Amerika wird unabhängig - Teil 1

Shownotes

Sie klingt so schön und ist doch nur ein leeres Versprechen: Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung verkündet am 4. Juli 1776 feierlich, dass alle Menschen dieselben Rechte hätten - nur gelten die weder für Besitzlose, Schwarze, die amerikanischen Ureinwohner und lange auch nicht für Frauen. Es dauerte Jahrhunderte, bis der universalistische Anspruch zumindest teilweise umgesetzt wurde, den die Gründerväter der USA mit großer Geste formuliert hatten.

In diesem Podcast über die Geschichte der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung erklärt Matthias Wurms in drei Folgen seinen Kollegen Martin Herzog und Marko Rösseler, wie es weißen Männern über Jahrhunderte gelang, ihr Versprechen nicht einzulösen.

In Teil 1 geht es von der Landnahme der ersten Siedler bis zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Ihr werdet erfahren, wie ein blutiger Zufall die ersten schwarzen Sklaven nach Nordamerika verschlug. Wie ein Krieg durch eine Schneeballschlacht ausgelöst werden kann. Und wie eine Armee aus entflohenen Sklaven und unterdrückten Indianern lieber an der Seite englischer Truppen kämpft als sich zum Teil dieses Landes machen zu lassen, das Gleichheit nur für weiße Männer mit Besitz kennt.

Teil 2 dieser Gechichtsmacher-Folge findet Ihr hier: Weiße Herren, schwarze Sklaven

Und Teil 3 hier: Vom Bürgerkrieg bis heute - gleiche Rechte nur ein Traum?

Wichtige Links zu dieser Sendung: Hier entlang geht es zum Podcast des WDR-Zeitzeichens, das Matthias Wurms über die Unabhängigkeitserklärung der Amerikaner gemacht hat: 4.7.1776 - Die Unabhängigkeitserklärung der USA wird verabschiedet.

Kurz gesprochen haben wir auch über das Zeitzeichen zum Todestag von Pocahontas, das Marko Rösseler gebaut hat: 21.3.1617 - Der Todestag der Häuptlingstochter Pocahontas.

Als Experte zum Thema kommt in diesem Podcast Michael Hochgeschwender zu Wort, Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig Maximilians Universität in München.

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Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher: Unabhängigkeit der USA, Teil 1

00:00:00: Martin liest Zitat We hold these truth to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.

00:00:16: Marko liest Übersetzung Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden. Worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.

00:00:31: Marko So beginnt sie: die amerikanische Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776.

00:00:39: Martin liest Zitat Und die klingt ja erst mal nicht ganz schlecht. Also Leben, Freiheit, Bestreben nach Glückseligkeit. Und wie wir alle wissen, ist das in den Vereinigten Staaten von Amerika heute alles Realität.

00:00:51: Marko Oder, Matthias?

00:00:52: Matthias Hmm. Ich weiß nicht so recht. Wenn ich gucke auf jetzt Black Lives Matter Bewegung, auf White Supremacy, also die neue Weißen-Rechte-Bewegung, die unter Trump erstarkt ist. Ist vielleicht noch nicht realisiert in den letzten 248 Jahren.

00:01:09: Marko Herzlich willkommen bei...

00:01:10: Intro Die Geschichtsmacher. Von Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:01:27: Marko Wenn wir heute über Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit reden, dann haben wir den richtigen Gast hier: Matthias Wurms.

00:01:35: Martin Herzlich Willkommen!

00:01:35: Matthias Ja, ich freue mich sehr, dass ich hier bin. Ich bin ein bisschen aufgeregt, muss ich zugeben.

00:01:39: Marko Wir aber auch.

00:01:39: Matthias Das ist schön.

00:01:40: Marko Das ist vollkommen normal.

00:01:42: Matthias Wenn es um Freiheit, Leben und Glückseligkeit geht, darf man auch ein bißchen aufgeregt sein.

00:01:45: Marko Jeder, der die Geschichtsmacher kennt, weiß: Wir laden Autoren, Autorinnen ein, die über ihr Zeitzeichen erzählen. Das Zeitzeichen ist eine Sendung des Westdeutschen Rundfunks. Wir aber sind nicht der WDR. Das möchte ich noch mal hier sagen.

00:02:00: Martin Das hier ist ein Privatprojekt, das wir beiden hier betreiben. Und wir freuen uns natürlich, wenn unsere Zeitzeichen-Kollegen uns dabei unterstützen. Wir kriegen ja mittlerweile sogar Zuschriften, die sagen: Toll, dass ihr das macht. Dafür zahlen wir gern unsere Rundfunkgebühr. Das finden wir natürlich super. Nur das ist ein Missverständnis. Hierfür zahlt ihr keine Rundfunkgebühren.

00:02:21: Marko Umso wichtiger ist, dass ihr uns Sternchen gebt, dass ihr uns bewertet, dass ihr Kommentare schreibt. Das hilft uns, dass wir eine größere Reichweite bekommen und vielleicht eines Tages sogar mit diesem Podcast ein bisschen Geld verdienen. Wer weiß es? Aber im Moment ist das noch nicht der Fall. Macht aber nix, wir machen trotzdem weiter.

00:02:38: Matthias Das ist schön.

00:02:40: Marko Matthias, du hast dein Zeitzeichen gemacht über die amerikanische Unabhängigkeitserklärung.

00:02:45: Matthias Genau.

00:02:45: Marko Da warst du bestimmt nicht der Erste.

00:02:46: Matthias Genau, das war auch mein Gedanke. Ich war nicht der Erste, also habe ich versucht, einen besonderen Zugang zu finden. Und als ich diese ersten Zeilen gelesen habe, habe ich mir mich eben gefragt: Ist das eigentlich die Wirklichkeit in den USA? Sind da - also natürlich sind alle Menschen gleich erschaffen, aber haben sie auch die gleichen Rechte? Und wenn wir auf die Realität gucken in den USA - mir war ziemlich schnell klar: Nein, das ist nicht so, da kämpfen vor allem Schwarze, aber auch Indigene, seit Hunderten inzwischen um genau diese gleichen Rechte. Und ich bin dann ziemlich schnell bei der Recherche auf eine, finde ich, sehr spannende Rede gefunden, die mir das noch mal bestätigt hat. Und zwar war das ein schwarzer Bürgerrechtler im 19. Jahrhundert schon, der hat 1852 eine Rede gehalten. Frederick Douglass heißt er. Und der Titel ist: What to the American Slave, is your 4th of July?

00:03:35: Marko 4. Juli, Tag der Unabhängigkeitserklärung.

00:03:37: Matthias Genau, höchster Feiertag bis heute. Vor allem für die Weißen, behaupte ich jetzt mal. Und Frederick Douglass hat dann Folgendes gesagt - wir lesen es mal gleich auf Deutsch, glaube ich. Willst Du - Martin, willst du mal vorlesen.

00:03:52: Martin What to the American slave is your 4th. of July. Also auf Deutsch: Was ist dem amerikanischen Sklaven euer vierter Juli? Also mit Betonung auf euer. Es ist der Tag, der ihm mehr als alle anderen Tage des Jahres das Unrecht und die Grausamkeit offenbart, deren andauerndes Opfer er ist. Dem Sklaven sind eure Feiern ein Hohn. Eure Freiheit nichts als Zügellosigkeit. Euer Nationalstolz eitler Dünkel. Eure Freude ist ihm herzlos, eure Gebete und Hymnen, eure Ansprachen und Dankfeste nichts als Bombast, Betrug, Täuschung, Unaufrichtigkeit. In übler Barbarei und schamloser Scheinheiligkeit steht Amerika an vorderster Stelle.

00:04:38: Matthias Schon krass.

00:04:39: Martin Das ist.

00:04:39: Matthias Das ist mal auf den Punkt gebracht.

00:04:41: Marko Aber das ist 1852, damals gab es die Sklaverei noch...

00:04:45: Matthias Ja, damals gab es die Sklaverei noch. Aber damals gab es eben auch schon 80 Jahre diese Unabhängigkeitserklärung mit der Präambel, die wir gerade gehört haben, mit diesen Worten: Alle Menschen sind gleich erschaffen und haben die gleichen Rechte. So also bin ich auf diese Rede gestoßen, hab gedacht, da bohr ich jetzt mal tiefer nach. Wie ist es eigentlich den amerikanischen Ureinwohnern, wie ist es den Schwarzen ergangen, auch den Frauen? Alle waren am Anfang nicht so richtig mitgemeint und.

00:05:11: Martin All men are created equal - da ist von Frau nicht die Rede. Aber im Englischen ist das halt so zweischneidig.

00:05:15: Matthias Aber das ist spannend die Übersetzung - ist mir auch aufgefallen. Da kann man schnell drauf kommen, dass nur Männer gemeint sind, wenn man es denn auch so ausdrückt. Trotzdem war natürlich, wenn wir noch mal gucken 1776 diese Erklärung extrem fortschrittlich. Das war vor der Französischen Revolution, wo wir alle - vielleicht nicht alle - aber viele wissen, da gab es eine universale Erklärung der Menschenrechte. Also das war im Grunde die erste offizielle Erklärung, die in einem Dokument auftauchte, die solche Rechte beschrieben hat.

