Amerika wird unabhängig - Teil 2

Shownotes

Eine Frage spaltet Amerika: Ist es legitim, Sklaven zu halten? Die Unabhängigkeitserklärung behauptet großspurig, alle Menschen hätten in den Vereinigten Staaten von Amerika dieselben Rechte. Die Wahrheit aber ist, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts Großgrundbesitzer noch Millionen schwarzer Menschen als Sklaven halten, das Leben eines Indianers wenig zählt, und Frauen noch Jahrzehnte davon entfernt sind, wenigstens das Wahlrecht zu erhalten.

Wie die noch jungen USA in einen Bürgerkrieg schlittern, bei dem es nur unter anderem um die Abschaffung der Sklaverei geht, das erklärt Matthias Wurms seinen beiden Kollegen Martin Herzog und Marko Rösseler. Dabei könnt ihr in dieser Folge des Podcasts über die Geschichte der Unabhängigkeit Amerikas lernen: Die Partei der Republikaner war mal recht fortschrittlich für ihre Zeit (lange her). Jefferson war nicht nur einer der Gründerväter sondern auch ein ziemlicher Rassist. Und: Einer der beeindruckendsten Bürgerrechtler der USA sah aus wie Karl Marx - nur in Schwarz.

Wichtige Links zu dieser Folge:

Teil 3 dieser Gechichtsmacher-Folge findet Ihr hier: Vom Bürgerkrieg bis heute - gleiche Rechte nur ein Traum?

Aber auch Teil 1 von Amerika wird unabhängig solltet Ihr nicht verpassen…

Hier entlang geht es zum Podcast des WDR-Zeitzeichens, das Matthias Wurms über die Unabhängigkeitserklärung der Amerikaner gemacht hat: 4.7.1776 - Die Unabhängigkeitserklärung der USA wird verabschiedet.

Als Experte zum Thema kommt in diesem Podcast Michael Hochgeschwender zu Wort, Professor für Nordamerikanische Kulturgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

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Transkript anzeigen

Die Geschichtsmacher - Amerika wird unabhängig, Teil 2

00:00:08: Zitat Washington Du darfst mir glauben, meine liebe Percy, dass ich diesen Auftrag nicht gesucht, sondern alles in meiner Macht Stehende getan habe, um ihm zu entgehen. Nicht nur aus mangelnder Bereitschaft, dich und die Familie zu verlassen, sondern auch aus dem Bewusstsein heraus, dass dies die Aufgabe ist, die meine Fähigkeiten übersteigt.

00:00:29: Martin Also sprach der große Held der amerikanischen Unabhängigkeit, George Washington.

00:00:35: Matthias Willkommen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.

00:00:38: Marko Und willkommen bei.

00:00:39: Intro Die Geschichtsmacher. Von den Autorinnen und Autoren des Zeitzeichens.

00:00:55: Martin Ja, schöner Held, dieser Herr Washington. Scheint ja eine ordentliche Flitzpiepe gewesen zu sein.

00:01:02: Matthias Der wird ja erst noch ein Held. Da hat er sich noch nicht richtig getraut, was vielleicht aber auch seinen Fähigkeiten entsprach. Also das müssen wir noch mal klar machen, wann und wo wir uns befinden.

00:01:11: Marko Wir befinden uns kurz nach der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika. Neben uns sitzt Matthias Wurms, der ein Zeitzeichen darüber geschrieben hat und uns in drei Folgen erklären wird, wie Amerika unabhängig wurde und wie es trotzdem nicht "the land of the free" und na ja, vielleicht nur auf dem Papier "God's own country" wurde. Herzlich willkommen!

00:01:35: Matthias Danke. Ich freue mich, hier zu sein.

00:01:36: Martin Beim letzten Mal haben wir über die Vorgeschichte gesprochen, die zur Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten geführt hat, beginnend mit den ersten Siedlern in den 1620er Jahren.

00:01:50: Marko Wir sind auf der Mayflower angekommen.

00:01:52: Martin Genau an der Ostküste der USA.

00:01:54: Marko Virginia.

00:01:55: Martin Und haben ein wenig die Geschichte der 13 bis dahin 13 Kolonien verfolgt, die dann im Laufe des 17. und dann 18. Jahrhunderts immer mehr so ein Brodeln erlebte, sich Unabhängigkeitsbestrebungen immer mehr manifestierten. Aber aus nicht ganz so hehren Gründen, wie wir das immer so denken und in der Schule mal irgendwann gelernt haben.

00:02:19: Marko Was ich gelernt habe, ist, dass Indianer auf der Seite von englischen König gekämpft haben. Was ich gelernt habe, ist, dass man sich unabhängig erklärt hat, weil man die Sklaverei behalten wollte.

00:02:33: Matthias Und weil man nicht Steuern zahlen wollte, über die man nicht selbst mitentscheiden konnte, weil die Kolonisten im englischen Parlament kein Mitspracherecht hatten, kein Stimmrecht.

00:02:42: Marko Warst du eigentlich, als du damals das Zeug dazu gemacht hast, überrascht also mich überraschen einige Dinge.

00:02:47: Matthias Jetzt über diese verschiedenen Rollenverteilung? Ja, auch von Schwarzen - darüber haben wir ja auch gesprochen, dass die Schwarzen im Grunde auch an der Seite des englischen Königs dann im Unabhängigkeitskrieg gekämpft haben und kämpfen werden.

00:03:00: Marko Als Äthiopische Armee?

00:03:01: Matthias Ja, das war natürlich ein geschickter Schachzug, denen sozusagen einen eigenen Namen zu geben, um irgendwie ihnen Anerkennung zu zollen, vom König, das muss man schon sagen. Ja, das hat mich auch sehr überrascht. Ich finde es insofern besonders spannend, weil das ja auch noch mal unser besonderer Zugang ist, hier zu schauen, wie sehr sind eigentlich die Grundrechte, die ja für alle Menschen gelten sollten, laut der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, wie sehr ist das eigentlich wirklich verwirklicht in diesem "Gods own Country", "Land of the Free"? Ja, und wir sind bisher zu der Erkenntnis gekommen So richtig weit her ist es damit nicht.

00:03:32: Martin Also zumindest nicht bis zum Unabhängigkeitskrieg, der nach diversen Scharmützeln dann 1776 mehr ausgebrochen ist.

00:03:42: Matthias Ja, 1775 schon. Also im Grunde vor der eigentlichen Unabhängigkeitserklärung gab es schon die ersten Scharmützel und da war auch schon klar, das ist jetzt hier ein Krieg und die Erklärung selbst hat das dann aber noch mal manifestiert. Wir meinen das ernst. Wir als 13 Kolonien, wir wollen nicht mehr mit England zu tun haben. Wir erklären uns komplett für unabhängig. Hier sind jetzt die Vereinigten Staaten von Amerika und die sind jetzt im Krieg mit England.

00:04:04: Martin Und einer der führenden Köpfe, die dann auch auf dem Schlachtfeld zu Gange sind, ist George Washington, der eingangs zitierte. Der aber offensichtlich das gar nicht so richtig wollte und der zum Jagen getragen werden musste, um gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber wieder dann zu Felde zu ziehen.

00:04:20: Matthias Also George Washington wurde zum Oberbefehlshaber dieser Kontinentalarmee ernannt, was ein bisschen großspurig war, weil eine richtige Armee war es nicht. Es war eine Ansammlung von verschiedenen Milizen der einzelnen Kolonien.

00:04:32: Marko Und ja, kontinental meint, der neue Kontinent, Amerika.

00:04:35: Matthias Der neue Kontinent.

00:04:36: Marko Die amerikanische Armee.

00:04:38: Matthias Genau, das war der Kontinentalkongress, der beschlossen hat, sich für unabhängig zu erklären. Und es war jetzt die Kontinentalarmee, die für diese Unabhängigkeit kämpfen sollte. Und der einzige, der sich da tummelte, der ein bisschen Schlacht-Erfahrung wenigstens hatte, war eben George Washington. Deswegen wurde er einstimmig zum Oberbefehlshaber gewählt.

00:04:57: Matthias Obwohl ern - wie wir es gehört haben - nicht so richtig wollte. Der hat schon Im 7-jährigen Krieg hat er gekämpft für die Engländer, gegen die Franzosen - als Hauptmann damals, hatte sich dafür qualifiziert, weil er Oberst einer Miliz in Virginia war. Von den Engländern war er dann nur noch Hauptmann. Hat sich auch nicht besonders hervorgetan, sag ich jetzt mal, als Stratege oder erfolgreicher Schlachtenlenker, Anführer, er hat einige Schlachten verloren und die Engländer haben ihn dann nach dem Krieg auch nicht in der Armee übernommen. Also sie wollten ihn nicht weiter als Offizier. George Washington, dem ging es trotzdem ganz gut. Er hatte Land und auch Sklaven. Der ist dann wieder ins Privatleben zurück. Aber da wurde er jetzt gerufen und fühlte sich dann offenbar auch verpflichtet, seinem neuen Land zu dienen.

