja Glücksspiel. Glücksspiel ist wahrscheinlich verpönt in der DDR nehme ich mal schwer an.

00:06:47: Thomas Es gab auch Tele-Lotto, aber im Prinzip ja.

00:06:49: Marko Ja.

00:06:50: Thomas Und wahrscheinlich wollte man auch in der wissenschaftlichen Weltanschauung sich mit den Schlagern beschäftigen. Die DDR hatte ja die wissenschaftliche Weltanschauung, die marxistisch-leninistische. Aber Karl Marx hatte, glaube ich, nie was zu Schlagern geschrieben. Aber das hat man dann möglicherweise schöpferisch weiterentwickelt.

00:07:08: Martin Aber wie sieht denn dann oder wie hört sich dann ein sozialistischer Schlager an? Also wenn man das fördern wollte, also was muss ich mir denn darunter vorstellen? Marschlieder? Arbeiterlieder oder was?

00:07:19: Thomas Das ist eine große Frage. Das hat man ja in der DDR glaube ich, auch nie so ganz herausgefunden. Aber man wollte, glaube ich schon auch auf ein anderes Level kommen und nicht nur Herz auf Schmerz reimen. Und hat dann hin und wieder natürlich auch ein bisschen Ideologie reingebracht. Zum Beispiel gab es ja in der DDR nicht diese Reise Freiheit, das ist ja ein ganz großes Thema. Aber da die Leute ja trotzdem so Sehnsucht hatten. Gab es in den 50er oder 60er Jahren diesen merkwürdigen Titel "Was willst du denn in Rio", wo man darauf der Sänger darauf hinweist, dass es doch auch in der DDR ganz hübsche Orte gibt. Und man muss gar nicht in die Ferne reisen.

00:07:55: Marko Wir müssen vielleicht an dieser Stelle mal erklären. Alle Lieder, die ihr in diesem Podcast, die hier angesprochen werden, die werden wir in die Shownotes packen. Da könnte die euch anhören in aller Ruhe. Wir werden sie aber hier nicht spielen. Warum werden wir sie nicht spielen?

00:08:11: Martin Weil wir dann GEMA-Gebühren bezahlen müssten.

00:08:13: Marko Weil wir so arm sind...

00:08:14: Martin Und kein Geld haben...

00:08:15: Marko Und den Thomas nicht schröpfen wollen. Noch mehr?

00:08:18: Martin Ja.

00:08:19: Marko Hat der Thomas uns aber für diesen Fall den Text mitgebracht. Ich zitiere mal.

00:08:25: Marko Also das muss man, glaube ich, in ganzer Länge und Schönheit sich wirklich mal zu Gemüte führen.

00:08:28: Marko Also es ist ein bisschen wie ein Gedicht. Jetzt müsst ihr euch die Melodie und die Musik dazu vorstellen, aber die findet ihr im Netz und in unseren Shownotes. Da könnt ihr es dann hören. Ich zitiere aber:.

00:08:37: Marko zitiert "Was willst du denn in Rio?" Was willst du denn in Rio? Was willst du in Milano? Was willst du auf Sambesi und in Trinidad? Schau, hier in diesem Städtchen gibt es manches hübsche Mädchen, das deinetwegen ganz verweinte Augen hat. Drum lass doch das Gepäck und fahr erst gar nicht weg. Die Liebe ist in Rio, in Grönland und im Kongo genau nicht anders als bei uns zuhaus. Man sitzt auch gern beim Vino in Dresden und Berlino mit einer zuckersüßen Maus.

00:09:19: Martin Also das heißt, es reimt sich zwar nicht Herz auf Schmerz, aber schon Städtchen auf Mädchen.

00:09:24: Marko Und Vino auf Berlino - das finde ich schon sehr gelungen.

00:09:28: Thomas Ich finde das mit Berlin - O übrigens ganz schön, steht das für Berlin-O - Berlin-Ost oder so, weil aber das wäre für.

00:09:34: Martin Das ist es.

00:09:36: Marko Da wäre ich jetzt gar nicht drauf gekommen, ja, natürlich.

00:09:39: Thomas Aber das wäre auch falsch, weil man hat ja nicht von Ostberlin gesprochen, sondern es war Berlin, die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik. Also so gesehen war das vielleicht auch kein gutes Beispiel. Und ich glaube, als ich aufgewachsen bin, hat man den Schlager auch nicht mehr gespielt. Also sprich die 70er, 80er Jahre, da war der auch dann irgendwann weg.

00:09:56: Martin Ja, aber das war schon auch Teil der Ost Propaganda dann, so nach dem Motto: Warum in die Ferne schweifen, das gute DDR Bier oder der Vino viel mehr aus der DDR. Ich weiß gar nicht, ob in Ostdeutschland Wein angebaut wurde, aber vor allem die ostdeutschen Mädchen sind auch toll. Also was willst du denn da irgendwie überall auf der Welt?

00:10:14: Thomas Doch, ich glaube Saale-Unstrut da unten. Und wie spricht man das aus? Saale-Unstrut.

00:10:19: Marko Saale-Unstrut.

00:10:20: Thomas Ja, danke. Und da wurde, glaube ich, auch Wein angebaut. Aber der war jetzt nicht so der Beliebteste.

00:10:27: Marko Na ja, gut, aber wenn man nichts anders hat. Ist auch gut, ne, nimmt man halt das.

00:10:31: Martin War das denn, ich sage mal, ein Auftragslied, eine Auftragskomposition des Zentralkomitees der DDR, oder wie muss man sich das vorstellen?

00:10:39: Thomas In dem Fall weiß ich es nicht, aber das passte einfach ganz gut. Und wenn man so einen Text hat, dann konnte man, glaube ich, davon ausgehen, dass man in der DDR dann auch damit eine gewisse Öffentlichkeit erreichen darf, weil man dann im Radio gespielt wird. Ich würde aber auch gern mal eine Frage stellen. Martin, man hört ja, du bist Eigentümer einer Kölner Karnevals-Kapelle.

00:11:00: Martin Oh, das ist jetzt aber böse. Nein. Ich weiß nicht, in welcher Gerüchteküche du dein Ohr da so hast. Also, das ist mal aber so was von Fake News. Nein, ich habe eine kleine, beschauliche Kellerband von alten Herren, die alte Lieder nachspielen aus den 80er Jahren, aber sicherlich keinen Schlager. Also insofern, ne?

00:11:20: Thomas Ich wollte dich fragen, wie würden die reagiert, wenn du da hingehst zu den älteren Herren und sagst: Wir studieren jetzt mal irgendeinen DDR Schlager ein?

00:11:29: Martin Ja, ich fürchte, da wäre die Gegenliebe relativ gering. Also das ist eher wir sind da eher bei U2 und ähnlichen Dingen unterwegs. Ich glaube, mit Vino in Berlino käme ich da nicht wirklich an.

00:11:41: Thomas Das heißt aber generell, die Kenntnis von DDR Schlagern ist nicht so richtig groß bei euch.

00:11:48: Martin Also ich will nicht sagen null, aber sie tendiert dahin. Natürlich. Als wir überlegt haben, dieses Thema zu machen, habe ich auch überlegt, welche Bands kennst du eigentlich aus der DDR? Und da sind mir genau vier eingefallen, also vier Namen, das war Karat, das war Silly, das waren die Puhdys. Und Nina Hagen ist mir eingefallen als DDR - ja Schlagergröße kann man ja nicht sagen, aber Musikgröße. Ich glaub unter Schlager würde die jetzt nicht so unbedingt subsumiert.

00:12:15: Thomas Ja, da wären jetzt viele Leute beleidigt.

00:12:17: Martin Ja, auch zu Recht, würde ich sagen. Aber das war's eben auch. Mehr fällt mir da jetzt auch nicht ein.

00:12:24: Marko Also Gundermann vielleicht noch. Gundermann, dessen Leben ja verfilmt worden ist, dieser singende Baggerfahrer.

00:12:31: Thomas Der wird, glaube ich, auch beleidigt, wenn du sagst, er hätte Schlager gesungen. Aber ja, richtig, dass sogar Gundermann - ja durch den Film wahrscheinlich ne.

00:12:38: Marko Ja, durch den Film. Ich kannte den vorher auch nicht. Aber dann habe ich diesen Film gesehen, habe ich mir einige Gundermann-Lieder angehört, war ja eher so eine Art Liedermacher, so was im Westen vielleicht so eine Art Reinhard Mey war.

00:12:50: Thomas Ja, das ist, glaube ich, ein ganz guter Vergleich. Bloß halt, dass er noch Baggerfahrer war, was man von Reinhard Mey jetzt nicht weiß.

00:12:57: Marko Weiß ich nicht, ob der einen Bagger fahren kann. Müssten wir ihn mal fragen.

00:13:01: Martin Aber ansonsten: Karat halt - "Über sieben Brücken musst du gehen". Wenn es jetzt um die Lieder geht. Verewigt später von von Peter Maffay.

00:13:07: Marko Ja, der hat's nachgesungen, der hat es nachgesungen. Aber mein Vater hatte eine Langspielkassette. So so Kassetten...

00:13:15: Marko Kompaktkassette...