00:05:42: Marko Es wird ja auch immer wieder, wenn es um Aufklärung geht, als das Beispiel genommen, wie der aufgeklärte Mensch sich eine neue Verfassung gibt oder eine neue, eine neue Idee dann einen Staat bestimmen soll.

00:05:51: Matthias Und um so einen neuen Staat geht es ja auch im Grunde. Also wir reden ja hier von der Gründung eines neuen Staates. Und insofern passt das zusammen. Aber vielleicht müssen wir da auch mal gucken, was waren das für Leute, die diesen neuen Staat gegründet haben. Also...

00:06:04: Marko ...die Gründerväter.

00:06:04: Matthias ...dIe Gründerväter, die ersten Siedler, die ersten Kolonisten, englischen Kolonisten in Nordamerika. Das waren nämlich tatsächlich - also viele waren aus religiösen Gründen ausgewandert.

00:06:14: Martin Die Puritaner...

00:06:16: Matthias Ganz genau. Also im Grunde schon auch Freidenkeredenfalls, jedenfalls gemessen an dem, wo sie herkamen. Ja, die Puritaner haben ja auch gesagt, diese übergeordnete Kirche, die von oben alles bestimmt, das wollen wir nicht. Wir wollen unsere eigenen kleinen Communities haben. Die sagen - also wir haben schon die Bibel als das Wort Gottes - aber wir wollen uns selbst organisieren. Da fängt es ja schon an.

00:06:38: Martin Also wir springen noch mal zurück. Also wir waren bei der Unabhängigkeitserklärung 17...

00:06:44: Matthias ...76.

00:06:46: Martin 1776. Und wir springen noch mal 170 Jahre zurück, Anfang des 17. Jahrhunderts, wo es diese Puritaner gibt. Das ist ja nun auch dieser Gründungsmythos. Die Pilgerväter machen sich auf von einem unterdrückten Staat, der vorschreiben will, wie man zu leben hat und auch die eigene Religion auszuleben hat. Und deswegen sucht man an den Gestaden der amerikanischen Ostküste eine neue Heimat.

00:07:14: Matthias Der neuen Welt. Genau. Und sehr spannend ist also: Viele kennen die Geschichte der Mayflower, eben diese Pilgerväter, die dann 1620, also tatsächlich 150 Jahre vor der Unabhängigkeitserklärung in Nordamerika landen. Und die haben sich nämlich auch schon einen ersten Vertrag gegeben, wo sie bestimmen, wie sie zusammenleben wollen. So, der König war weit weg, die anglikanische Kirche war weit weg, also niemand, der ihnen da vor Ort hätte sagen können, wo es langgeht. Also haben sie sich überlegt wir müssen das selber organisieren. Und dann gab es diesen Vertrag, den wir vielleicht auch, also ich weiß ja über den wörtlich mal vorlesen soll. Aber das ist von der Sprache her natürlich ganz spannend, wie die sich ausdrücken. Also erst mal fangen Sie an, schon noch mal zu sagen, wie sehr Sie sich als getreue Untertanen unseres ehrfurchtgebietenden, souveränen Herrschers König Jakob, König von Großbritannien, verstehen. Dann aber kommt dieser Text, wo Sie dann selber sagen, wie wir das machen wollen Willst du mir vorlesen, Marko?

00:08:13: Marko liest Im Namen Gottes, Amen. Wir, die wir unseren Namen hier runtergesetzt haben, die getreuen Untertanen unseres ehrfurchtgebietenen, souveränen Herrschers, König Jakob mit der Gnade Gottes, König von Großbritannien, Frankreich und Irland, Verteidiger des Glaubens etc..

00:08:32: Martin König Jakob, Das war wer?

00:08:35: Marko James. Der Erste. James.

00:08:39: Martin Schotte, ne?

00:08:40: Marko Schotte. Und wie war denn das noch mal?

00:08:45: Martin Hattest du da nicht mal ein Zeitzeichen drüber gemacht?

00:08:47: Marko Nee, nee.

00:08:49: Matthias Wir schweifen ab.

00:08:51: Martin Aber der war es. James!

00:08:53: Marko James.

00:08:54: Matthias Jakob.

00:08:55: Markol liest Nach der Gott zum Ruhme und zur Förderung des christlichen Glaubens sowie der Ehre unseres Königs und Landes durchgeführten Fahrt, um die erste Kolonie in den nördlichen Gegenden Virginias zu gründen, verpflichten uns durch diese Anwesenden feierlich und wechselseitig vor Gott und voreinander und vereinigen uns gemeinsam in einer bürgerlich geordneten Gesellschaft mit dem Zweck, uns besser zu organisieren, zu schützen und die vorgenannten Ziele zu fördern und vermöge hieraus solche gerechte und gleiche Gesetze, Verordnungen, Erlasse, Verfassungen und Ämter zu verabschieden, begründen und abzufassen. Dies von Zeit zu Zeit, so wie es am angemessensten und günstigsten für das Gemeinwohl der Kolonie scheint. Hierunter versprechen wir, uns pflichtgemäß zu unterwerfen und zu gehorchen. Cape Cod. Anno Domini 1620.

00:09:52: Matthias Da ist schon die Rede von bürgerlich geordneter Gesellschaft, von Verfassungen erlassen. Das finde ich spannend, dass die schon mit solchen Gedanken da rüber gefahren sind.

00:10:01: Martin Aber der erste Absatz bekundet die Loyalität zum König.

00:10:05: Matthias Ganz genau. Das zieht sich.

00:10:06: Martin Das wirkt ja erst mal komisch.

00:10:08: Matthias Ja, das stimmt. Wobei man sagen muss, Die Engländer hatten ja schon auch ein Parlament. Also so ganz fremd war es denen vielleicht nicht, beides unter einen Hut zu bringen. Und tatsächlich, es widersprach sich, glaube ich, nicht, dem König weiter Untertan zu sein, aber trotzdem zu sagen: Wir besiedeln jetzt hier eine neue Welt und wir organisieren uns. Aber ich finde es trotzdem spannend, dass sie schon von bürgerlichen Rechten sprechen und von einer eigenen Verfassung. Also da ist schon so eine Art Grundstein oder so ein - wie sagt man? Wie nennt man das denn?

00:10:36: Martin Ein Samenkorn.

00:10:37: Matthias Ein Samenkorn. Danke. Genau.

00:10:38: Marko Das sind die, die alle auf einem Schiff ankommen, dieser Mayflower.

00:10:41: Matthias Ganz genau.

00:10:41: Matthias Das sind die.

00:10:42: Marko Sozusagen die erste Schub?

00:10:44: Matthias Ja, es gab einige andere Kolonien schon - James-Town. Also die ersten waren gescheitert. Viele hatten Probleme, aber das war. Das ist die, auf der dieser Gründungsmythos der USA ein bisschen beruht. Das sind diese Pilgerväter mit der Mayflower, die dann da landen und in Virginia tatsächlich auch es schaffen zu überleben, was ja für die ersten gar nicht so einfach war.

00:11:02: Marko Ja, ja, darüber habe ich mal ein Zeitzeichen gemacht, in der Tat. Über Pocahontas nämlich, die ja dann eine Indianer-Tochter war und das war eine sehr, sehr schmutzige Geschichte. Wir kennen das ja nur in der Disneyverfilmung, wo es dann eine Liebesgeschichte gibt zwischen einem der ersten Siedler und dieser Pocahontas. In Wahrheit war das so eine Dreckelichkeit. Es wurde vergewaltigt, es wurde...

00:11:25: Matthias Gemordet.

00:11:25: Marko Es wurde gemordet. Es wurde da dieses James-Town gegründet in Virginia. Die haben den ersten Winter kaum überlebt. Es war ein riesengroßer Scheiß, um es auf den Punkt zu bringen.

00:11:33: Matthias Genau, darüber reden wir jetzt hier auch. Und darüber reden wir jetzt hier auch. Also, wenn sie schlau waren die ersten Siedler, haben Sie sich tatsächlich von den Indianern, von den Ureinwohnern was abgeguckt. Nämlich wie man da Mais anbaut, beispielsweise. Die haben oft ja auch Vorräte von den Ureinwohnern gefunden und gesagt: Oh, cool, dass es das hier gibt. Maisvorräte, damit können wir überleben. Und trotzdem. Dann kam der erste Winter, und die kamen im Winter sogar an und mussten diesen Winter überleben. Und dann waren im nächsten Frühjahr war nur noch 1/3 übrig. Das muss man sich vorstellen. Also da sind von.

00:12:03: Marko Bis hin zum Kannibalismus, dass sie sich gegenseitig gegessen haben.

00:12:06: Matthias Ganz genau. Also es waren wirklich harte Zeiten. Es brauchte also auch wirklich harte Leute, die das auf sich genommen haben und dann damit auch zurecht kamen.