00:05:42: Marko Also warum rufen die so ein Loser?

00:05:47: Martin Weil er der Einäugige unter den Blinden offensichtlich war?

00:05:48: Matthias So ungefähr. Und er hatte tatsächlich ein Problem, dass dieser zusammengewürfelter Haufen, natürlich, der hatte keine Hierarchien. Die waren nicht gewohnt, Befehlen zu folgen. Die konnten keinen Krieg führen. Das hatten die noch nicht. Das haben sie aber dann trotzdem schon zu Anfang relativ erfolgreich gemacht. Und sie hatten und das hat sich bis zum Ende durchgezogen von diesem Unabhängigkeitskrieg den Vorteil, dass sie das Land kannten und dass sie für ein Ideal gekämpft haben. Die englischen Truppen, das hat man ja oft in Kriegen. Mein Gott, da waren viele Söldner dabei, auch viele deutsche Söldner. Die haben halt gegen Geld gekämpft und weil sie mussten. Und die Amerikaner haben für ihr Land, für ihre Heimat, für ihre Familien, für ihre Unabhängigkeit gekämpft.

00:06:29: Martin Das hat auch wettgemacht, dass die so massiv in der Unterzahl waren. Das haben wir auch beim letzten Mal gesagt: 15.000 Milizionäre ungefähr gegen 30.000 englische und alliierte Soldaten, plus die Afroamerikaner, die Schwarzen, die zum Teil auf Seiten der Engländer gekämpft haben. Und die Indianer auch.

00:06:46: Matthias Plus die loyalen Siedler, die es ja auch gab, die dann auch an Seiten des Königs gekämpft haben. Also die waren mindestens doppelt so viele, die aufseiten der Engländer gekämpft haben. Aber das hat das insofern wettgemacht, dass jedenfalls keine Seite wirklich einen Vorteil gewinnen konnte. Es gab hier eine Schlacht und da eine Schlacht, und dann zogen sich die einen zurück und die anderen sind ein bisschen hinterher, aber auch nicht konsequent. Es gab keine entscheidenden Schlachten. Dann muss man zwei Sachen vielleicht hervorheben. Es gab dann einen Deutschen Wilhelm Steuben, ein Preuße, der nach Amerika gekommen ist, und der hat diese Milizionäre ausgebildet.

00:07:18: Marko Den kennt man heute noch durch die Steuben-Parade.

00:07:21: Martin Ja, ganz genau, in New York.

00:07:23: Matthias Der hat tatsächlich aus diesem zusammengewürfelten Haufen schon eine Art von Armee gemacht.

00:07:28: Marko Ein Preuße.

00:07:29: Matthias Ja, das konnten die Preußen. Und das hat schon mal den Amerikanern einen Aufschwung gegeben. Und dann war aber entscheidend wieder, was in Europa passiert ist, nämlich dass Spanien, die Niederlande und vor allem Frankreich die amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer unterstützt haben. Und um das jetzt ein bisschen abzukürzen Es kulminierte dann alles, es lief hinaus auf eine entscheidende Schlacht - jedenfalls im Nachhinein war es dann die entscheidende bei Yorktown, wo die Franzosen 8000 Soldaten an Land gebracht haben, um die Amerikaner zu unterstützen.

00:08:01: Marko Über den Atlantik und dann gleich aufs Schlachtfeld?

00:08:04: Matthias Und eine große französische Flotte hat diesen Hafen von Yorktown auch noch abgeriegelt von See her. Also die Engländer waren da eingekesselt. Und sie haben diese Schlacht verloren und danach kapituliert. Das war die entscheidende Schlacht letztendlich in Yorktown und am 3. September 1783 wird der Frieden von Paris geschlossen. Und das, was die Amerikaner schon in ihrer Unabhängigkeitserklärung stehen haben, nämlich: Wir sind jetzt frei und unabhängig. Das hat dann auch der englische König eingestanden und hat gesagt: Okay, ich entlasse meine Kolonien in die Unabhängigkeit. Macht, was ihr wollt. Doch das war im Grunde jetzt tatsächlich die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Das fanden nicht alle toll. Es gab ungefähr 80.000 Loyalisten, die dann nach Kanada gegangen sind.

00:08:54: Marko Loyal, weil sie dem englischen König gegenüber loyal waren.

00:08:56: Matthias Ganz genau. Die sind nach Kanada gegangen oder nach England. Oder in die Karibik. Kanada war ja noch englische Kolonie. Da haben die Siedler auch versucht, Teile von Kanada zu erobern. Also sie sind da tatsächlich mit Truppen hingezogen.

00:09:08: Martin Die sind einmarschier in Kanada?

00:09:09: Matthias Ja, tatsächlich. Die haben gesagt: Naja nu Gott, wenn wir schon dabei sind. Das ist aber gescheitert. Da sind sie in ein, zwei Schlachten haben sie wirklich verloren, haben dann gesagt: Okay, das ist zu viel, das kriegen wir nicht. In Kanada war noch Englisch, da sind viele hingegangen oder sind eben nach England oder in die Karibik gegangen, zu den englischen Kolonien, die noch da waren. Aber jetzt gab es die USA, und das war auch, wenn auch deutlich kleiner als heute, schon ein richtiges Land. Im Norden war die Grenze von Kanada die Begrenzung, im Süden ging es bis an die Nordgrenze vom heutigen Florida. Da saßen noch die Spanier, aber dazwischen waren eben diese 13 Kolonien. Das ging im Westen bis zu den Appalachen. Also jetzt nicht so weit.

00:09:47: Marko Da ist noch viel Platz im Westen.

00:09:49: Martin Noch viel zu erobern.

00:09:51: Matthias Ja, da ist noch und das wird auch noch eine große Rolle spielen. Aber erst mal sind das jetzt die Vereinigten Staaten von Amerika.

00:09:57: Martin Also 13 Kolonien, die sich zusammengerauft haben, weil es aus unterschiedlichen Interessen, haben wir drüber gesprochen, gegen England ging und gegen die Krone, vor allen Dingen gegen das Parlament. So, und jetzt haben die gewonnen und dann ist Friede, Freude, Eierkuchen? Oder fällt diese Allianz dann auch wieder auseinander? Offensichtlich gibt es ja diesen Staat Vereinigte Staaten von Amerika.

00:10:21: Matthias Ja, das war übrigens ein Begriff. Den hat Thomas Paine, den wir auch aus der ersten Folge kennen, mit seiner Streitschrift Common Sense zum ersten Mal geprägt. Ja, es gibt diese Vereinigten Staaten von Amerika. Aber wie die nun aussehen sollen, da waren sie sich noch völlig uneinig. Vielleicht müssen wir noch einmal zurück. Wir haben ja drüber gesprochen, dass viele Indianer und viele Schwarze an Seiten des Königs gekämpft haben. Die haben ja diesen Krieg verloren. Was passiert mit denen? Viele Schwarze sind - man weiß das aus Erzählungen - dann noch auf die abfahrenden englischen Schiffe, die dann wieder nach Hause fuhren mit ihren Soldaten noch versucht drauf zu springen, um in Freiheit zu gelangen, weil die haben schon geahnt, dass es nicht gut ist.

00:10:57: Marko In diesem gelobten Land Amerika.

00:10:58: Matthias Die habe gegen diese Freiheitskämpfer gekämpft - meine Freiheit ist jetzt nicht gesichert. Wobei es auch Schwarze gab, die für den Norden gekämpft haben, denen man dann auch die Freiheit versprochen hat. Das gab es auch. Also man sagt, insgesamt haben tatsächlich 15 bis 20.000 schwarze Sklaven die Freiheit bekommen nach diesem Unabhängigkeitskrieg. Aber viele wollten eben auch weg, wollten weg aus diesen Vereinigten Staaten von Amerika, weil sie sich da nicht viel Gutes versprochen haben.

00:11:26: Marko Das muss man sich mal vorstellen. Die wollen nach good old Europe.

00:11:32: Matthias Ja.

00:11:34: Marko Weil dieses Land, das die Freiheit ja allen Menschen verspricht, ihre Freiheit nicht meint.

00:11:39: Matthias Genau.

00:11:40: Martin Und die Indianer, die aufseiten des Königs gekämpft haben von England, die haben die A-Karte, kann man sagen, gezogen, weil die können ja nun nicht weg. Es ist ihr Land.

00:11:52: Marko Aber was machen die? Die wollen jetzt nicht nach Europa, oder?

00:11:55: Matthias Nein, die mussten aber damit leben, dass diese Siedler jetzt die Obermacht hatten. Und im Zweifel, wenn die dann gesagt haben, jetzt gebt mal euer Land her, dann waren die einfach auch unterlegen. Das wird nachher noch institutionalisiert, tatsächlich die Vertreibung der Ureinwohner Amerikas, der Native Americans. Im Moment hat man die gelassen und hat ihnen aber gesagt: Hey, haltet mal schön still. Also wir sind jetzt hier die Herren.