00:13:17: Marko Kompakt-Kassette. Genau. Also das werden die Jüngeren gar nicht mehr kennen. Also so ein Ding aus Plastik, was man irgendwie in einen Kassettenrekorder reinschieben konnte. Und das waren die besten Hits von Karat. Die hat er manchmal gehört im Auto und ich fand die auch gar nicht so schlecht. Es gab ein Lied, da kam eine Katze drin vor, die schlich irgendwelche Wege und dann hatten sie Angst vor einem Atomkrieg. Weißt du, welches Lied das war?

00:13:42: Thomas Eine Katze, die Angst vor Atomkrieg hat, weiß ich jetzt nicht. Es gab den Schwanenkönig. Wenn ein Schwan singt, schweigen die Enten. Ne, anders rum.

00:13:52: Marko Der Schwanenkönig. Mein lieber Schwan, das war Wagner.

00:14:00: Thomas Und dann gab's No Bomb. War das auch Karat? Das könnte, würde zu deinem Atomkrieg passen. Aber mit einer Katze....

00:14:08: Marko Doch, da ist die alte Katze, denn die kennt alle Wege und die schleicht da rum. Und ja, da kommt so oder so eine Zeile drin vor. Das habe ich mir als Kind gemerkt. Ich weiß noch nicht, keine Ahnung mehr weiß ich nicht mehr.

00:14:18: Martin Die Frage ist ja sowieso: Also Karat, fällt das denn unter Schlager oder. Das ist es, glaube ich, auch nicht.

00:14:23: Marko Das war ja exportfähig, das muss man ja sagen. Also das haben die im Westen ja, siehe mein Vater, auch gehört.

00:14:30: Thomas Ja, es gab ja einige. Frank Schöbel, der es in der ZDF Hitparade, glaub ich, sogar aufgetreten. Das war ja für uns da drüben schon was Besonderes, den DDR Star in der Hitparade zu sehen. Und es gab eine Menge. Ja, man muss vorsichtig sein, weil bei diesem Zeitzeichen, das ich da gemacht habe, habe ich gemerkt Schlagerkonsumenten sind sehr sensible Geschöpfe. Und wenn man da manchmal was Falsches sagt,. die mögen das nicht.

00:15:00: Martin Dann legen wir uns jetzt auch äußerste Zurückhaltung auf. Was das betrifft.

00:15:03: Ich nehme auch alles zurück, was ich eben über die Hitparade gesagt habe und behaupte das Gegenteil. [4.0s] Ich bin ein großer Freund des Schlagers.

00:15:10: Martin Aber: War denn Karat jetzt Schlager oder nicht? Und und dann eben so was wie die Puhdys? Silly? War das Schlager?

00:15:17: Thomas Es hat teilweise was Schlagerhaftes. Aber wo liegt da jetzt genau die Grenze? Man kann ja Schlager definieren als ein Gassenhauer, als ein Hit. Was erfolgreich ist, dann ja. Und ich glaube, da gibt es viele Dissertationen darüber, wo die Grenze verläuft. Ich möchte das lieber entscheiden.

00:15:34: Marko Aber es muss, glaube ich, es muss schon in der Landessprache, glaube ich, sein. Also das würde man schon sagen. Also man würde ein englischsprachiges Lied in Deutschland nicht als Schlager bezeichnen. Ja, aber es reicht nicht. Also wenn jetzt ein Rapper kommt und rappt auf Deutsch, dann ist es trotzdem kein Schlager.

00:15:49: Thomas Ja, aber wenn jetzt Roger Whittaker kommt und einen Schlager auf Englisch singt, ist es dann kein Schlager?

00:15:54: Marko Doch, aber es ist trotzdem schlimm, ne.

00:15:58: Marin Du wolltest dich doch mäßigen, Marko.

00:16:00: Marko Meine Mutter, meine Mutter hat gerne Roger Whittaker gehört, muss ich an dieser Stelle sagen, und gerne dabei die Wohnung geputzt. Also mit Roger Whittaker verbinde ich auch viele Jugenderinnerungen an eine reinliche Wohnung.

00:16:12: Thomas Ist das der Sinn von Schlagern, dass man Frauen dazu bringt, die Wohnung zu putzen?

00:16:17: Marko Jetzt wird's aber jetzt wohl sexistisch. Okay, dass darf man überhaupt gar nicht. Also, ne.

00:16:23: Thomas Ich habe es als Frage formuliert oder...

00:16:25: Marko Also ich kann dazu sagen, ich verrichte gerne alltägliche Arbeiten bei Schlagermusik. Ich erinnere mich, dass ich ein Haus gekauft habe vor vielen Jahren, und da habe ich das renoviert. Da habe ich sehr gerne Schlagermusik bei gehört. Das kann man mitsingen, das ist motivierend, das ist gut.

00:16:41: Martin So, nachdem wir das jetzt auch geklärt haben, was Marko beim Hausbau singt.

00:16:46: Marko Entschuldigung, ich wollte mich jetzt hier nicht in den Vordergrund drängen.

00:16:48: Martin Ne, alles, alles gut. Kommen wir mal wieder zur Schlagerrevue. Also das ist quasi die Sendung im DDR Radio gewesen, an der man nicht vorbeikam, wenn man denn Musik in der DDR gemacht hat. Also wer was werden wollte, der musste irgendwie gucken, dass er da reinkommt.

00:17:03: Thomas Ich weiß gar nicht, ob man das so gedacht hat, aber das war die Sendung. Man musste an Heinz Quermann kommen, das war das Entscheidende, weil er der Mensch mit Einfluss war - sowohl Radio als auch Fernsehen betreffend. Aber ich glaube, wir kommen gerade vom Thema ab. Ich wollte ja wissen, was ihr so kennt und ich habe nämlich da mal unseren Zeitzeichenchor ein Lied einstudieren lassen. Und ich würde gern mal wissen, ob ihr das vielleicht kennt.

00:17:29: Zeitzeichenchor. Gegrummel.

00:17:28: Männerstimme I Hoch stand der Sanddorn...

00:17:29: Frauenstimme Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee. Genau

00:17:30: Männerstimme II Micha, mein Micha und alles tut so weh...

00:17:33: Männerstimme I Ich im Bikini und ich beim FKK - so Mini...

00:17:35: Frauenstimme Kann ich nicht...

00:17:44: Männerstimme II Landschaft war auch da.

00:17:45: Männerstimme I Ja, ja.

00:17:48: Männerstimme II . Ja.

00:17:49: Martin Zeitzeichen-Chor sagst du. Wer ist das?

00:17:51: Thomas Ich habe mal was anderes gemacht. Ich weiß nicht: Wenn ihr ein Zeitzeichen schreibt, werdet ihr ja in Archiven wühlen, mit Experten reden. Und eins nach dem anderen machen und dann irgendwann ein Manuskript schreiben und damit ins Studio gehen. Ich dachte, ich machs mal anders und habe hier Experten und Nichtexperten ins Studio eingeladen und wollte mit denen einfach mal gemeinsam so ein Lagerfeuer machen und über Schlager reden. Und da habe ich mir drei Schauspieler gesucht und einen Menschen, der sich mit DDR Schlager und DDR Rockmusik auskennt. Und die haben mich dann auch gebeten, vielleicht gemeinsam mal ein Lied einzustudieren. Habt ihr erkannt, um welches es geht?

00:18:29: Marko Selbstverständlich haben wir das erkannt. Ja, ja.

00:18:33: Martin Wir kennen nicht viel, aber das kennen wir tatsächlich.

00:18:35: Marko Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael.

00:18:38: Thomas Ja, und da hatte ich ja auch das Problem. Man kann dann immer die Schlager einspielen, kennt man alles irgendwie schon. Dann dachte ich Schauspieler. Wir haben ja manchmal beim Zeitzeichens Schauspieler, die unsere Zitate sprechen usw.. Und da habe ich mir gedacht, die können ja vielleicht auch mal was singen.

00:18:55: Marko Aber Nina Hagen wollte nicht kommen?

00:18:56: Thomas Die habe ich gar nicht erst gefragt, weil ich ging davon aus, dass sie nicht kommt. Und es wäre auch zu einfach gewesen. Aus dem Schlager hätte sie auch gesagt Nein.

00:19:04: Marko Ist gar kein Schlager, ist Punk oder weiß man nicht genau.

00:19:07: Thomas Genau.

00:19:07: Martin Also jetzt hast du da die Schauspieler und diese Menschen, die mit Schlager in der DDR zu tun hatten, eingeladen und hast die dieses Lied intonieren lassen. Ist denn dabei auch was rausgekommen?

00:19:18: Thomas Unbedingt. Aber ich habe die natürlich auch ein paar andere Schlager singen lassen. Also was heißt singen lassen? Ich habe gefragt: Welche Schlager habt ihr gemocht? Und vielleicht könntet ihr die, die ihr gemocht habt, auch mal singen. Da habe ich zum Beispiel Katrin Klein, die war lange Zeit am Deutschen Theater, und die hat dann über ihre Schlagererfahrung erzählt und hat uns dann auch was gesungen.