00:12:15: Martin Und trotzdem setzt man sich dann hin zusammen und entwirft dann so einen Text, der ja nun so auch von so theoretischen Konzepten, Bürgerrechte und und so etwas getragen ist. Also offensichtlich hat man da das Bedürfnis gesehen, sich dann eben auch so zu organisieren und das auch schriftlich niederzulegen.

00:12:30: Matthias Offensichtlich ja. Vielleicht hatte man auch Angst, wenn wir jetzt uns auch noch untereinander bekriegen, weil wir keine richtige Ordnung in unser, unsere Gesellschaft, in unser Zusammenleben bekommen, dann es ja noch schwieriger. Die haben auch Anführer gewählt. Ja, nicht bestimmt, weil einer der größte war oder der Gläubigste, sondern die haben die gewählt. Aber sie haben eben bei all diesen positiven Aspekten, die wir jetzt hervorheben, auch sich als schon mal als besser gefühlt als die Ureinwohner. Also was du auch gerade erzählt hast, Pocahontas und Morde. Also die haben von denen profitiert, das haben sie womöglich auch anerkannt. Aber dass die, die jetzt als edle Wilde auf gleicher Stufe oder.

00:13:07: Marko Das kommt später, dass die Amerikaner diesen Gründungsmythos verbinden mit: Da kommen diese Siedler und die verbünden sich sozusagen mit den Indianern, diese edle Wilde Pocahontas.

00:13:16: Matthias Und kommt noch mal. Das spielt auch genau in dieser Unabhängigkeitsbewegung spielt das tatsächlich später eine Rolle. Aber erst mal war es oft auch ein Kampf auf Leben und Tod also. Und es ging in der Regel von den Siedlern aus, weil die auch mit den Gepflogenheiten der Indianer oft gar nicht zurechtkamen und vielleicht auch sich missverstanden haben und so also und.

00:13:37: Martin Die sind ja auch an der Ostküste angekommen und brauchten Land. Also so gesehen. Also die, die sind erst mal da rein und haben geguckt, was können wir denn hier in Besitz nehmen? Und das war dann erst mal unsers.

00:13:47: Matthias Ja genau. Und dann kommt dann jemand und sagt: Aber das war bisher unseres. Und ja, natürlich gab es dann relativ schnell Konflikte, klar. Und man muss auch sagen und das kennen wir auch von den spanischen Eroberern in Lateinamerika, also die haben sich schon überlegen gefühlt.

00:14:04: Marko Man fühlte sich zivilisatorisch überlegen. Schließlich kann man ja auch aus einem Land, in dem es richtige Städte gab. Schon allein das Erscheinen der Mayflower muss eigentlich unter diesen, in deren Augen ja wilden Indianern für Entsetzen gesorgt haben, weil das ist ja Hightech Schiff. Also für den Vergleich.

00:14:23: Martin Die Nussschalen, ja...

00:14:25: Marko Wenn man es jetzt mit Kanus vergleicht oder so etwas.

00:14:26: Martin Und aber auch natürlich religiöses Überlegenheitsgefühl, denn das waren ja Wilde, die an irgendwelche Naturgötter geglaubt haben. Und man kommt dann natürlich als Puritaner auch mit dem wahren Glauben an.

00:14:36: Matthias Das ist wohl wahr.

00:14:37: Marko Ja, und da sind wir, vielleicht sind wir da schon an so einem Punkt, wo man sagt: Okay, wir müssen mal definieren, was ein Mensch ist. Weil wenn wir allen Menschen die Freiheit und Gleichheit versprechen, dann müssen wir ja sagen okay, der Indianer ist ein Mensch.

00:14:50: Matthias Ja, wir können da schon mal was andeuten. Die Sache ist, dass der Engländer und das waren ja nun Engländer in erster Linie, die kamen, gar keinen... so einen Menschheitsbegriff hatte. Also der Engländer hat von Bürgern gesprochen, beispielsweise, und die Bürger hatten auch gewisse Rechte, Aber mit so einem Bürger war dann immer verbunden einer, der Besitz hatte, der was besessen hat. Und es war nicht so universalistisch: Alle Menschen sind gleich. Das konnte der Engländer eigentlich gar nicht so richtig denken, weil er diesen Begriff, den gab es für den gar nicht so. Das haben später die Franzosen anders gemacht. Da kommen wir noch drauf zu sprechen. Aber es ging immer um Besitz. Das wird nachher noch deutlicher. Und das ist natürlich ein Problem, weil die Ureinwohner hatten jetzt keinen persönlichen Besitz, die hatten Gemeinschaftsbesitz, das war, die haben das gemeinschaftsich bewirtschaftet und dann geerntet und gegessen. Und das war wunderbar. Die Engländer kamen dann aber mit dem Begriff von: "Das gehört mir und das gehört dir. Und wenn ich was von dir haben will, dann muss ich es dir abkaufen. Und solange wir alle Besitz haben, sind wir auch, sind wir Bürger und sind in deren Sinne, sind dann Menschen - aber vorher nicht.

00:15:56: Martin Und das Land gehört natürlich uns.

00:15:59: Matthias Weil wir es jetzt besetzt haben.

00:16:00: Martin Weil wir es besetzt haben - God's own country, Das ist ja dann der Begriff.

00:16:04: Matthias Und weil der König uns auch geschickt hat und gesagt hat, Ihr dürft das da. Das ist, das ist jetzt euer Land, geht da hin.

00:16:10: Marko Was, glaube ich, eine Rolle spielt, ist auch diese Fähigkeit, Land zu kultivieren, Ackerbau zu betreiben.

00:16:16: Matthias Das konnten die Ureinwohner ja auch.

00:16:18: Marko Also ja, aber haben dann die wirklich großflächig irgendwie Land abgesteckt, genutzt, urbar gemacht?

00:16:25: Matthias Die haben so viel genutzt wie sie gebraucht haben, Aber das haben sie schon. Ja, ja, die hatten ihre Felder.

00:16:30: Martin Also gerade an der Ostküste...

00:16:32: Martin Da gab es auch so etwas wie Dörfer. Also die Indianer haben nicht, wie man sich das so von Karl May vorstellt, in Tipis gehaust und sind über die Prärie geritten und haben Bisons gejagt. Das gab es auch, war aber eben dann weiter im Westen. Da waren die aber noch nicht zu dem Zeitpunkt. Und im Osten hatte man Dörfer und eben auch Ackerbau und Viehzucht. Das gab es schon...

00:16:54: Marko Jetzt sprechen wir von Indianern. Dürfen wir das überhaupt? Ist das okay? Ist das... ehm...

00:17:01: Martin Die Forschung - also zumindest in Deutschland - spricht die Forschung heute immer noch von Indianern und zwar deswegen, weil es hier einen anderen, eine andere Tradition gibt. Karl May, muss man einfach sagen. Der Indianer ist hier von einem von anderen Ideen begleitet als das in den Vereinigten Staaten der Fall ist.

00:17:21: Matthias Ja, wobei das Indianerbild von Karl May wollen wir jetzt nicht vornehmen...

00:17:26: Martin Nein, aber die Situation, dass der Indianer an sich ja kein Untermensch ist, das ist eine sehr deutsche Vorstellung, und deswegen ist der Indianer-Begriff eben in Deutschland auch nicht so besetzt, wie es in den USA der Fall ist. Also ich habe auch ein paar Beiträge gemacht über Indianer in Kanada, in den USA. Ich habe auch mit Indianern gesprochen und unisono haben die mir versichert: Uns interessiert, wie uns die Amerikaner oder die Kanadier nennen, wie ihr Europäer uns nennt, wie ihr Deutschen uns nennt. Das ist uns relativ wurscht.

00:17:59: Matthias Da ist jetzt aber spannend. Es gibt ja das American Indian Movement - also die Unabhängigkeits- oder die Freiheitsbewegung der Indianer - hat sich auch selbst so genannt. Jetzt kam dann auch noch Native Americans dazu. Ich finde, wenn wir einverstanden sind, können wir ja im Zweifel wechseln. Ich kann auch mal Indianer sagen.

00:18:18: Marko Man muss aber drüber reden.

00:18:19: Matthias Darf ja man darf keinem, finde ich, auf die Füße treten. Also wenn wenn die nicht Indianer genannt werden wollen, würde ich sagen, dann ist das so.

00:18:23: Martin Aber da fängt das Problem schon an: Die Indianer, die gibt es ja sowieso nicht.

00:18:28: Marko Eben drum, genau.

00:18:28: Martin Es gibt tausende von unterschiedlichen Stämmen, Nationen, sagt man heute - ja genau. Auch da ist wahrscheinlich nicht einheitlich, wer wo wie genannt werden will. Also das Problem bleibt bestehen. Egal wie wir uns jetzt verständigen, wie wir das jetzt weiter benennen wollen. Ich glaube aber ganz ehrlich, so wie ich es mitbekommen habe, ist das denen relativ wurscht, wie wir in Deutschland sie benennen.