00:12:21: Marko Jetzt erinnere ich noch mal an die erste Folge. Die haben wir angefangen mit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Da steht, alle Menschen sind gleich erschaffen. Und die haben alle das Recht, nach Leben, Freiheit und nach Glückseligkeit zu streben. Ja, das passt nicht, oder?

00:12:37: Matthias Nein, das passt nicht. Das passt nicht. Das passt nicht zusammen. Wir haben auch schon drüber gesprochen: Weil aber die Engländer, wenn sie von "alle Menschen" reden, "alle Bürger mit Besitz" meinen. Und die Indianer hatten keinen Individualbesitz jedenfalls, die waren schon mal raus. Sklaven hatten auch keinen Besitz. Die waren Besitz. Also da grenzt es sich eben ein. Und da gab es für die weißen Siedler, also jetzt die Amerikaner, eben aber auch wieder Sinn, wenn sie sagen, alle Menschen sind gleich. Weil die, die sie meinen, sind weiße Männer mit Besitz und die sind auch alle gleich, Die dürfen auch alle wählen, sag ich jetzt mal so voreilig, weil das war jetzt natürlich der große Punkt. Wir haben jetzt zwar ein Staat, wir haben 13 Kolonien, die einen Staat gründen wollen, aber wie organisieren wir den? So. Jetzt ging es darum, diesem Staat eine Verfassung zu geben. Die gab es noch nicht. Es gab diese Erklärung der Unabhängigkeit. Aber jetzt war die entscheidende Frage: Wie organisieren wir diesen Staat? Jetzt muss eine Verfassung her. Und auch da kommt wieder ein Mann ins Spiel, den wir noch gar nicht genug gewürdigt haben eigentlich: Thomas Jefferson. Und Thomas Jefferson war Mitte 30 zu dieser Zeit, also nach dem Krieg ein bisschen älter, aber zurzeit der Unabhängigkeitserklärung, die er fast alleine formuliert hat, Mitte 30, also ein junger Mann eigentlich. Und der schreibt jetzt auch maßgeblich an dieser Verfassung mit. Und da fallen dann auch so Sätze von ihm, ja: "Diejenigen, welche die Erde bebauen, bilden das auserwählte Volk Gottes." Also da ist so, die wollen schon...

00:14:06: Martin Kommt wieder [00:14:06]der [0.0s] Pathos (es heißt "das") rein.

00:14:08: Martin [00:14:08]Der Pathos [0.0s] rein. Und jetzt auch bei der Gründung und bei der Verfassungsdiskussion zeigen: Wir machen das jetzt besser. Jedenfalls für uns. Also für uns weiße, freie Bürger.

00:14:18: Martin War dieser Widerspruch von der universalistischen Sprache: Jeder Mann ist frei geboren. Das, was Marco gerade zitiert hat, aus der Unabhängigkeitserklärung und der Tatsache, dass das ja zum großen Teil auch Sklavenhalter waren, ist denen das bewusst? Sind das Heuchler oder ist das einfach eine komplett andere Denke und dieser universalistische Anspruch hat sich sozusagen da über die Propaganda reingeschlichen?

00:14:44: Matthias Ja, den denken wir jetzt vielleicht so rein, den hatten die, glaube ich, gar nicht, diesen universalistischen Anspruch. Aus deren Sicht war das universalistisch. Weil sie aber eben den Menschbegriff viel enger gefasst haben.

00:14:54: Marko Das heißt, Indianer waren keine Menschen.

00:14:56: Matthias Ja, nicht im Sinne dieser Unabhängigkeitserklärung.

00:14:57: Marko Schwarze waren auch keine Menschen.

00:14:59: Matthias Nein, weil sie hatten ja keinen Besitz. Also Besitz war schon mal das Wichtigste. Und dann haben und weiß waren sie auch nicht. Das war schon auch wichtig.

00:15:06: Marko Ohne Besitz kein Mensch.

00:15:07: Matthias Das war tatsächlich auch die Idee von John Locke und von diesen englischen Aufklärern, die gesagt haben, die haben das immer am Besitz festgemacht, alle Bürgerrechte usw.

00:15:17: Martin Also auf dieser für uns etwas seltsamen Grundlage bauen die nun einen Staat auf? Wir machen das.

00:15:22: Matthias Ja genau. Jetzt merkst du aber wieder, die haben alle verschiedene Interessen. Diese 13 Kolonien. Im Norden waren es Kaufleute, kleine Farmer und im Süden waren es diese Großgrundbesitzer mit vielen Sklaven. Industrie gab es eigentlich nicht, weil die von England verboten war. Die wollten lieber ihre eigenen Sachen nach Amerika verkaufen. Das kam jetzt erst langsam, dass da aus Handwerksbetrieben nach und nach dann auch größere Industriebetriebe wurden. Aber es gab schon damals so eine gewisse Spaltung zwischen Nord und Süd, ja, dass der Norden mehr kleinteilig organisiert war. Und im Süden gab es diese Großgrundbesitzer mit ihren vielen, vielen Sklaven und das musste man jetzt unter einen Hut bringen. Und da merkte man auch schon die Frage: Gibt es jetzt eine starke Zentralregierung oder bleiben wir sehr föderal organisiert? Also haben die 13 einzelnen Kolonien weitgehende Rechte und da ist dann vielleicht irgendein Präsident, der das lose zusammenhält. Oder ist es eben ein starker Präsident, der dann wirklich auch für alle spricht und Außenpolitik bestimmt, die ja nun auch eine Rolle spielen musste? So.

00:16:26: Marko Das war nicht klar.

00:16:27: Matthias Nein, das war erst mal nicht klar und da gab es verschiedene Ansätze. Also der Süden wollte, dass die einzelnen Staaten weitgehend ihre Rechte haben, Die wollten auch nicht mehr diskutieren über die Frage Ist Sklaverei noch erlaubt oder oder nicht?

00:16:39: Marko Was für sie ja wahrscheinlich auch existenziell war, weil solche Riesen-Ländereien hätte man ohne Sklaven damals überhaupt nicht bewirtschaften können.

00:16:46: Matthias Überhaupt nicht.

00:16:46: Martin Oder nicht so profitabel? Na ja, im.

00:16:48: Matthias Ja aber im Grunde, im Grunde gar nicht. Und im Norden gab es eben aber auch schon Ansätze, diese Sklaverei zu verbieten und in einigen Staaten war sie auch verboten. Und da hatten jetzt die Südstaaten schon Sorge. Wenn es jetzt eine starke Zentralregierung gibt, die womöglich noch vom Norden bestimmt wird, dann kommen die und sagen, sie wollen das überall nicht mehr. Also das spielte da schon eine Rolle, was wir, wenn wir die Geschichte ein bisschen kennen, wissen, das spielt noch eine viel größere Rolle. Aber da war das schon so eine Frage, auch die Sklaverei. Letztendlich haben sich die Südstaaten durchgesetzt. Was die Sklaverei angeht, da durfte jeder Staat selbst entscheiden, ob sie die beibehalten wollen oder nicht. Was die Zentralregierung angeht, war es dann doch eher müssen der Norden. Also es gab dann doch die Einigung zu sagen, wir wählen ja einen Präsidenten, der dann auch mehr Einfluss hat als der Süden es gewollt hätte. Und insofern wissen wir, heute ist schon auch eine Zentralregierung vorhanden, die die gewisse Einflussmöglichkeiten hat.

00:17:43: Martin Ja, aber weit entfernt von dem, was sozusagen mit eiserner Hand in London zentral aus regiert wurde und wo ja dann eben da noch ein König und ein zentrales Parlament in London und von London aus bis in die kleinsten Regionen hinein regiert hat. Ein starker, zentralistischer Staat, so stark war das dann ja nicht in den USA. Wie stark war denn da dieser Präsident?

00:18:06: Matthias Das war tatsächlich auch so was in die Richtung im Gespräch. Also es war sogar kam der Vorschlag, den Präsidenten doch auf Lebenszeit zu wählen.

00:18:12: Martin Okay. Quasi Monarchie...

00:18:13: Matthias Nicht vererblich, aber quasi Monarchie. Ja, und dass die die Gouverneure der Staaten auch von der Zentralregierung ernannt werden sollten, dass sie ein Vetorecht kriegen soll die Zentralregierung gegen Gesetze der einzelnen Staaten, das wurde alles letztendlich abgeschmettert. Am Ende kam so eine Regelung bei raus, wo dann schon die Staaten und die Zentralregierung sich gegenseitig kontrollieren und gegenseitig die Rechte haben, aber keiner alleine durchregieren kann. Also weder die einzelnen Staaten können tun, was sie wollen, noch die Zentralregierung kann tun, was sie wollen: Checks and balances für jemanden, der sich mit Staatsrecht befasst, ist da so der Fachbegriff, sage ich mal, dazu. Es geht, aber im Grunde geht es um gegenseitige Kontrolle. Gewaltenteilung wurde sowieso zementiert, also Judikative, Legislative, Exekutive. Da gab es auch schon Vorbilder. Da hatte die Kolonie von Virginia auch schon eine eigene Bill of Rights, also eine Art Verfassung sich gegeben, wo so was drin stand.