00:19:39: Katrin Klein Ich bin Katrin Klein, ich bin Schauspielerin in Berlin. Ich bin eigentlich kein schlageraffiner Mensch. Ich bin mit meinen beiden Schwestern, die älter sind als ich, groß geworden. Und da fing nun gerade die Beatzeit an, und mit der bin ich eigentlich groß geworden. Und aber im Stöbern bei diesen Liedern hier habe ich dann doch festgestellt, voller Überraschung, wen ich alles kenne, was ich alles kenne, teilweise tatsächlich sogar noch Texte. Und das fand ich dann doch ganz überraschend. Wie sich dann was einschleicht oder was man doch mehr gesehen hat, als man vermutet hat. Singt: Dass ich eine Schneeflocke wäre, irgendwo da rings um dich her. Tanzte ich so wunderschön, bis du bliebst stehen. Und dein Weib will dich weiter ziehen. Lass sie tanzen, lass sie verblühen, aber dir fällt etwas ein. Geh, Weib, lass sein. Will sie fangen mit der Stirn. Sie erinnert mich an irgendwas. Will nicht mehr als Herz und Hirn, soll mir sagen wie, wann, wo war das? Aber er erinnert sich nicht mehr. Kinderzeit ist lange her. Und das Schnee- Haus, das wir uns gebaut, seit zehn Jahren fort getaut.

00:21:09: Marko Oh. Ein klassisches Thema, vielleicht auch im westdeutschen Schlager. Jugendliebe vergangen, Schmerz dahingeschmolzen, das Schnee-Haus.

00:21:21: Martin Was war das für ein Titel?

00:21:22: Thomas Sehr schön. Das war "Wenn ich eine Schneeflocke wär" von Veronika Fischer, eine sehr erfolgreiche DDR Schlagersängerin, die dann später in den Westen gegangen ist.

00:21:33: Marko Tatsächlich?

00:21:33: Thomas Ja. Gibt es einige Beispiele für?

00:21:36: Marko Ihr habt die ausgewiesen, ne.

00:21:40: Thomas Ausgewiesen haben wir den einen, den Wolf Biermann. Was heißt wir?

00:21:48: Martin Is klar.

00:21:48: Thomas Und viele wurden rausgedrängt. Es ist gar nicht so verkehrt, was Marko sagt, weil es gab da Auftrittsverbote, weil zum Beispiel dann eine Resolution gegen die Ausbürgerung von Biermann unterschrieben wurde. Und wer dabei war, der hat es in der DDR - oder einige von denen hatten es in der DDR danach nicht mehr ganz so leicht.

00:22:06: Marko Ja, aber die Frage ist ja, würde man jetzt anhand dieses Textes, würde man erkennen, dass es sich um einen DDR Schlager handelt? Wahrscheinlich nicht, oder? Das hätte auch genauso gut in Westdeutschland sehr erfolgreich sein können. Und ja.

00:22:19: Martin Würde ich auch mal denken. Ja. Gibt es denn so Kriterien, wo man sagen kann: Der DDR Schlager - daran erkenne ich ihn, also ist er anders als der bundesdeutsche Schlager gewesen?

00:22:30: Thomas Also ich hab darauf zwei Antworten. Einerseits: Er ist überhaupt nicht anders gewesen. Es gibt immer diese Schlager, diese Drei-Minuten-Gefühle oder Vier-Minuten-Weisheiten. Schlager, leicht konsumierbar, eingängig, schnulzig, anspruchsvoll, nervig. Das alles ist Schlager, glaube ich. Das ist im Westen nicht anders als im Osten. Im Osten war aber dann doch irgendwas anderes. Es gab manchmal die Versuchung, etwas kunstvoller zu sein. Es gab also wirklich auch Schriftsteller wie Gisela Steineckert zum Beispiel, die Texte für Schlagersänger geschrieben haben. Möglicherweise ist da noch ein anderer Zungenschlag reingekommen, und man konnte, wenn man Botschaften hatte, die selten so - also wenn es Botschaften waren, die vielleicht nicht ganz regierungskonform waren, nicht so geradeaus formulieren, sondern da hat sich manchmal so eine Doppelbödigkeit eingeschlichen, so dass die Texte weniger direkt und dann vielleicht auch ein bisschen poesievoller geworden sind.

00:23:31: Marko Das heißt, man hat sozusagen Regimekritik versteckt. In einem Schlagertext gibt es so was.

00:23:37: Thomas Das ist jetzt sehr groß formuliert. Jein. Es gibt manche Schlager, wo man, wo die Verfasser hinterher sagten, dass das natürlich Kritik war. Aber es gibt auch manche Schlager, wo das so verstanden wurde. Und dann gibt es wiederum auch Schlager, wo manchmal etwas so gemeint war, etwas leicht Kritisches, die dann halt trotzdem aber auch in der DDR veröffentlicht wurden, weil man das alles nicht so ernst genommen hat. Ein Schlager zum Beispiel, der gar nicht kritisch gemeint war, war "Wir brauchen keine Lügen mehr" von Frank Schöbel. Das ist ein Schlager, der kam so 88 / 89 auf. Das war die Zeit von Glasnost und Perestroika, wo in der DDR große Unzufriedenheit herrschte und man sich an dem großen Bruder Sowjetunion orientieren wollte. Das erste Mal wirklich, weil es darum geht, dass man eben diese Offenheit und Veränderungen, die es in der Sowjetunion unter Gorbatschow gab, auch in der DDR haben wollte. Und dann gibt es diesen Schlager "Wir brauchen keine Lügen mehr". Er beschreibt eigentlich irgendeine Beziehungskrise, aber passt einfach so schön auf die politische Situation. Frank Schöbel trat damit in "Ein Kessel Buntes" auf, im Oktober 1989, also da, wo es in der DDR wirklich zu brodeln begann. Und die Sendung wurde irgendwann wiederholt. Und da tauchte Frank Schöbe dann mit diesem Schlager nicht mehr auf. Ich glaube, er wurde einfach nur aus Zeitgründen rausgeschnitten. Aber das war damals schon ein Politikum, weil jeder zu Recht dachte, dass man ihn eben wirklich aus politischen Gründen da aus der Sendung nachträglich entfernt hat.

00:25:13: Marko Na ja, also das, das klingt ja auch so, als wäre es geradezu so geplant. Also wir brauchen keine Lügen mehr. Das klingt schon nach Montagsdemo, oder?

00:25:21: Thomas Im Prinzip ja. Und das ist ja das Interessante, dass dann die Situation in einem Land so ist, dass ein kleiner Schlager plötzlich zu einem Politikum werden kann.

00:25:29: Martin Also ich weiß von den Gesprächen, die wir bisher gehabt haben und den Podcast- Aufzeichnungen, die wir bisher gemacht haben: Immer wenn wir danach gefragt haben, war dieses oder jenes unpolitisch. Dann hast du immer sehr klar gesagt Nein, es gab nichts, was unpolitisch war in der DDR. Und ich nehme mal an, bei Schlagern wird sich auch nicht anders verhalten.

00:25:51: Thomas Ja, das ist völlig richtig. Also im Prinzip wurden nie Schlager veröffentlicht oder hatten kein breites Publikum, die sich irgendwie direkt kontrovers mit der aktuellen DDR Politik oder überhaupt mit der Existenz der DDR befasst haben. Das war völlig undenkbar.

00:26:09: Martin Also in dem Fall also eher eine Leerstelle. Also das Unpolitische war das Politische daran.

00:26:14: Thomas Das hast du sehr schön gesagt. Ja, das ist es wahrscheinlich. Nein. Hinzu kommt natürlich auch: Man wusste das, was im Radio gesendet wird, was auf Schallplatten gepresst wird, das war alles etwas, was der DDR nicht geschadet hat, weil sonst wäre es gar nicht in den Sender gekommen, sonst wäre es gar nicht auf Schallplatte gekommen.

00:26:34: Marko Es gibt ja dann sehr, sehr erfolgreiche Bands, also die Puhdys zum Beispiel oder auch Karat, die ja dann auch im Westen gespielt wurden. Konnten die sich denn so ein bisschen was mehr leisten an Kritik?

00:26:47: Thomas Das ist so eine große Frage.

00:26:50: Marko Also ich erinnere mich jetzt an dieses Lied mit dieser Katze. Da geht es irgendwie um Atomkrieg, also um Ost und West und wer da auf den Knopf drückte. Vielleicht finden wir das noch raus, wie dieses Lied eigentlich mal hieß. Aber da ging es in der Tat um eine Frage zwischen Ost und West und zwischen Krieg und Nichtkrieg. Und das war jetzt, glaube ich, nicht ganz unpolitisch das Lied.