00:18:54: Matthias Gut. So! Jedenfalls haben wir den ersten Konflikt schon beschrieben zwischen Weißen und Ureinwohnern, Indianern und der Frage: Sind die eigentlich gleich? Und jetzt kommt nämlich was - und das war auch schon 1619, das ist ein Jahr vor diesem Mayflower-Vertrag kommt ein Schiff in Virginia an mit 20 Sklaven an Bord. Wie kommen die da hin? Das war ein Freibeuter- Schiff. Der hat ein portugiesisches Schiffe in der Karibik aufgebracht. Und diese 20 Sklaven. Wie soll man sagen.

00:19:28: Marko Die waren da drauf. Das war Beute...

00:19:29: Matthias Ja, die waren da drauf, das war Beute. Und dann ist dieses englische Schiff nach Virginia gefahren, weil das der nächste Hafen war für die. Oder Anlegestelle - Hafen wäre noch zu viel gesagt und gesagt hier...

00:19:42: Marko Könnt ihr haben.

00:19:45: Matthias Könnt ihr haben.

00:19:46: Marko Ja, das klingt sehr zynisch, aber da sind so 20 Menschen eingepfercht in diesem Schiffsbauch, die dieses portugiesische Schiff eigentlich wahrscheinlich für Mittel- oder Südamerika haben wollte.

00:19:56: Matthias Oder die Karibik, ja. Ja, also gut, ein portugiesische Schiff wäre eher nach Brasilien gefahren. Wahrscheinlich. Aber ja, genau. Der Sklavenhandel florierte ja schon über den Atlantik. Da wurde Zucker angebaut, da wurde Zuckerrohr in der Karibik mit angebaut. So, jetzt kommen diese. Das sind die ersten Sklaven, die tatsächlich nach Nordamerika...

00:20:11: Martin Also quasi per Zufall...

00:20:12: Matthias Per Zufall. Aber was machen die? Die nehmen die. Und immerhin, das ist dann das erste Dokument, was man dazu findet, ist dann schon wieder ein bisschen später, nämlich 50 Jahre später, 1669. Ja, jetzt sind wir in einer anderen Kolonie, in Carolina.

00:20:27: Marko Das liegt wo?

00:20:28: Matthias An der Ostküste nach wie vor aber etwas südlich von Virginia. Und da gibt es acht Eigentümer, das muss man auch vielleicht bedenken. Also oft waren diese Kolonien auch Privatbesitz. Da haben die sich Rechte erkauft beim König für Land und haben dann gesagt jetzt versuchen wir das auszubeuten und schicken Leute dahin, die dann da was anbauen.

00:20:48: Marko Und Carolina gehört acht Leuten?

00:20:52: Matthias Carolina gehörte 1669 acht Leuten, acht Investoren, wenn man so will, die dann die Kolonisten da hin geschickt haben, damit die da Plantagen anlegen oder was auch immer, vielleicht Gold finden. Das war ja alles noch unerforscht. Das war ja noch riesig Land, wo man gar nicht wusste, was vielleicht alles rauszuholen ist. Und man hatte diese großen Geschichten von Silber- und Goldfunden in Lateinamerika - da hat man natürlich gehofft, dass man das da auch findet.

00:21:16: Marko Klar.

00:21:17: Martin Kommt mir der Mond gerade in den Kopf, weil da wird es momentan ja auch so betrieben. Da sind auch Privatfirmen unterwegs, um sich da Land zu sichern, wo du sagtest unerforscht und unbekannt. Das ist sozusagen der nächste Schritt, wo es dann auch mit Privatleuten, Herr Musk und Konsorten auf Landeroberung geht, um da Naturschätze auszubeuten.

00:21:40: Matthias War damals auch schon so.

00:21:40: Marko Ob in 20 Jahren der Mond durch acht Leute geteilt wird. Damals war es auf jeden Fall so: Carolina gehört acht Leuten und die beschließen jetzt, dass sie gerne Sklaven hätten?

00:21:50: Matthias Genau, die haben dazu tatsächlich ein schriftliches Dokument angelegt. Ja, wie auch da, wie es darum geht, die Kolonie zu organisieren. Und darin steht in Artikel 110: Jeder Siedler, jeder freie Siedler hat das Recht, schwarze Menschen zu versklaven. Also wörtlich heißt es da auf Englisch Every Freeman of Carolina shall have absolut power and authority over his negro slaves. Jeder freie Mann von Carolina soll das absolute Recht haben und die Macht haben, über seine schwarzen Sklaven zu herrschen.

00:22:24: Marko Interessant eigentlich. Weiße Sklaven spielen nicht mit.

00:22:28: Matthias Nein. Nein.

00:22:30: Marko Warum eigentlich nicht? Also, weil er der Sklave an sich. Weiß ich nicht. Sklaverei ist nicht abgeschafft. Warum Schwarze?

00:22:37: Matthias Weil es schwarze Sklaven gab, aber keine weißen. Tatsächlich. Ist eine interessante Frage. Aber spielen weiße Sklaven überhaupt eine Rolle?

00:22:47: Marko Nicht mehr in der Zeit. Also im Römischen Reich hast du natürlich lauter weiße Sklaven. Jeder Germane, der gefangen wird, ist ein römischer Sklave am Ende, klar.

00:22:59: Matthias Aber diese neuzeitlichen, nenne ich jetzt mal Sklaven, das waren immer Schwarze, die kamen aus diesem Dreieckshandel, ja. Neue Welt.

00:23:09: Marko Das ist so. Seit wann ist es so? Ich weiß es nicht, ich habe keine Ahnung.

00:23:15: Martin Da weiß ich jetzt auch nicht.

00:23:18: Matthias Ich habe mich auch gefragt, ob die das nicht zufällig als Methode entdeckt haben, als sie dann auch nach Afrika gefahren sind, die ersten Forschenden und auch Eroberer und festgestellt haben: Mensch, die halten sich ja Sklaven. Also es gab ja in Afrika Sklavenhalter-Staaten und Sklavenhändler.

00:23:34: Martin So weit ich weiß, waren die Araber auch ganz groß darin im Sklavenhandel, auch vor allen Dingen Schwarzer auf dem afrikanischen Kontinent. Also das ist da ja sehr hin und her gegangen. Also auch Schwarze, die natürlich schwarze Sklaven gehalten haben und die dann verkauft haben. Wahrscheinlich gab es eben da den Vorrat, sage ich jetzt mal zynisch, an schwarzen Menschen, auf den man zugreifen konnte. Weiße eher weniger.

00:23:57: Marko So oder so, es ist interessant, dass in diesem Gesetz steht: Jeder hat das Recht, schwarze Sklaven zu halten.

00:24:04: Matthias Ja, genau.

00:24:05: Martin Jeder freie Mann und wer frei war, war auch klar.

00:24:08: Matthias Der, der was besessen hat. Ja, also vermutlich gab es auch unter den Siedlern um diese Zeit schon, weil es war ja schon eine Weile unterwegs mit der Besiedelung der neuen Kolonien, auch welche, die jetzt nicht so viel hatten, die da rüber kamen, sich als Tagelöhner verdingt haben. Aber jeder freie Mann durfte schwarze Sklaven halten und auch über die bestimmen. So. Also da war das schon praktisch in dieser Fundamental Constitutions of South Carolina, also die Art Verfassung, die sich Carolina gegeben hat, verankert.

00:24:37: Martin Klingt jetzt nicht so sehr nach Aufklärung und Menschen- und universale Rechte und so weiter. Also das, was in der Zeit ja aber eigentlich auch schon aufkam.

00:24:45: Matthias Genau. Und interessanterweise ist das mit verfasst von John Locke.

00:24:50: Martin Also der große Aufklärer.

00:24:52: Matthias Großer Aufklärer, ja, der auch zum Vordenker dieser Unabhängigkeitsbewegung wird, aber für den das offenbar überhaupt kein Widerspruch ist, weil er das Menschsein und das Freisein mit Besitz verbindet. Und dazu gehörte offenbar auch der Besitz von anderen Menschen. Und die waren dann eben nicht frei und die gehörten auch nicht dazu. Ja, der lässt sich sogar dafür, dass er hilft, diese Verfassung mit auszuarbeiten, mit Anteilen von einer Sklaven- Handelsgesellschaften bezahlen. Also so viel zu John Locke und dem großen Aufklärer und fortschrittlichen Menschen.

00:25:24: Martin Also sein Lohn für das Verfassen dieser Gesetze über das Sklavenhalten waren Anteile an einer Sklavenhaltergesellschaft.

00:25:31: Matthias Ja. Also insofern war das früh verankert. Es gab Sklaven in den neuen Kolonien, nicht in allen, aber in Carolina in diesem Fall. Und es gab freie weiße Siedler und es gab unfreie Schwarze. Also da war schon mal nicht jeder gleich zu gleich.

00:25:50: Marko Zugleich sind diese neu entstandenen Länder immer noch letztendlich eine Art Kolonie von Großbritannien?

00:25:57: Matthias Kolonien - im Plural muss man das unbedingt sagen, weil die waren extrem unterschiedlich. Also das war wirklich. Wir haben ja gesehen, das sind acht Besitzer, denen Carolina gehört. Wieder andere waren in Virginia und hatten da Besitz. Und dann gab es William Penn, der Pennsylvania gegründet hat, der das praktisch - das war sein Land, das hat er gekauft. Und dann hat er da.