00:19:05: Martin Aber können wir denn da wenigstens jetzt sagen, das ist mal ohne Abstriche fortschrittlich? Diese Gewaltenteilung, die ja bis dahin kaum irgendwo existiert hat?

00:19:14: Matthias Ja grundsätzlich schon, im Detail aber auch wieder nicht. Ja, natürlich. Weil es geht ja dann am Ende auch darum, wer wählt denn jetzt die Legislative? Also wer wählt denn das Parlament? Und dieser Streit ums Wahlrecht, der war ein ganz entscheidender. Da zeigt sich dann wieder dieser Freiheitsbegriff und der Gleichheitsbegriff. Es geht im Grunde darum, dass die Regierung nur dazu da ist, den Besitz von Menschen zu schützen. Und zwar auch da war es schon so der Gedanke. Im Grunde geht es darum, dass eine Minderheit natürlich immer was besitzt und eine Mehrheit eigentlich nicht. Und diese Mehrheit ist aber gierig und will was von dem Besitz abhaben. Und der Job der Regierung ist es, diese Minderheit von Besitzenden zu schützen. Das spielte so in den Köpfen eine Rolle. Und ganz deutlich wird das, finde ich, wenn man dann schaut, wie wird denn dieses Wahlrecht letztendlich ausgestaltet? Es gab da eiin gewisses Hin und Her. Es ging dann erst darum, dass es nur Besitzende kriegen sollten. Aber egal welcher Hautfarbe.

00:20:13: Marko Ab wann ist man Besitzender? Also muss man Land besitzen oder reicht es...

00:20:19: Matthias ...einen Betrieb zu besitzen? Ich glaube, das würde auch reichen. Also wenn ich einen Handwerksbetrieb habe, habe ich auch Besitz. So aber viel dokumentiert sich über Landbesitz auf jeden Fall.

00:20:28: Marko Oder ein Haus oder so was. Wenn man nach Europa guckt, zum Beispiel, da ist es dann oftmals so, dass ein Mensch ein Bürgerrecht von einer Stadt hat, wenn er in der Stadt ein Haus besitzt. Also es ist da so ähnlich. Also ich muss Land oder ein Haus besitzen oder ein Betrieb besitzen, aber irgendwas, was auf diesem Land irgendwie festsitzt, das kann dann ohne Landbesitz nichts.

00:20:48: Matthias Dann habe ich Besitz und dann bin ich es wert, geschützt zu werden.

00:20:52: Marko Also es reicht nicht, eine dreckige Unterhose zu besitzen, es wäre auch ein Besitz, aber das reicht nicht.

00:20:58: Matthias Auf den Punkt gebracht.

00:20:59: Martin Und - wie du gesagt hast - unabhängig von der Hautfarbe, also es war tatsächlich nicht rassistisch, sondern da war, dann schlug dann sozusagen Eigentum die Rasse.

00:21:10: Matthias Das ist tatsächlich ein Problem ist, das lasse ich noch mal Michael Hochgeschwender erklären.

00:21:15: Matthias Der ist Professor für amerikanische Kulturgeschichte.

00:21:17: Martin Es ist kompliziert.

00:21:17: Matthias Den haben wir auch im ersten Teil schon gehört, an der Universität in München. Den habe ich dazu lange befragt, und der hat mir auch dazu was erzählt.

00:21:25: O-Ton Prof. Hochgeschwender Das ist tatsächlich ein großes Problem. John Locke kennt keine reichen Schwarzen, aber in der Verfassungsphase geht man damit um. Es gibt einige durchaus, gerade interessanterweise die konservativen Revolutionäre, die späteren Federalists, die sagen: Also bitte, wer Eigentum hat und ein Mann ist, der hat das Wahlrecht. Punkt. Und da ist völlig egal, ob schwarz oder weiß. Indianer natürlich nicht. Indianisches Eigentum zählt nicht richtig, weil die angeblich kein Konzept von Eigentum hatten. Es sind dann vor allen Dingen die, wenn Sie so wollen, die radikalen Revolutionäre in dem Kreis um Thomas Jefferson. das sind die Siedler im Westen, das sind die Klein-Handwerker, die Gesellen, die besonders radikal sind in den Städten, und die entwickeln peu a peu die Vorstellung, dass nur Weiße Wahlrecht haben. Da aber dann alle, also was die wollen, ist weg vom Zensuswahlrecht, hin zu einem allgemeinen Wahlrecht freier weißer Männer. Und das führt dann in den 1810 Jahren dazu, dass alle freien weißen Männer das Wahlrecht erhalten, dass aber alle freien Schwarzen, die es bisher hatten, weil sie Grundbesitzer sind, das Wahlrecht entzogen bekommen. Da topt Rasse Klasse also die White Supremacy von heute stützt sich zum Teil wörtlich auf Thomas Jefferson und seine Anhänger. Das geht auch ganz stark in einer Blut und Boden Richtung. Also wenn sie vom Winde verweht. Das ist ja Jeffersons Ideologie: Die Republik freier Kleinbauern.

00:22:50: Martin So, also jetzt wird's aber wirklich richtig verwirrend. Das heißt, es gab vorher freie, besitzende, Schwarze, die das Wahlrecht hatten.

00:23:00: Matthias Ja.

00:23:01: Martin Und jetzt hatte jeder Mann - one man, one vote - aber nur, solange er weiß war.

00:23:08: Matthias Genau das war aus europäischer Sicht auch fast schon revolutionär, weil es gab jetzt nicht mehr ein Wahlrecht, was sortiert war nach Ständen und so, sondern jeder hatte eine Stimme, aber eben doch nur die weißen Männer mit nicht mal mehr Besitz. Letztendlich waren es dann am Ende weiße Männer. Genau. Wie hat er gesagt, da topt Rasse Klasse. Das war dann wichtig. Aber die Rasse, die Rassenunterschiede, die wurden damit natürlich zementiert.

00:23:31: Martin Und das Ganze auf der Basis dessen, was Thomas Jefferson so geschrieben hat, offensichtlich.

00:23:36: Matthias Den wir ja auch vielleicht in der Schule eher als sehr fortschrittlich wahrgenommen haben, weil er diese Unabhängigkeitserklärung formuliert hat, der dann aber auch so Sachen gesagt hat wie: "Freie Schwarze sind das Ungeziefer einer Gesellschaft. Die Schwarzen sind den Weißen unterlegen an körperlichem und geistigen Talent. Dieser mißliche Unterschied ist ein mächtiger Hinderungsgrund für die Gleichberechtigung dieser Leute." Also als ich über das Zitat gestolpert bin, habe ich auch gedacht, ich muss mein Bild von Thomas Jefferson etwas revidieren. Der war nun auch Sklavenbesitzer, war aber jetzt gar nicht so der riesige Verteidiger der Sklaverei. Aber er war ganz offensichtlich Rassist.

00:24:12: Martin Wie wahrscheinlich alle zu dieser Zeit. Also es gab in England Bestrebungen, die Sklaverei abzuschaffen, Abolitionismus, haben wir auch in der letzten Folge schon drüber gesprochen. Aber wahrscheinlich war das einfach die weitverbreitete Einstellung: Weiße sind überlegen -fertig.

00:24:28: Matthias Ja, es ist natürlich auch immer spielt das natürlich eine Rolle: Ich muss ja was abgeben, wenn ich von meinen Rechten was abgebe, weil jemand anders was haben will - mhm.

00:24:37: Martin Es sind dann nicht nur die Rechte, sondern im Zweifel auch Eigentum oder so etwas.

00:24:40: Matthias Im Zweifel auch Eigentum, im Zweifel auch Möglichkeiten zum Aufstieg. Also all das verteidigen die, ja. Und die verteidigen immer auch das Wahlrecht. Damit fängt es an, warum soll ich denn die alle wählen lassen? Die können mir ja in die Suppe spucken.

00:24:49: Marko Jetzt müssen wir natürlich bösartig auch sagen Ja, die haben ja auch aufseiten der Engländer gekämpft.