00:27:11: Thomas Nein, das konnte ja sehr politisch sein, Aber hier passte es. Ich glaube, No Bomb - das war Berluc und nicht Karat. Es gibt da Lieder - oder Hiroshima von den Puhdys - da muss ich aufpassen, weil das sind ja alles keine Schlager. Aber wir reden jetzt trotzdem mal darüber. Das sind alles Texte, die passten ja ganz gut rein. Das sind die 80er Jahre, es gab den NATO Doppelbeschluss im Westen und da gab es von DDR Seite ja große Polemik dagegen, dass man jetzt weiter aufrüstet. Und Lieder oder Schlager, die sich gegen den Krieg gewendet haben, die waren dann sehr en vogue auch. Das war schon sehr willkommen. Man durfte halt bloß nicht sagen, dass man vielleicht auch die DDR jetzt nicht weiter aufrüsten soll. Das war dann was anderes. Im Gegenteil, es war so, dass man die NVA, die Nationale Volksarmee, also die Armee der DDR, die durfte man natürlich überhaupt nicht kritisieren, die wurde sogar immer wieder präsentiert. Und da gibt es ein absurd-erschreckendes Beispiel aus der Sendung zwischen Frühstück und Gänsebraten, die ich am Anfang schon mal erwähnt hatte. Das ist also eine Weihnachtssendung, die wurde immer am Ersten oder Zweiten Weihnachtsfeiertag gesendet, eben am Vormittag.

00:28:22: Marko Auch mit Herrn Quermann.

00:28:24: Thomas Mit Herrn Quermann. Und da gibt es ein Beispiel, da taucht Gerd Christian auf, ein ziemlich erfolgreicher Schlagersänger, aber auch erfolgreiche Schlagersänger mussten in der DDR den Ehrendienst bei der Nationalen Volksarmee absolvieren. Das war also der normale Wehrdienst. Und in dieser Weihnachtssendung trat Gert Christian tatsächlich mit einer NVA Uniform auf. Und das wurde dann auch von Herrn Quermann entsprechend gewürdigt. Also keineswegs kritisch. Das wurde extra auch noch herausgestellt. Das können wir uns ja mal anhören.

00:28:55: O-Ton Heinz Quermann Und jetzt zur 28. haben wir mal einen richtigen, strammen, gut aussehenden Soldaten dabei. Ich würde sagen, einer der größten Reservisten unserer NVA. Er ist immerhin 1,91m groß. Sie kennen ihn alle, den Gefreiten Gerd Christian.

00:29:19: Gerd Christian Ja, ich grüße meine Einheit Erkner und alle Genossen, die derzeit ihren Ehrendienst bei der NVA leisten. Ja.

00:29:28: Marko Gerd Christian ist ein berühmter Schlagersänger und dann wird er eingezogen. Und kennt man was von dem?

00:29:34: Thomas Ja, da gibt es ein ganz Berühmtes. Dieses "Sag ihr auch" das ist ein Schlager, der glaube ich Kultstatus erreicht hat. Und der hatte ja auch einen berühmten Bruder Holger Biege. Aber der hat ein paar intelligentere Lieder geschrieben und gesungen. Gerd Christian war wirklich eher an der Schlagerfront zu Hause.

00:29:53: Martin Wie war denn das grundsätzlich, wenn man Lieder veröffentlichen wollte in der DDR? Gab es da so etwas wie eine Genehmigungsbehörde? Ist man da irgendwo hingegangen und hat sein Lied vorgetragen? So, das möchte ich jetzt ganz gerne mal auf Platte pressen und im Radio präsentiert bekommen. Oder wie ist das gelaufen? Wie muss man sich das vorstellen in einem Staat wie der DDR?

00:30:29: Thomas Ich finde die Frage ja schon sehr interessant. Ich glaube im Nachhinein sagen zu dürfen: Selbst wenn du deine Katze, um auf Markos Katze zurückzukommen, vermisst und irgendwo einen Zettel anbringst: Katze entlaufen. Selbst das hätte Schwierigkeiten bringen können. Ich übertreibe ein bisschen, aber Texte zu verfassen, irgendwo öffentlich aufzutreten und das Ganze ohne eine offizielle Genehmigung, das war in der DDR im Prinzip überhaupt nicht möglich. Es gab also gerade im Kulturbereich da ganz große, vielseitige Bestimmungen. Also wenn du ins Radio wolltest, heißt das natürlich, du musst deine Texte vorher irgendwo vorlegen. Und genauso gab es die Notwendigkeit, wenn du eine Platte rausbringen wolltest. Du konntest also nicht einfach ein paar Lieder aufnehmen. Das geht schon damit los: Du brauchst ein Studio. Das war damals alles noch relativ teuer, die Technik und das war alles staatlich kontrolliert. Da konnte es nicht einfach so einmarschieren und sagen ich will jetzt mal ein paar Lieder aufnehmen und dann auf Schallplatte pressen. Es gab staatliche Einrichtungen, Kulturkommission nannte sich das, da hast du, wenn du auftreten wolltest, öffentlich auftreten wolltestest, da bist du dann hingegangen und hast einen Berufsausweis beantragt. Ohne den hätte dich kein Kulturhaus, kein Theater, kein Sender eingeladen, um irgendwie aufzutreten.

00:31:41: Martin Einen Kulturausweis? Das heißt, den musstest du dann auch quasi vorzeigen, bevor du zu einer Veranstaltung durftest?

00:31:49: Thomas Ja.

00:31:49: Marko Also was der Martin da gerade macht. Dass er dann mit einer privaten Band durch die Kneipen tingelt und - ja gut, ihr singt jetzt Coverversionen. Aber wenn er jetzt eigene Lieder und Texte schreiben würde, dann hätte er sich in der DDR bereits strafbar gemacht. Oder der Kneipier, der ihn ja hat singen lassen.

00:32:04: Thomas Ja, also unabhängig davon, was du singst, wenn du auftritt, musst du dafür eine Auftrittsgenehmigung haben, ein Berufsausweis. Da wurdest du so eingruppiert, je nach Qualität und Bekanntheitsgrad gab es da irgendwie ABC, drei Stufen, und entsprechend verlief dann auch die Honorierung. Also irgendwie in die Kneipe gehen und loslegen. Da hättest du am nächsten Tag dann zu Hause ganz schnell Besuch gehabt.

00:32:27: Marko Ja, Herr Herzog, das tut mir sehr schrecklich leid. Aber Sie sind "D".

00:32:32: Martin Manchmal wünscht du dir die alte DDR zurück.

00:32:35: Marko Manchmal wünsche ich mir mein Schaukelpferd zurück. Welches ist das?

00:32:41: Martin Oh, sieben Brücken.

00:32:43: Marko Ja, da sind wir schon wieder. Ja, Gut, Gut.

00:32:47: Thomas Also, das nennt sich offiziell Spielerlaubnis.

00:32:51: Martin Und wie war das, wenn man mit Texten ankam? Also ich denke mal, es ging ja hauptsächlich um die Texte. Ich weiß nicht, inwiefern es da auch bei Schlagern oder anderer Musik um die Musik tatsächlich, um die Kompositionen ging. Aber wenn jetzt die Texte da eben nicht genehm waren, die man da so vorgelegt hat, wie wurde das dann zurückgewiesen, angepasst? Musste man dann Änderungen vornehmen?

00:33:13: Martin Da würde ich ja schon mal sagen ist es ist natürlich nicht so, das sind nur die Texte geht. Es ging ja auch um die Musik, also auch die Art des Musizierens, wenn man das wie die Beatles macht, das war natürlich nicht wirklich DDR-konform in den 1960er Jahren. Das konnte schon mal zu Verwerfungen führen. Und wenn dann vielleicht noch kritische Texte dazukommt, das war ganz schlimm. Also es kam dann schon so, das ist ähnlich wie bei der Literatur, dass dann die Zensoren, die sich nicht so genannt haben, sagten, dieses oder jenes kann man jetzt einfach so nicht schreiben, man möchte es doch vielleicht mal ein bisschen anders ausdrücken, ein bisschen umdichten oder vielleicht auf den Text ganz verzichten. Es gibt übrigens ein schönes Beispiel...

00:33:54: Marko Die Hymne.

00:33:58: Thomas Die Hymne wurde ja dann auch nicht mehr gesendet oder gespielt mit Text. Also der Text wurde ja dann auch entfernt, weil er nicht mehr so recht passte. Das war in den 70er Jahren - Deutschland einig Vaterland - war dann nicht mehr die offizielle DDR Politik und dann ging das eben mit der DDR Hymne auch nicht mehr.

00:34:15: Marko Gab es dann auch Schlagerlieder ohne Text?

00:34:17: Thomas Nee, das hat man da gar nicht gemacht. Das war ja dann irgendwie. Also es gab sicherlich irgendwelche Titel, wo generell kein Text vorgesehen war. Das kann schon möglich sein. Es gibt ein schönes Beispiel Es gab die Gruppe Renft, das war in den 70er Jahren. Und die eckte schon immer mit der Zensur an und dann sind die mit ihren neuen Texten zu einer neuen Platte zu einer dieser Bezirks-Kultur-Kommissionen gegangen, um da eine Genehmigung zu bekommen für ihr neues Projekt. Und das wurde ihnen dann verweigert. Aber die Renft-Leute waren so schlau und haben da einen versteckten Kassettenrekorder mitgenommen. Das ist übrigens auch schön, wenn man über das Thema redet. Es kommen so viele Begriffe vor, die kein Mensch mehr kennt. Kassettenrekorder? Ja, Tonqualität ist jetzt nicht so dolle, weil das war damals ja alles noch ein bisschen schwieriger. Und das können wir uns ja mal anhören.