00:26:17: Marko Deswegen Pennsylvania...

00:26:19: Matthias Ganz genau. Also man muss wirklich von 13 Kolonien sprechen, die völlig unterschiedlich waren und die auch sich abgegrenzt haben voneinander.

00:26:28: Marko Die aber alle zu England noch gehören?

00:26:30: Matthias Die gehören alle noch zu England.

00:26:32: Marko Also bis zur Unabhängigkeit dauert es noch ein bisschen.

00:26:34: Matthias Absolut. Ja. Wo sind wir jetzt? Mitte des 18. Jahrhunderts. 1750 Jahre. Da passiert in Europa was, was die Geschichte Amerikas extrem beeinflussen wird. Und zwar ist es im Grunde der erste Weltkrieg.

00:26:51: Martin Was?

00:26:51: Matthias Wir reden vom 7-jährigen Krieg.

00:26:53: Martin Okay.

00:26:54: Matthias Ja, 1756 bis 1763. Und der spielt eben auch in Nordamerika, weil eben in Europa, Frankreich und England verfeindet sind und gegeneinander kämpfen. Nun hatten die Franzosen in Nordamerika ja auch Kolonien. Heutige Kanada, Provinz Quebec, und Louisiana. Also Frankreich war stark vertreten in Nordamerika und die Kämpfe fanden auch da statt. Also französische Soldaten, englische Soldaten, unterstützt jeweils von bestimmten Indianervölkern, die sich Vorteile versprochen haben und unterstützt eben auch von Kolonisten. Also da war Krieg. Die englischen Kolonisten kämpften auch für England. Und um das ein bisschen abzukürzen, es dauert sieben Jahre, aber am Ende gewinnt England diesen Krieg, gewinnt auch die französischen Besitzungen in Nordamerika, weitet also das Kolonialreich enorm aus. Ja, ganz Louisiana ist nicht der heutige Bundesstaat Louisiana war praktisch alles westlich in einem Streifen von mehreren 100 Kilometern, von den englischen Kolonien bis hoch nach Kanada plus dann der Osten Kanadas, was ungefähr heute die Provinz Quebec ist. War plötzlich alles im Besitz der englischen Krone. Aber die Krone war pleite in England. Krieg hat viel Geld gekostet, und das musste jetzt irgendwie wieder rein. Und weil gleichzeitig die Konflikte mit den Ureinwohnern zugenommen haben und die Siedler gesagt haben: Wir müssen hier mehr, wir brauchen hier mehr Soldaten, wir brauchen Hilfe, sonst...

00:28:23: Marko Das heißt, wir brauchen Geld.

00:28:25: Matthias Wir brauchen Geld und so. Aber die Krone hat tatsächlich Soldaten hingeschickt, obwohl sie kein Geld hatte, und hat einfach gesagt: Ja, aber wenn ihr schon Schutz wollt von uns, dann müsst ihr jetzt auch mal mehr Steuern zahlen. Und dazu muss man wissen: Bisher haben die so gut wie keine Steuern gezahlt.

00:28:39: Marko Die hatten ja noch genug Probleme.

00:28:41: Matthias Ja, das kann man so sehen. Das Ding ist nur, dieses Steuerthema wird jetzt ein Riesen-Aufreger in den Kolonien. So, nun kennen wir das auch von uns - selbst wenn man ganz wenig Steuern zahlt, ist man über jede Steuererhöhung aufgeregt.

00:28:56: Marko Tja.

00:28:56: Matthias Ja oder jede Subventionskürzung...

00:28:59: Martin Fallen euch da aktuelle Beispiele ein? Mir nicht. Ich wüsste gar nicht, was das sein könnte. Aber gut.

00:29:04: Matthias Aber jetzt kommt der englische König und erhebt Steuern für Zucker. Auch für Dokumente. Es gab den Stamp Act - ein Stempelgesetz. Also immer wenn ein offizieller Stempel unter ein Dokument kam, musste man dafür Steuern zahlen in den Kolonien.

00:29:17: Marko Kostet das Geld...

00:29:18: Matthias Kennen wir heute auch - aber damals war das neu. So, jetzt muss man trotzdem sagen: Im Mutterland, also in England, haben die Menschen im Schnitt 50 mal so viel Steuern gezahlt wie selbst mit den neuen Gesetzen in den Kolonien. Und trotzdem fanden die das völlig unangebracht.

00:29:34: Martin Was war das Argument? Also wir kommen ja da eher aus der Geisteshaltung. Ja, es gibt da einen Staat und der baut Straßen und betreibt Kindergärten und weiß der liebe Himmel was nicht alles Abfall und keine Ahnung, Verteidigung, Sicherheit. Und so weiter und so fort. Und dafür müssen Steuern gezahlt werden.

00:29:52: Matthias Daran muss sich jeder beteiligen.

00:29:53: Martin Genau. Und die haben es aber offensichtlich sehr anders gesehen.

00:29:56: Matthias Ja der große Unterschied ist: Wir können ja selbst mitbestimmen, indem wir wählen und entscheiden, wen wir wählen und wo diese Steuern hingehen und wem wir diese Gelder anvertrauen. Das konnten die nicht. Das Parlament in London hat diese Steuern beschlossen und verhängt und die Kolonisten durften da nicht mitwählen. Und das wurde dann zum großen Schlachtruf der Kolonisten No taxation without representation.

00:30:21: Marko Das heißt, wenn wir nicht wählen dürfen, dann zahlen wir auch nicht.

00:30:25: Matthias Genau. Keine Besteuerung ohne Vertretung oder Repräsentation. So, und dann gab es die ersten kleineren Aufstände. Um das auch ein bisschen abzukürzen, müssen wir die jetzt nicht alle aufzählen. Aber es rumorte, es rumorte in den Kolonien. Immer wieder haben sich kleine Gruppen gebildet, die gesagt haben: Das geht so nicht.

00:30:41: Marko Für die blöden Engländer zahlen wir hier Steuern.

00:30:43: Matthias Genau. Und da wächst jetzt noch keine große Unabhängigkeitsbewegung. Aber es tun sich Bürger zusammen und sagen: Das geht so nicht und wir müssen was unternehmen. Und das richtete sich allerdings immer eher gegen das Parlament als gegen den König.

00:30:57: Martin Ja, du sagtest gerade, für die Engländer zahlen wir Steuern. Das ist ja, glaube ich, gar nicht der Punkt. Die haben sich, glaube ich, schon noch auch als Engländer gesehen, oder?

00:31:04: Matthias Ja, ja. Und sie fühlen sich auch immer noch als Untertanen des Königs.

00:31:09: Marko Sie sind ja sozusagen Kolonie. Also das englische Mutterland. Das müssen wir sozusagen hier bezahlen. Das kann man vielleicht nachvollziehen.

00:31:17: Matthias Ja, es ist so ein bisschen zweischneidig. Sie sind schon noch Untertan des Königs. Aber Sie fühlten sich schon auch als Bewohner der Neuen Welt. Ja, so ein bisschen freier. Und wir haben ja hier auch was geleistet, und wir haben das mit aufgebaut. Und jetzt, jetzt kommt ihr, wo es hier gerade ein bisschen läuft und wollt hier unser Geld abgreifen. Und wir können noch nicht mal darüber mitbestimmen. Das hat schon eine Rolle gespielt und vielleicht ist es auch vielen ein Begriff, dass dann diese Tea Parties aufkam. Tea Party, Deshalb Tee Parties.

00:31:45: Martin Boston Tea Party. Da haben wir in der Schule irgendwann mal gehabt.

00:31:48: Matthias Ja, absolut. Genau. Die ist auch die größte Tea Party und heute auch wieder ein Begriff, weil sich ganz konservative Republikaner in den USA danach benannt haben, eine Bewegung noch mal gegründet haben. Da ging es darum, es gab ein Teegesetz und da mussten die Engländer die Kolonisten Steuern zahlen auf Tee. Und dann haben die aber angefangen, lieber geschmuggelten holländischen Tee aus der Karibik zu trinken...

00:32:11: Marko Weil der billiger war?

00:32:13: Matthias Der war dann billiger. So. Und also lange Rede kurzer Sinn: Dieser Tee war den Kolonisten ein Dorn im Auge, der da aus England kam. Und dann sind am 16. Dezember 1773 - und jetzt nähern wir uns schon so langsam der Unabhängigkeitserklärung. Ja, ist eine Gruppe Widerständler in den Hafen eingedrungen. Bostoner Bürger - also, wie man heute annimmt, eher gutsituierte Bürger - verkleidet als Indianer.

00:32:42: Martin Warum das? Weiß man das?

00:32:43: Matthias Das ist eine Form, heute würde man sagen kultureller Aneignung gewesen. Ja, tatsächlich. Also es ging nicht darum, sich zu tarnen oder unerkannt zu bleiben, weil zum Teil hat man sich nur eine Feder ins Haar gesteckt und dann ein Beil geschwungen, als wäre es ein Tomahawk. Und es ging auch nicht darum, den Indianern das in die Schuhe zu schieben, dass die das jetzt gemacht hätten, sondern es ging darum, dass die Ureinwohner, die Indianer - und jetzt kommen wir zu dem, was wir schon mal angedeutet hatten, diese freien Wilden, dass die das Symbol waren für die neue Welt. Und dass in diesem Moment sich diese Kolonisten im Grunde fühlen wollten als Bewohner der neuen Welt. Und das...