00:24:54: Matthias Ja, das hat aber keine Rolle mehr gespielt. Nein, das war nicht die Frage, sondern die Frage, um die es ging, war tatsächlich eine Rassismusfrage. Und dieser Rassismus war natürlich auch für die Südstaaten besonders wichtig, weil das auch für die dieses Argument lieferte, die weiter zu versklaven die Schwarzen. Also das ist ja auch ein bisschen die Frage was ist die Henne und was ist das Ei? Ich denke, mit der Sklaverei ist auch der Rassismus gewachsen, weil er einfach dann ein Argument geliefert hat, warum man diese Menschen als Besitz betrachten kann und sie so behandeln kann, wie sie sind. Sie sind ja unterlegen. Und es ist nicht, dass sie aus diesem Rassismus heraus versklavt wurden, sondern ich glaube ein ganzes Stück eben auch andersrum, dass der Rassismus dann als Begründung diente für die Fortsetzung der Sklaverei. Und die haben sich auch in dieser Verfassungsdiskussion durchgesetzt. Auch das war ein Thema. Soll die Sklaverei in allen Staaten, in den Vereinigten Staaten von Amerika verboten werden oder nicht? Nein, da wo sie existiert, darf sie weiter existieren. Und das war für die Südstaaten auch existenziell. Und das wurde. Da musste ich spontan an Putins Krieg in der Ukraine denken. Das wurde da in der Verfassung dann "peculiar Institution", "besondere Einrichtung" genannt, die Sklaverei. Es wurde also auch nicht beim Namen genannt, sondern "besondere Einrichtungen". Und das wurde festgeschrieben, das durfte bleiben.

00:26:08: Martin Jetzt steht aber in der Unabhängigkeitserklärung, dass alle Menschen gleich und frei sind und denen das Streben nach Glückseligkeit zugestanden wird. Von Natur aus. Das steht da.

00:26:20: Matthias Ja, das steht da und das ist auch ein Problem. Also die legen sich damit auch ein Ei ins Nest, weil natürlich alle, die für die Befreiung der Sklaven kämpfen und auch die die Gleichberechtigung der Ureinwohner, wollen natürlich sich genau darauf berufen können. Und das passiert auch immer wieder und immer häufiger.

00:26:36: Marko Es funktioniert natürlich genau dann, wenn ich denen das Menschsein abspreche. Wenn ich sage der Sklave ist kein Mensch oder zumindest kein vollwertiger Mensch. Der Indianer ist kein Mensch.

00:26:46: Matthias Da sagst du was mit vollwertig, weil das muss ich. Ich muss das loswerden, weil es mich auch beeindruckt hat. Im Zuge dieser Wahlrechtsdiskussion bei der Verfassung: Wir reden jetzt hier von einigen Millionen Sklaven, die im Süden lebten. Und die Südstaaten haben tatsächlich durchgesetzt, dass die bei der Zahl der Stimmen, die die einzelnen Staaten dann im zentralen Parlament bekommen sollten, mitzählen. Die durften nicht wählen, aber jeder Sklave wurde zu 3/5 als Bevölkerung mitgezählt, um den Stimmenanteil später im Kongress der einzelnen Staaten zu bestimmen.

00:27:20: Martin Entsprechend mehr Sitze haben die dann bekommen.

00:27:22: Matthias Ganz genau. Und dadurch waren die Südstaaten führend politisch plötzlich, weil sie so viele Sitze zur Verfügung hatten. Aber wählen durften nur die Sklavenbesitzer oder alle anderen, die dann auch von der Sklaverei profitiert haben im Süden.

00:27:35: Marko Also rechtlich gilt der Sklave als Sache, als Ding. Das heißt, je mehr ich von diesen Dingern besitze, von diesen Sachen, desto mehr Macht habe ich auch bei der Wahl, desto mehr zählt auch meine Stimme.

00:27:49: Matthias So ungefähr. Ganz genau so ist das. Das haben sie.

00:27:53: Marko Was für ein Scheiß-Land. Ist doch so! Ja, ist doch scheiße. Also ich würde, oder? Das kann man so nicht goutieren.

00:28:03: Martin Jetzt müssten wir mal gucken, was so in der Zeit in Europa so alles passiert ist, Weiß ich jetzt nicht. Also ich finde es ein bisschen schwierig, da jetzt so den Stab drüber zu brechen, aus der heutigen Perspektive heraus und zu sagen ja, das sind alles Idioten und Verbrecher gewesen, also das hat ja auch ein bisschen schwierig.

00:28:21: Matthias Wobei da könnte man jetzt tatsächlich anführen die Französische Revolution mit ihrer Erklärung der Menschenrechte 1789, das ist dieselbe Zeit, und die versteht sich wirklich universalistisch. Die haben wirklich den Begriff Mensch ist Mensch und jeder ist ein Mensch. Die ist wirklich für alle gemeint. Nun haben die aber auch in ihrem Land keine Sklaven. Und haben diese ganz konkreten Probleme nicht, oder? Oder eben auch...

00:28:46: Marko Und vor und vor allen Dingen. Man beruft sich immer auf diese Unabhängigkeitserklärung, auf die amerikanische Verfassung und stellt sie als etwas dar, was für die Menschenrechte da gewesen wäre. Das macht Amerika bis heute. Bis heute sieht man sich als Vorreiter dieser Idee. Und es stimmt ja einfach nicht. Das stimmt doch eigentlich gar nicht.

00:29:06: Martin Ja, historisch stimmt das nicht. Aber der Punkt ist es steht ja trotzdem so da drin und man kann ja durchaus...

00:29:11: Marko Aber es wird ja nicht so begriffen.

00:29:13: Martin Ja, Moment. Aber man kann ja nur sagen, es ist ja auch eine List der Geschichte, dass dann es eben möglich gewesen ist, dass Leute sich darauf berufen haben, nämlich Schwarze, nämlich Ureinwohner Amerikas und dann eben auch Frauen genau auf diese Formulierung berufen haben, auch wenn die gar nicht so gemeint gewesen sind. Und daraus ist eine, ja ein universalistischer Anspruch entstanden, den Herr Jefferson und auch Herr Washington vielleicht nicht und Herr Locke sicherlich nicht so gemeint haben. List der Geschichte könnte man vielleicht so sehen.

00:29:48: Matthias Muss sich die Herren Jefferson und Washington ein bisschen verteidigen, weil obwohl die selbst Sklavenbesitzer waren, wären die bereit gewesen zu sagen, lass uns die doch abschaffen. Also das war im Gespräch und das waren jetzt nicht die, die gesagt haben: Nein, wir brauchen unbedingt die Sklaverei. Das waren womöglich die, die gesagt haben: Na gut, wenn ihr die unbedingt noch braucht und wollt, dann machen wir es halt. Also es gab da schon Ansätze, die Sklaverei wirklich zu verbieten. Das Problem war - und wir haben ja auch schon drüber gesprochen, die waren wichtig. Plantagenwirtschaft ohne diese hunderttausende, Millionen von Sklaven wäre nicht gegangen, schon gar nicht rentabel. Und dann passiert halt folgendes: 1793, also in dieser Zeit, in der wir uns gerade befinden, wo man darüber diskutiert, wie organisieren wir unseren Staat, erfindet ein gewisser Eli Whitney die Cotton Gin. Cotton - Baumwolle - das war eine Maschine, die diese Baumwollblüten entkernen konnte, in einem Tempo, was vorher nicht vorstellbar war. Und plötzlich war diese Baumwollproduktion noch mal zigfach rentabler. Also plötzlich waren die Südstaaten natürlich überhaupt nicht bereit, diese Sklaverei aufzugeben.

00:30:53: Marko Diese Maschine - um noch einmal verständnishalber zu fragen - die ersetzt jetzt keine Sklaven, sondern sie macht die Sklavenwirtschaft noch effektiver.

00:31:01: Matthias Ganz genau. Also die Effizienz der Entkernung, sagt einer, 50 mal so groß wie vorher, wenn man das mit Hand gemacht. Das heißt, man braucht eher noch mehr Sklaven und noch mehr Felder, die man bewirtschaftet und wo man Baumwolle anbaute, weil man hatte jetzt diese Maschine, um diese Baumwolle auch wirklich zu verarbeiten. Das war eine Riesennummer für die Südstaaten. Und das war natürlich auch, da hat der Norden auch gesagt: Na gut, das ist ja ökonomisch auch nicht ganz schlecht. Und jetzt sind wir ja auch ein großes Land. Also das wurde zementiert in dieser Verfassung. So, das hieß natürlich, auch auch der Sklavenhandel in den USA boomte weiter. Ja, Menschen wurden verkauft und das, glaube ich, hat viele aufgebracht, weil da wurde natürlich bei so Sklavenmärkten wird ja so ganz deutlich, wie dieser Mensch eine Ware ist und das geschah ja auch öffentlich. Da musste man nicht auf eine Plantage gehen, heimlich, um zu gucken, wie die womöglich gefoltert wurden oder eingesperrt. Aber das geschah öffentlich auf den großen Plätzen in den Städten. Das haben viele mitgekriegt, das hat viele auch empört. Also da ist da dann auch eine Bewegung gewachsen. Dieser Abolitionismus, der auch in England schon eine Rolle spielte, ist dann auch rübergeschwappt. Auch aus religiösen Gründen haben sich viele dagegen gewandt, haben dann eben tatsächlich diesen Menschen-Begriff universalistischer gedacht, gedacht: Mensch, Gottes Geschöpfe sind wir doch alle. So. Und dann haben die ersten Staaten, also New York, New Hampshire haben gleich nach der Unabhängigkeit die Sklaverei abgeschafft. Dann haben die Methodisten, die auch ihren Einfluss hatten, also eine Religionsgemeinschaft, haben ein kirchliches Verbot der Sklaverei erlassen. Also wer Methodist war, durfte keine Sklaven mehr halten. Das war 1785. Die Baptisten in den Südstaaten, 1789, also in all dieser Zeit, in der wir auch diese Verfassungen schreiben oder in der die Amerikaner das tun, wächst schon auch eine Anti-Sklaverei-Bewegung.