00:35:08: O-Ton Renft wird abgelehnt zum Teil sehr unverständlich, deshalb hier nicht transkribiert

00:36:38: Thomas Was jetzt der Unterschied zu einem Verbot ist. Das wird kein Mensch so richtig begreifen können.

00:36:43: Martin Also, die Gruppe hat dann einfach aufgehört zu existieren, qua ordre Mufti, der - wie sar das - Bezirkskultur?

00:36:51: Thomas Das war die Bezirkskulturkommission. Da war ja im Prinzip alles in der DDR, alles in SED Hand. Und da gab es in jedem Bezirk der DDR Kulturkommissionen, die eben für die Zulassung verantwortlich waren, für generell, für alle Menschen, die irgendwie auftreten wollten. Und wenn die gesagt haben: Nee, das passt jetzt gerade gar nicht mehr und das wollen wir hier nicht, dann war das Gesetz. Punkt. Und da gab es dann auch nicht die Möglichkeit, dagegen zu klagen oder es anders zu machen. Nein, wenn du dann keine Genehmigung mehr hattest, heißt das auch, du konntest nicht mehr auftreten. Eine kleine Ausnahme wahrscheinlich im kirchlichen Bereich, dass du dann vielleicht noch mal in einer Kirchengemeinde aufgetreten bist oder dergleichen. Aber das war eher halblegal oder fast illegal und die Ausnahme. Das große Publikum hast du dann nicht mehr ansprechen können.

00:37:39: Martin Also ein Auftrittsverbot ohne das Wort Auftrittsverbot. Aber wirklich ausgewiesen aus der DDR wurde ja tatsächlich dann nur einer. Wir haben eben schon mal drüber gesprochen kurz - Wolf Biermann. Aber gegangen sind eine ganze Menge.

00:37:51: Thomas Na ja, viele im Zusammenhang mit Biermann. Manfred Krug zum Beispiel, weil der hatte ja die Petition gegen die Ausbürgerung von Biermann unterzeichnet und auch mit initiiert und hatte dann auch Schwierigkeiten gehabt. Und das war schon relativ schwierig, weil Manfred Krug war ja in der DDR sehr, sehr erfolgreich, sowohl als Schauspieler als auch als Sänger.

00:38:13: Marko Als Sänger ist bei uns gar nicht so bekannt. Also bei uns ist er eher als Schauspieler bekannt geworden. Als Sänger kennt den jetzt, glaube ich, kaum jemand bei uns im Westen, also im Westen, ist der glaube ich als Schauspieler.

00:38:23: Martin Ja, aber in späteren Jahren hat er auch noch mal, ich glaube so Jazzplatten und so was aufgenommen. Also da hat er dann noch mal so ein kleines Revival. Aber in der Tat, er ist hauptsächlich als Schauspieler bekannt.

00:38:32: Thomas Ja, genau. Aber in der DDR eben auch als Sänger aufgetreten, auch sehr erfolgreich. Auch hier wieder: Wenn wir ihn als Schlagersänger bezeichnen würden. Das gäbe Protest. Also eher Jazz ist das, aber da kann man ganz gut erkennen den Mechanismus, der dann so wirkt. Also da ist jemand in den Westen gegangen oder mehr oder weniger gedrängt worden, weil er keine Auftrittsmöglichkeiten im Osten mehr hatte. Rollen im Film wurden abgesagt und dann hat er halt seine Koffer gepackt und ist gegangen, was zur Folge hatte, er wurde nicht mehr gespielt im Radio, seine Platten sind nicht mehr erschienen und auch seine Filme wurden bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr gezeigt. Es gibt eine Ausnahme eines frühen, mehrteiligen Fernsehfilms. Der wurde dann tatsächlich noch mal ausgestrahlt. Das war schon ungewöhnlich, weil im Prinzip galt immer: Die Leute, die die DDR verlassen haben, die wurden ausradiert. Das ist wie mit den alten Fotos: Die Leute, die da nicht mehr genehm waren. Die wurden dann einfach retuschiert.

00:39:32: Marko Wie so oft in der Geschichte. Die Römer nannten es damnatio memoria.

00:39:35: Martin Verdammte Erinnerungen.

00:39:38: Marko Das heißt, dass sämtliche Statuen von einem Kaiser, der zum Beispiel Nero hieß, die wurden zerschlagen und die Erinnerung wurde ausgelöscht. Ja.

00:39:46: Thomas Die DDR auf den Spuren Roms. Sehr gut.

00:39:48: Marko Der DDR. Schlager auf den Spuren Roms.

00:39:50: Thomas Vielleicht können wir noch mal über meinen Zeitzeugen reden.

00:39:55: Marko Ja klar...

00:39:57: Thomas Ich fand es ja ganz schön.

00:40:00: Marko Ich fand es auch sehr schön. Was mich besonders fasziniert daran hast, ist, dass du um Musik ja nahezu komplett drum herum gekommen bist, weil du die Menschen hast singen lassen.

00:40:11: Thomas Genau. Und das fand ich damals ne gute Idee. Und jetzt, wo du es sagst, denke ich, es ist vielleicht auch heute noch eine ganz gute Idee. Und den nächsten, den ich da eingeladen hatte, das ja jetzt also, ich glaube, sechs oder sieben Jahre her, das ist auch ein Schauspieler vom Deutschen Theater gewesen, Bernd Stempel. Und der erzählt natürlich auch ein bisschen, wie er generell zum Schlager steht.

00:40:29: Bernd Stempel Ich bin Bernd Stempel. Ich bin 1954 geboren und also lange mit der DDR habe ich lange gelebt. Und da meine Eltern Funktionäre waren, hatte ich auch nicht die zweite Information aus dem Westen. Wir haben also direkt immer mit dem Ost-Schlager und mit den Nachrichten usw zusammengelebt und daher war es ganz automatisch, dass ich da viel mitbekommen habe. Wir hatten auch sehr früh schon Fernseher und Radio und so was und das hat einen dann immer begleitet. Und interessiert habe ich mich eigentlich weniger dafür. Erst im Nachhinein, als ich Schauspieler wurde, und wir dann als meine ersten zehn Schauspielerjahre waren in Halle und der Peter Sodann hat da viele Revueen inszeniert, also die 40er Jahre, 50er Jahre. Und da waren natürlich alle Schlager dabei, die wir dann zum Tanz gesungen haben. Und da ist dann auch noch mal ein anderes Interesse gewachsen dafür.

00:41:26: Thomas Das heißt, medial hatten Sie erst mal so ein Leben zwischen Karl-Eduard von Schnitzler, Klaus Feldmann, Aktuelle Kamera und DDR Schlager? Fehlt einem da irgendwas oder hat man nicht auch irgendwie diese Westschlager dann trotzdem auch mitbekommen?

00:41:38: Bernd Stempel Natürlich hat man viel mitbekommen. Man hat ihn dann heimlich gehört, also weniger den West-Schlager als mehr die Rockmusik, die dann so in den 60er Jahren mit den Beatles, kann mich noch sehr gut erinnern. Wir durften ja immer den schwarzen Kanal gucken. Aber als dann Karl-Eduard von Schnitzler eine Sendung brachte über die Beatles, da mussten wir dann auch rausgehen. Sowas wollte mein Vater nicht, dass wir die Lieder da hören, die ausschnittweise dann auch da gekommen sind beim Schwarzen Kanal.

00:42:09: Thomas Und den Bernd Stempel habe ich dann auch mal gefragt, ob er für uns da ein Lied mitgebracht hat. Und das hat er dann tatsächlich gesungen und sich musikalisch begleitet. Ich weiß gar nicht mehr, was er dabei hatte. War das jetzt eine Gitarre oder es war keine Gitarre?

00:42:23: Bernd Stempel Durch deine Haare sehe ich Himmel scheinen. Auf deiner Haut liegt Sonne und der See. Hat zwischen deinen braunen Armen Wellen und rings um deinen nackten Fuß ist Klee. Dort, wo du hinschaust, geht ein Wind vorüber. Die Bäume über dir sind von ihm voll. In deinen Händen riecht die Luft nach Ernte, als ob die Zeit der Reife kommen soll. Ich sehe dich an und sehe durch dich den Sommer. Ich bin der Gast in dieser Sommerruh. Ich möchte so noch gerne etwas bleiben. Der Sommer meint es gut mit mir - wie du.

00:43:49: Marko Es klingt gar nicht so schlecht. Der Mann kann singen.

00:43:53: Thomas Der Band natürlich. Ich lade ja nur Profis ein. Und im Gegensatz zu euch.

00:43:58: Marko Danke.

00:44:02: Thomas Ihr ladet lieber mich ein.

00:44:02: Marko Wir laden auch nur Profis ein.

00:44:04: Thomas Ah, das wollte ich hören.

00:44:06: Marko Dann wäre das auch erledigt.

00:44:11: Marko Nein.

00:44:11: Thomas Ich habe Bernd Stempel dann noch mal gefragt und er hat, glaube ich, viel besser als ich vorhin erklärt, was der Unterschied zwischen Ost und West Musikern dann vielleicht ist. Und da hat er mir Folgendes gesagt.