00:33:23: Marko Das ist, das ist ja verrückt. Man führt auf der einen Seite natürlich Krieg gegen diese Indianer, weil man ihnen das Land wegnimmt.

00:33:29: Matthias Ganz genau.

00:33:30: Marko Aber man verkleidet sich als Indianer, weil man diesen Indianern als eine Art edler Wilder, der sich die Freiheit jetzt erobert.

00:33:36: Matthias Der hat sie ja schon. Ja, aber genau. Wir erobern uns die jetzt auch so, und dann sind wir Teil dieses Volkes in Nordamerika. Also es ist eben auch eine Abgrenzung von England. Also das fand ich schon...

00:33:49: Marko Schon verrückt...

00:33:49: Matthias Verrückt.

00:33:50: Marko Ein doppeltes Spiel.

00:33:51: Martin Also die schleichen sich jetzt in den Hafen von Boston, als Indianer verkleidet.

00:33:56: Matthias Und dann haben sie drei Schiffe heimlich geentert und die Ladung Tee, die da drauf war, einfach in das Hafenbecken geschmissen. Das war die Boston Tea Party.

00:34:04: Marko Tolle Aktion.

00:34:06: Matthias Na gut, der Tee war vernichtet. Der war ja auch was wert. Das hatte richtig für Aufsehen gesorgt in England. Also, das haben sie geschafft. Ja, da wurde dann im Parlament wild diskutiert und da war die Rede davon, also mindestens diesen Hafen von Boston erst mal zu schließen zur Strafe, damit die da keinen Handel mehr treiben konnten, wenn nicht sogar zu zerstören. Also das wurde alles diskutiert. Insofern war das ein großer Aufreger und das hat auch in den Kolonien für Aufregung gesorgt. Anders rum. Als dann die Drohungen kamen aus England und dann wurden noch ein paar Soldaten geschickt und so, also das hat...

00:34:37: Martin War das schon so geplant als Auftakt einer größeren Bewegung oder war das eher eine spontane Aktion? Uns reicht's und wir kippen jetzt einfach den Tee ins Hafenbecken.

00:34:46: Matthias Ein bisschen mehr Letzteres. Also es war noch keine große Bewegung, aber es gab schon eine Bewegung, immer gegen diese Steuergesetze vorzugehen. Und da war das sagt man, das kann man im Nachhinein dann so sehen, schon ein gewisses Fanal oder jetzt so ein Funke, der das noch mal ein bisschen größer zur Explosion gebracht hat. Aber es ging noch nicht um die Unabhängigkeit.

00:35:05: Marko Noch fühlt man sich als Engländer?

00:35:06: Matthias Noch fühlt man sich als Engländer und fühlt sich immer noch loyal dem König gegenüber. Es geht immer nur gegen dieses Parlament. Was sich da was rausnimmt, was ihm nicht zusteht. Und dann kommt aber - das ist ganz spannend, dann kommen eben wieder diese Aufklärer ins Spiel. Wir haben schon mal von von John Locke gesprochen, ein großer Aufklärer, der eben die Freiheit der Bürger postuliert und eben auch so etwas gesagt hat wie: "Wenn die Regierung nicht gut ist für das Volk, dann hat das Volk das Recht und sogar die Pflicht, sich dagegen zur Wehr zu setzen, also den Tyrannen abzusetzen." Solche Sachen hat er gesagt. Insofern finden wir ihn vielleicht heute auch fortschrittlich. Wir wissen es jetzt mit den Sklaven, so richtig fortschrittlich war er auch nicht. Und ich habe darüber damals, als ich fürs Zeitzeichen recherchiert hab, lange mit Michael Hochgeschwender gesprochen. Der ist Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig Maximilians Universität in München, und der hat mir aber mal erklärt: Wenn man auf John Locke guckt und darauf, wie sich diese Ideen der Aufklärung dann in den Kolonien festgesetzt haben, was da eigentlich dahinter steckt.

00:36:09: O-Ton ( Vor allen Dingen geht es um die Wahrung der Rechte freier Engländer. Dazu kommt dann eine Idee, die tatsächlich revolutionär ist: Volkssouveränität. Dass man sagt, das Parlament, das wir nicht gewählt haben, hat kein Recht, Steuern über uns zu verhängen, weil das Volk der Souverän ist. Da sind die Amerikaner anderer Auffassung. Das ist das wirklich Neue an ihrer Revolution, dass sie sagen: Nein, das Volk - allerdings definiert als Volk weißer Männer - das Volk ist der eigentliche Souverän und hat das Recht, gemäß der Weltanschauung von John Locke, den Monarchen abzusetzen, wenn er zum Tyrannen wird. Das ist das, was die Leute begeistert. Und dann wird das popularisiert durch jemanden wie Thomas Paine. Common Sense, das ist eine der größten, verlogensten Schriften, die jemals geschrieben worden sind. Weil fast alles, was über den britischen König steht, ist falsch. Das hat er sich aus den Fingern gesogen. Das ist einfach Propaganda. Aber das Wichtige, das Positive daran ist diese Idee: Wir sind ein Volk, das eine Mission hat, nämlich Freiheit durch Volkssouveränität zu schützen. Das ist der Kern.

00:37:14: Martin Also es ist eine Propagandaschrift, dieses Common Sense, ganz klar von Thomas Paine. Aber es hat eben auch diese, ja, diese philosophische Unterfütterung.

00:37:24: Matthias Ja, das war eine extrem erfolgreiche Propagandaschrift, muss man sagen. Das hat innerhalb kürzester Zeit hunderttausende Leser gefunden, damals in den Kolonien. Alle sind begeistert draufgesprungen. Da standen so Sätze drin wie: Die Sache Amerikas ist in hohem Maße die Sache der gesamten Menschheit, eine gewisse Überhöhung.

00:37:39: Martin Größer geht es kaum.

00:37:40: Matthias Ja, genau. Aber eben auch ein einziger rechtschaffener Mann ist für die Gesellschaft und in den Augen Gottes mehr wert als all die gekrönten Schurken, die jemals gelebt haben. So, und da ist dann auch zum Ersten Mal so was drin, was sich, na ja, vielleicht doch gegen den englischen König richtet. Und so ein Funke ist dann vielleicht übergesprungen, der dann dahin ging. Mensch, wie wäre das denn, wenn wir uns mal völlig unabhängig machten von den Engländern? Das fing dann da an und dann kommt dazu - und dann sind wir wieder bei unserem zweiten Kernthema: Sklaverei und gleiche Rechte - dass im Mutterland, also in England, es ein Gerichtsurteil gab, wo die Sklaverei im Grunde verboten wurde. Also es galt nicht für die Kolonien, ausdrücklich, aber fürs Mutterland. Und das hat dann wiederum die Südstaaten, also die südlichen Kolonien, wo es eben diese vielen Sklaven gab, weil es da die großen Plantagen gab, hat es mal auf Linie der Revolutionäre gebracht. Bisher, ich habe es ja gesagt, waren die Kolonisten und die Kolonien sich untereinander gar nicht immer grün und hatten völlig verschiedene Voraussetzungen. Und die Südstaaten waren jetzt gar nicht daran interessiert. Die haben Handel getrieben mit England und mit ihrer Baumwolle und Tabak und was sie alles angebaut haben. Die wollten jetzt nicht da Krieg mit England führen. Aber das mit der Sklaverei, das hat sie doch irritiert.

00:39:00: Martin Also man war explizit davon ausgenommen, von der Abschaffung der Sklaverei. Aber die Südstaaten haben sozusagen die Einschläge näher kommen gehört.

00:39:08: Matthias Genauso ist es. Und das hat mir auch Michael Hochgeschwender noch mal so erzählt.

00:39:12: O-Ton Hochgeschwender Man hat zwar ausdrücklich gesagt, die dürfen weiterhin als Ware ein und ausgeführt werden und dann in die Kolonien. Und kein Mensch dachte daran, das abzuschaffen. Nur haben sich dann Leute wie Thomas Jefferson, Patrick Henry, George Washington gesagt: Du liebe Güte, wenn die das mit einem Federstrich abschaffen können im Mutterland, was machen die mit uns, wenn sie gerade mal Lust haben, es bei uns abzuschaffen? Und in England gab es ja eine wachsende abolitionistische Bewegung. Das heißt, nicht völlig aus der Luft gegriffen. Also das war einer der zentralen Punkte neben der Steuerfrage, der dann die eher sehr konservativen Südstaatengranden, die Großgrundbesitzer auf die Linie der Revolution gebracht hat, wo sie dann führend wurden.

00:39:51: Matthias Vielleicht mal kurz: Abolitionismus ist eben diese Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei und die hat tatsächlich in England an Fahrt aufgenommen. Und ja, da war man dann doch nervös in den Sklavenhalter-Südstaaten.