00:32:42: Marko Trotzdem verzichtet man nicht drauf. Also...

00:32:44: Matthias Nein.

00:32:44: Marko ...wenn wir mal so auf Zahlen gucken: Wie viel Sklaven leben in der Zeit in diesen 13 Kolonien, weiß man das?

00:32:51: Matthias Also 1780, also noch während des Unabhängigkeitskrieges, war es etwa eine halbe Million und bis 1860 werden es 4 Millionen. Das hängt eben, wie gesagt, auch mit dieser Baumwolle- Maschine zusammen, dass man noch viel mehr Sklaven gebrauchen konnte.

00:33:05: Martin 4 Millionen Sklaven, Schwarze bei wie viel Einwohnern ungefähr in dieser Zeit?

00:33:12: Marko Ein bisschen über 30 Millionen waren das zu der Zeit in den USA.

00:33:15: Marko Das heißt, so jeder Achte ist ein Sklave, Das ist eine Menge.

00:33:18: Matthias Und die allermeisten im Süden, im Süden, wo eigentlich weniger Menschen lebten, also in South Carolina, waren 60 % der Bevölkerung an Sklaven, also mehr als die Hälfte.

00:33:27: Marko Dafür wog die eigene Stimme bei der Wahl dann auch mehr.

00:33:30: Matthias Genau das haben wir ja schon erklärt.

00:33:32: Marko Was wir noch nicht erklärt haben: Der erste Präsident.

00:33:35: Matthias Oh, da müssen wir noch mal zurück.

00:33:36: Martin Ja.

00:33:36: Marko Das ist ein bisschen schade eigentlich.

00:33:40: Matthias George Washington. Den wir ja gehört haben, der sich gar nicht so darum gerissen hat, Oberbefehlshaber dieser Unabhängigkeitsarmee zu werden.

00:33:46: Marko Weil er ja schon ziemlich geloost hat als englischer Soldat.

00:33:51: Matthias Genau. Aber da hat er sich bewährt. Er hat diesen Krieg ja letztendlich mit Hilfe der Franzosen gewonnen und das hat ihn dann auch prädestiniert, doch jetzt erster Präsident der unabhängigen Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. Auch da hat er sich, glaube ich, nicht drum gerissen um dieses Amt, wie schon nicht um das Amt des Oberbefehlshabers. Aber er hat es gemacht und hat es auch zwei Amtszeiten gemacht und ist damit in der Geschichte eingegangen.

00:34:12: Marko War damals auch schon vier Jahre...

00:34:15: Matthias Ja. Das wollten wir noch loswerden.

00:34:17: Martin Wie kommen wir jetzt wieder zurück?

00:34:18: Matthias Ja. Wir können auch noch erwähnen, auch Thomas Jefferson ist zum Präsidenten gewählt worden dann - 1805, glaube ich - war also auch einer der ersten Präsidenten.

00:34:28: Marko War Nummer drei, glaub ich.

00:34:29: Matthias Genau. Der Vater - genau - der Unabhängigkeitserklärung.

00:34:33: Marko Und wenn man jetzt bei Trivial Pursuit gefragt wird, wer war denn Nummer zwei, dann weiß man es nicht.

00:34:37: Martin John Adams...

00:34:38: Marko Ja, auch sehr gut. Sehr gut.

00:34:40: Matthias Guck mal, wir drei können - wir müssten uns anstrengen gegeneinander bei Trivial Pursuit.

00:34:48: Martin Ja, aber zurück zur Frage von Sklaven und der Abschaffung der Sklaverei, Abolitionismus. Also. das formierte sich zum Teil schon am Anfang. Du hast gesagt, einige Staaten haben das von Anfang an seit der Unabhängigkeit für abgeschafft erklärt. Und es gab religiöse Bewegungen, die gesagt haben: Nicht bei uns, wer bei uns mitmachen will als Methodist oder als südlicher Baptist, darf keine Sklaven halten.

00:35:15: Matthias Genau. Politisch war es schwierig, da jedenfalls von der Zentralregierung aus gegen die Sklaverei vorzugehen. Wir haben schon erzählt, dass der Süden bevorteilt war, weil er die vielen Sklaven als Stimmen für den Kongress praktisch geltend machen konnte und dadurch großen Einfluss hatte. Die meisten der ersten Präsidenten kamen auch aus den Südstaaten. Also da war man ein bisschen blockiert. Und dann stellte sich natürlich die Frage: Was machen wir mit neuen Kolonien? Diese USA - wir haben mit 13 Kolonien angefangen - die breitet sich aus, die geht nach Westen weiter vor, und dann kamen neue Besitzungen dazu, weil sie von Frankreich Louisiana kaufen. Das ist ein ganz riesiges Gebiet westlich der Appalachen, das sich wirklich von Nord nach Süd quer durch die heutigen USA zieht. Florida kommt hinzu. Und in all diesen Staaten stellt sich die Frage: Dürfen die Sklaven haben? Da sagen natürlich die Sklaverei-Gegner: Nein, auf keinen Fall. Wir müssen mindestens darauf einigen, dass alle neu hinzugekommenen Staaten das nicht dürfen. Und dann sagen die anderen: Das sollen die doch selbst entscheiden. Wieder diese Frage: zentrale Regierungsgewalt oder lieber Stärkung der Einzelstaaten? Und dann gab es 1850 ein - manche mögen ihn faul nennen - Kompromiss, weil Kalifornien aufgenommen werden sollte und Kalifornien sklavenfrei sein sollte. Und dann haben die Sklavenhalter gesagt: Ne, aber noch so ein sklavenfreier Staat. Und was machen wir denn, wenn uns die Sklaven weglaufen und haben so viele Möglichkeiten, irgendwo unterzutauchen? Wir brauchen jetzt ein Gesetz, was dafür sorgt, dass diese Sklaven, auch wenn sie in den Norden flüchten, in Staaten, wo Sklaverei verboten ist, gefälligst zu uns zurückkommen, weil hier unterliegen die anderen Gesetzen und da müssen sie wieder hin zurück. Das ist der Fugitive Slave Act, also [00:36:53]der [0.0s] entflohene Sklavengesetz. Das wurde 1850 vom Kongress verabschiedet. Und das war extrem perfide, weil natürlich dann Sklaven im Grunde sich nicht mehr sicher waren, nirgendwo in den USA. Die konnten nicht mehr einfach nach New York flüchten und sagen: Jetzt bin ich in einem Staat, wo Sklaverei verboten ist.

00:37:09: Marko Vorher ging das?

00:37:11: Matthias Ja, ja. Aber jetzt waren alle Bürger und Bürgerinnen verpflichtet, diese entlaufenen Sklaven zu melden.

00:37:17: Martin Und das hat der Süden mit der großen Anzahl seiner Stimmen durchgesetzt. Ich meine, das ist ja dann nochmal perfide, weil die Sklaven zählten ja mehr, oder bzw. die Sklaven zählten ja eben für die Stimmen des Südens...

00:37:31: Matthias Für deren Anteil im Kongress.

00:37:32: Martin Also haben die Sklaven selber dafür gesorgt, dass man sie besser verfolgen konnte.

00:37:36: Matthias Ja, genau. So. Und richtig perfide finde ich, dass die Richter, vor die dann diese Sklaven gebracht werden mussten, um zu entscheiden, müssen sie zurückgebracht werden: Wenn der Richter entschied: Ja, der muss zurück auf seine Plantage in den Süden, bekam der Richter 10 $. Wenn er den Sklaven, ich sage mal frei sprach, im wahrsten Sinne des Wortes, bekam er 5 $.

00:37:59: Marko Hab ich eben Scheißland gesagt?

00:38:02: Matthias So viel also zur Gewaltenteilung.

00:38:04: Marko Wer hat denn da protestiert, Martin? Also, ich finde es schon hart.

00:38:09: Matthias Ja.

00:38:10: Marko Also, es ist ein Land, dass die Richter besser bezahlt, wenn sie.

00:38:13: Matthias Sklaven wieder in die Sklaverei schicken.

00:38:16: Marko Das verträgt sich nicht mit den Idealen der Französischen Revolution. Da ist der europäische Kontinent weiter.