00:44:21: Bernd Stempel Dadurch, dass die Musiker ja fast alle studiert hatten und auch ziemlich in der Rockmusik so ziemlich komplizierte Sachen, also wenn man Stern-Combo, Meißen oder so, das sind ja unglaublich komplizierte Arrangements und Balladen. Und in Weimar diese Bayonne Truppe, die hat auch zwei Kambodschaner in der Franz Liszt Hochschule gehabt, die in dieser Bayonne-Truppe mitgespielt haben. Und man merkt das jetzt selbst an diesem einfachen Sommerlied.

00:44:53: Martin Was er uns da gesungen hat, waren sämtliche Musiker in der DDR, studierte, gelernte Musiker.

00:45:00: Thomas Ich glaube, das war ein wichtiger Punkt, um dann diesen Berufsausweis, diese Zulassung, diese Auftrittsgenehmigung zu bekommen, dass man auch eine Ausbildung hatte, da hat man schon drauf geachtet. Ja.

00:45:10: Marko Musste man Gesangsausbildung haben oder musikalische Ausbildung? Tatsächlich?

00:45:14: Thomas Ich weiß nicht, ob es Ausnahmen gab, aber die meisten hatten wirklich eine Ausbildung. Ja, Musikhochschulen gab es ja. Also ich weiß nicht, ob ihr dann hättet singen dürfen.

00:45:23: Marko Nein, Martin nicht. Martin hätte nicht singen dürfen.

00:45:25: Martin Nein, nein.

00:45:26: Marko Deswegen. Also, es war nicht alles schlecht in der DDR.

00:45:29: Martin Aber ich mal die Frage. Die Frage ist natürlich kommt dabei dann am Ende bessere Musik raus? Also ist es dann besser, wenn die Leute alle Musik studiert haben? War der DDR Schlager kunstvoller?

00:45:43: Thomas Es klingt manchmal so. Und wenn ich so mich erinnere, damals: Erfolgreicher war der Westschlager im Osten, weil es war der, der halt nicht jederzeit verfügbar war, wo man darauf warten musste, dass er irgendwo auftauchte. Und ich habe auch so den Eindruck, es gibt so manche Schlagersänger, die waren wahrscheinlich stimmlich und gesanglich viel, viel besser oder etwas besser. Aber es war alles so, so sehr kunstvoll, dass da kein Leben mehr da drin war. Deswegen waren manche Schlager aus dem Westen auch erfolgreicher. Es gab natürlich auch andere Schlager. Es ist ja nicht Schlager, Schlager lebte ja nicht davon, große Kunst zu sein. Das will ein guter Schlager ja eigentlich auch gar nicht sein. Er will einfach erfolgreich sein und so ein bisschen dem Volk aufs Maul schauen. Da gab es ja dann gerade in den 70er, 80er Jahren so ein paar andere Sachen. "Erna kommt" von Wolfgang Lippert, den wir noch kennen als Moderator von "Wetten dass". Als Thomas Gottschalk sich mal verabschiedet hatte.

00:46:39: Marko Der hat das versucht, aber er hat es nicht lange durchgehalten.

00:46:42: Thomas Ja und er hat dann halt auch "Erna kommt" gesungen. Das ist ein Song, der dann auch im Westen gesungen wurde von Herrn Hugo Egon Balder. Dann gab es auch von Silly, die haben ja manchmal sehr kritische Texte, aber da gibt es auch diesen Song "Der letzte Kunde", das ist bestimmt meine letzte Zigarette, so geht der, glaube ich, los, wenn mich nicht alles täuscht. Auch eher ein ganz witziges Lied. Es gab generell auch einfache, simple Schlager, die aber auch durchaus erfolgreich waren. Dann gab es andere, "Als ich fortging" von Karussell. Da hat zum Beispiel Gisela Steineckert, eine Schriftstellerin, den Text dazu geschrieben. Musik ist, glaube ich, von Dirk Michaelis und natürlich Ulrich Plenzdorf, dem man ja kennt, zum Beispiel durch Liebling Kreuzberg, wo er viele Drehbücher geschrieben hat, um wieder auf Manfred Krug zurückzukommen. Der hat auch tatsächlich...

00:47:26: Marko Wichtiger Schriftsteller: Die neuen Leiden des jungen W.

00:47:33: Thomas Sehr gut, sehr gut. Und der hat eben für die Puhdys einen Titel geschrieben mit der interessanten Textzeile: Geh zu ihr und lass deinen Drachen steigen.

00:47:43: Marko Das kenne ich, das kenne ich, das kenne ich ja. Ja, lass deinen Drachen steigen. Das kenne ich. Das ist klar. Das ist ein Erektionslied, natürlich. Im weitesten Sinne ist das ein Erektionslied...

00:47:51: Martin Im weitesten Sinne - sehr gut.

00:47:54: Marko Aber definitiv ist das... Doch...

00:47:57: Thomas Ich weiß, im Osten hätte man das jetzt nicht so deutlich benannt. Es ist halt wieder so ein Ost-West Unterschied. Das kommt.

00:48:02: Marko Wir gucken wir nach dem Text: Deinen Drachen steigen. Moment, ich will ja erst mal ganz - ich habe das als Erektionslied verstanden, so, warte, mal. Also ich zitiere jetzt mal hier. Ich habe den Text grade rausgesucht: Geh zu ihr und lass deinen Drachen steigen, geh zu ihr, denn du lebst ja nicht vom Moos allein. Augen zu, dann siehst du nur diese eine. Halt sie fest und lass deinen Drachen steigen. Ja. Wie würdest du das denn nennen? Ja.

00:48:32: Martin Ich weiß es nicht. Interessant wäre ja, was die DDR Zensur dazu sagen würde. Also das ist ja offensichtlich durchgekommen, wie die DDR Zensur das so genannt hat.

00:48:41: Thomas Ich würde ja eher fast die Frage stellen was macht man heute mit so einem Liedtext?

00:48:49: Martin Ja, ich glaube, die Frage lassen wir mal einfach so stehen.

00:48:51: Marko Hey, hey, hey. Deinen Drachen. Hey, hey, hey, hey, hey! Zu ihr. Hey, hey, hey! Deinen Drachen. Hey, hey, hey, hey. Geh doch zu ihr. Augen zu. Dann siehst du nur diese eine. Halt sie fest und lass deinen Drachen steigen. Ja. Klar, ne.

00:49:09: Thomas Oh ja. Und dann fällt mir Roland Kaiser ein - und dann hielt ich ihre Jugend in den Händen. Das war ja auch schon ein bisschen.

00:49:15: Martin Ja, war im Westen auch irgendwie.

00:49:17: Marko Ja, und als ein Mann sah ich die Sonne aufgehen. Und es war Sommer.

00:49:21: Martin Ja, genau.

00:49:22: Marko Ums Kopulieren geht es oft, selbst im Schlager.

00:49:25: Thomas Vielleicht sollten wir jetzt mal auf englischsprachige Schlager zu sprechen kommt, gibt es auch einen: Solo Sunny. Und in meinen Zeiteichen habe ich auch noch Olivia Gräse zu Gast. Auch eine Schauspielerin am Thalia Theater erst und dann später auch im Deutschen Theater in Berlin. Und die hat sich für Solo Sunny von Günther Fischer entschieden, aus dem gleichnamigen Film von Herrn Wolf.

00:49:47: O-Ton Olivia Gräser Ich heiße Olivia Gräser, bin Schauspielerin und war elf, als die Wende war. Deshalb ist meine Erinnerung nicht ganz so fortgeschritten. Also meine beste Freundin und ich waren damals im Friedrichstadtpalast und wir waren halt die ganze Zeit so da unterwegs und haben Filme geguckt. Und deswegen habe ich so, als ich dann so versucht habe, mich so zurückzuerinnern, einfach an die Filme gedacht und da fiel mir ein, dass Solo Sunny einfach ein Film war, den wir sehr, sehr gern geguckt haben und die Musik halt auch sehr mochten. Und ob das jetzt nun Schlager ist oder Chanson. Aber dass das so aus dem Bereich kann ich noch speisen und das war uns wichtig und da fühlen wir uns angesprochen oder haben geschwärmt und dachten: Ah, so Sängerin, das Ganze Millieu und - ja. Singt auf Englisch

00:51:27: Marko Auf Englisch tatsächlich - und so etwas wurde dann auch in der DDR produziert?

00:51:32: Thomas Unbedingt. Das ist aus dem Film Solos Sunny von Konrad Wolf. Und da geht es um das eher traurige Leben einer Unterhaltungskünstlerin, die durch die DDR tingelte und auch in Bars aufgetreten ist. Und da hat man dann natürlich auch eher Englisch gesungen. Aber ich habe ja da auch einen Experten befragt, der erklärt uns das viel schöner, was es mit dem Lied auf sich hat.

00:51:55: O-Ton Götz Hintze Weil es war eine Filmmusik von Günter Fischer komponiert und Dora Schütz hat ja nur die Stimme geliehen in dem Film für Renate Krößner, die großartig Schauspielerin. Und die Krößner spielt in dem Film ja eine Bar-Sängerin, die also in Berlin lebt. Und da geht es halt um ihr Leben und die Schwierigkeiten und so - ein toller Film. Und in Bars wurde natürlich auch Englisch gesungen. Und dieser Film sollte natürlich auch einen gewissen internationalen Aspekt haben. Der sollte also auch international laufen, was ja auch passiert ist. Hat ja auch international relativ viel Erfolg gehabt auf diversen Festivals war er auch, und da bietet sich das natürlich an, auch mal englischen Text zu machen.