00:40:04: Marko Das ist ja eine interessante Sache. Also man denkt eigentlich, so eine unglaublich fortschrittliche Gesellschaft gibt sich sozusagen eine neue Verfassung und erklärt die Unabhängigkeit und schreibt da rein: Jeder Mensch ist frei, jeder Mann ist frei. Und jetzt merkt man: Es ist genau umgekehrt. Gerade die haben Angst davor, dass die Europäer fortschrittlicher sind als sie. Und um dem zuvorzukommen, erklären sie sich unabhängig. Das heißt.

00:40:31: Matthias Ja, tatsächlich ist das ja eigentlich, das ist das Narrativ ja auch, was wir überall, auch in der Schule lernen und so die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung...

00:40:38: Martin Dieser Universalismus und so haben sie...

00:40:40: Matthias Das, was die da ja der Welt gebracht haben.

00:40:44: Marko Das Land der Freiheit.

00:40:45: Matthias Das waren persönliche Interessen, ganz klar. Das andere persönliche Interesse war eben auch die Landnahme von den Ureinwohnern. Der König, der englische König, hatte 1763, wenn ich mich recht erinnere, verfügt, dass die Grenzen der Kolonien da bleiben, wo sie sind, dass die also nicht weiter nach Westen vordringen.

00:41:01: Marko Warum hat er das getan?

00:41:03: Matthias Weil er Angst hatte vor Indianerkriegen, weil er wollte das nicht, das war ja, der musste ja sowieso schon Truppen da stationieren in den Kolonien, damit da die Siedler auch sicher leben konnten.

00:41:11: Marko Hatte in Europa genug zu tun mit den Franzosen.

00:41:14: Matthias Hatte genug zu tun mit den Franzosen und nach dem Krieg gar kein Geld für so viele Truppen. So - und der hat gesagt: Ihr bleibt mal schön da, wo ihr seid. So. Das Problem ist aber, die wollten gar nicht da bleiben, das wurden ja immer mehr, die brauchten neues Land. Also das ist ein Grundthema. Also im Grunde war die Festschreibung der Sklaverei und die Eroberung des Landes der Ureinwohner waren Treiber dieser Revolution.

00:41:35: Marko So wie du das jetzt erzählst, kommt mir die Gründung Amerikas und die Unabhängigkeitserklärung eigentlich so ein bisschen vor heute wie Geschichtsklitterung, weil, weil ja, also eigentlich habe ich das immer in der Tat so verstanden, dass sich da ein neuer Staat, freiheitliche, völlig revolutionäre, die Menschenwürde in den Mittelpunkt stehende Gesetze gegeben hat oder eine Unabhängigkeitserklärung verfasst hat, die ja allen Menschen Gleichheit und ein Versprechen hingeworfen hat. Und die Wahrheit ist: Es ist genau das Gegenteil der Fall.

00:42:05: Martin Na ja, das tut sie ja schon auch. Die Rhetorik tut das, ja, so ist es ja nicht. Aber das...

00:42:09: Marko Aber es ist ja nicht so gemeint.

00:42:12: Matthias Klitterung ist schon richtig. Also wir erfahren nur die halbe Wahrheit, weil es gab tatsächlich Kolonien, in denen war die Sklaverei verboten. Und das waren einige im Norden, die haben das schon Anfang des 18. Jahrhunderts zum Teil verboten. Haben gesagt: Nein, wir wollen keine Sklaven...

00:42:27: Marko Weil sie keine brauchten - wahrscheinlich.

00:42:28: Matthias Auch, weil sie keine brauchten, aber auch, weil andere Menschen da hingegangen sind. Das hatte schon auch mal mit den Siedlern zu tun, die da ankamen, mit deren Glaubensbekenntnis, mit deren Haltung zu Menschen, zu anderen Menschen. Und tatsächlich aber auch, weil sie keine brauchten. Plantagenwirtschaft war das, wo man Sklaven brauchte, riesige Felder, wo man Tabak anbaute, Baumwolle anbaute - und die gab es im Süden, in den Südstaaten. Aber deswegen: Wir erfahren halt nur die halbe Wahrheit. Für einen Teil der Kolonien spielte das keine Rolle, dass diese Sklaverei bleiben sollte, oder? Aber die hatten diese Steuerfrage und dann hatten sie in den Südstaaten hatten sie aber die Sklavenfrage und in den westlichen Staaten hatten sie eben die Indianer-Frage. Und das hat sie dann alles zusammengeschweißt und haben gesagt: Okay, wir haben alle was, was wir gewinnen können. Lass mal vielleicht mal doch überlegen, ob wir uns unabhängig machen von diesem König, der uns ständig neue Auflagen macht, die wir nicht wollen.

00:43:21: Martin Hat England das zur Kenntnis genommen, was sich da zusammenbraut? Ich meine, die Wege sind ja auch nun lang gewesen, zumal damals, da lag der Atlantik dazwischen und bis mal Informationen da rüber geschifft wurden, wörtlich geschifft wurden, dauerte das ja auch eine Weile.

00:43:36: Matthias Das stimmt. Nein, ganz hingenommen haben die das nicht. Also der Premierminister, Lord North damals, der hat versucht, diese Steuergesetze auch durchzudrücken. Ich habe schon angedeutet, der Hafen von Boston, der wurde dann tatsächlich geschlossen Mitte 1774, und gewisse Freiheiten wurden eingeschränkt. Und dann wurden noch einmal ein paar Soldaten stationiert. Und das war den Siedlern in den Kolonien ein Dorn im Auge. Das hat sich schon hochgeschaukelt. Also die Engländer, namentlich das Parlament und die Regierung unter dem Premierminister - der König war ein bisschen außen vor, der hat sich da gar nicht so groß eingemischt - die haben sich hochgeschaukelt, und da wurde das schon heißer, die Phase. Und dann gab es tatsächlich den ersten sogenannten Kontinentalkongress. Das war kein Parlament, aber eine Versammlung von Vertretern der Kolonien. 13 Kolonien waren es. Vertreter von zwölf Kolonien trafen sich dann. Letztendlich kamen sie alle zusammen - bei diesem ersten Treffen waren nur zwölf dabei, und zwar im Oktober 1774 in Philadelphia. Der erste Kontinentalkongress. Und da ging es dann schon darum zu sagen: Wir müssen was tun, wir müssen uns verteidigen können. Wir müssen eigentlich eine Armee aufstellen. Erst mal war es nicht viel mehr als eine Miliz, muss man sagen. Aber sie nannte sich dann schon Kontinentalarmee.

00:44:54: Marko Gleichzeitig stehen aber jetzt in Boston immer noch, zum Beispiel in diesem Hafen Englische Soldaten?

00:44:59: Matthias Ja, und nicht nur in Boston.

00:45:00: Marko Und da war doch sicherlich die Frage: Zu wem würden die halten am Ende?

00:45:03: Matthias Ja, und da gab es auch Scharmützel und da gab es auch, gerade in Boston gab es tatsächlich den Fall, dass die Bürger von Boston, die gegen diese englischen Soldaten wahrscheinlich demonstrieren wollten, die mit Schneebällen beworfen haben und die dann zurückgeschossen haben. Ich weiß nicht, ob sie sich erschreckt haben oder ob sie in die Luft schießen wollten, oder. Jedenfalls sind mehrere Menschen getötet worden. Also so hat sich das natürlich auch hochgeschaukelt.

00:45:28: Martin Wegen Schneebällen.

00:45:29: Matthias Wegen Schneebällen. Waffen töten - manchmal aus Versehen, manchmal mit Absicht. Jedenfalls führte das dazu - und zwar noch vor der eigentlichen Unabhängigkeitserklärung - dass da tatsächlich ein Krieg ausbrach. Und das war dann schon der amerikanische Unabhängigkeitskrieg - ab April 1775. So, da sind die Engländer nämlich gezielt vorgegangen, haben gesagt, wir müssen hier Munitionslager der Milizen angreifen, die Milizen haben denen Hinterhalt gestellt. Also da gab es dann schon wirklich Gefechte. So, das muss man jetzt nicht sich vorstellen wie ein unfassbar riesiger Krieg, weil so viele Soldaten gab es gar nicht auf beiden Seiten, aber...

00:46:04: Martin Wie viele waren das?

00:46:05: Matthias Ja, also es gab, wenn man sie alle zusammenzählt, hatten die Kolonien so um die 15.000 Mann in Milizen organisiert. Organisiert ist auch schon ein großes Wort. Die hatten Waffen, aber nicht immer wirkliche Anführer und noch keine klaren hierarchischen Strukturen. Die Engländer hatten 30.000 Mann da stationiert - in den ganzen Kolonien, also auch sehr verstreut. Und als der Krieg ausbrach, da mussten sich natürlich auch alle anderen entscheiden: Wo kämpfe ich jetzt mit. So. Die Engländer haben tatsächlich - es gab noch viele loyale Siedler, die haben sich an die Seite der englischen Truppen gestellt, haben gesagt: Nein, wir sind unserem König ergeben und was ihr macht, ist ein Verbrechen. Wir kämpfen mit den Engländern für unseren König. Und was sehr spannend war, war natürlich jetzt die Frage An wen halten sich die Ureinwohner, die ja auch kampfeserprobt waren, viele, das waren wichtige Verbündete. Und an wen halten sich die vielen Sklaven? Es gab auch freie Schwarze und es gab eben auch die Sklaven, wo die im Süden natürlich Angst hatten. Wenn die jetzt rebellieren und wirklich sagen: "Mensch, es ist Krieg und wir schließen uns jetzt - ja wem eigentlich an? Wer verspricht uns eigentlich mehr? Das hat mir auch Michael Hochgeschwender verraten, und zwar für beide Seiten. Vielleicht hören wir erstmal, was er zu den Indianern gesagt hat, wie die sich in diesem Konflikt verhalten haben.