00:38:22: Matthias Und tatsächlich haben in den USA auch immer mehr Menschen gesagt: Scheißland. Also da sind die Konflikte auch hochgekocht zwischen Gegnern der Sklaverei und Anhängern. Das ist dann wirklich - als Kansas, als neuer Staat, jetzt, jetzt sind wir schon im mittleren Westen heutzutage aufgenommen wurde als neuer Staat, da gab es einen richtigen Bürgerkrieg um diese Frage, ob Kansas Sklaven erlauben soll oder nicht. Und in diesen total aufgewühlten Zeiten des Kampfes um ein Ende der Sklaverei oder nicht, hält der Bürgerrechtler Frederick Douglas eine, wie ich finde, eindrucksvolle Rede. Und Frederick Douglas ist nicht nur Schwarzer, sondern auch ein ehemaliger Sklave, der sich freikaufen konnte und seitdem für die Abschaffung der Sklaverei kämpft. Und er hält diese Rede vor einer Ladys-Anti-Slavey-Society in Rochester. Und wir befinden uns im Jahr 1855 und Frederick Douglas, wir haben das schon mal im ersten Teil angedeutet, fragt: What to the American slave is your 4th. of July? Was bitte für den amerikanischen Sklaven ist euer vierter Juli? Und das ist eben spannend, weil er bezieht sich damit auf die Unabhängigkeitserklärung und auf eben diese wichtigen Worte: Alle Menschen haben die gleichen, unveräußerlichen Rechte.

00:39:32: Martin liest Frederick Douglass-Zitat Dieser 4. Juli gehört Ihnen, nicht mir. Sie dürfen sich freuen. Ich muss trauern. Amerika ist falsch gegenüber der Vergangenheit, falsch gegenüber der Gegenwart und verpflichtet sich feierlich dazu, falsch gegenüber der Zukunft zu sein. Ich stehe bei dieser Gelegenheit an der Seite Gottes und des zerschmetterten und blutenden Sklaven. Im Namen der empörten Menschheit, im Namen der gefesselten Freiheit, im Namen der Verfassung und der Bibel, die missachtet und mit Füßen getreten werden. Wagen Sie es, alles in Frage zu stellen und mit aller Nachdruck anzuprangern, was dazu dient, die Sklaverei aufrecht zu erhalten, die große Sünde und Schande Amerikas. Was ist für den amerikanischen Sklaven ihr vierter Juli? Ich antworte: Ein Tag, der ihm mehr als alle anderen Tage im Jahr die grobe Ungerechtigkeit und Grausamkeit offenbart, deren ständiges Opfer er ist. Es gibt keine Nation auf der Erde, die sich schockierenderer und blutigerer Praktiken schuldig gemacht hat als die Menschen dieser Vereinigten Staaten.

00:40:43: Matthias Es ist schon, ich würde sagen, auf den Punkt gebracht.

00:40:47: Marko Ist nicht so gut auf das Land zu sprechen, ne.

00:40:49: Matthias Nein, spricht auch von ihr und ich und wir.

00:40:52: Martin Er gehört nicht dazu, das...

00:40:53: Matthias Ganz genau. Es ist ganz klar: Wir Sklaven sind eben nicht Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika und waren sie auch in dem Sinne nicht.

00:41:03: Marko Nun spricht er vor Frauen, einer Frauenbewegung?

00:41:06: Matthias Nein, er spricht diesen Fall vor einer von Frauen gegründeten Anti-Sklaven-Gruppe. Aber tatsächlich hat er auch vor Treffen der Frauenbewegung, einem ganz wichtigen in Seneca Falls, auch um diese Jahre gesprochen. Also Frederick Douglass war auch Frauenrechtler, wenn man so will, weil er gesehen hat, auch die waren ja nicht wirklich mitgemeint.

00:41:27: Marko Die durften auch nicht wählen.

00:41:29: Matthias Nein, die durften auch nicht wählen. Und die mussten auch tun, was die Männer ihnen sagten. Also den ging es deutlich besser als den meisten Sklaven, jedenfalls weißen Frauen. Aber ja - und das hat er früh erkannt und hat auch da sich engagiert.

00:41:41: Martin Das heißt, diese Rede, die er da gehalten hat, das ist nicht dabei geblieben, bei diesem beschränkten Kreis vor dieser abolitionistischen Frauenbewegung, sondern das hat weitere Kreise gezogen?

00:41:50: Matthias Nein, nein, der hat eine eigene Zeitungung hat der herausgegeben, Frederick Douglass. Der hat Schriften geschrieben, verbreitet, der war eine wirklich große Figur. Und also auch ein ganz stattlicher Mensch. Es gibt so alte Fotos von ihm, da sieht er so ein bisschen aus wie Karl Marx nur in Schwarz, mit so einem wilden Haarschopf und sehr stattlich, mit einem edlen Gehrock. Kräftiger Mann mit stolzem Blick. Der war relativ bekannt, Frederick Douglass, damals - Mitte des 19. Jahrhunderts - als Kämpfer gegen die Sklaverei.

00:42:19: Martin Und der macht jetzt den Kniff sozusagen, das in der Verfassung wörtlich zu nehmen, was da drin steht, aber was eigentlich gar nicht so gemeint war?

00:42:27: Matthias Ganz genau. Und ich hab darüber auch mit Michael Hochgeschwender gesprochen, dem Professor in München für amerikanische Kulturgeschichte. Genau darüber, dass das womöglich... Wenn man so will, haben die Verfassungsväter der USA da ein Tor geöffnet, was sie gar nicht gesehen haben.

00:42:44: O-Ton Prof. Hochgeschwender Das Interessante an der Unabhängigkeitserklärung ist ja, dass der ursprünglich eher exklusive Anspruch, der da in universalistischen Worten formuliert wird, seine eigene Überwindung in sich trägt und schon in der Revolution an sich war das eine sehr elitäre Kaste von Großgrundbesitzern, von Großhändlern, Groß-Bankiers, Piraten-Häuptlingen, wenn Sie so wollen, die das konzipiert hatten. Aber schon in der Revolution gibt es viele Weiße aus den unteren Klassen, die sagen: Na ja, wenn ihr dauernd von Freiheit redet, redet ihr auch von unserer Freiheit. Das heißt, es wird im Laufe der Zeit führt diese universalistische, naturrechtliche Sprache dazu, dass der Kreis derjenigen, der Rechte einfordert, immer größer wird. Und das machen auch die Abolitionisten. Die berufen sich ja ebenso auf die Unabhängigkeitserklärung und sagen: Ich lese da alle Menschen, Jetzt erklärt mir mal, warum Schwarze keine Menschen sind oder indianische Aktivisten. Ich lese da alle Menschen. Wir sind auch Menschen. Die Zeitbombe ist in dem Text drin. Deswegen kann man sich auf den auch berufen. Die Franzosen haben das als erste erkannt. Die machen eine allgemeine Erklärung der Menschenrechte, weil die Franzosen ein gefühltes Konzept von Menschen haben, anders als die Engländer. Und dann wird das tatsächlich universalisiert und dann können, was weiß ich: Ho Chi Minh schreibt seine Unabhängigkeitserklärung für Vietnam 1946 einfach von Thomas Jefferson ab. Oder die Frauenrechtsbewegung. Die schreiben das einfach alle ab und sagen: Na bitte, da steht's doch, jetzt berufen wir uns mal drauf.

00:44:13: Martin Also doch List der Geschichte.

00:44:15: Martin Wenn man so will.

00:44:16: Marko Wobei bei den Frauen verstehe ich es nicht, weil man kann es ja im Englischen nicht eindeutig übersetzen. Da steht all men. Und das Wort "men" bedeutet erst mal Männer. Es heißt aber auch Menschheit. Ja, also das heißt, es ist nicht eindeutig konnotiert. Ich könnte ja auch sagen: Das sind die Männer.

00:44:33: Matthias Das hätten die, glaube ich. Nee, nee, nee, das war schon als Mensch gemeint, wenn da "men" stand, Das hätten die auch auch nicht bestritten. Aber sie haben eben bestritten, dass Frauen daraus einen Wahlrechtsanspruch ableiten können. Also das glaube ich schon, und das ist nicht das Problem gewesen. Das Problem ist eben gewesen, dass solche Mühlen langsam mahlen und dass immer es ganz viele Menschen gibt, die ganz viel zu verlieren haben, wenn sie da ihre Rechte und sei es die Rechte an ihren Sklaven abgeben müssten.

00:45:01: Martin So, jetzt kann man sich auf vieles berufen, was in so einem Text steht. Aber Papier ist geduldig und das heißt ja noch nicht, dass das irgendwie sich in die Praxis umsetzen lässt, nur weil da, sage ich jetzt mal so, ein freigelassenen Sklave da laut für trommelt.