00:52:30: Thomas Wer war das jetzt? Wen haben wir da gerade gehört?

00:52:33: Thomas Das war Götz Hintze, der war beim DDR Rundfunk ein Dokumentar, ist jetzt beim Deutschlandfunk Kultur auch in der Dokumentationsabteilung und Autor des Rocklexikons der DDR. Ich weiß auch nicht: Immer, wenn ich Götz Hintze sage, muss ich sagen "Autor des Rocklexikons der DDR". Das hat er mir so eingeimpft. Ich habe auch das da stehen. Er hat mir das auch signiert, aber ich musste das von ihm abkaufen, fällt mir gerade ein. Da muss ich irgendeinen falschen Deal abgeschlossen haben.

00:53:05: Martin Der Mann muss ja auch von irgendwas leben.

00:53:07: Thomas Ja, wahrscheinlich. Also Götz Hintze, Autor des Rock-Lexikons der DDR, der aber sich auch ein bisschen mit Schlager auskennt. Und er ist auch in meine Sendung damals gekommen, ins Studio. Seine Bedingung war: Er will aber auf keinen Fall singen. Ja, aber na ja.

00:53:25: O-Ton Götz Hintze Ich bin auch weniger schlageraffin denn rockaffin, aber Thomas hat mit seiner charmanten Art und Weise mich dazu gebracht, mich als Experten für DDR Schlager hier zu präsentieren, was ich hoffentlich einigermaßen auch hinkriege. Ich bin 61 geboren, ich habe seit Schulzeiten, seit 1978, genauer gesagt eine Band, eine Coverband. Und wir haben jetzt vor drei Wochen unser 40-jähriges gefeiert.

00:53:50: Thomas Ja welche DDR Schlager covert ihr da?

00:53:53: O-Ton Götz Hintze Das kann ich dir sagen, wir covern Nina Hagen den Farbfilm. Ja, der Hammer, das ist das erfolgreichste Ding in unseren Tanzabenden. Weil du da nicht singen brauchst, das macht dann das Publikum. Und dann haben wir mal "Am Fenster" gemacht, ein paar Puhdys-Sachen und so, die aber dann eher in diese Rock-Richtung gehen. Aber mit Schlager habe ich eigentlich bisschen weniger am Hut, eher mit in der damaligen Zeit - ich bin auch groß geworden: Meine Mutter war Chanson-Sängerin in der DDR, Anna-Maria Fischer Und da ist man halt auch mit dieser Szene sehr eng verwachsen. Das hat sich einfach so ergeben und dann durch den DDR Rundfunk halt auch.

00:54:26: Thomas Was sind denn da so die ersten DDR Schlager-Erinnerungen, die die hat man ja, wenn man da aufgewachsen ist. Man hat es ja mitgekriegt, ob man wollte oder nicht.

00:54:33: O-Ton Götz Hintze Meine erste Platte habe ich mir 72 kaufen lassen von meinem Stiefvater. Das war ne Frank Schöbel-LP, weiß gar nicht mehr wie die hieß und weil er hat da einen Text geschrieben auf der Platte, und da hat er mir die dann sozusagen überlassen. Schöbel fand ich immer gut. Und ich fand auch, ich war also bestimmt, jetzt fällt es mir wieder ein - Ende der 60er Jahre, also mit 7 / 8 / 9 / 10 Jahren fand ich Schlagher schon toll. Also Andreas Holm, Thomas Glück und diese, diese ganzen in der ersten Reihe stehenden Interpreten, die fand ich schon ziemlich großartig, hat sich dann aber schnell durch den Einfluss meiner Cousins in Plauen, die ein bisschen älter war als ich, geändert. Dann kam also dann dieses Jahre Deep Purple, LED Zeppelin und da fühle ich mich heute noch weitaus wohler als im deutschen DDR-Schlager.

00:55:16: Thomas Ja, das war also Götz Hintze, der mir da eine Menge erzählt hat. Und interessant ist ja, die DDR hatte, glaube ich, eine relativ hohe Orchester-, auch Theaterdichte. Und als Kulturschaffender, wie das damals hieß, hatte man auch ein ganz gutes Auskommen, wenn man denn nicht zu widersprüchlich sich zur offiziellen Politik verhalten hat.

00:55:36: O-Ton Götz Hintze Beengt wie es in der DDR war und und die Widersprüche, die auch in der Kulturszene waren, aber die hatten halt ihr ja ihr Nest in diesem Land und konnten dann sozusagen sich eben unter diesen Bedingungen, die geherrscht haben, sich eben entfalten. Und die Konkurrenzsituation war halt eine andere als im freien Markt und die konnten sich mehr ausprobieren. Der kommerzielle Aspekt stand nicht so im Vordergrund. Ihre Auftritte, mit denen Sie Geld verdienten hatten sie alle. Die sind von Allweg bis nach Zittau getourt, die haben jedes Kulturhaus mitgenommen. Ob das Schlagersänger waren oder Bands, Rockbands und so und haben ihr Geld bekommen und denen ging es blendend. Selbst Amateurbands ging es sehr gut.

00:56:11: Martin Also das heißt, wenn man sich mit den Verhältnissen arrangiert hat und sich nicht allzu aufmüpfig und rebellisch verhalten hat, konnte man in der DDR als Musiker ja ganz gut leben.

00:56:22: Thomas Das hat funktioniert, weil ja auch die internationale Konkurrenz jetzt nicht so präsent war bei Liveauftritten. Es war ja immer eher eine finanzielle Frage, wenn Westkünstler eingeladen wurden. Das passierte zwar auch, aber die kam dann eher in die großen Fernsehsendungen und die tourten dann nicht durch die DDR oder selten. Aber der Bedarf an Musik, Livemusik war ja viel, viel größer. Und da hat man die Leute aus dem Westen nicht so eingeladen. Das hatte natürlich Kostengründe, weil das hätte ja Valuta, wie das hieß, gekostet, also sprich D- Mark. Manchmal wurden die auch eher mit Meißner Porzellan bezahlt als als mit. Geld

00:57:04: Martin Tatsächlich, ist das so gewesen, ja.

00:57:04: Thomas Ja, ja, die Geschichten sind überliefert. Und deswegen hatten aber erst mal die eigentlichen DDR Künstler gute Chancen. Wobei natürlich jeder in der DDR trotzdem die Sehnsucht hatte, da mal Nana Mouskouri oder Adamo oder Roland Kaiser live zu sehen. Das war ja dann etwas schwieriger möglich. Wobei die dann halt auch mal im Kessel Buntes aufgetreten sind, so am Ende. Meistens - wenn die Stargäste dann kommen.

00:57:30: Martin So, jetzt wollen wir natürlich mal von deinem Zeitzeichen-Chor auch was wirklich hören. Also du hast uns ja versprochen, die haben zusammen gesungen. Was haben Sie denn gesungen?

00:57:40: Thomas Na ja, den Text, das hat doch jetzt jeder nun wirklich schon erkannt. Es geht um das schöne Lied von Nina Hagen, den Farbfilm. Und der Chor hat sich dann so zusammengefunden.

00:57:51: Zeitzeichen-Chor singt "Du hast den Farbfilm vergessen" Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee. Micha, mein Micha und alles tat so weht. Dass die Kaninchen scheu schauten aus dem Bau, so laut entlud sich mein Lied ins Himmelblau.

00:58:10: O-Ton Olivia Gräser Jetzt geht's ja hier weiter. Nun sitz ich wieder.

00:58:14: Männerstimme I Hier geht erst der Refrain los. Ist ja furchtbar.

00:58:17: O-Ton Olivia Gräser Ja, weil es kommt die zweite Strophe.

00:58:19: Männerstimme I Tu das noch einmal, Micha Und ich geh - Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael. Nun glaubt uns kein Mensch wie schön es hier war. Du hast den Farbfilm vergessen, bei meiner Seel, Alles schwarz und weiß und grün und blau ...

00:58:46: Marko Neee - nur grau und schwarz, nicht blau und grün. Die sind überhaupt nicht textfest, deine DDR-Leute. Das können wir hier besser. Alles schwarz und grau oder so, aber doch nicht blau und grün und gelb - das ist doch Quatsch.

00:58:58: Thomas Ja, das ist halt gut improvisiert.

00:59:00: Marko Na ja, gut. Also. Na gut. Also, man muss.

00:59:03: Thomas Das war halt wirklich nicht vorbereitet. Ich habe versucht, die Leute spontan dazu zu animieren. Also das ist ja auch mal, sonst hätte ich ja die Texte vorher verteilt. Das wär doch langweilig gewesen.

00:59:14: Marko Das wäre langweilig gewesen. Also das mit diesen beiden Liedern von Karat habe ich mittlerweile geklärt. Ich habe auch da wieder verschiedene Dinge zusammen komponiert. Das Lied mit der Katze heißt "Jede Stunde".

00:59:26: Thomas Ah.

00:59:27: Marko Die kommt nur kurz vor die Katze.