00:47:25: O-Ton Hochgeschwender Man arrangiert sich mit den Engländern und man arrangiert sich mit der Krone. Denn auch das ist den Indianern völlig klar. Die Krone hat ein Interesse an Frieden. Deswegen hat sie ein Interesse daran, dass die Indianergebiete nicht übernommen werden. Die Siedler wiederum haben ein Interesse an Land, Land, Land und noch Land. Und dann sagt man sich: Na ja, Sicherheit garantiert uns nur die Krone. Und das führt dazu, dass eigentlich das Gros der Indianer, wenn sie nicht sowieso sagen wir bleiben neutral, dass das Gros der Indianer sagt: Nein, wir schlagen uns auf die Seite der Krone. Nur die Indianer wiederum, die völlig eingekesselt sind von Siedlern. Die schließen sich dann bevorzugt der Revolution an.

00:48:07: Matthias Weil sie Angst haben, dass sie sonst untergehen.

00:48:10: Marko Das war mir gar nicht klar. Also dass es sozusagen Indianer als Verbündete der englischen Krone gab, wusste ich nicht.

00:48:20: Martin Dafür gibt es die Geschichtsmacher, dass man immer was lernt. Genau. Aber jetzt ist dann natürlich die Frage: Wie haben sich denn die Schwarzen verhalten? Du hast eben gesagt, es gab auch freie Schwarze. Das horcht man ja erst mal auf.

00:48:34: Matthias Ja, es gab freie Schwarze. Ich habe ja schon gesagt: Im Norden war die Sklaverei verboten. Es gab immer wieder Schwarze, die sich freikaufen konnten, weil sie irgendwie die Möglichkeit hatten, Geld zu machen über Geschäfte. Also manchmal war es Glücksfall, manchmal wurden sie freigekauft, freigelassen dann. Also es gab wenige freie Schwarze. Es gab aber ungefähr eine halbe Million schwarze Sklaven zu dieser Zeit in den Südstaaten. Und wie die sich jetzt zu dieser Revolution, zu diesem Aufstand verhalten haben, hat mir auch Michael Hochgeschwender erzählt.

00:49:03: O-Ton Hochgeschwender Bei den Schwarzen muss man dann unterscheiden zwischen den Sklaven und den freien Schwarzen. Wenn es wohlhabende, freie, Schwarze waren, vor allem im Norden, haben die sich durchaus - etwa Rhode Island kann man das schön sehen - haben die sich durchaus auf Seiten der Revolution gestellt. Im Süden war es etwas anders, weil im Süden, Aufgrund der Angst vor Sklavenaufständen wurden freie Schwarze immer gerne als mögliche Kristallisationspunkte von Unruhen gesehen. Und einer der ersten Akte in der Revolution ist es, einen der reichsten freien Schwarzen in South Carolina zu lynchen. Und da versucht sogar noch der britische Gouverneur, den zu retten. Das klappt aber nicht, weil er selber - die hatten ja keine Truppen - also er konnte nichts machen. Die Engländer sehen natürlich, dass im Süden die Schwarzen die Achillesferse ihrer Gegner sind. Und der Kron-Gouverneur von Virginia erklärt dann im Dezember 1775, dass alle Sklaven von Großgrundbesitzern, die sich der Revolution angeschlossen haben, frei seien. Das führt also zu einem unglaublichen Aufschrei. Und die Briten gehen dann sogar noch einen Schritt weiter Sie gründen eine sogenannte äthiopische Legion aus entlaufenen Sklaven, denen sie hinten in den Kragen einsticken: Liberty for all. Was natürlich eine unglaubliche Bösartigkeit ist gegenüber den Amerikanern, die ja gerade unter dem Stichwort der Freiheit in den Unabhängigkeitskrieg gezogen sind. Das heißt, Schwarze wissen sehr wohl, dass da Freiheit winkt. Und tatsächlich wird Georg III. damals von vielen Schwarzen als neuer Moses angesehen.

00:50:33: Matthias Das überrascht euch auch, oder?

00:50:35: Martin Das ist ja komplett irre.

00:50:37: Matthias Georg III. - muss man vielleicht sagen - ist jetzt der englische König.

00:50:41: Martin Mad King George - der wahnsinnige König. So wahnsinnig scheint er ja gar nicht gewesen zu sein.

00:50:46: Matthias Nein, er hatte offenbar, ja aus seiner Sicht sowieso vernünftige Ideen. Aber spannend, dass jetzt die Schwarzen den König als Moses verehren. Als Mensch, der sie in die Freiheit führt, ins gelobte Land. Und aber unter diesen Voraussetzungen fing jetzt dieser Unabhängigkeitskrieg an. Also die Fronten waren klar verteilt. Man könnte denken: Meine Güte, die Siedler sind echt in der Unterzahl. Die Indianer schließen sich dem König an, die Schwarzen im Zweifel schließen sich dem König an, die loyalen Siedler und dann kommt noch die englische Armee dazu. Trotzdem trauen die sich. Also die haben gesagt: Nein, jetzt sind wir schon so weit gekommen, wir wollen jetzt unsere Unabhängigkeit erklären. Und mitten während dieser Krieg eigentlich schon losgeht, trifft sich wieder dieser Kontinentalkongress, diesmal mit allen 13 Kolonien und beschließt tatsächlich diese Unabhängigkeitserklärung, aus der wir ganz am Anfang schon zitiert haben. Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden sind und eben aber auch mit der klaren Erklärung: Wir sind jetzt ein eigener Staat. Vielleicht willst du das mal vorlesen, Martin, die Schlusserklärung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

00:51:55: Martin liest die Unabhängigkeitserklärung In dem wir derohalben die Repräsentanten der Vereinigten Staaten von Amerika im Generalkongress versammlet, uns wegen der Redlichkeit unserer Gesinnung auf den allerhöchsten Richter der Welt berufen, so verkünden wir hiermit feierlich und erklären im Namen und aus Macht der guten Leute dieser Kolonien, dass diese vereinigten Kolonien freie und unabhängige Staaten sind und von Rechtswegen sein sollen, dass sie von aller Pflicht und Treuergebenheit gegen die britische Krone frei und losgesprochen sind, und dass alle politische Verbindung zwischen ihnen und dem Staat von Großbritannien hiermit gänzlich aufgehoben ist und aufgehoben sein soll, und dass als freie und unabhängige Staaten sie volle Macht und Gewalt haben, Krieg zu führen, Frieden zu machen, Allianzen zu schließen, Handlung zu errichten und alles und jedes andere zu tun, was unabhängigen Staaten von Rechtswegen zukämmt.

00:52:59: Martin Also das Tischtuch ist zerschnitten.

00:53:01: Matthias Genau. Und das ist der 4. Juli 1776, der amerikanische Unabhängigkeitstag - in Philadelphia beschlossen, unterzeichnet und zwei Tage später verkündet.

00:53:11: Martin Aber damit ist es nicht zu Ende, sondern es ist ja eher der Anfang des Krieges.

00:53:16: Martin Ganz genau. Und da machen wir dann nächste Woche weiter?

00:53:20: Marko Ja, wenn ihr wissen wollt, wie's weitergeht, dann müsst ihr euch eine Woche gedulden. Und das ist für die Geschichtsmacher sehr, sehr kurz. Denn normalerweise sind wir ja nur alle zwei Wochen zu hören.

00:53:31: Martin Diesmal aber schon geht's nächste Woche weiter mit dem zweiten Teil über die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten und mit dem Kollegen Matthias Wurms, den wir schon mal ganz herzlich danken wollen.

00:53:44: Marko Wenn euch diese Folge der Geschichtsmacher gefallen hat, dann sagt es allen Kolonisten da draußen allen, die die Unabhängigkeit erklären und allen Amerikanern, die nicht wissen wollen, wie ihre Geschichte begonnen hat.

00:53:57: Martin Wenn es euch nicht gefallen hat, dann sagt es uns, aber bitte nur uns.

00:54:03: Marko Unter www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Möglichkeiten, wie ihr mit uns in Kontakt kommen könnt und vor allem noch viele, viele weitere Folgen dieses Podcasts.

00:54:12: Martin Und wir hören uns wieder. Wie gesagt, nächste Woche mit dem Kollegen Matthias Wurms. Bis dahin sagen wir Tschüss.

00:54:19: Matthias Tschüss.

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