00:45:15: Matthias Absolut. Es gab dann auch zwei Jahre nach dieser Rede, 1857, gab es ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, der gesagt hat: Nein, die Sklaven werden nie frei sein, weil die Zentralregierung gar nicht beschließen kann, dass diese Sklaverei verboten wird. Das müssen die Einzelstaaten tun, und die haben ja kein Interesse dran. So. Das hat für große Empörung gesorgt, dass das jemand so deutlich ausgesprochen hat. Und man muss sagen, in dieser Zeit, Mitte des 19. Jahrhunderts, hat sich in den USA die Lage extrem polarisiert. Also über den Streit Wie gehen wir mit neu aufzunehmenden Staaten um? Dürfen die Sklaven halten oder nicht? Da hat sich das immer wieder entzündet. Es ist immer wieder auch zu wirklich gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen auf den Straßen. Und es ist... Also ich fühle mich daran erinnert, was Donald Trump heute mit den USA macht. So muss man sich das vorstellen. Also wirklich zwei Seiten, die sich gegenüberstanden und nicht bereit waren, dem anderen zuzuhören. Da gab es dann auch schon Verschwörungstheorien, wo man gesagt hat: Was ihr da erzählt als völliger Quatsch. Also man war nicht mehr bereit, miteinander zu reden. Die Stimmung muss man sich vorstellen. So.

00:46:18: Martin Also heute macht ja das Wort vom Bürgerkrieg schon die Runde, schon seit ein paar Jahren in den USA, dass von beiden Seiten davon gesprochen wird und die Frage eher ist, wann es knallt und nicht ob. War das zu dem Zeitpunkt auch schon so?

00:46:31: Matthias Also jetzt könnte man rückblickend sagen: Ja, wir steuern ja nun gerade darauf zu. Ich würde nicht sagen, dass die Menschen damals schon an Bürgerkrieg gedacht haben, aber was dann doch entsteht, ist eine Entfremdung der Nord- und Südstaaten, der Sklavenhalter-Staaten gegenüber den Staaten, die die Sklaverei verboten haben. Und eine ganz wichtige Figur, die dann auftaucht, ist Abraham Lincoln, den wir kennen als Präsidenten, der dann die Amerikaner tatsächlich in diesen Bürgerkrieg führt, wenn man so will. Der tritt damals erstmals auf, und der versteht sich als Mensch, der die Sklaverei abschaffen will, aber nun auch nicht um jeden Preis. Das ist ein bisschen schwierig. Es geht dann immer auch darum: Ich will ja auch eine Präsidentschaftswahl gewinnen. Der ist dann tatsächlich am Ende nominiert worden als Kandidat, weil er eben gemäßigter Gegner der Sklaverei war, weil den auch dann mehr Leute wählen konnten, weil er vor allem aber dafür eingetreten ist, dass diese Union zusammenbleibt. Und das war dann wirklich ein spannender Punkt, weil da deutete sich schon an, dass die Südstaaten, die Sklavenhalter-Staaten gesagt haben: Leute, wenn ihr uns so nervt, ja, dann machen wir unser Ding eben alleine. Also wir wollen diese Sklaven behalten, wir leben davon und unsere ganze Wirtschaft ist darauf aufgebaut, unser ganzer Wohlstand und da haben wir ein Recht drauf. Auch das steht ja in der Verfassung, wir haben ja dieses Streben nach Glück, das ist unser Streben nach Glück. Mischt euch da nicht ein in unseren Besitz, das war heilig.

00:47:56: Martin Jetzt kommt aber dieser Abraham Lincoln. Und der ist, wenn ich das richtig im Kopf habe, ein Republikaner.

00:48:05: Matthias Ja, diese Partei wird ja jetzt erst gegründet. Die gab es vorher gar nicht. Es gab wohl die Whigs. Aber die Parteien, die wir heute kennen, Republikaner und Demokraten, die entstehen genau zu dieser Zeit. Und die Republikaner waren damals aber die Fortschrittlichen. Wir würden das... Müssen jetzt mal umdenken.

00:48:22: Martin Also wir mussten schon eine Menge umdenken. Jetzt auch das noch.

00:48:24: Matthias Auch das noch. Also Lincoln war Mitbegründer dieser Republikaner und die traten ein für die Abschaffung der Sklaverei. Das war damals die fortschrittliche Partei. Die Demokraten waren die Partei der Sklavenhalter. Die waren aber gewissermaßen gespalten. Die gab es im Süden, da waren sie klar pro Sklaverei. Und die gab es auch im Norden. Da waren sie so: Naja, lass doch mal so weitermachen wie bisher und Kompromisse suchen. Und dann war das tatsächlich dieses Moment, was dazu geführt hat, dass Lincoln 1860 die Präsidentschaftswahl gewonnen hat, weil die Demokraten zwei Kandidaten aufgestellt haben. Im Norden und im Süden. Und Lincoln hat am Ende nur 40 % der Wählerstimmen, aber 59 % der Wahlmänner. Das haben wir heute auch manchmal noch, dass man gar nicht die absolute Mehrheit der Stimmen braucht in den USA, um die Präsidentschaftswahl zu gewinnen. Das war schon extrem mit 40 % der Wählerstimmen, weil die anderen sich gegenseitig die Stimmen weggenommen haben. Er hatte also in so vielen einzelnen Staaten die Mehrheit der Lincoln, dass er Präsident geworden ist. Und nun galt er aber als Verfechter der Befreiung der Sklaven. Und das haben jetzt einige Südstaaten zum Anlass genommen, tatsächlich zu gehen. Und jetzt steuern wir dann doch auf den Bürgerkrieg zu. Als erstes tritt dann South Carolina aus. Schnell danach Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, Texas. Und die wählen ihren eigenen Präsidenten. Jefferson Davis kommt interessanterweise aus Kentucky, genau wie Abraham Lincoln. Also so eng und weit auseinander ist es gleichzeitig. Der Lincoln macht auch noch ein Gesprächsangebot an diese Südstaaten und sagt: Ja, Mensch, wir haben uns doch bisher auch zusammengerauft und dann macht ihr halt weiter mit euren Sklaven, aber bleibt in der Union. Dann aber beschießen Truppen aus South Carolina Fort Sumter. Das ist ein Fort, das liegt in South Carolina. Aber da waren eben Unionstruppen stationiert, und das war im Grunde der Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs 1861. Und ein Jahr später schreibt Lincoln - und es ist sehr spannend - einen offenen Brief an die New York Tribune. Und da zeigt er im Grunde: Ja, ich war immer der Verfechter der Befreiung der Sklaven. Aber jetzt: Das Entscheidende ist die Einheit der Nation. Lies mal vor, bitte, Martin...

00:50:40: Martin liest Lincoln-Zitat Mein oberstes Ziel in diesem Krieg ist es, die Union zu retten. Es ist nicht, die Sklaverei zu retten oder zu zerstören. Könnte ich die Union retten, ohne auch nur einen Sklaven zu befreien, so würde ich es tun. Könnte ich sie retten, indem ich alle Sklaven befreite, so würde ich es tun. Und könnte ich die Union retten, indem ich einige Sklaven befreite und andere nicht, so würde ich auch das tun. Alles, was ich in Bezug auf die Sklaverei und die Schwarzen tue, geschieht, weil ich glaube, dass es hilft, die Union zu retten.

00:51:13: Martin Klare Prioritäten, klare Väter.

00:51:15: Marko Die Sklaven sind ihm scheißegal.

00:51:17: Matthias Du fasst es immer richtig lebendig zusammen. Ja, ja, ja. Ich glaube nicht, dass sie ihm scheißegal waren. Aber letztendlich ja.

00:51:26: Marko Irgendwie schon.

00:51:28: Matthias Klare Prioritätensetzung.

00:51:28: Martin Prioritätensetzung.

00:51:29: Matthias Also, wenn wir heute daran denken, dieser Bürgerkrieg war dazu da, die Sklaven zu befreien. Und Abraham Lincolns großes Ziel war es, die Sklaven zu befreien. Nein, das war es nicht.

00:51:38: Martin Schon wieder ein Krieg. Mit dem machen wir beim nächsten Mal weiter.

00:51:42: Marko Bevor der ausbricht.

00:51:45: Matthias Wir haben ja schon wieder 100 Jahre amerikanische Geschichte geschafft.

00:51:47: Marko Und sagen dir erst mal Danke, Matthias.

00:51:51: Mathias Ich komme wieder.

00:51:52: Martin Und zwar nächste Woche schon. Wir freuen uns drauf. Wenn euch diese Folge gefallen hat, dann sagt es allen Europäern, Amerikanern, allen Nord- und Südstaatlern und allen Verfassungsfreunden.

00:52:07: Marko Und wenn es euch nicht gefallen hat...

00:52:09: Martin ...dann sagt es bitte uns, und zwar nur uns. Unter www.diegeschichtsmacher.de findet ihr alle Informationen und auch die Kontaktinformationen, wo ihr uns erreichen könnt. Hinterlasst uns auch gerne Kommentare auf den Audio Plattformen wo ihr uns hört: auf Spotify, auf Apple, auf Podimo auf Dieser - was gibt es noch? Amazon, Audible, wo auch immer. Wir freuen uns über viele Sternchen und viele Kommentare und auf unseren Gast nächste Woche Matthias Wurms noch einmal herzlichen Dank. Und wir sagen Tschüss, bis zum nächsten Mal.

00:52:43: Matthias Tschüss.

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