00:59:29: Martin Die sagt dir was.

00:59:31: Thomas Ja. Jede Stunde kennt man - aber eine Katze. Und ich denke bei Katzen an eine Katze, aber nicht an jede Stunde.

00:59:38: Marko Ja, warte mal, ich wollte dir diese Zeile nicht vorenthalten. Die Zeit, sie wartet nicht. Sie gräbt sich ein in mein Gesicht, mit jeder neuen Stunde. Ich lieb die alte Katze, die still und heimlich lacht, denn sie kennt alle Wege. Ja, diese Zeile kommt drin vor.

00:59:54: Thomas Einmal auch. Jede Stunde kommt als Refrain.

00:59:57: Marko Ja, aber ich habe mir die Katze gemerkt, ist dann nun mal so, aber ich habe es verbunden mit einem zweiten Lied. Das nennt sich "Der blaue Planet". Das ist in der Tat ein Anti-Atomkriegslied.

01:00:07: Thomas Ja, natürlich, So hieß ja auch eine LP. LP, sagte man im Osten. Im Westen sagte man LP glaube ich - "Die blaue Stunde" von Karat.

01:00:17: Marko So, jetzt musst du uns aber noch mal sagen, welche Lieder wären denn doch so aus deiner DDRsozialisierten Sicht für uns Westler? Was würdest du uns denn noch empfehlen? Was sollen wir uns dann unbedingt noch mal aus dem DDR Schlagerschatz anhören?

01:00:31: Thomas Also eines haben wir gar nicht erwähnt, das kennt ihr aber glaube ich bestimmt Sing, my Sachse, sing!

01:00:37: Martin Ach du lieber Gott! Ja, ja.

01:00:39: Thomas Ja, ja, Das ist nicht ganz unberechtigt. Das haben, glaube ich, diese fünf.

01:00:42: Marko Kenn ich nicht.

01:00:44: Martin Sing, my Sachse, sing... so in der Richtung. Hab ich das jetzt gerade richtig aus dem Kopf. So?

01:00:50: Thomas Ja, Ja, ja, ja, das. Das stammt ja von einem Kabarettisten. Und im Westen wurde das von diesen fünf, fünf Zwillinge, sagt man nicht - Fünflingen - mit dem Pudel? Die fünf Pudel haben das damals nachgesungen.

01:01:00: Martin Also nicht die Puhdys, sondern die Pudel.

01:01:02: Thomas Die Pudel, die fünf Geschwisters. Schwestern.

01:01:09: Marko Die fünf Geschwisters?

01:01:10: Thomas Ja. Die immer mit Pudels aufgetreten sind. Sagt mal, guckt ihr kein Fernsehen?

01:01:15: Marko Nee.

01:01:17: Martin Mit Pudeln aufgetreten. Die Kessler Zwillinge. Aber das sind nicht fünf, das sind zwei.

01:01:23: Thomas Die Kessler waren groß und blond, die aber eher klein und mit Pudel.

01:01:27: Martin Also es ist. Man merkt wieder bei diesem Podcast, Vorbereitung ist alles.

01:01:30: Marko Moment, Moment mal, es gibt die Jakobs-Sisters.

01:01:32: Thomas Ja!

01:01:34: Marko Das sind aber - wenn ich das hier richtig sehe - nur drei und den Hund sehe ich auch nicht.

01:01:38: Thomas Es waren ja auch drei Hunde und es waren eigentlich auch vier und das war hochkompliziert. Ich glaube, die haben einen eigenen Chor gebildet, die Jacob Sisters und. Aber Ursprung dieses Liedes ist in der DDR. Jürgen Hart, ein Kabarettist war das aus Leipzig, und für ihn hat Arndt Bause dieses Lied komponiert. Arndt Bause. Bause - der Name kommt euch bekannt vor. Inka Bause, die Moderatorin von - das ist die Tochter, die auch mal gesungen hat. Und Arndt Bause war in der DDR noch mal ein Dieter Bohlen der DDR bei. Weil der hat alles komponiert, was es da so gegeben hat und hat auch für Frank Schöbel ne Menge geschrieben und eins.

01:02:25: Martin Und du meinst, das wäre prototypisch für den DDR Schlager.

01:02:30: Thomas Das würde ich so nicht sagen, aber das ist eine, die man wie erwähnt haben sollte.

01:02:35: Marko Gibt es in denn einen, der dir wirklich auch gefallen hat, wenn du sagen würdest ein Schlager, wo du sagst das finde ich richtig schön?

01:02:41: Thomas Ja, das gibt einen, denn kennt, glaube ich, auch aus der DDR keiner, eben von Jürgen Hart. Da gibt es eine Langspielplatte, also so eine schwarze so, der heißt "Was wird sein"? Also was wird sein, wenn die Rosen einmal nicht mehr blühen? Also so ein schönes Weltende-Lied. Und da gibt es den schönen Refrain "Der alte Hauptbahnhof-Toiletten-Mann weiß genau, dass man nichts retten kann. Ein Leben lang hat ja für Groschen nur gewühlt. Ein Leben lang hat er sein Glück - Achtung, Wortspiel - verspühlt. Nach diesem Leben ohne Rast und Ruh tritt er nun zum letzten Mal die Spülung zu? Das ist, glaub ich so ein leicht ironisierender Schlager, der jetzt auch nicht so groß. Er passt auch nicht zum Optimismus der DDR. Deswegen hat der es glaube ich nur auf die Langspielplatte geschafft. Aber ins Radio nach meiner Erinnerung nicht so häufig.

01:03:32: Martin Aber Herr Klug und der Toilettenmann wissen über das Ende der Welt Bescheid jetzt offensichtlich.

01:03:38: Marko Und ihr da draußen auch wenn es euch gefallen hat, dann.

01:03:43: Marko Sagt es bitte allen Schlagerfans, allen Rockfans, auch allen Popfans und überhaupt den Punkleuten auch.

01:03:53: Marko ...und Schlagersternchen und wer auch immer da in Frage kommt, dass er Spaß an diesem Thema haben könnte.

01:03:59: Martin Und wenn es euch nicht gefallen hat, dann...

01:04:02: Marko Sagt es uns aber wirklich bitte nur uns - unter.

01:04:09: Martin www.diegeschichtsmacher.de. Da findet ihr alle Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten. Viele Folgen dieser Podcast Reihe.

01:04:16: Thomas Ich fall euch ja ungern ins Wort, aber ihr zwingt mich ja dazu. Die Schlagerrevue, das war ja die längste Hitparade der Welt, des Universums. Wie auch immer. Und Heinz Quermann, der Moderator, hat ja pro Folge immer erzählt, in welcher Folge er sich da gerade befindet und es ist weit im vierstelligen Bereich. Und ich glaube, bis dahin müsst ihr noch ein bisschen arbeiten.

01:04:36: O-Ton Heinz Quermann Herzlich willkommen zur 255 sten Sendung. Hallo liebe Schlagerrevue-Freunde, recht herzlich willkommen zur 1201 Folge ...in der 1128. Folge Nummer 1128. Folge.

01:04:50: Martin Ich glaube, da brauchen wir noch ein bisschen was, bis wir dahin kommen.

01:04:52: Marko Ich glaube, wir sind bei ungefähr bei 60.

01:04:53: Martin 60, so was um den Dreh.

01:04:56: Thomas Da habt ihr ja ein Ziel vor den Augen...

01:04:58: Marko Ja, haben wir, aber. Aber was ist aus Heinz Quermann geworden?

01:05:01: Thomas Der ist 2003 dann gestorben.

01:05:08: Marko Ich glaube, das war Heinz Quermann.

01:05:10: Thomas Ich glaube, das war Heinz Quermann.

01:05:12: Martin Ich glaube es auch...

01:05:13: Marko Heinz Quermann, der hat sich aber hier...

01:05:15: Martin Hier ist gerade Eindämmelement zur akustischen Dämmung von der Wand gefallen. In dem Augenblick, wo du "gestorben" gesagt hast. Ja, ist ja nicht zu fassen.

01:05:23: Thomas Ich glaube, ich glaube, das war Heinz Quermann,

01:05:25: Martin Der hat uns zugehört.:

01:05:26: Marko Der hat uns aus dem Schlagerhimmel noch einmal gesagt: Achtung!

01:05:30: Thomas Es war ein freundlicher Gruß. Ich Ich glaube nicht, dass es kritisch gemeint war.

01:05:39: Abschluss - Radio DDR Radio DDR brachte für Sie

01:05:41: danken fehlt [0.0s]

01:05:47: Martin Thomas Klug Vielen Dank, dass du da warst.

01:05:50: Thomas Danke, dass ich da sein durfte.

01:05:51: Radio DDR Die Schlagerrevue.

01:05:54: Martin Und uns gibt es in zwei Wochen wieder. Bis dahin sagen wir: Winke winke mit Heinz Quermann.

Kommentare (1)

Ludwig

Ein toller unterhaltsamer Einblick in unsere nationale Geschichte, unsere bewegte Kulturhistorie und unterschiedlichen Erfahrungen. Thomas Klugs unvermittelt trockener Humor bringt mich zudem immer sehr zum Lachen. Danke

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